Spätestens seit der US-Wahl 2016 ist die Verbreitung von Online-Desinformationen und "Fake News" in aller Munde. Auch wenn Desinformationen keine neue Erfindung sind, gibt der Siegeszug des "Mitmach-Internets", dem Web 2.0, ihnen eine neue Dynamik. Dadurch, dass heutzutage nahezu jede/r Inhalte im Netz veröffentlichen kann, steigt nicht nur die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe – es ergeben sich auch neue Möglichkeiten zur Verbreitung von Fehlinformationen und Propaganda.
Die genaue Definition des "
Zweitens sind "Fake News" nicht unbedingt falsch. Mediennutzende werden oft eher mit systematisch verzerrten Meldungen konfrontiert als mit vollständig erfundenen Ereignissen. Schließlich können sowohl die Kerninformation (beispielsweise Bilder, Texte, etc.), als auch die Meta-Information (beispielsweise Headlines, Autorenschaft), oder der Kontext einer Nachricht (beispielsweise die Webseite) falsch oder verzerrt sein. Um Missverständnissen vorzubeugen wird daher im Folgenden bei strategisch fehlerhafter Kerninformation von Desinformationen gesprochen. Desinformationen im Gewand journalistischer Nachrichten, deren Meta-Informationen einen Faktizitätsanspruch suggerieren, werden als verzerrte Nachrichten bezeichnet. Geht es um einen medialen Kontext (etwa eine Webseite), der die Erscheinung journalistischer Massenmedien imitiert, aber die Standards journalistischer Herausgabeprozessen oder Absichten systematisch ignoriert,
Kritische Medienkompetenz im Kontext von Fehlinformationen
Medienkompetenz
Auf Basis der Forschung zu einer verwandten Form manipulativer Online-Kommunikation, extremistischer Propaganda, wurde vorgeschlagen, kritische Medienkompetenz in drei miteinander verbundene Dimensionen aufzuteilen: Bewusstsein (englisch: awareness), Betrachtung (englisch: reflection), und Befähigung (englisch: empowerment)
"Awareness" heißt in diesem Fall das Bewusstsein um die Existenz von Fehlinformationen. Hierzu gehört neben dem Wissen um verschiedenen Formen von Fehlinformationen (Desinformationen in Bild, Text, oder Videoform, verzerrte Artikel und politische Pseudo-Presse) auch ein vertieftes Verständnis darüber, wie Medien arbeiten und Online-Medien funktionieren. Hier besteht durchaus Aufklärungsbedarf: 41% der Deutschen wussten 2018 nicht, wie Nachrichten bei Facebook ausgewählt werden, weniger als ein Drittel (28%) war sich der Computeranalysen im Hintergrund bewusst.
Allerdings: Vorwissen alleine schützt nicht. Studien zeigen, dass Personen, die zuvor mit Fehlinformationen konfrontiert waren in Wissenstest falsche Antworten geben, selbst wenn sie die richtige Antwort eigentlich kannten. Besonders dann, wenn EmpfängerInnen nicht nachdenken während sie Informationen aufnehmen setzen sich Fehlinformationen fest.
Diese internen Strategien können jedoch irreführen. Das Vertrauen auf das eigene Wissen und die eigenen Einstellungen trägt dazu bei, dass Fehlinformationen, die der eigenen Meinung widersprechen, weniger hinterfragt und Widerlegungen ausgeblendet werden, wenn sie nicht zum Weltbild passen. Außerdem hängt auch die Bewertung der Glaubwürdigkeit einer Quelle davon ab, ob die Inhalte zur eigenen politischen Einstellung passen,
Dennoch prüfen Mediennutzende Online-Nachrichten nur dann detaillierter, wenn diese internen Kriterien zu keiner schnellen Entscheidung führen. Auch dabei verlassen sich einige noch passiv darauf, dass die Medien Falschmeldungen wohl widerlegen oder ihr soziales Umfeld sie auf Fehlwahrnehmungen aufmerksam machen würde. Das Risiko, dass Fehlwahrnehmungen dabei nicht auffallen, ist entsprechend hoch. Nur ein Teil prüft Online-Nachrichten aktiv indem Suchmaschinen oder Fact-checking-Seiten genutzt werden. Obwohl in einer Umfrage 2017 fast die Hälfte derjenigen, die angaben, "Fake News" zu kennen, berichteten, sie hätten schon einmal Fakten und Sachverhalte online geprüft, hatten nur 12% schon einmal eine Internetadresse (URL) oder den Link einer Quelle, und noch weniger hatten Fotos oder Videos genauer inspiziert.
Empowerment schließlich beschreibt die Befähigung des Individuums manipulative Inhalte im Netz zu erkennen, das Selbstvertrauen diese Fähigkeiten effektiv einsetzen zu können, und das Wissen um den besten Umgang mit derartigen Inhalten. Letztlich geht es um das Hinterfragen der Kerninformation (Aussage, Bilder oder Videos), der Meta-Informationen (zum Beispiel Überschriften, AutorInnen oder aggregierte Nutzerbewertungen) ebenso wie des Kontextes (beispielsweise Vertrauenswürdigkeit von Webseiten). Eine groß angelegte Studie in den USA, die Tausende von SchülerInnen und Studierende mit Aufgaben zur Identifikation von Quellen, zur Bewertung von Belegen und zur Konsultation weiterer Quellen konfrontierte, zeigte, dass diese Prüfungen selbst den sogenannten digitalen Eingeborenen schwerfällt.
Die Grenzen kritischer Medienkompetenz
Zwar können verschiedene Online-Dienste bei der Prüfung von Fehlinformationen helfen – viele erfordern aber die Investition von Zeit. Insbesondere jenseits professioneller Institutionen (beispielsweise journalistischen Redaktionen) und formaler Bildungskontexte (etwa in der Schule) ist diese Zeit oft Mangelware. Gerade ältere Erwachsene konsumieren und verbreiten Pseudo-Presse Angebote aber besonders aktiv.
Vertrauen als demokratischer Resilienzfaktor
Meist wird unter Vertrauen (englisch: trust) ein psychologischer Zustand verstanden, in dem jemand, der oder die Vertrauende(n), in einer unsicheren Situation, das Risiko eingeht einem Vertrauensobjekt oder Vertrauenssubjekt (einer Person, Institution etc.) zu vertrauen.
Vertrauen wird durch negative Erfahrungen schwer erschüttert. Transparenz und Verantwortungsübernahme sind daher ein wichtiger Aspekt im Umgang mit Desinformationen. Das gilt auch für das Vertrauen in journalistische Informationen. Journalistische Artikel die Hintergrundinformationen über die Recherche zur Verfügung stellen, werden als vertrauenswürdiger wahrgenommen.
Zusammenfassend lässt sich argumentieren, dass Vertrauen (Trust), Bewusstsein (Awareness), Betrachtung (Reflection), und Befähigung (Empowerment) Hand in Hand gehen um Fehlinformationen im Allgemeinen und Online-Desinformationen im Speziellen kompetent zu begegnen und die (psychische) Widerstandskraft zu fördern und zu bewahren, die als demokratische Resilienz bezeichnet wird.