Über Jahrzehnte brauchten sich insbesondere die Regional- und Lokalzeitungsverleger über ihre wirtschaftliche Situation keine Sorgen zu machen. Zweistellige Renditen und Monopolstellungen sicherten den Zeitungshäusern vielerorts eine komfortable Position. Mit den sich zuspitzenden wirtschaftlichen Zwängen geraten die alten Gewissheiten jedoch ins Wanken: Die Popularität digitaler Medienangebote lässt die Nutzungsdauern und Abonnementzahlen der klassischen Printmedien sinken. So wie die Auflagen unter Druck geraten, sinken auch die Reichweiten und damit die Erlöse aus dem Anzeigengeschäft. In Branchenkreisen ist bereits vom "Krisenverlierer Lokaljournalismus" (Fritz Wolf)
Neue Wettbewerber
Der Drang ins Internet
Beim Gros der Lokalpresse liegt der Fokus weiterhin auf der Finanzierung durch das klassische Geschäftsmodell aus
Wenn die klassische Querfinanzierung mittels Anzeigenumsätzen und zusätzlicher Verlagsprodukte ("Line Extension") nicht mehr ausreicht, ist es zwingend, alternative Finanzierungswege für ihre journalistischen Angebote zu erschließen. Viel zu lange blieb das Internet hierbei betriebswirtschaftlich ein blinder Fleck. Die geschäftlichen Überlegungen zielten hauptsächlich auf eine Refinanzierung der redaktionellen Online-Aktivitäten durch Werbeannoncen und das Rubrikengeschäft. Währenddessen hat sich der Werbemarkt in den vergangenen Jahren jedoch radikal verändert: Kleinanzeigen wanderten in weiten Teilen zu verlagsfremden Anbietern ins Internet, und die Werbebudgets der Industrie fließen mittlerweile vermehrt in Direct Marketing oder neue digitale Werbeformen über stark frequentierte Online-Destinationen wie Google oder Facebook. Zwar wurde das Internet mittlerweile als geeignetes Terrain für digitale Supplements und begleitende Sonderwerbeformen erkannt. Doch liegen die Anzeigenumsätze im Netz weit unter dem Print-Niveau. Ohnehin ist es für Lokalzeitungen unter dem Eindruck der stark fragmentarisierten Medienrepertoires der Nutzer schwierig, im globalen Internet mit Bordmitteln ein regionales Ortsgefühl und Bindungssystem aufrechtzuerhalten, das bis heute ihre eigentliche Geschäftsgrundlage – und ihren eigentlichen Wettbewerbsvorteil – darstellt.
Daher engagieren sich Lokalzeitungsredaktionen nun verstärkt in den sozialen Medien: Wenn Redakteure bei Twitter und Facebook schreiben, Follower und Freunde sammeln, trägt dies dazu bei, dass Medienmarken, aber vor allem die einzelnen Journalisten kenntlicher werden. Dies zielt vor allem auf die verloren geglaubten Digital Natives, die jungen Mediennutzer, die sich längst ihre eigenen Freundes- und Informationsnetzwerke bauen, statt nur auf einen lokalen Nachrichtenanbieter zu vertrauen. Geld verdienen lässt sich damit aber nur mittelbar; denn Werbeumsätze werden hierbei in erster Linie bei den Fremdanbietern erzielt. Der Verlag lernt dagegen die Leser seiner Zeitung, die vormals "unbekannten Wesen" (Stefan Niggemeier),
Investieren oder sparen?
Die Etablierung neuer journalistischer Geschäftsfelder setzt eine Stärkung der redaktionellen Infrastruktur voraus: Noch ist das Internet-Angebot von Lokalzeitungen meist von den Inhalten der Print-Ausgabe geprägt. Originäre Online-Inhalte und journalistische Innovationen wie die Entwicklung neuer Formate, z. B. durch den Einsatz mobiler Reporter oder beim Aufbau interaktiver, moderierter Communitys wird bei wenigen Lokalzeitungen so konsequent betrieben wie etwa bei der "Rhein-Zeitung". Was überregional bei "Spiegel Online" oder "Zeit Online" zumindest auf Projektebene unter anderem bei der Visualisierung komplexer Datenbestände ('
Um auf Dauer überlebensfähig zu bleiben, müssen Zeitungshäuser eine Diversifizierungs- und Rationalisierungsstrategie umsetzen und gleichzeitig in die redaktionelle Arbeit und journalistische Innovationen investieren. Einige Regionalzeitungsverlage wie der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag, die Madsack-Mediengruppe oder die Südwestdeutsche Medienholding setzen auf Expansion durch gezielten Zukauf von weiteren Lokalzeitungen – als Absicherung durch ein weitverzweigtes Netz von Standbeinen vornehmlich in Ballungsräumen mit wachsenden Einwohnerzahlen.
Die Suche nach neuen Geschäftsfeldern
Einer der vielversprechendsten Finanzierungswege für Journalismus im Internet sind digitale Abonnementmodelle, sogenannte 'Paywalls', die den Online-Zugriff nur gegen eine Gebühr erlauben, die in der Regel monatlich für das gesamte kostenpflichtige Nachrichtenangebot erhoben wird. Bisher ist dieses Erlösmodell vor allem durch Apps für Smartphones und Tablet-PCs populär, die von einigen Regionalzeitungsverlagen wiederum als Prämien für den Abschluss eines ePaper-Abonnements verschenkt werden. Dass es sich bei den mobilen elektronischen Trägern und den maßgeschneiderten Dienstprogrammen, den sogenannten 'Apps‘, um den aussichtsreichsten Zweig einer zukünftigen Erlösstruktur der Lokalpresse handelt, ist längst noch nicht entschieden. Skeptiker warnen vor einem Hype, der die zuweilen hohen Investitionen in die Programmierung entsprechender Apps nicht rechtfertige. Auf Dauer ist dies nur von Erfolg gekrönt, wenn die bereitgestellten Inhalte exklusive und qualitativ hochwertige Berichterstattung bieten, die den (neuen) Nutzungsgewohnheiten entsprechen und einen deutlichen Mehrwert zu alternativen Informationsangeboten darstellen.
'Location based Services' bieten Vermarktungspotenziale für lokale Medienhäuser, bisher sind es jedoch eher internationale Anbieter wie Foursquare, die davon profitieren. (© picture-alliance/AP, Foursquare)
'Location based Services' bieten Vermarktungspotenziale für lokale Medienhäuser, bisher sind es jedoch eher internationale Anbieter wie Foursquare, die davon profitieren. (© picture-alliance/AP, Foursquare)
Dem enormen Nachholbedarf bei der Umsetzung eigenständiger redaktioneller Online-Formate ist es auch zum Teil geschuldet, dass sich andere Finanzierungswege wie die Einzelbezahlung von journalistischen Inhalten, sogenannte Micropayments, nach dem Vorbild des im Online-Musikgeschäft dominanten Modells des iTunes-Stores von Apple nicht durchgesetzt haben. Auch die Spendenbereitschaft für einzelne Artikel (wie sie beispielsweise die taz nutzt), die über Bezahldienste wie Flattr, Kachingle oder gewöhnlichen Lastschrifteinzug geweckt werden sollte, hat bislang nur bescheidene Ausmaße erzielt. So könnten auf absehbare Zeit vermehrt marktfremde Dienste für Verlage eine attraktive Erlösalternative darstellen, um das schwierige Geschäft mit dem Lokaljournalismus auszugleichen: Großverlage wie die Axel Springer AG verlegen ihren Schwerpunkt mittlerweile auf nicht-journalistische Online-Geschäftsfelder und finanzieren ihre journalistischen Verlagsangebote durch den Erfolg von zugekauften Internet-Portalen wie z.B. Preisvergleichsanbieter oder Stellenbörsen. Für Regionalzeitungsverlage bietet sich entsprechend eine stärkere Aktivität auf lokalen Märkten an: insbesondere im Bereich der 'Location based Services' und Vermarktungs- und Kooperationsmodelle mit der Lokalwirtschaft. Bisher hat die Verlagsbranche dieses Feld fast ausschließlich nicht-journalistischen Unternehmen wie Dailydeal, Groupon oder Foursquare überlassen.
Umstrittene Rolle des Staates
Die angespannte Marktlage hat überdies zu Externer Link: Forderungen der Verlagsbranche nach einem Leistungsschutzrecht für die Presse geführt, das ihnen Gebühren für die gewerbliche Nutzung ihrer Verlagsangebote zusichert und damit ihre Rechte schützt. Dies betrifft nach der Vorstellung von Befürwortern auch die Nutzung von Zeitungswebsites auf Dienstrechnern. Die finanziellen Vorteile einer solch gesetzlich verordneten Erlösquelle für journalistische Digitalinhalte werden jedoch angezweifelt. Kritiker haben sich in einer Externer Link: Initiative gegen das Leistungsschutzrecht (IGEL) zusammengeschlossen. Darunter sind bekannte Blogger und Organisationen wie der Verband Freischreiber. Sie kritisieren unter anderem, dass die Rechte der Autoren nur unzureichend bedacht worden seien und dadurch geschwächt würden.
Der Staat tritt auch in dieser Frage in erster Linie als Regulator auf und sucht nach der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Lösungen, die den Interessen aller Beteiligten entgegenkommen. Gleichfalls konstatierte sie, dass eine gesetzliche Regelung kein Allheilmittel sei und appellierte in erster Linie an die Innovationsbereitschaft der Presseverleger, aus eigener Kraft neue Wege zu gehen.
Der Staat fördert bereits – beispielsweise über die "Nationale Initiative Printmedien" des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien oder das "Lokaljournalistenprogramm" der Bundeszentrale für politische Bildung – den Diskurs über die Zukunft des Berufsstandes. In den vergangenen Jahren wurden in der allgemeinen Diskussion über die Situation des Journalismus auch Überlegungen laut, die den Staat in einer stärkeren finanziellen Verantwortung für den Erhalt einer starken Presse und damit der Medienvielfalt sehen. Zuvorderst formulierte der Sozialphilosoph Jürgen Habermas die mögliche Notwendigkeit einer staatlichen Alimentierung der Presse, um sie und die Öffentlichkeit vor einem Marktversagen zu schützen. Eine direkte Finanzierung von wirtschaftlich angeschlagenen Zeitungen durch Steuergelder wird in Branchenkreisen zwar strikt abgelehnt, ein intensiveres medienpolitisches Engagement zur Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen aber vehement eingefordert, ob es sich nun um ein Leistungsschutzrechte für Verleger oder die Stärkung der Urheberschutzrechte für freie Journalisten handelt.
Stiftungen als Retter in der Not?
Auch rücken zivilgesellschaftliche Akteure bei der Suche nach alternativen Finanzierungsformen ins Blickfeld: Wenn der Markt bei der Finanzierung des Lokaljournalismus versagt, können Stiftungen, Vereine oder Mäzene als Förderer oder gar Träger in Frage kommen, solange sie die journalistische Arbeit finanziell absichern, ohne Einfluss auf Journalisten und Inhalte auszuüben. Die Auffassung einer zivilgesellschaftlichen Verantwortung zur Förderung des Journalismus berührt das Grundkonzept seiner demokratischen Verankerung insofern, als dass Organisationen, die sich qua Satzung einem gemeinnützigen Zweck verpflichtet haben, einen Beitrag für eine kritische Öffentlichkeit und die gesellschaftliche Selbstverständigung leisten können, wenn sie unabhängige lokaljournalistische Arbeit durch ihre Fördermittel erst ermöglichen. Empfänger von Stiftungsmitteln können dabei einzelne Journalisten sein (Stipendien), aber auch ganze Redaktionen.
Verfechter einer "Stiftung Journalismus" oder "Stiftung Recherche" betonen, dass eine zivilgesellschaftliche Förderung die Rolle des Journalismus als Gemeingut betonen würde und seinem Ausverkauf durch allzu rigide Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen entgegenwirken könnte. Eine Finanzierung durch Stiftungsgelder oder Vereinsmittel ist aber vorerst nur im begrenzten Rahmen kleinerer Projekte zu erwarten und nicht als Ersatz für die breite und historisch gewachsene privatwirtschaftliche Basis des Lokaljournalismus. Das Konzept eines gemeinnützigen Journalismus, der von stiftungsfinanzierten Redaktionsbüros (wie beim US-amerikanischen Vorbild Externer Link: ProPublica aus New York) und Vereinen (wie es etwa beim Berliner Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung Externer Link: n-ost praktiziert wird steht noch am Anfang.
Das Potenzial jedoch erscheint vielversprechend, vor allem dann, wenn sich zivilgesellschaftliche Förderung mit privatwirtschaftlichem Unternehmergeist verbindet: So zeigt das Beispiel der Externer Link: "Neuen Rottweiler Zeitung", die im Jahre 2004 aus Ärger über die Einstellung des örtlichen Lokalteils der "Schwäbischen Zeitung" von einem eigens ins Leben gerufenen Verein als lokales Gratisblatt auf den Weg gebracht wurde, dass engagierter Lokaljournalismus crossmedial – online und gedruckt – mit Vereinsförderung und der Gründung einer Verlagsgesellschaft möglich und erfolgreich sein kann.
Angesichts der unsicheren Zukunft der klassischen Erlösstruktur der Lokalpresse und des fortschreitenden Medienwandels stehen sich Bedrohungen wie die 'Entöffentlichung' lokaler Räume und Chancen wie Bürgernähe und Bürgerbeteiligung bei der journalistischen Arbeit weiterhin gegenüber und machen die Suche nach alternativen Finanzierungswegen für den Lokaljournalismus zur öffentlichen Aufgabe.
Tipps zum Weiterlesen
Debattenportal "Vocer", Herausgegeben vom gemeinnützigen Verein für Medien- und Journalismuskritik (VfMJ) Externer Link: Vocer.de
Habermas, Jürgen (2007): "Keine Demokratie kann sich das leisten". Medien, Märkte und Konsumenten: Der Philosoph Jürgen Habermas, 77, sorgt sich um die Zukunft der seriösen Zeitung. Ein Essay. In: sueddeutsche.de vom 16. Mai 2007.
Externer Link: http://www.sueddeutsche.de/kultur/juergen-habermas-keine-demokratie-kann-sich-das-leisten-1.892340
Kramp, Leif/Weichert, Stephan (2012): Innovationsreport Journalismus. Ökonomische, medienpolitische und handwerkliche Faktoren im Wandel. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.
Externer Link: http://library.fes.de/pdf-files/akademie/08984.pdf
Niggemeier, Stefan (2006): Der Leser, das unbekannte Wesen. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 2. April 2006, Seite 33.
Externer Link: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/zeitung-der-zukunft-der-leser-das-unbekannte-wesen-1330869.html
Wolf, Fritz (2010): Salto Lokale. Das Chancenpotential lokaler Öffentlichkeit. Zur Lage des Lokaljournalismus. Mainz: MainzerMedienDisput.
Externer Link: http://www.netzwerkrecherche.de/files/mmd-studie-lokaljournalismus-2010.pdf