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Kommentar: Die Medien der Migration / Die Migration der Medien | Die fünfte Wand. Ein Blick auf Migrations- und Mediengeschichte | bpb.de

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Kommentar: Die Medien der Migration / Die Migration der Medien

Nanna Heidenreich

/ 12 Minuten zu lesen

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist immer auch ein migrantisches Medium gewesen, meint Nanna Heidenreich. Die Beiträge von Navina Sundarams hätten migrantischem Wissen dort eine Stimme verliehen.

In der Reihe „Nahaufnahme” des Norddeutschen Rundfunks befragt Navina Sundaram den Facharbeiter Abdul Rahman für ihren Beitrag „Meine Stadt, deine Stadt”, 1976. (© Norddeutscher Rundfunk)

Navina Sundaram war die erste festangestellte, „nicht-biodeutsche“ Person im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen. Sie arbeitete als Sprecherin, als Redakteurin, als Journalistin. Ihre Präsenz war etwas Besonderes. Warum eigentlich?

Im Wikipedia-Eintrag zu Sundaram steht: „Sie moderierte als erste Fernsehjournalistin mit Migrationshintergrund renommierte Sendungen wie den Weltspiegel, extra 3 und Panorama.“ Beim Begriff Migrationshintergrund findet sich eine Fußnote, die auf einen Text Sundarams verlinkt, in dem sie sich 2008 mit der Frage nach ihrer Verortung befasst. Sie denkt darüber nach, was ihre Migrationserfahrung auszeichnet, was „normal“ ist und woraus sich eine Identität zusammensetzt, sich zusammensetzen lässt, wo sie sich dem Zusammensetzen entzieht. Oder wie sie bereits zehn Jahre zuvor schrieb: „Befremdung, Entfremdung, Verfremdung, wurzellos und frei, verwurzelt und verwurschtelt, Einfalt/ Vielfalt, Doppelperspektive, Grenzen grenzenlos verwischt. Rollenspiele allesamt. Identitäten kreieren? Vielleicht sollte ich mir eine völlig neue Identität zulegen, eine Rekonstruktion, frei erfunden nach imaginären Erinnerungen von hier und von dort und mit sanften Ironien zusammengefügt.“

Als Sundaram 1964 begann, beim Norddeutschen Rundfunk zu arbeiten, war das Umfeld, in das sie kam, einerseits geprägt vom restaurativen Verständnis Nachkriegsdeutschlands – die Ära Konrad Adenauer war gerade von einem weiteren CDU-Bundeskanzler, dem „Wirtschaftswunderkanzler“ Ludwig Erhard, abgelöst worden, eine umfassende und kritische gesellschaftliche, politische, wissenschaftliche und mediale Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hatte noch nicht begonnen. Andererseits war migrantische Präsenz allgegenwärtig, es war die Zeit der sogenannten Gastarbeiterära. Im Jahr von Sundarams Ankunft wurde mit großer Medienresonanz eine andere Ankunft gefeiert, die des (nach offizieller Zählung) millionsten Gastarbeiters, des portugiesischen Zimmermanns Armando Rodrigues de Sá. Das Bild seiner „Ehrung“ mit der Übergabe eines Blumenstraußes und eines Mopeds wurde zu einem ikonischen Teil der Selbsterzählung deutscher Gegenwartsgeschichte.

Gastarbeiter, Ausländer – sie sollten kommen aber nicht bleiben. Sie sollten lediglich eine funktionale Rolle auf dem Arbeitsmarkt erfüllen. Eine Person wie Sundaram markierte hier sichtbar eine Differenz, als mediale Präsenz, die zudem eine Stimme hatte. Sundarams erwähnte Selbsterzählung von 2008 ist (ebenso wie die von 1998) auch eine Auseinandersetzung mit den Konjunkturen des Rassismus, sie selbst verwendet den diskurshoheitlichen Begriff „Ausländerfeindlichkeit“. Sundaram fragt medienkritisch: „Wer sprach schon wieder über wen, für wen und wozu?“ Auf diese Frage möchte ich mit dem Begriff des migrantischen bzw. des migrantisch situierten Wissens antworten.

Migrantisch situiertes Wissen

Mit dem Begriff des migrantisch situierten Wissens ist ein Wissen gemeint, das sich dem üblichen Wissen über Migrant*innen (zumal als Herrschafts-, Verwaltungs- und Regierungswissen) widersetzt und das geteilt und damit gemeinschaftlich ist, dabei vielfältig und vor allen Dingen kritisch und widerständig. Der Begriff geht auf die Auseinandersetzung mit dem „NSU-Komplex“ zurück. Während in einer Vielzahl von Medien und vor allen Dingen im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen weiterhin Täter-Opfer-Umkehr betrieben und die Familien der NSU-Mordopfer unter (rassistisch motivierten) Generalverdacht gestellt wurden, war es migrantisch situiertes Wissen, das den NSU-Komplex längst deutlich benannt hatte. Diese Benennung blieb jedoch zunächst unbeachtet, es gab schlicht keinen Resonanzraum, keinen Raum, in dem Opfer Gehör fanden. Der Begriff Migrantisches Wissen meint aber nicht einfach ein „informelles“, in den staatlichen Institutionen nicht präsentes Wissen, quasi ein Wissen von unten. Es ist vielmehr ein Wissen, dass diese Institutionen und damit auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durchzieht – auch wenn es hegemonial zu einem Wissen „von unten“ (was immer auch damit klassenpolitisch gemeint ist) gemacht wird. Exemplarisch sei hier das gesellschaftliche Teilsystem von Schule und Bildung erwähnt, welches die Historikerin Stefanie Zloch für ihre Studie Das Wissen der Einwanderungsgesellschaft untersucht hat. Im Bildungssystem verbinden sich aus ihrer Sicht „unterschiedliche Dimensionen des Wissens“, „konkret des Governance-Wissens, des Wissens von Expertinnen und Experten aus Pädagogik, bildungsbezogenen Sozialwissenschaften und Migrationsforschung sowie des selbstorganisierten Wissens von Migrantinnen und Migranten, das regelmäßig in einem Spannungsverhältnis von bildungspolitisch anerkanntem Wissen, identitätsstiftendem Wissen und Alltagswissen stand.“

Zloch merkt jedoch an, dass eine „Wissensgeschichte der deutschen Einwanderungsgesellschaft seit 1945“ sich auf unterschiedliche Weise schreiben ließe. Das Online-Archiv "Die fünfte Wand" ist eine dieser unterschiedlichen Weisen, und es fokussiert auf ein anderes gesellschaftliches Teilsystem – das einer medialen Öffentlichkeit.

Migrantisches Wissen in den Medien / Migrantisches Medienwissen

So wie migrantisches Wissen da ist (und nicht erst abgefragt, eingeladen, hergestellt werden muss), gibt es eine migrantische Präsenz im Medialen. Diese Präsenz findet sich bereits im Kino der 1950er Jahre, wie die Film- und Medienwissenschaftlerin Maja Figge am Beispiel bundesrepublikanischer Filme dieser Jahre untersucht hat. In diesen Filmen sei nach 1945 Deutschsein als „Weißsein“ auch über rassistische und sexualisierte Auslassungen, Verschiebungen und Umdeutungen „(wieder-)hergestellt“ worden. Einerseits sei in den restaurativen Filmen der Adenauer-Ära die deutsche Gewaltgeschichte von Nationalsozialismus und auch Kolonialismus ausgeblendet worden. Andererseits seien in den Filmen auch Schwarze und „migrantische“ Personen zu sehen, die aber die Funktion hätten, das Selbstbild der Bundesrepublik als „bereinigt“ zu bestätigen. Dennoch würde ich im Anschluss an Figges Thesen festhalten, dass die migrantischen Figuren das bereinigte Selbstbild letztlich auch in Frage stellen – denn sie sind nicht zu übersehen, zumindest dann nicht, wenn die Filme mit kritischem Blick betrachtet werden.

Migrantische Präsenz findet sich aber auch auf der Tonspur, in der Musik, im Radio und auch im Fernsehen, nicht zuletzt in den mehrsprachigen Hörfunksendungen der ARD-Anstalten – die erste sogenannte „Gastarbeitersendung“ fand ebenfalls 1964 statt, ein Wunschkonzert für Spanier*innen – und später dem sogenannten Ausländerprogramm der ARD (das 2002 endgültig eingestellt wurde). Radio und Fernsehen (in der Bundesrepublik) als Schauplatz auch und gerade von migrantischem Wissen zu sehen, mag überraschen – ist es doch vor allem als Medientechnologie des Nationalstaats zu verstehen, die zu dessen Synchronisierung und Hegemonialisierung beiträgt. Gerade im Konzept des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, also der Kontext von Navina Sundarams Schaffen, kommt auch ein Anspruch auf Aushandlung zum Ausdruck, eben jener Anspruch, den der britische Soziologe Stuart Hall in seiner Studie zu aktiven Nutzung, Aneignung und auch Umdeutung von TV durch ein vermeintlich ausschließlich passiv berieseltes Publikum mit den Begriffen Encoding/Decoding als aneignende und gestaltende Medienpraxis beschrieben hat.

Diejenigen, die vermeintlich von den Programmentscheidungen ausgeschlossen sind und die Programmatik des Fernsehens nicht mitbestimmen können (oder zumindest zu einem bestimmten historischen Moment nicht konnten), haben immer auch ein Wörtchen mitzureden, d.h. sie reden immer schon mit. „Denn Fernsehen ist Technik, Institution und Programm, aber eben auch Seismograph der Gesellschaft, ‚Produkt der gesellschaftlichen Modernisierung und zugleich Transmissionsriemen sozialer Veränderungen‘ (Hickethier 1998, 1), Medium der Öffentlichkeit, Kulturtechnologie, ein Modus der Weltwahrnehmung, ein Gerätekasten im Wohnzimmerschrank, eine ästhetische Erfahrung, ein Dispositiv, Teil eines medialen Ensembles, Bilder & Töne, Alltagspraxis, Zuschauen & Mitmachen usw.“, wie es die Medienwissenschaftlerin und Fernsehforscherin Judith Keilbach bereits vor 20 Jahren formuliert hat.

Fernsehen ist damit auch ein migrantisches Medium: Migration hier verstanden als politische und soziale Bewegung, die Veränderungen erkämpft, auch und gerade „in den Medien“. In BESTES GERICHT/ EN IYI MAHKEME sieht die Künstlerin Cana Bilir-Meier gemeinsam mit ihrer Cousine Ausschnitte aus einer Scripted-Reality-Gerichtsshow an, die viele Jahre im Vormittagsprogramm eines deutschen Privatsenders gelaufen ist. Ihre Cousine hat in dieser Sendung verschiedentlich Rollen übernommen, zumeist Klischees „der Türkin“, für die sie entsprechend in „Ethnic Drag“ erscheinen musste (Haarfarbe, -schnitt, Kopftuch, Kleidung): Putzfrau, verschleppte Tochter usw. Das kurze Video, ein Beitrag zu den Spots für das Kunstprojekt „Tribunal NSU-Komplex auflösen“, zeigt einen rassistischen Imaginationsraum einer deutschen „Mehrheitsgesellschaft“ (hier nicht empirisch begründet zu verstehen, sondern als die Selbstbeschreibung einer Dominanzgesellschaft, die Deutsche ohne Migrationshintergrund als entscheidende Mehrheit begreift) und strategische und findige "migrantische" Aneignung des Mediums Fernsehen auch als Möglichkeitsraum für Träume von Schauspielkarrieren und Auftritten (ich wähle hier gezielt nicht den Begriff der Sichtbarkeit).

Fernsehen steht für die Einübung des Blicks, der Wahrnehmung, aber diese Einübung ist auch eine Frage des Ins-Verhältnis-setzens: Fern-sehen als Heranholen von dem, das anderswo ist – ist das dann nah oder bleibt es fern? Wem und wohin gehört es? Welchen Raum erzeugt Fernsehen, gerade als Technologie des Innenraums, des Wohnens, des „Zuhause“?

„Migration ist nicht zuletzt das Recht auf eine andere Geschichte“

Navina Sundaram hat Interviews geführt, die ich als aktivierend beschreiben würde. Sie war dabei Protagonistin vor und hinter der Kamera, aber nicht mit dem Effekt, dass sie den eigentlichen Protagonist*innen den Raum genommen hätte, im Gegenteil – sie hat sich dazugesellt, also in Gesellschaft begeben, um Gesellschaft zu erzeugen, zu verändern. Ihre bemerkenswerte Präsenz im „deutschen“ Fernsehen hat manche Menschen überhaupt erst dazu gebracht, mit eben dieser Institution ins Gespräch zu kommen. Selbstverständlich ist die Zustimmung zum Interviewt-werden auch das Ergebnis der Autorität ebendieser Institution.

Die beiden Initiator*innen, Autor*innen und Herausgeber*innen der „Fünften Wand“, Mareike Bernien und Merle Kröger haben dieses Projekt von Anfang an ebenfalls als Aktivierung (durch Rezeption) angelegt: sie haben zu Kommentaren zu verschiedenen Produktionen und Filmen von Navina Sundaram eingeladen – ich durfte mich beispielsweise mit Sundarams Film MEINE STADT, DEINE STADT von 1973 befassen. Darin portraitiert sie die Stadt Mannheim anhand zweier Industriearbeiter, die beide bei Mercedes-Benz tätig sind: Heinz Schmidt, deutscher Facharbeiter und Abdul Rahman, Gewerkschafter und Vertrauensmann im Betrieb, „aus der Türkei“. Heinz Schmidt hat, so Sundarams Kommentar, „eine vorgefasste Meinung über Ausländer. Diese Aufnahme ist nur zustande gekommen, weil das Fernsehen darum gebeten hat.“ Heinz Schmidt hält mit seiner Meinung nicht zurück, gleichzeitig zeigt sich vor der Kamera – und Sundarams Präsenz? – ein Unbehagen, das andeutet, dass Schmidt sich seiner Sache lieber weniger öffentlich versichert sähe. Rahmans Sprache ist hingegen für die Kamera gezielt gewählt – Sundaram führt ihn im Film als „gewählt“ vor (als Vertrauensperson und damit als Ausnahme) um dann zu kommentieren, dass beides einander bedingt: „Hier spricht ein Gewerkschaftsdiplomat, einer der immer abwägt“, einer, der sich verpflichtet fühlt, „vor der Kamera so aufzutreten“. Schmidt ist stolz auf seine präzise Schleifarbeit, Rahman auf seine präzise Analyse. Der Film lässt die Differenz, die eigentlich dessen dezidierter Ausgangspunkt ist, nicht zu, oder eher: er arbeitet dagegen an und bringt zwei Stimmen zusammen, die sonst nicht ins Gespräch gekommen wären, auch wenn beide „Benzler“ sind und eben auch „Mannemer“. Dabei geht es nicht um eine Gleichsetzung von „Meinungen“, sondern um die filmische Zusammenführung von politisch bedingten Ungleichzeitigkeiten und räumlichen Trennungen.

So parallelisiert der Film die Binnenmigration vom Land in die Stadt und die internationale Migration über Staatsgrenzen hinweg – beide haben ökonomische und damit letztlich politische Ursachen. Wie ich an anderer Stelle mit Bezug auf die Argumentation des postkolonialen Literaturwissenschaftlers und Kulturtheoretikers Homi K. Bhabha in „DissemiNation“ formuliert habe, ist die Geschichtsschreibung des Nationalstaats von der Pflicht zu vergessen charakterisiert. Die rhetorischen Strategien der Nation erzeugen eine homogene Zeit, in der Gegenwart und Vergangenheit nahtlos ineinander aufgehen (sollen). Die Sprache der Migration fügt sich nicht darin ein. Allerdings muss dieser anderen Zeitlichkeit, also den gelebten Erinnerungen und Erfahrungen, „narrative Autorität“ aktiv verliehen werden. Dieses Verleihen von Autorität – deren Verfügbarmachung – bedeutet aber nicht deren Vereinheitlichung. Was gesagt wird und von wem wird stets vom Hinweis auf die Bedingungen dieses Sprechens gerahmt.

Navina Sundarams Kommentare bestehen darauf, migrantisches Wissen nicht nur zu Gehör zu bringen. Vielmehr stellt sie dieses Wissen ins Zentrum (ins öffentlich-rechtliche Fernsehen). Sundaram sieht sich nicht nur als Vermittlerin, sondern schreibt sich als Teilhabende in dieses Wissen ein – und das auch und gerade als „First class immigrant“, die geholt wurde und die mit Privilegien ausgestattet nach Deutschland eingereist ist. Es ist kein Einschreiben in Gleichheit, sondern durchaus in Differenz. Aber eben nicht in die Differenz, die vorgesehen ist. Es geht ihr darum, migrantisches Wissen nicht fernzuhalten (als Wissen „von unten“, dem das Fernsehen gerne paternalistisch begegnet), sondern es scharf zu stellen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Begriff „biodeutsch“ ist eine polemische Wortschöpfung, die auf das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht reagiert: deutsch sei demnach, wer die richtige „Abstammung“ habe, nicht, wer in Deutschland lebe und auch nicht alle, die hier geboren wurden. Es ist die Antwort auf das schwierige Wort „Ausländer“, das ja nur zu oft eigentlich „Inländer“ meint und sie als nicht zugehörig markiert und ein Begriff ist, der rassistische Markierungen scheinbar harmlos zur Sprache bringt. Erstmalig soll der Ulmer Kabarettist und Karikaturist Muhsin Omurca den Begriff „biodeutsch“ in den 1990er Jahren verwendet haben. Virulent wurde er aber erst nach 2001, nach dem Erscheinen des Videos WEIßES GHETTO der Kölner Gruppe des antirassistischen Netzwerks Externer Link: Kanak Attak. Darin werden die rassistischen Markierungen und Begriffe wie „Parallelgesellschaft“ und „Ausländerghetto“ umgedreht und Passant*innen befragt, wie es sich in einem weißen Ghetto voller Biodeutscher lebe. Seither ist der Begriff in antirassistischen Kontexten (auch in Publikationen) verwendet worden. Es gibt aber auch neurechte Stimmen, die sich des Begriffs bedienen. Diese bestätigen damit die ursprünglich itendierte Bedeutung, die sich gegen rassistische Vorstellungen darüber richtet, wer oder was deutsch sein soll oder darf. Für die Autorin bleibt der Begriff einer antirassistischen Praxis verpflichtet.

  2. vgl. Externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Navina_Sundaram (Stand: 01.07.2024)

  3. Navina Sundaram: „Grüblerisches zum Thema ‚Heimat in der Fremde‘“, in: Heimatkunde. Migrationspolitisches Portal der Heinrich Böll Stiftung. Online unter: Externer Link: https://heimatkunde.boell.de/de/2009/01/01/grueblerisches-zum-thema-heimat-der-fremde Vom Migrationshintergrund oder polemisch zugespitzt vom Migrationsvordergrund zu sprechen, wie auch Sundaram 2013 in einer Rede beim Fachtag des Niedersächsischen Integrationsrats in Hannover das tat („Personelle Vielfalt in den Medien“. Online unter: Externer Link: https://die-fuenfte-wand.de/de/archiv/objekt/personelle-vielfalt-den-medien, Anmeldung im Archiv erforderlich) trägt letztlich den semantischen Gehalt des „Ausländers“ weiter. Siehe dazu ebenfalls Sundaram, in „Migrantinnen und andere ‚Fremde‘. Warum die Medien Schwierigkeiten mit dem Einwanderungsland Deutschland haben“, einem Beitrag zur Veranstaltung „Programmauftrag Interkulturelles Fernsehen“, Mainz 1998. Online unter: Externer Link: https://die-fuenfte-wand.de/de/archiv/objekt/migrantinnen-und-andere-fremde (Stand: 01.07.2024)

  4. Navina Sundaram: Notiz aus dem Jahr 2008, verfügbar auf der Externer Link: Startseite des Online-Archivs "Die fünfte Wand"

  5. Zur Problematik der Verschränkung von rassistischen V/Erkennungsdiensten und vermeintlicher Sichtbarkeit habe ich u.a. hier geschrieben: Nanna Heidenreich: V/Erkennungsdienste, das Kino und die Perspektive der Migration, Bielefeld: transcript 2015.

  6. Dabei bleibt ihre Auseinandersetzung nicht auf Deutschland beschränkt. Auch aufgrund der massiven rassistischen Gewalt der Wendejahre nimmt Sundaram das Angebot an, von 1992 bis 1993 als Korrespondentin nach New Delhi zu gehen, wo sie Zeugin des wachsenden Hindu-Fundamentalismus (auch hier ihre Wortwahl) wird, vgl. Sundaram 2008.

  7. Ebd.

  8. Damit sind nicht nur der NSU selber gemeint, also die vermeintlich kleine rechtsextremistische Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, die bis 2011 zehn Menschen ermordete, zahlreiche weitere verletzte und Raubüberfälle beging, sondern auch die bis heute trotz des aufwändigen Strafprozesses in München und parlamentarischen Untersuchungsausschüssen unaufgeklärten Verstrickungen von Polizei und Staat sowie weiterer Beteiligter und Unterstützer*innen in rechtsextremen Kreisen. Zum NSU-Komplex gehört auch eine Mitverantwortung der Medien sowie die meiner Ansicht nach weitreichende Ausblendung von strukturellem Rassismus in beiden deutschen Staaten seit 1945 und im wiedervereinigten Deutschland.

  9. Stephanie Zloch: Das Wissen der Einwanderungsgesellschaft. Migration und Bildung in Deutschland 1945-2000, Göttingen: Wallstein 2023, S. 627. Online unter: Externer Link: https://doi.org/10.46500/83535491 (Stand: 01.07.2024)

  10. Ebd.

  11. Maja Figge: Deutschsein (wieder-)herstellen. Weißsein und Männlichkeit im bundesdeutschen Kino der fünfziger Jahre, Bielefeld: transcript 2015.

  12. Vgl. Stuart Hall: "Encoding/Decoding", in: Centre for Contemporary Cultural Studies (Hg.): Working Papers in Cultural Studies, 1972-79, London: Hutchinson 1980, S. 128-138.

  13. Judith Keilbach: „Die vielen Geschichten des Fernsehens. Über einen heterogenen Gegenstand und seine Historisierung“, in: montage a/v, 14.01.2005. Online unter: Externer Link: https://www.montage-av.de/a_2005_1_14.html (Stand: 01.07.2024)

  14. Migrationsgeschichte ist auch Mediengeschichte – „oder wäre als solche zu schreiben“, vgl. Nanna Heidenreich: V/Erkennungsdienste, das Kino und die Perspektive der Migration, Bielefeld: transcript 2015, S. 12.

  15. Zum Begriff siehe Katrin Sieg: Ethnic Drag. Performing Race, Nation, Sexuality in West Germany, Ann Arbor: University of Michigan Press 2002.

  16. Alle Spots des Projekts sind online verfügbar unter: Externer Link: https://tribunal-spots.net (Stand: 01.07.2024)

  17. vgl. dazu auch das Interview von Ayşe Güleç mit Cana Bilir-Meier: „Bewegungen zwischen Archiven – Dekolonisierung von Disziplinen“, in: Camera Austria 141/2018, S. 33-44.

  18. Nanna Heidenreich: „Migration. Ein medienübergreifendes Gesamtverfahren“, in: Nicole Wolf (Hg.): Grenzfälle. Dokumentarische Praxis zwischen Film und Literatur bei Merle Kröger und Philip Scheffner, Berlin: Vorwerk 2021, S. 242-260, hier S. 244.

  19. Die Nachfrage einer Zuschauerin im Berliner Cinema Transtopia Anfang 2022 (im Rahmen der Filmreihe „Die fünfte Wand“) veranlasste mich dazu, Kontakt mit einem der Söhne von Rahman, Cengiz Abdul-Rahman, der als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig ist, aufzunehmen. Es zeigte sich, dass Rahman tatsächlich aus dem Iran stammte – seine Frau Gülda hingegen aus der Türkei (sein eigentlicher Name ist Yaseen Abdul-Rahman; Dank an Cengiz Abdul-Rahman für die großzügige Kommunikation). Im Film tritt Rahman jedoch repräsentativ – und sehr artikuliert – als einer der vielen türkischen Arbeiter in Mannheim auf. Ich spekuliere, dass er dies auch aus Solidarität zu den zahlreichen türkischen "Gastarbeitern" tat, die er als politischer Aktivist und Gewerkschafter vertrat und beriet. Politisch gesehen ist er das, als was er in diesem Film präsentiert wird: der ausländische Arbeiter, dessen Zugehörigkeit in Frage gestellt wird und der genau dafür ebenso wie für ein anderes Leben und für seine Rechte kämpft.

  20. Homi K. Bhabha: „DissemiNation. Zeit, narrative Geschichte und die Ränder der modernen Nation“, in: Ders.: Die Verortung der Kultur, Tübingen: 2007 [2000], S. 207-254.

  21. Heidenreich, Nanna: Migration. Ein medienübergreifendes Gesamtverfahren, S. 253.

  22. vgl. Navina Sundarams Kommentar "First Class Immigrant" vom 12.11.2004. Online unter: Externer Link: https://die-fuenfte-wand.de/de/archiv/objekt/first-class-immigrant (Stand: 01.07.2024)

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Nanna Heidenreich ist Medienkulturwissenschaftlerin und Kuratorin für Film, Video und politische und theoretische Interventionen und derzeit Professorin für Transkulturelle Studien an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sie lebt in Berlin und Wien.