Was meinen Linke, wenn sie von Militanz sprechen? Diese Frage stellte Dr. Andreas Pettenkofer an den Beginn seines Vortrags. Zunächst sagte er, dass es nicht primär um die Verfolgung rationaler Zwecke gehe, sondern der Begriff eher zur Selbstbewertung genutzt werden kann: Wer ist wirklich militant? Wer nur scheinbar und macht später dann Karriere? Diese Frage würde in der linken Szene häufig diskutiert. Als militant gelte dann in der Szene vor allem, wer es wirklich ernst meine.
Es gebe immer Konkurrenzverhältnisse in der Argumentation, aber im Grunde sei die Überzeugung verbreitet, der Staat schaffe durch seine Repressionsbereitschaft die Legitimation für (Gegen-)Gewalt. Pettenkofer stellte daraufhin die Frage, ob Gewalt nicht im Vergleich zur Militanz der bessere Begriff sei? Zum Abschluss seines kurzen Inputs erläuterte Pettenkofer, welche gewaltfreien Alternativen des Protests es in der Szene gebe: Er nannte hier Abstinenz, Veganismus, und Containern als Formen gewaltlosen Widerstands.
Dr. Daniela Pisoiu hingegen stellte die individuelle Perspektive von jugendlichen Akteuren linker Militanz in den Mittelpunkt ihres Vortrags: Wie hat sich die Ausübung von Gewalt angefühlt? Was ging den Jugendlichen dabei durch den Kopf? Diese Fragen stellte sie im Rahmen einer Feldforschung sich selbst so bezeichnenden Linksautonomen mit Gewalterfahrung. Pisoiu beschrieb Radikalisierung als sozio-psychologischen Prozess, der viele Elemente einer Subkultur enthalte, wie sie zum Beispiel in den Cultural Studies verstanden wird: Kriminelles Verhalten und Style gehörten zusammen, es gebe eine "Logik der Marginalität", die Pisoiu in ihrer ethnographischen Feldforschung herausgearbeitet hat. Die Befragten wollten vor allem etwas bewirken, ideelle Ziele und Moralvorstellungen seien dafür absolut handlungsleitend. Die Radikalisierung erfolge hier in kleinen, fast unmerklichen Schritten als Prozess.
Die tatsächlichen Gewaltszenarien seien aber nicht mehr klar definierbar: Neben Konfrontationsgewalt zwischen Linken und Rechten gebe es zunehmenden Krawalltourismus und es komme zu einer Normalisierung von Gewalt, da ihre Hemmschwelle aufgeweicht sei. Wer allerdings einmal zugeschlagen habe, für den sei es schwierig wieder ins normale Leben wieder zurückzukehren und die ideologische "bubble" zu durchbrechen. In der Diskussion wurde ein grundlegendes Misstrauen innerhalb der Protestfelder und Protestgenerationen angesprochen: Akteure linker Militanz begriffen sich nicht als Einheit, sondern betonten auch innerhalb der Szene Unterschiede. Die vorherrschenden Männlichkeitsvorstellungen wurden zudem unterstrichen. Bis in die 1980er sei eine klare und klassische Arbeitsteilung der Geschlechter bei Autonomen normal gewesen, wie eine Teilnehmerin bemerkte.