Sehr geehrte Damen und Herren, in Zeiten des virulenten Rechtspopulismus, andauernder rechtsextremistischer Vorfälle und des fast schon im Wochenrhythmus zuschlagenden islamistischen Terrorismus fragen sich vielleicht einige unter Ihnen, warum die Bundeszentrale für politische Bildung ausgerechnet jetzt eine Fachtagung zum Thema Linksextremismus anbietet.
Die Frage verdeutlicht schon das schwierige Umfeld, in dem wir uns bewegen. Die Beschäftigung mit einem Thema ruft häufig den Vorwurf hervor, dass die Relevanz anderer Themen vernachlässigt, verharmlost oder gar bestritten werde. Mit einem Verweis auf die Angebote der bpb in den Bereichen Rechtsextremismus oder Islamismus könnten wir einen solchen Vorwurf leicht entkräften. Die politische Bildung ist in diesen Themenfeldern gut aufgestellt und leistet wichtige Arbeit zur Information und Prävention.
Doch der Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung lautet, die Demokratie zu stärken und dabei die Auseinandersetzung mit allen Ideologien und Verhaltensweisen zu suchen, die der Demokratie entgegenstehen. Und solche Phänomene gibt es auch im linken Spektrum.
Auf der ideologischen Ebene finden sich – wenngleich weitgehend randständige – linke Politikentwürfe, die von einem überdehnten Gleichheitsbegriff ausgehen und zu dessen Verwirklichung zentrale Elemente der Demokratie wie Menschenrechte, Wahlen und Rechtsstaatlichkeit unter den Tisch kehren, offen historische und aktuelle diktatorische Regime verherrlichen und von oben herab einen „neuen Menschen“ formen wollen. Ich verweise im Parteienspektrum zum Beispiel auf die DKP oder die MLPD.
Auf der Verhaltensebene existieren Akteure, die sich als links verstehen und zu deren Selbstverständnis die Anwendung von Gewalt gehört – ob gegen Polizisten als Vertreter des Staates, gegen Unternehmen, die als ausbeuterisch angesehen werden oder gegen echte und vermeintliche Rechtsextremisten. Die Einschätzungen problematischer Zustände mögen bisweilen zutreffen. Demokratisch können die Lösungsansätze dieser Akteure schlechterdings nicht genannt werden.
Gleichzeitig lässt sich angesichts der Häufung gewalttätiger Vorfälle aus dem linken Spektrum nicht von Einzelfällen sprechen. Allein in den vergangenen Jahren zeugen die Proteste zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, Eskalationen bei Demonstrationen gegen Rechtsextremisten in Leipzig oder gewalttätige Handlungen der Berliner Hausbesetzerszene von einem handfesten Problem. Ganz aktuell mobilisiert die linksextreme Szene für Aktionen gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die Polizeibehörden Norddeutschlands sehen dem Gipfeltreffen mit großer Sorge entgegen. Es bleibt zu hoffen, dass die schlimmsten Befürchtungen nicht wahr werden mögen.
Betroffene linksextremer Gewalt fordern zurecht eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Ganz unabhängig von Gefährdungen durch extremistische Strömungen von rechts oder aus dem Islamismus.
Hier liegt wohl einer der Knackpunkte bei der Bearbeitung einer Demokratiefeindlichkeit von links: Wir müssen es schaffen, von reflexhaften Verweisen auf andere Formen des Extremismus wegzukommen. Und das gilt für alle Seiten. Es hilft genauso wenig weiter, wenn bei jeder Initiative gegen Rechtsextremismus lauthals eine Beschäftigung mit dem Linksextremismus eingefordert wird, wie es der Sache abträglich ist, die Auseinandersetzung mit linken Formen der Demokratiefeindlichkeit für überflüssig zu erklären, weil es nach wie vor Rechtsextremismus gibt. Eine bloße Aufrechnung führt nicht weiter. Das lässt sich vor allem für die unsäglichen Aufrechnungen linker und rechter politisch motivierter Kriminalität festhalten. Die bloße Gegenüberstellung von Zahlen sagt wenig über die Qualität der Gesetzesverstöße aus. Selbst wenn man die Art der vorgeworfenen Verbrechen vergleicht und auf dieser Grundlage zu dem Schluss kommt, dass aus einem Spektrum schlimmere – weil zum Beispiel vorwiegend gegen Menschen gerichtete – Straftaten erfolgen, so bleibt es dennoch dabei, dass beide Formen der Kriminalität eine gesellschaftliche Herausforderung bleiben. Der andauernde Verstoß gegen demokratisch verabschiedete Gesetze ist mit Demokratie schwer vereinbar. Unabhängig von der dahinter stehenden Ideologie und der Qualität der Straftaten.
Wie wir Demokratiefeindlichkeit aus dem linken Spektrum nennen sollen, ist eine Frage, die keineswegs neu ist und heute insbesondere bei der Podiumsdiskussion erörtert werden soll. Im Titel heißt es der Einfachheit halber „Linksextremismus und linke Militanz“. Doch sind wir uns des darin enthaltenen Sprengstoffs bewusst. Vor allem beim Begriff „Linksextremismus“ kann man keineswegs von einem gesellschaftlichen oder gar wissenschaftlichen Konsens über dessen Inhalt ausgehen. Doch wie vorhin beschrieben gibt es diesen – wie die Angelsachsen sagen würden – „Elefanten im Zimmer“, über den wir sprechen sollten. Egal, wie wir die damit einher gehenden Phänomene letztlich bezeichnen.
Dass es im Rahmen des heutigen Fachtags kontrovers hergehen wird, ist uns klar. Doch haben wir uns davon nicht abschrecken lassen. Ganz im Gegenteil: Kontroversität ist der Treibstoff politischer Bildung. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen anregenden Fachtag, ertragreiche Diskussionen und hoffe, dass Sie wertvolle Kontakte knüpfen.
Hanne Wurzel, Leiterin des Fachbereichs Extremismus der Bundeszentrale für politische Bildung
(Es gilt das gesprochene Wort.)