Das Spektrum des parteiförmigen Linksextremismus in Deutschland ist von ideologischen Gräben durchzogen: Nimmt sich die Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands (MLPD) den "wahren Sozialismus" nach dem chinesischen Diktator Mao-Tse-tung zum Vorbild, steht die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) den Lehren Marx, Engels und Lenins nahe. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) wurzelt indes im Trotzkismus. Welche Bedeutung die Parteien für die deutsche Parteienlandschaft insgesamt haben und inwiefern sie als extremistisch gelten, soll im Folgenden geklärt werden. Was aber verstehen wir unter Extremismus? Im Sinne der normativen Rahmentheorie liegt Extremismus dann vor, wenn sich eine Partei gegen den freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaat stellt. Das folgende Kapitel führt diesen Punkt näher aus und grenzt den Begriff des "Linksextremismus" theoretisch ab. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt auf Kapitel drei, das die Eckdaten, Organisation, Strategie und Ideologie der wichtigsten zeitgenössischen linksextremistischen Parteien Deutschlands – DKP, MLPD und SGP – vorstellt. Kapitel vier umreißt die Debatte um die Partei Die Linke. Das Fazit ordnet die Bedeutung linksextremistischer Parteien im gesamten Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland ein.
Begriffsklärung: Linksextremismus
Die Kontroversen um den parteiförmigen Extremismus – ob in der breiten Öffentlichkeit oder der Politikwissenschaft – drehen sich meist um die übergeordneten Ziele und die Normen der betroffenen Parteien. An erster Stelle steht die Frage, ob diese mit den freiheitlich-demokratischen Grundwerten der Freiheit und der Gleichheit vereinbar sind. Freiheit und Gleichheit stehen dabei in einem Spannungsverhältnis: Die Freiheit des Einzelnen darf nicht zu Lasten der Gleichheit aller gehen, zugleich darf das Ideal der Gleichheit nicht die Freiheit des Einzelnen einschränken.
Im Bewusstsein dieses Paradoxons ist die Demokratie in Deutschland über den demokratischen Verfassungsstaat organisiert, der auf zwei Säulen beruht: Volkssouveränität und Konstitutionalismus. Fordert die Volkssouveränität die politische Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger in der Gesellschaft, sichert der Konstitutionalismus über seine Institutionen die Freiheit der Menschen.
Stimmen demokratische Parteien beiden Idealen – Freiheit und Gleichheit – zu, negieren linksextremistische Parteien einen oder gar beide Werte. Erstens lehnen linksextremistische Parteien die staatlichen Institutionen des Verfassungsstaates ab und sie streben die Konzentration staatlicher Gewalt frei von Kontrollmechanismen an. Der zentrale Mechanismus der Gewaltenteilung weicht dem Streben nach Autokratie oder Diktatur. Wozu braucht es zum Beispiel ein Parlament, in dem um Politikinhalte gestritten wird, wenn die eigene Vorstellung von Politik doch die einzig richtige ist? Zweitens überhöhen linksextremistische Parteien das Axiom der menschlichen Gleichheit und provozieren damit den Bruch mit der individuellen Freiheit.
Linksextreme Splitterparteien in Deutschland: DKP, MLPD, SGP
Die beiden größten (aber nicht großen) linksextremistischen Parteien Deutschlands – die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) – stehen in der Tradition der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die als erste und bislang einzige linksextremistische Partei in Deutschland 1956 verboten wurde. Ist die DKP auch die ältere und traditionsreichere der beiden Parteien, schnitt sie bei der Bundestagswahl 2017 schwächer ab als die MLPD. In absoluten Zahlen ausgedrückt lag die Zustimmung zur DKP 2017 bei 11.713 Stimmen und damit unter 0,1 Prozentpunkten. Demgegenüber kam die MLPD mit 29.928 auf fast drei Mal so viele Stimmen. Im linksextremistischen Spektrum waren die beiden Parteien trotz der geringen Anteile führend, so kam die trotzkistische Sozialistische Gleichheitspartei (SGP, früher PSG) beispielsweise lediglich auf 1.346 Stimmen.
Bis zur deutschen Einheit war die DKP die führende linksextremistische Partei in der Bundesrepublik. Von ihrer Gründung im Jahr 1968 bis 1990 stand sie unter dem Protektorat der ostdeutschen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), an der sie sich programmatisch orientierte und von der sie finanziell abhängig war. In dieser Zeit verzeichnete die DKP einen gewissen Einfluss in linken außerparlamentarischen Bewegungen, der aber nie in Wahlerfolge mündete.
Die MLPD wurde im Jahr 1982 als Nachfolgeorganisation des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands (KABD) gegründet, deren Wurzeln teils in der linken außerparlamentarischen Opposition (APO), teils in maoistischen Ablegern der 1956 verbotenen KPD liegen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) – bis Februar 2017 Partei für Soziale Gleichheit (PSG) – ging 1997 aus dem Bund Sozialistischer Arbeiter, deutsche Sektion der Vierten Internationale (BSA) hervor. Bis heute ist die Partei Teil der international aufgestellten Socialist Equality Party (SEP). Im Vergleich zur DKP und MLPD ist die SGP unbedeutend: Bei den vergangenen Bundestagswahlen (1998; 2005 bis 2017) erreichte sie stets 0,0 Prozent.
Ideologie, Strategie und innere Organisation
DKP, MLPD und SGP sehen sich als die Speerspitze der Arbeiterbewegung gegen einen "ausbeutenden Kapitalismus". Sind sich die Parteien im übergeordneten Feindbild Kapitalismus einig, spaltet sie dennoch ein ideologischer Graben. Vor der Auflösung des Ostblocks waren KPdSU und SED die Vorbilder der westdeutschen DKP. Nach der deutschen Wiedervereinigung hielt der in der Partei verbleibende Kern der DKP weiterhin am orthodoxen Marxismus-Leninismus und mit gewissen Modifikationen an der DDR als Vorbild fest.
Die MLPD kritisiert die Systeme der UdSSR und der DDR gleichermaßen: Beide hätten den Pfad des "wahren" Marxismus-Leninismus verlassen und seien den Versuchungen des "bürgerlichen Revisionismus" verfallen. Die MLPD hingegen vertrete den einzig richtigen Sozialismus im Anschluss an Mao-Tse-tung.
Wie die MLPD grenzt sich auch die SGP von den "stalinistischen Bürokratien" des Ostblocks ab. Sie verurteilt die Partei Die Linke als "nationalreformistisch" und hält am "unverfälschten" Trotzkismus fest.
Trotz der ideologischen Differenzen zeigen DKP, MLPD und SGP Parallelen in der innerparteilichen Organisation. An dieser Stelle tritt der Unterschied zu freiheitlich-demokratischen Parteien besonders deutlich hervor. Parteien sind vom Grundgesetz zu einer demokratischen inneren Organisation verpflichtet. So sollen sie zum Beispiel Wahlen und Abstimmungen abhalten. Im Gegensatz zu diesem auf Konkurrenz und Konflikt beruhenden Entscheidungsprozess legen linksextremistische Parteien den Maßstab des "Zentralismus" an. In Anlehnung an den "demokratischen Zentralismus" nach Lenin sollen jegliche Richtungsentscheidungen dazu dienen, den besten Weg im Sinne des Sozialismus zu finden. Die Bildung von "Fraktionen" ist verboten. Laut DKP kann nur so die "Kollektivität des Handelns" und damit die Stärke der Partei aufrechterhalten werden.
Noch deutlicher als die DKP und die SGP verfolgt die MLPD das Prinzip des Zentralismus. Das Abweichen von der Parteilinie ahndet sie mit Disziplinarstrafen. Um diese zu vermeiden, führt die MLPD das Entwicklungsgesetz der Kritik und Selbstkritik ein, das historische Vorbilder bei der KPdSU und SED hat. Einer zentralen Kontrollkommission kommt in diesem Prinzip die Aufgabe zu, die MLPD zu verteidigen, zu erhalten, sie weiterzuentwickeln und zu festigen: "Die Kontrolltätigkeit der Zentralen Kontrollkommission ist auf die Bündelung der revolutionären Wachsamkeit in Wechselwirkung mit den anderen Seiten des Systems der Selbstkontrolle der Partei ausgerichtet. Damit sollen Fehler vermieden, Fehlentwicklungen von Kadern verhindert und jeder Spaltungsgefahr vorgebeugt und entgegengetreten werden."
Debatte um die Partei Die Linke
Ist die extremistische Ausrichtung der DKP, MLPD und SGP breit anerkannt, ist die Partei Die Linke immer wieder Gegenstand von Debatten. Im Jahr 2007 aus einer Fusion von PDS und WASG entstanden, liegen die Wurzeln der Partei Die Linke in der ostdeutschen SED. Mit derzeit 58.910 Mitgliedern ist die Zahl der Unterstützer in den Jahren seit der deutschen Wiedervereinigung stark gesunken. 1991 gehörten der PDS noch 172.579 Personen an.
Bedeutung linksextremistischer Strömungen im deutschen Parteiensystem
Der absolute Wahrheitsanspruch und die innere Organisation der DKP, MLPD und SGP sind mit den Grundzügen des freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaates nicht vereinbar. Indem die Parteien den Anspruch der Gleichheit überdehnen, ist ein demokratischer Streit im Sinne einer freiheitlichen Meinungsäußerung unterbunden. Die drei Parteien sind im deutschen Parteiensystem kaum von Bedeutung, erzielen sie doch bei Wahlen auf Landes- wie Bundesebene marginale Ergebnisse. Auch ist in naher Zukunft nicht mit einem Erstarken der gesellschaftlich isolierten Parteien zu rechnen. Fusionen sind aufgrund des ideologischen Grabens und des jeweiligen absoluten Wahrheitsanspruchs unwahrscheinlich. Die Linke wird zunehmend ins demokratische Parteienspektrum integriert, wenngleich ihre Distanzierung zum bewegungsförmigen Linksextremismus halbherzig ausfällt.