Als erste Generation der RAF bezeichnet man gemeinhin die Gruppe von deutschen Terroristen, die sich seit Anfang 1970 um die zentralen Figuren Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof bildete und bis Ende 1974 nicht nur zahlreiche Banküberfälle, sondern auch Bombenanschläge auf amerikanische Militäreinrichtungen, deutsche Sicherheitsbehörden und ihre Vertreter sowie Medienunternehmen mit einer Gesamtbilanz von vier Toten und 41 Verletzten verübten.
Der Beginn der Roten Armee Fraktion – der Begriff erscheint erstmals 1971 in dem von Ulrike Meinhof verfassten Text "Das Konzept Stadtguerilla"– wird entweder auf die gewaltsame Befreiung Andreas Baaders am 14. Mai 1970 während eines vorgeschützten Bibliotheksbesuchs oder auch die Rückkehr der Gruppe aus Jordanien im August des gleichen Jahres datiert, wohin sich Baader und seine Befreier abgesetzt hatten, um dem Fahndungsdruck in Deutschland zu entgehen und sich einer militärischen Ausbildung zu unterziehen. Baader war im April 1970 in Berlin verhaftet worden, nachdem er mit Gudrun Ensslin aus Paris zurückgekehrt war, wo sich beide zwischenzeitlich versteckt gehalten hatten, um einer Gefängnisstrafe wegen der Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern im April 1968 zu entgehen. Nach der Rückkehr aus Jordanien überfiel die Gruppe zunächst mehrere Banken und brach in ein Rathaus ein, um sich Geld und Blankopapiere zu beschaffen.
Im Mai 1972 begann die sogenannte Mai-Offensive mit einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Armee in Frankfurt am Main (11. Mai 1972), bei dem ein Soldat getötet und 13 Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Es folgten in kurzen Abständen Bombenanschläge auf die Polizeidirektion Augsburg und das Landeskriminalamt München (12. Mai 1972), den Wagen eines Bundesrichters (15. Mai 1972), das Axel-Springer-Gebäude in Hamburg (19. Mai 1972) und das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa in Heidelberg (24. Mai 1972). Die daraufhin ausgelöste Großfahndung führte innerhalb eines Monats zur Festnahme des größten Teils der RAF (Gefangennahme von Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe am 1. Juni 1972, Gudrun Ensslin am 7. Juni 1972, Brigitte Mohnhaupt und Bernhard Braun am 9. Juni 1972, Ulrike Meinhof und Gerhard Müller am 15. Juni 1972, Klaus Jünschke und Irmgard Möller am 7. Juli 1972. Gefangennahme von Helmut Pohl, Margrit Schiller, Wolfgang Beer, Christian Eckes, Ilse Stachowiak und Eberhard Becker am 4. Februar 1974).
Vom Gefängnis aus setzten die Inhaftierten ihren Kampf fort, agitierten gegen den Staat und protestierten mit Hungerstreiks gegen die Haftbedingungen, die sie als "Isolationsfolter" bezeichneten. Während des dritten Hungerstreiks (27. September 1974 bis 2. Februar 1975) starb am 9. November 1974 Holger Meins. Einen Tag später wurde Berlins oberster Richter Günter von Drenkmann erschossen – wenn auch nicht von Angehörigen der RAF, sondern der Bewegung 2. Juni. Mit der Verhaftung des harten Kerns der RAF im Juni 1972 und einer zweiten Verhaftungswelle im Februar 1974 verschob sich die Programmatik der Gruppe zugunsten des Zieles, die Haftbedingungen der Gefangenen zu verbessern bzw. ihre Freilassung zu erzwingen. Dadurch änderte sich auch die Strategie der RAF. Trotz einiger personeller Kontinuitäten kann man deshalb ab Anfang 1975 von einer zweiten Generation sprechen.
Programmatik: Stadtguerilla zwischen Fraktion und Avantgarde
Die erste Generation der RAF besaß eine ausgeprägte internationalistische Programmatik, die sie jedoch radikal relokalisierte. Sie verstand sich zugleich als Fraktion, d. h. als Teil eines weltweiten Aufstandes gegen Imperialismus und Kapitalismus, und als Avantgarde, nämlich eine Gruppe, die durch entschlossenes Handeln an einem konkreten Ort eine Revolution zu entfachen vermochte. In der Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa" vom Mai 1971 hieß es programmatisch: "Avantgarde ist danach nicht die Gruppe, die sich so nennt oder sich selbst so interpretiert, sondern diejenige, an deren Verhalten und Aktionen sich die revolutionären Massen orientieren. Die Führung im revolutionären Prozeß durch eine Avantgarde ist ein wesentliches revolutionäres Moment." Mit dieser Idee stellt sich die RAF in die Tradition lateinamerikanischer Guerillabewegungen: "Das Konzept Stadtguerilla stammt aus Lateinamerika. Es ist dort, was es auch hier nur sein kann: die revolutionäre Interventionsmethode von insgesamt schwachen revolutionären Kräften."
An diesen Formulierungen wird deutlich, dass die RAF im Grunde selbst das Produkt eines Internationalisierungsprozesses ist, nämlich der Verbreitung der Idee revolutionärer Kriegführung, die mit den Namen Fidel Castro, Che Guevara, Régis Debray und Carlos Marighella verbunden war. Um den Reiz dieser spezifischen Ideologie für die späteren Mitglieder der Rote Armee Fraktion verständlich zu machen, muss kurz auf die komplexe Vorgeschichte der RAF eingegangen werden.
Die Vorgeschichte der RAF: Studentenproteste der 1960er Jahre
Den Hintergrund für die Entstehung der RAF bildeten die Studentenbewegung und Debatten innerhalb des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Der SDS war bis 1961 die Jugendorganisation der SPD. Als sich die Sozialdemokraten im Rahmen ihres Godesberger Programms politisch neu ausrichteten und die Mitgliedschaft in SPD und SDS als unvereinbar erklärten, wurde der SDS zum Sammelbecken der linken Außerparlamentarischen Opposition (APO). Dabei war es vor allem der Vietnamkrieg, der zu einer Radikalisierung der Studentenschaft und zu zunehmend gewalttätigen Demonstrationen führte, wie z.B. gegen den US-amerikanischen Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey, der im April 1967 West-Berlin besuchte. Gleichzeitig fand eine breite Solidarisierung mit den Freiheitsbewegungen in der Dritten Welt statt.
Aufmerksam wurden die Debatten auf der Konferenz der Trikontinentale in Havanna 1966 registriert, auf der die kommunistischen Regime der Welt sich auf eine Strategie zur Unterstützung marxistischer Freiheitsbewegungen zu einigen versuchten. Noch im gleichen Jahr übersetzten Rudi Dutschke und Gaston Salvatore die Botschaft von Ernesto Che Guevara an die Trikontinentale, die in der Aufforderung gipfelte, "zwei, drei, viele Vietnam" zu schaffen. In ihrer Einführung zogen Dutschke und Salvatore die Konsequenzen, die sich ihrer Meinung nach aus diesem Aufruf für die deutsche Studentenbewegung ergab: "Der Beitrag der Revolutionäre aus den Metropolen [...] ist doppelter Natur: und zwar die Mitarbeit an der Herstellung der 'Globalisierung der revolutionären Opposition' (H. Marcuse) durch direkte Teilnahme am aktuellen Kampf in der dritten Welt, durch Herstellung der internationalen Vermittlung, die nicht den Parteibürokraten überlassen werden darf, und durch die Entwicklung spezifischer Kampfformen, die dem in den Metropolen erreichten Stand der geschichtlichen Entwicklung entsprechen."
Welche Form des Kampfes der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland genau entsprach, ließen die Autoren freilich offen. Auf dem Internationalen Vietnam-Kongreß, den der SDS im Februar 1968 in West-Berlin organisierte, wurde die "Gewaltfrage" kontrovers diskutiert und in der Schlusserklärung folgendermaßen resümiert: "In dieser Situation muß die Oppositionsbewegung in den kapitalistischen Ländern ihren Kampf auf eine neue Stufe heben, ihre Aktionen ausweiten, verschärfen und konkretisieren. Die Oppositionsbewegung steht vor dem Übergang vom Protest zum politischen Widerstand." Die durch diese Debatte verschärfte Krise des SDS erreichte ihren Höhepunkt, als am 11. April 1968 Rudi Dutschke auf offener Straße angeschossen und lebensgefährlich verletzt wurde. Die danach einsetzende Desintegration des SDS und die Zersplitterung der Studentenbewegung erzeugten eine Vielzahl linker und linksextremer Gruppen, die ihre Ziele auf die unterschiedlichsten Weisen verfolgten. Die Gruppe, die die Aufforderung, den Befreiungskampf in der Dritten Welt mit "spezifischen Kampfformen [...] in den Metropolen" zu unterstützen, am radikalsten umsetzte, war die RAF.
Che Guevara und die Focustheorie
Ernesto "Che" Guevara: Der Revolutionär und Guerilla-Krieger wurde unter Linksradikalen als Pop-Ikone verehrt. (© AP)
Ernesto "Che" Guevara: Der Revolutionär und Guerilla-Krieger wurde unter Linksradikalen als Pop-Ikone verehrt. (© AP)
Allerdings konnte dabei nicht einfach die Guerillatheorie von Che Guevara übernommen, sondern musste den Bedingungen der "Metropole" angepasst werden. Die Focustheorie, von der Guevara irrtümlich behauptete, sie fasse die Erfahrungen des kubanischen Freiheitskampfes zusammen, besagte nämlich Folgendes:
"1. Die Kräfte eines Volkes können einen Krieg gegen eine reguläre Armee gewinnen.
2. Nicht immer muß man warten, bis alle Bedingungen für eine Revolution gegeben sind, der aufständische Fokus kann solche Bedingungen selbst schaffen.
3. Im unterentwickelten Amerika müssen Schauplatz des bewaffneten Kampfes grundsätzlich die ländlichen Gebiete sein." Als Focus bezeichnete Guevara eine kleine Gruppe professioneller Revolutionäre, die durch bewaffnete Aktionen den revolutionären Funken auf die Bauernschaft überspringen lässt. Diese Theorie wurde von Guevara selbst in der sogenannten "Zweiten Havanna-Deklaration" 1962 und später von Régis Debray, einem französischen Intellektuellen und engen Vertrauten Fidel Castros, 1965 überarbeitet. Dabei wurde die Focustheorie allerdings eher den strategischen Interessen Kubas als den Erfahrungen lateinamerikanischer Freiheitsbewegungen angepasst.
Interessant ist nämlich, dass die Sowjetunion sich immer wieder kritisch gegen über der Theorie des guerrillismo geäußert hatte und stattdessen den Aufbau kommunistischer Parteistrukturen in den lateinamerikanischen Staaten befürwortete. Che Guevaras Focustheorie hielt Moskau für revolutionäres Abenteurertum. Doch Guevara und Debray hielten – mit Unterstützung Castros – an der Idee eines aktiven Revolutionsexports nach Lateinamerika fest und lehnten den Aufbau traditioneller Parteikader ab.
Auf der bereits erwähnten Konferenz der Trikontinentale 1966 akzentuierte Fidel Castro den politischen Gegensatz zwischen Kuba und der Sowjetunion, indem er zur ideologischen Begründung Mao Tse-tung zitierte und sich zumindest verbal auf die Seite der Volksrepublik China stellte. Erst als Che Guevara mit seinem Plan scheiterte, in Bolivien einen revolutionären Brückenkopf zu errichten, und 1968 umgebracht wurde, musste die Focustheorie auf den Prüfstand. Dabei wurde allerdings nicht die Idee in Frage gestellt, dass eine bewaffnete Avantgarde das revolutionäre Bewusstsein der Massen wecken könne. Lediglich die Betonung des ländlichen Raumes wurde revidiert und durch die Forderung ersetzt, die revolutionären Aktionen in die städtischen Zentren zu tragen. Während Carlos Marighella dieses Konzept in Brasilien theoretisch ausarbeitete, setzten es die Tupamaros in Uruguay praktisch um.
Strategie: Revolutionäre Praxis in der Metropole
1971 verschickt die RAF ihre erste Kampfschrift "Das Konzept Stadtguerilla", in der sie versucht, ihren "bewaffneten Kampf" ideologisch zu begründen. (© HDG)
1971 verschickt die RAF ihre erste Kampfschrift "Das Konzept Stadtguerilla", in der sie versucht, ihren "bewaffneten Kampf" ideologisch zu begründen. (© HDG)
Mit dem "Konzept Stadtguerilla" stellte sich die RAF in die Tradition des lateinamerikanischen guerrillismo und zog für sich die Konsequenzen aus dem Scheitern der Studentenbewegung: "Die Studentenbewegung zerfiel, als ihre spezifisch studentischkleinbürgerliche Organisationsform, das 'Antiautoritäre Lager' sich als ungeeignet erwies, eine ihren Zielen angemessene Praxis zu entwickeln [...]. Die Rote Armee Fraktion leugnet im Unterschied zu den proletarischen Organisationen der Neuen Linken ihre Vorgeschichte als Geschichte der Studentenbewegung nicht, die den Marxismus-Leninismus als Waffe im Klassenkampf rekonstruiert und den internationalen Kontext für den revolutionären Kampf in den Metropolen hergestellt hat." Trotz der Betonung des Marxismus-Leninismus ist die Nähe zum Castrismus und Maoismus unverkennbar.
Das "Konzept Stadtguerilla" ist mit Mao-Zitaten gespickt; Che Guevara und Régis Debray werden zustimmend zitiert. Damit übernimmt die erste Generation der RAF die Kritik am orthodoxen Kommunismus sowjetischen Stils. Für sie bestand die Welt zwar aus zwei Blöcken, aber nicht aus Ost und West, sondern aus Imperialismus und Dritter Welt. In den frühen Verlautbarungen der RAF kommt deswegen die Sowjetunion kaum vor. Im "Konzept Stadtguerilla" findet sich sogar eine vage Kritik am "Ausgleich und Bündnis zwischen US-Imperialismus und Sowjetunion". Später, 1976 aus dem Gefängnis, äußern sich Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe dezidiert kritisch über den "Rückzug [der Sowjetunion, C. D.] von der Führung des inter nationalen Klassenkampfes und ihre Ersetzung durch die Außenpolitik der 'friedlichen Koexistenz' und die Instrumentalisierung der kommunistischen Parteien für diese Politik".
Für die erste Generation der RAF waren also nicht die Sowjetunion und der orthodoxe Kommunismus, sondern Kuba und der Castrismus die ideologischen Bezugspunkte. Damit wurde der eigene Kampf in den Zusammenhang weltweiter Befreiungskämpfe gestellt. In der bereits zitierten "Erklärung zur Sache" stellen die Gefangenen von Stammheim 1976 rückblickend den Zusammenhang zwischen ihren Anschlägen in Deutschland und den nationalen Befreiungskämpfen in der Dritten Welt explizit her:
"Dazu kommt die unmittelbar logische Funktion der BRD – es waren die US-Stützpunkte, die als Schaltstelle für Truppentransporte nach und von Vietnam und für Waffenlieferungen fungierten, aus deren Arsenalen im Oktober '73 Israel mit Waffen versorgt wurde und weiter versorgt wird. Es sind die US-Depots und die der Bundeswehr, mit denen die Konterrevolution gegen die arabischen und afrikanischen Völker ausgerüstet wird, und es sind die elektronischen Kommandozentralen hier, von denen aus die Kriegsmaschinerie im südlichen Afrika und im Mittleren Osten gesteuert wird. Aus der logischen Bedeutung der Waffen- und Ausrüstungsarsenale in den Metropolen zur Sicherung kontinuierlichen Nachschubs und vor allem aus der strategischen Bedeutung, die ungehinderten Kommunikationsfluß zwischen den Regelungs- und Steuerungszentralen und den Einsatzorten für die imperialistische Kriegsmaschinerie zukommt, ist eine militärtaktische Funktion der Guerilla in der Metropole für den Befreiungskampf der Völker der Dritten Welt bestimmt: die Notwendigkeit des Angriffs."
Man mag dies als Rhetorik abtun oder als Selbstbeschreibung ernst nehmen. Tatsache ist, dass der deklaratorische Internationalismus für das, was die RAF "revolutionäre Praxis" nennt, radikal relokalisiert wird. Folglich stellte die RAF ihre frühen Anschläge konsequent in den Zusammenhang eines globalen Guerillakampfes; so heißt es in der Erklärung zum Anschlag auf das Hauptquartier der US-Armee in Frankfurt, die USA müssten nun "wissen, daß ihre Verbrechen am vietnamesischen Volk ihnen neue erbitterte Feinde geschaffen haben, [und] daß es für sie keinen Platz mehr geben wird in der Welt, an dem sie vor den Angriffen revolutionärer Guerilla-Einheiten sicher sein können".
Dass allerdings auch die Anschläge von Augsburg und München, das Attentat auf den BGH-Richter Buddenberg und der Sprengstoffanschlag auf das Springer-Hochhaus Guerilla-Aktionen waren, ließ sich schon weniger leicht vermitteln. Ob allerdings der Anschlag auf das amerikanische Militär in Heidelberg danach nur aus pragmatischen Gründen verübt wurde, nämlich um die Sympathisanten, die die Anschläge auf nationale Ziele verurteilt hatten, zu beschwichtigen, ist eher spekulativ. Dennoch zeigt sich schon in dieser frühen Phase der RAF, dass es ein Problem war, die internationalistische Programmatik strategisch konsequent umzusetzen.
Ein ähnliches Problem bei der Einhaltung eigener Standards stellte sich hinsichtlich der Frage, ob Gewalt gegen die Bevölkerung ein legitimes Mittel der Stadtguerilla sein könne. In der Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa" nimmt die RAF 1971 zum Aspekt des Terrors deutlich Stellung: "Dieser richtet sich selbstverständlich nicht gegen das Volk, gegen die Massen, auch nicht gegen solche Schichten, die nach ihren Lebensbedingungen und ihrer Klassenlage dem Proletariat zwar nahe stehen, sich aber nicht zur Teilnahme an der revolutionären Bewegung entschließen können. Der revolutionäre Terror richtet sich ausschließlich gegen Exponenten des Ausbeutungssystems und gegen Funktionäre des Unterdrückungsapparates, gegen die zivilen und militärischen Führer und Hauptleute der Konterrevolution."
Dies entspricht der landläufigen Unterscheidung zwischen Guerilla, die sich gegen militärische Ziele richtet, und Terrorismus, der die Zivilbevölkerung angreift. Folglich versuchte die erste Generation der RAF zu argumentieren, dass die Ziele ihrer Anschläge staatliche Institutionen oder internationale Organisationen seien und Zivilisten nur als Funktionsträger angegriffen oder aber unbeabsichtigt zu Schaden kämen. Allerdings ist die stark personalisierte Erklärung zum Anschlag auf den Richter Buddenberg ein Hinweis darauf, dass in dem Maße, in dem es um die Unterstützung inhaftierter Mitkämpfer ging, auch die Anschläge personenbezogener wurden und die Illusion, eine kriegsrechtskonforme Guerillastrategie umsetzen zu können, nicht lange würde aufrechterhalten werden können.
Das Olympia-Attentat von München im Jahr 1972 forderte 17 Menschenleben. (© AP)
Das Olympia-Attentat von München im Jahr 1972 forderte 17 Menschenleben. (© AP)
Die Anschläge der Palästinenserorganisation Schwarzer September auf israelische Sportler während der Münchner Olympiade 1972 waren deshalb eine doppelte Herausforderung für die erste Generation der RAF. Sie musste sich zu einem direkten Angriff auf Zivilisten äußern, die zwar Vertreter, keineswegs aber Funktionsträger ihres Staates waren, und sie musste ihr Verhältnis zu einer Gruppe klären, die eindeutig eine Strategie verfolgte, die die RAF bisher abgelehnt hatte. Die inzwischen in Stammheim einsitzenden Mitglieder taten dies in einem umfangreichen Papier "Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes" im November 1972, in dem sie durch eine gewundene Argumentation die Anschläge als "antiimperialistisch" und "antifaschistisch" rechtfertigten: "Die Strategie des 'Schwarzen September' ist die revolutionäre Strategie des antiimperialistischen Kampfes in der Dritten Welt und in den Metropolen unter den Bedingungen des entfalteten Imperialismus der multinationalen Konzerne."
Vor allem rechnete aber die RAF in diesem Papier mit den linken Kritikern ihrer eigenen Aktionen in Deutschland ab und rechtfertigte den "antiimperialistischen Krieg", der "sich der Waffen des Systems im Kampf gegen das System" bediene. Dies ist auch die Verbindung zu den Ereignissen von München, insofern den Palästinensern zugute gehalten wird, dass sie nur Gleiches mit Gleichem vergalten: "An der Aktion des Schwarzen September in München gibt es nichts mißzuverstehen. Sie haben Geiseln genommen von einem Volk, das ihnen gegenüber Ausrottungspolitik betreibt. Sie haben ihr Leben eingesetzt, um ihre Genossen zu befreien. Sie wollten nicht töten."
Wie stark die RAF hier bereits ihre eigene Strategie revidierte oder nur im Sinne symbolischer Kooperation die Strategie der Palästinenser rechtfertigte, ist schwer zu sagen. Jedenfalls wurde der Wille deutlich, zumindest deklaratorisch die Reihen des "antiimperialistischen Kampfes" zu schließen.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Aufsatzes "Die RAF und der internationale Terrorismus" von Christopher Daase. Erschienen in: Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus, Hamburger Edition HIS Verlag, Hamburg 2007.