Julian Schenke von Bundesfachstelle Linke Militanz am Göttinger Institut für Demokratieforschung rekapitulierte im Panel den Forschungsstand zur Roten Flora, des wohl bekanntesten und ältesten Hausbesetzerprojekts in der Hansestadt Hamburg. Als Vorbemerkung schickte Schenke vorweg, dass keine Forschungsinterviews mit Beteiligten möglich gewesen seien und es daher nur eine eingeschränkte Quellenlage gebe. "G20" als aktueller Begriff sei jedoch wenig repräsentativ für die Hamburger Autonome Szene, da es in ihr keine gruppenübergreifende Einheitsposition zu Gewalt gebe und auch viele interne Diskussionen nach dem G-20-Gipfel geführt worden seien, so Schenkes Vermutung. Dennoch könnten die Ausschreitungen gegebenenfalls zu einer Zäsur in Hamburg selbst führen, dann nämlich, wenn infolge der G20-Gewalt eine stärkere Distanzierung von der Roten Flora durch Anwohnerinnen und Anwohner geschehe.
Heute sei die Rote Flora jedoch gut in die Zivilgesellschaft integriert und in Teilen sogar bürgerlich. Seit 1989 gilt das Haus am Schulterblatt als autonomes Zentrum und spiegele – so Schenke – heute die Paradoxie der Gentrifizierung: Eigentlich sei die Flora als Gegenreaktion und im Widerstand gegen die Gentrifizierung entstanden, heute mache sie das Viertel attraktiv und sorge dadurch für eine noch stärkere Aufwertung. Schenke stellte darüber hinaus noch eine Analyse der "zeck" vor, einem internen Infoblatt der "Roten Flora", was von 1992 bis 2017 herausgegeben wurde. Hier seien Kontroversen stets ausdiskutiert worden, in der Logik von Darstellung, Gegendarstellung und Gegengegendarstellung. Umstrittene Felder seien unter anderem das Selbstverständnis in Bezug auf Militanz und Gewalt. Aktuell sei allerdings zu beobachten, dass linke Zeitschriften und Blogs austrockneten, auch die "zeck" wurde eingestellt.
Im Plenum wurde daraufhin diskutiert, ob nicht die sozialen Medien als neue Diskussionsplattform genutzt würden? Vielleicht handele es sich aber auch um eine neue Generation, die populärkultureller geprägt sei und weniger Freude an Diskursen und dem Hinterfragen der eigenen Positionen habe. Auf die Frage, ob die Szene wirklich "aussterbe", wandte Schenke ein, dass sie sich eher in andere Städte wie Leipzig (Connewitz) verlagere. Ein möglicher Grund sei, dass es hier mehr rechte Jugendliche und Erwachsene gebe, insofern also mehr Gegnerinnen und Gegner und daher mehr Anhaltspunkte für die Aktivität antifaschistischer Gruppen.