Fragebogen (© Anneke Schram/Fotolia)
Methoden der Zuschauerforschung
Von allen Medien beschäftigt sich das Fernsehen am intensivsten mit seinen Zuschauern. Bei keinem der anderen Medien werden die Zuschauer so ausgiebig erforscht. Wie viele Zuschauer welche Sendung jeden Tag gesehen haben, erfahren die Fernsehsender täglich. Wie und in welcher Weise das Fernsehen genutzt wird, lassen die Landesmedienanstalten, die Sendeunternehmen und zahlreiche andere Institutionen immer wieder untersuchen.
Quantitative und qualitative Zuschauerforschung
Unterschieden wird deshalb zwischen der quantitativen und der qualitativen Zuschauerforschung. Bei der quantitativen Forschung werden die Ergebnisse der Forschung in eine messbare Form gebracht; hier spielen statistische Verfahren eine zentrale Rolle, um das Zuschauerverhalten größerer Zuschauergruppen zu erfassen. Dabei wird eine notwendige Reduktion des oft komplexen und mehrdimensionalen Zuschauerverhaltens auf wenige Daten in Kauf genommen. Die qualitative Forschung ist stärker daran interessiert, die Komplexität der Mediennutzung zu untersuchen, beschäftigt sich deshalb eher mit kleineren Zuschauergruppen oder gar Einzelfällen und verzichtet deshalb weitgehend darauf, ihre Ergebnisse in Zahlen zu dokumentieren. Beiden Richtungen der Zuschauerforschung, die in vielfachen Kombinationen auftreten, geht es darum, soviel wie möglich über den Zuschauer, das unbekannte Wesen, und seine Formen des Zuschauens zu erfahren, um danach Sendungen und Programm planen zu können.
Die Anfänge der quantitativen Zuschauerforschung in Westdeutschland
Zu Beginn des Fernsehens in den 1950er Jahren erhoben in der Bundesrepublik die Landesrundfunkanstalten (insbesondere der NWDR, der SDR und der BR) Daten zur Fernsehrezeption per Telefon und durch andere Umfrageformen. Ab 1956 wurden dann bundesweit Daten erhoben, ab 1963 wurden diese für ARD und ZDF durch die Meinungsforschungsinstitute Infratam und Infratest kontinuierlich ermittelt. Qualitative Angaben kamen von Infratest und quantitative Daten von Infratam. Die quantitative Erfassung bediente sich eines frühen Messapparates (Tammeter), der in der Art eines Fahrtenschreibers festhielt, welche Sender eingeschaltet wurden. Von 1975 bis 1985 wurden die Daten mit einer verbesserten Methode von der "Arbeitsgemeinschaft teleskopie" erhoben. Methoden und Technik der Datenerfassung und -auswertung wurden seither ständig weiterentwickelt Zur Auflösung der Fußnote[1].
Zuschauerforschung in der DDR
Auch in der DDR wurde erforscht, wie das Fernsehen bei den Bürgern aufgenommen wurde. Ab 1964 gab es im Deutschen Fernsehfunk eine "Abteilung Zuschauerforschung". Deren Vorläufer war das Referat "Fernsehstuben" (1955/56) und die "Abteilung Wirkungsforschung" (1957–1959). Wöchentlich wurden Zuschauerbefragungen durchgeführt. Ausgewertet wurden auch die Zuschauerpost, Meinungen auf sogenannten Fernsehforen (öffentlichen und halböffentlichen Veranstaltungen mit ausgewählten Zuschauern) und auch Fernsehkritiken.
Die Ergebnisse der Zuschauerforschung wurden im Staatlichen Komitee für Fernsehen beraten. Von 1965 bis 1990 führte das DDR-Fernsehen auch eine Sehbeteiligungsdatei, die nur für den internen Gebrauch gedacht war. Nutzungsdaten und Zahlen der Sehbeteiligung wurden nicht veröffentlicht, sondern blieben geheim. Die Sehbeteiligung wurde nach einem Zufallsverfahren in 600 Haushalten ermittelt, die Adressen der Haushalte wurden jede Woche von der Post neu geliefert. Nebenberufliche Befrager hielten den Kontakt, die Befragung fand auf freiwilliger Basis statt, Anonymität wurde zugesichert. Die so erstellten Wochenberichte erhielten nur die Leitungsgremien des DDR-Fernsehens. Viele Fernsehmitarbeiter kannten diese Zahlen nicht. Auch in der DDR wurde die Zuschauerforschung weiterentwickelt. Ihre Daten wurden politisch ausgewertet und nicht veröffentlicht Zur Auflösung der Fußnote[2].
Die gegenwärtige Zuschauerforschung durch die GfK
Seit 1985 werden in der Bundesrepublik die Einschaltquoten von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), einem Marktforschungsunternehmen, erhoben. Die GfK wird im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) tätig, in der sich die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender zusammengeschlossen haben. Um zu erheben, wer, wann und mit wem wie viel und was im deutschen Fernsehen sieht, wurde das GfK/AGF-Fernsehpanel gebildet. Das ist eine Auswahl von Zuschauern, die stellvertretend für die gesamte bundesdeutsche Bevölkerung steht.
Intensive Erfassung des Publikums – mit Lücken
Nach dem Mauerfall wurden auch ostdeutsche Zuschauer in das Panel integriert. Von 1991 bis 2001 bestand das Panel aus 2.860 Haushalten in der alten Bundesrepublik und 1.100 Haushalten in der ehemaligen DDR. Im Jahr 2001 wurde dann ein erstes gesamtdeutsches Panel mit 5.640 Haushalten und ca. 13.000 Personen gebildet.
Am 1. Juli 2009 wurde das GFK-System umgestellt. Nun wird auch die Zahl der Zuschauer gemessen, die sich Sendungen auf einem DVD-Player bzw. einer Festplatte aufnehmen und zeitversetzt sehen; auch werden Gäste erfasst, die in den Panel-Haushalten das Fernsehprogramm mitsehen. Damit wurden die Daten noch genauer als bisher. Dafür wurden alle Messgeräte der Testfamilien für 20 Mio. Euro ausgetauscht.
Aktuell besteht das AGF-Fernsehpanel aus 5.400 täglich berichtenden Haushalten, in denen rund 11.000 Personen leben. Damit wird die Fernsehnutzung von 75,498 Mio. Personen ab 3 Jahre bzw. 38,584 Mio. Fernsehhaushalten abgebildet (Stand: 01.01.2020 Zur Auflösung der Fußnote[3]. Seit 2016 werden alle Haushalte erfasst, in denen der Haupteinkommensbezieher deutsch spricht. Türkische Haushalte in Deutschland können nun auch einbezogen werden. Zuvor waren nur EU-Ausländer, die in Deutschland lebten, erfasst worden. Allerdings bleiben Fernseher in Hotels, Büros, Kneipen oder Altenheimen weiterhin außen vor, ebenso wie das Public Viewing bei Sportgroßveranstaltungen.
Die Haushalte im Panel verteilen sich entsprechend der Einwohnerzahlen auf die einzelnen Bundesländer. So ist das bevölkerungsreichste Bundesland, Nordrhein-Westfalen, mit den meisten Haushalten vertreten und Bremen mit den wenigsten. Eine Person des Panels steht für ca. 7.100 Fernsehhaushalte in der Bundesrepublik. Damit sind die deutschen Fernsehzuschauer das quantitativ am intensivsten erforschte Publikum.