Es gibt Ursachen für und Mittel zum Erfolg rechtspopulistischer Kräfte in heutigen westlichen Demokratien. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Der gesellschaftliche Kontext wie etwa Wirtschafts- und Währungskrisen, Migrationsbewegungen oder soziale Ungleichheit sind dabei eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für den Aufstieg von Rechtspopulisten. Erst durch den Einsatz eines organisatorisch-kommunikativen Instrumentariums kann auf Basis der gesellschaftlichen Umstände politische Unterstützung mobilisiert werden. Mit anderen Worten: Der Rechtspopulismus ist nicht allein ein politisches, sondern maßgeblich auch ein kommunikatives Phänomen. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass Rechtspopulismus, genauso wie Populismus im Allgemeinen, primär als politischer Kommunikationsstil verstanden werden sollte. Die Definition von Populismus allein als eine vereinfachte, emotionale, bürgernahe Form der Politikvermittlung ignoriert den ideologischen Kern von Populismus. Dieser denkt das Volk als eine homogene Gruppe, die von einer korrupten Eliten und den "Fremden" bedroht wird und einzig und allein durch den Populisten eine Stimme und wahrhaftige Vertretung findet.
Medienstrategie "Propaganda 4.0"
Die Medienstrategie, mittels derer rechtspopulistische Kräfte auch in Europa zu Spitzenverdienern der Aufmerksamkeitsökonomie geworden sind, lässt sich als "Propaganda 4.0" modellieren.
Der Delegitimierung der klassischen Medien, der Schaffung digitaler Alternativmedien, der Bildung einer kollektiven Identität mit Hilfe dieser eigenen Digitalkanäle sowie ein zunächst schizophren anmutendes, aber in Wahrheit strategisch-instrumentelles Verhältnis zu journalistischen Massenmedien. Im Folgenden werden zwei dieser vier Bestandteile der rechtspopulistischen Medienstrategie genauer beschrieben: das Netzwerk sogenannter neurechter "Alternativmedien" sowie die Schaffung einer kollektiven Identität unter den Anhängern, die auf der Abgrenzung zu den etablierten Parteien als politischen Repräsentanten und den etablierten Medien als Repräsentations- und Deutungsraum für gesellschaftliche Zustände beruht.
Europäische Gegenöffentlichkeit der Rechtspopulisten
Den Bedarf nach alternativen Informationsquellen in Teilen der Gesellschaft haben rechtspopulistische Kräfte durch die Diskreditierung etablierter Medien selbst mit geschaffen. Wenn die "Lügenpresse" notorisch die Unwahrheit verbreitet, braucht es neue Informationsquellen, die wahrhaftig berichten. Die parteinahen oder parteieigenen Medien treten in Form von eigenständigen Nachrichtenportalen auf oder sie sind auf Plattformen wie Facebook, YouTube, Twitter oder Instagram beheimatet. Die digitale Dominanz der Populisten kann man an den Followerzahlen und Reichweiten ihrer Profile und Seiten ablesen: Der Rassemblement National von Marine Le Pen hat mit 456.000 Facebook-Fans doppelt so viele Fans wie die Regierungspartei "La Republique En Marche!", die Emmanuel Macron ebenfalls mit Hilfe digitaler Medien aufgebaut hat. Geert Wilders hat in den Niederlanden die größte digitale Gefolgschaft (811.000 Twitter-Follower und 309.000 Facebook-Fans), die Fünf-Sterne-Bewegung liegt in Italien mit 1,4 Millionen Facebook-Fans ganz vorne. In Österreich ist die FPÖ mit 120.000 Facebook-Fans führend, in Deutschland die AfD mit 452.000.
Der Analysedienst Externer Link: Fanpage Karma hat nachgewiesen, dass emotionale Facebook-Posts zehnmal mehr Interaktion bekommen als solche, die unemotional und eher sachlich sind. Aufgezogen wie eine Emotionsmaschine, erreichen beispielsweise die Facebook-Beiträge der AfD regelmäßig Reichweiten im Millionenbereich. Der italienische Innenminister Matteo Salvini ignoriert regelmäßig die ihm hingehaltenen Mikrofone und Kameras, um stattdessen seine Botschaften über seine Facebook-Seite zu verbreiten. Fast täglich streamt er sich live und erreicht damit bis zu 8 Millionen Menschen. "Meine soziale Medien sind größer als die traditionelle Medien", sagt der Vorsitzende der Lega Nord über seine persönliche Gegenöffentlichkeit.
Strategische Netzwerke für den "Informationskrieg"
Die Strategie der Populisten geht jedoch auf. Die Skepsis gegenüber den etablierten Medien, vor allem den Öffentlich-rechtlichen, ist in ihrer Wählerschaft überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Intensiver als andere Wählergruppen konsumieren sie Nachrichten vornehmlich über soziale Netzwerke. Europaweite Studien haben mittlerweile einen Zusammenhang zwischen der verstärkten Nutzung von Social Media und der Skepsis gegenüber der EU nachgewiesen. Für die Europawahlen 2014 haben die beiden florentinischen Sozialwissenschaftler Lorenzo Mosca und Mario Quaranta belegt, dass Wählerinnen und Wähler, die sich stärker über soziale Netzwerke als über traditionelle Medien informieren, mit höherer Wahrscheinlichkeit europaskeptische Parteien gewählt haben.
Verbreitung gemeinsamer Narrative
Die zentrale Wirkmacht dieses neurechten Mediensystems entsteht auch durch die konzertierte Verbreitung und Wiederholung ganz bestimmter Narrative. Ein besonders beliebtes Narrativ ist jenes von der Bedrohung durch Migration und Islamisierung. Auf zehn populären Facebook-Seiten des neurechten Spektrums in Deutschland, darunter die Seiten der AfD, der Identitären Bewegung, des Compact-Magazins und der Nachrichtenseite "Politically Incorrect" kam dieses Narrativ im Zeitraum von April 2016 bis Februar 2017 853 mal vor.
Herausforderungen für die Europäische Demokratie
Die Herausforderungen, die sich aus der diskursiven Macht der "digitalen Rechten" ergibt, beziehen sich auf mehrere Ebenen. Zum einen betreffen sie die Strukturen der digitalen Öffentlichkeiten. Plattformen wie YouTube oder Facebook entwickeln nur zögerlich und auf öffentlichen Druck hin Mechanismen gegen Desinformation oder Hate Speech. Mehr Regulierung könnte ein Weg sein, um sie zu effektiveren Gegenmaßnahmen zu drängen. Außerdem sind mit der Pluralisierung des Informationsangebots auch die Anforderungen an die Nutzerinnen und Nutzer gestiegen. Sie müssen selbst Wahrheit von Unwahrheit oder seriöse von unseriösen Informationen unterscheiden können. Das heißt, Menschen müssen heute mit einer viel anspruchsvolleren Informationskompetenz ausgestattet sein, um im Dschungel von Fakten und Fakes navigieren zu können und nicht ständig Gefahr zu laufen, manipuliert statt informiert zu werden. Das sind Herausforderungen für die demokratische Gesellschaften in ganz Europa. Sie sollten deshalb auch am besten gemeinsam in Europa angegangen werden.