Prof. Dr. Wolfgang Kühnel von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin forscht zum Schwerpunkt Gewalt und Extremismus im Jugendalter und erläuterte zu Beginn des Panels, wie soziale Bewegung, Protest und dessen Eskalation zusammenhängen. Durch mediale Aufmerksamkeit erhöhe sich bei vielen Großereignissen der Druck auf die Öffentlichkeit und die Polizei rechne mit einem "Protestpolicing" gegen mögliche Gewaltereignisse.
Zu den Konfrontationserfahrungen von Protestakteuren mit der Polizei sagte Kühnel, dass die Polizei meistens als Feind wahrgenommen werde, mit dem Effekt einer Solidarisierung nach innen. Dabei komme es hier durchaus zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung: wenn Jugendliche zu oft verhaftet würden, träten sie eher aus Protestgemeinschaften aus. Bei den Beteiligten von Protestgemeinschaften gäbe es zudem verschiedene Muster: von der pragmatischen Ablehnung von Gewalt, der bedingten Legitimation von Gewalt bis hin zur Befürwortung von Gewalt als strategische Handlungsoption.
Warum und wann eskalieren Demonstrationen? Kühnel beantwortete diese Frage durch die Erläuterung situativer Gruppenprozesse. Immer wenn es zu einer Einteilung in "gut" und "böse" sowie einer starken Polarisierung und Moralisierung von Konflikten komme und zudem eine schlichtende "dritte Partei" fehle, könne es zu Gewalt kommen. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen Demonstrationen hingegen konfliktarm verlaufen können, antwortete Kühnel, dass eine Vertrauenspartnerschaft zwischen Veranstaltern und Polizei meistens ein Garant für Gewaltlosigkeit sei. Es komme zu einer Kommunikation auf Augenhöhe, eine Vermummung von Teilnehmenden sei seltener und der gegenseitige Respekt ausgeprägter.
In der Diskussion wurde angemerkt, dass vor allem eine Gegendemo oft Gewalt hervorrufen könne. Zur Frage der polizeilichen Intervention wurde diskutiert, ab wann eine Äußerung von Demonstrationsteilnehmenden eine Beleidigung darstelle? Wie soll die Polizei im Einzelfall reagieren? Was ist von Meinungsfreiheit gedeckt und was nicht? Teilnehmende äußerten die Beobachtung, dass es sowohl Diskussionen gebe, wenn Polizei einschreite als auch wenn sie sich bedeckt halte. Kühnel merkte dazu an, dass die Polizei in der Berichterstattung meist am schlechtesten wegkomme, hier habe eine mediale Verschiebung stattgefunden. Auch stehe die Rolle der klassischen Massenmedien nicht mehr im Vordergrund, sondern es seien vielmehr Video- oder Schreibblogs und auch Livestreams an deren Stelle getreten. Die Polizei dürfe nämlich keine Video- oder Bildaufnahmen machen, Demonstrierende hingegen schon.