Im Sommer 2018 kam es in der Bundesrepublik Deutschland zu einem regen politischen Schlagabtausch in den Medien anlässlich digitaler Spiele. Ausnahmsweise handelte es sich jedoch nicht um Kritik an gewaltverherrlichenden Spielen in Zusammenhang mit einer aktuellen Gewalttat. Nein, es ging um die „besondere historische Verantwortung“ Deutschlands, so die damalige deutsche Familienministerin Franziska Giffey, die betonte: „Mit Hakenkreuzen spielt man nicht.“ Auch Elisabeth Winkelmeier-Becker, Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, erklärte Computerspiele für ungeeignet, sich „angemessen mit dem historischen Unrecht des Nationalsozialismus“ auseinanderzusetzen (vgl. Zinkler & Mölleken 2018). Der Deutsche Gewerkschaftsbund (2018) zeigte sich in einer offiziellen Stellungnahme entsetzt: „Wir haben erhebliche Zweifel, ob eine Anwendung der Sozialadäquanzklausel im Bereich der Computer-Software in der Praxis ein schleichendes und unkritisches Etablieren von NS-Symbolen auf allen digitalen Plattformen verhindern kann.“
Was war geschehen? Am 9. August 2018 hatte die deutsche Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) in einer Pressemitteilung erklärt, dass „ab sofort“ die Sozialadäquanzklausel in Paragraf 86a Absatz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) „durch die USK-Gremien bei der Prüfung von Computerspielen mit einbezogen“ [wird]. Digitale Spiele, die verfassungsfeindliche Symbole wie das Hakenkreuz beinhalteten, sollten für eine Alterseinstufung sowie für die Freigabe zur öffentlichen Bewerbung geprüft werden. Bedingung ist, dass sie ihren Kontext kritisch kommentieren. Elisabeth Secker, Geschäftsführerin der USK, erklärte: „Durch die Änderung der Rechtsauffassung können Spiele, die das Zeitgeschehen kritisch aufarbeiten, erstmals mit einem USK-Alterskennzeichen versehen werden. Dies ist bei Filmen schon lange der Fall und auch im Hinblick auf die Kunstfreiheit richtigerweise jetzt auch bei Computer- und Videospielen. Die Gremien der USK werden auch diese Aufgabe mit großer Sorgfalt, Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein wahrnehmen“ (vgl. USK 2018).
Kritikerinnen und Kritiker schienen nun eine willkürliche Freigabe von Spielen mit verfassungswidrigen Symbolen zu fürchten. Zu dem Zeitpunkt hatte die USK allerdings erst zwei Spiele (eines davon war lediglich eine Demoversion) freigegeben. In „Through the Darkest of Times“ (HandyGames, 2020) übernehmen die Spielerinnen und Spieler die Kontrolle über eine kleine Widerstandsgruppe in Berlin im Februar 1933. Laut Entwicklungsstudio soll das Spiel über die Schrecken der NS-Herrschaft sowie über die Geschichte von Widerstandsgruppen aufklären. Das zweite freigegebene Spiel „Attentat 1942“ war an der Prager Karls-Universität entwickelt worden und hatte zum Ziel, die deutsche Besatzung aus Sicht der Zivilbevölkerung erfahrbar zu machen: Die in die Entwicklung involvierten Historikerinnen und Historiker waren um eine authentische Rekonstruktion des damaligen Geschehens – Thema war das Attentat auf den hochrangigen SS-Funktionär Reinhard Heydrich in Prag 1942 – bemüht und bauten unter anderem Archivmaterial in das Spiel ein. Nachdem Franziska Giffey (2018) „Through the Darkest of Times“ auf der Gamescom 2018 angespielt hatte, revidierte sie ihre Meinung und erklärte: „Grundsätzlich bin ich nicht dafür, dass Hakenkreuze als Spiel- und Stilmittel eingesetzt werden sollten. Es geht aber bei solchen Fällen um die intensive Auseinandersetzung vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung, eine Abwägung und genaues Hinsehen und in Ausnahmefällen auch um das Zulassen solcher Symbole – wenn der Kontext das rechtfertigt – ähnlich wie beim Film ‚Schindlers Liste‘. Das ist in diesem Fall erfolgt.“
Die erste Entrüstung mag vorschnell gewesen sein, aber sie ist durchaus nachvollziehbar. Spiele vermitteln und verarbeiten immer – meist nur beiläufig, gelegentlich bewusst – gesellschaftliche Werte und historisches Wissen (vgl. Köstlbauer & Pfister 2018). Im schlimmsten Fall können sie zu Produkten der politischen Beeinflussung und Propaganda werden; mitunter dienen sie gar der Verherrlichung des Unmenschlichen. Im frühen 20. Jahrhundert verstanden Pädagoginnen und Pädagogen sie als Lern- und Erziehungsmittel, weshalb Spielsachen und Spiele häufig die herrschenden politischen und sozialen Verhältnisse widerspiegelten. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Ideal des erzieherisch wertvollen Spiels pervertiert: Hakenkreuze zierten nach 1933 Spielbretter, Hitler und seine Handlanger fanden sich im Quartett wieder, Soldaten und Hitler-Figürchen marschierten durch die Kinderzimmer. Sogar der Terror gegen die Juden machte ein 1938 zwischenzeitlich verkauftes Familienspiel – mit dem Titel: „Juden raus!“ und unter Einsatz antisemitischer Karikaturen auf dem Spielbrett – zum grausamen Vergnügen (vgl. Postert 2018; vgl. Pfister 2019).
Bei den ersten digitalen Spielen der 1980er-Jahre, die NS-Symbolik oder den Nationalsozialismus als spielerisches Szenario nutzten, bestanden ähnliche Bedenken wie bei Brettspielen oder historischen Spielzeugmodellen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren vereinzelt gehandelt wurden. Spielsachen, die Hakenkreuze zeigten, wurden in der Bundesrepublik in Einzelfällen von der Polizei konfisziert. Grundlage ist der Paragraf 86 StGB, der die Verbreitung von NS-Propaganda und verfassungsfeindlicher Symbolik untersagt. Die Wiederbelebung nationalsozialistischer Organisationen soll verhindert und insbesondere ein Gewöhnungseffekt durch die Verbreitung solcher Symbole unterbunden werden. Die Auslegung und Anwendung des Paragrafen 86 war jedoch von Beginn an umstritten und ist keinesfalls eindeutig. Unterstützte etwa das kleine Hakenkreuz am Seitenruder eines Modellflugzeugs die Verherrlichung des Nationalsozialismus? „Wann aber der Gebrauch der Symbole noch guter Zweck oder schon verwerflich ist, bleibt weitgehend freier richterlicher Würdigung überlassen“, konstatierte der „Der Spiegel“ (1979) nach einer Razzia, bei der die Kripo Karlsruhe diverse Spielsachen mit NS-Symbolik konfisziert hatte. Die Herstellerinnen und Hersteller sowie die Händlerinnen und Händler verzichteten deshalb meist auf die Verwendung oder den Verkauf, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Spiele aus dem Ausland gelangten nicht – oder nur stark verändert – auf den deutschen Markt. Das in Großbritannien kommerziell erfolgreiche Brettspiel „Escape from Colditz“ (Parker, 1973) zum Beispiel ließ sich in Deutschland aufgrund exzessiver Verwendung von Hakenkreuzen nicht verkaufen; spätere Fassungen ersetzten das Symbol durch den Reichsadler. 1992 erschien eine digitale Adaption des Brettspiels auf dem Heimcomputer Amiga, die ebenfalls den Reichsadler statt dem Hakenkreuz zeigte und wohl nur deshalb in Deutschland verkauft werden konnte (vgl. Kansas 1990).
Ähnlich verhielt es sich mit der Darstellung von NS-Symbolen in digitalen Spielen. Letztere fielen gerade in den 1980er- und 1990er-Jahren nicht durch einen verantwortungsvollen oder gar kritischen Umgang mit der Geschichte auf. Ganz im Gegenteil. Ein besonderes Negativbeispiel ist der berüchtigte „KZ Manager“, den viele Jugendliche damals wohl nur vom Raunen auf den Schulhöfen kannten. Die in den 1980er-Jahren in der rechtsextremen Szene entwickelte Simulation, die bis heute illegale Nachahmerinnen und Nachahmer hat, verherrlichte den Massenmord und Holocaust. Im Juli 1989 wurde das Spiel von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert und mit einem Verbreitungsverbot belegt. Selbst gemessen an zeitgenössischen technischen Standards war das vorrangig durch Tausch verbreitete Spiel primitiv. Durch einen Bericht der Associated Press, der sich wiederum auf eine Studie des Simon Wiesenthal Centers stützte, erlangte das illegale Spiel 1991 weltweit traurige Berühmtheit (vgl. The New York Times 1991). Der BPjM obliegt es seit 1954, strafbare Inhalte zu identifizieren sowie eine wertorientierte Medienerziehung zu gewährleisten. Von Mythen umrankt ist bis heute die damalige Kontroverse um „Wolfenstein 3D“ (id Software), eine 1992 veröffentlichte frühe Fassung der heute populären „Wolfenstein“-Reihe. Mit Hinweis auf die blutrünstige – heute eher harmlos und antiquiert anmutende – Gewaltdarstellung und die Verherrlichung von Selbstjustiz wurde es seitens der BPjM indiziert. Nicht etwa – wie man hätte vermuten können – aufgrund der vielen Hakenkreuze oder des skurrilen Auftritt Hitlers als Endboss. Das Oberlandesgericht Frankfurt, das 1998 mit der Verbreitung des Spiels durch einen Rechtsextremen befasst war, ging in seiner Entscheidung über die Indizierungsgründe der BPjM jedoch hinaus. Das sogenannte „Wolfenstein“-Urteil bekräftigte, dass in digitalen Spielen keine verfassungsfeindlichen Kennzeichen gezeigt werden dürften. Dass die Spielerinnen und Spieler die Nazis mitsamt Hitler bekämpften, also gerade nicht Partei für sie ergriffen, schien dem Gericht hierbei nicht entscheidend. Man nahm an, junge Menschen würden durch das Spiel an verfassungsfeindliche Symbolik gewöhnt. Für Spiele, wie Kritikerinnen und Kritiker des Urteils zu Recht anmerkten, sollte offenbar nicht gelten, was für Spielfilme seit Jahrzehnten möglich war, nämlich die Anwendung der schon genannten Sozialadäquanzklausel in Paragraf 86a. Sie räumt die Möglichkeit der Kunstfreiheit ein und erlaubt Propagandasymbole auch im Kontext der abstrakten Darstellung eines historischen Geschehens (vgl. Bender 2012; vgl. Dankert & Sümmermann 2018).
Nach der juristischen Kontroverse um „Wolfenstein“ gingen die Entwicklerstudios und Publisher einem potenziellen Konflikt mit dem deutschen Gesetzgeber freiwillig aus dem Weg. Die vorsorgliche Entfernung oder Auslassung der einschlägigen Insignien führte freilich nicht zu einem kritischeren Umgang mit der Geschichte. Auch durch die vorauseilende Zensur sahen die Entwicklerstudios keine Notwendigkeit, das Geschehen kritisch zu kommentieren. So kam es ungewollt aber zu einer oberflächlichen Entschärfung bzw. Schönfärberei des NS-Regimes. In Strategiespielen etwa, die das Szenario des Zweiten Weltkrieges bedienten, verwendete man fortan schwarz-weiß-rote Reichsbanner oder die Reichskriegsflagge, als seien diese Symbole von historischer Problematik frei. Hitler-Porträts wurden mit Schatten verdunkelt oder die Figur des Führers kosmetisch oder namentlich geringfügig verändert. So verschwand aber nicht der Nationalsozialismus an sich, nur seine Symbole tauchten ins Halbdunkel ab. Schon in den 1980er-Jahren populäre Strategiesimulationen wie zum Beispiel „Guderian“, „Patton vs. Rommel“ oder „Knights of the Desert“ stellten den Zweiten Weltkrieg als sportlichen Wettstreit zweier mehr oder weniger gleichrangiger Gegner dar, ohne auf Terror, Besatzungsherrschaft oder Völkermord einzugehen. In der Tradition der – in den USA und Großbritannien – erfolgreichen Strategiebrettspiele übernahm man entweder die Kontrolle eines alliierten oder eines deutschen Generals. Dabei war es genau diese Entpolitisierung, die 1994 zur Indizierung der Strategiesimulation „Panzer General“ führte: „Das Spiel ist kriegsverharmlosend, weil die Schrecken und Leiden des Krieges, seine zahlreichen schmerzhaften Auswirkungen verschwiegen werden. Das Kriegsführen wird reduziert auf computergesteuerte Strategie, auf die Vorstellung, daß Kriegsführen eine ‚saubere‘ Angelegenheit sein kann, im Rahmen derer Tod, Schmerz und Leid nicht vorkommen“ (vgl. Celeda 2015).
Auch waren die „unzensierten“, internationalen Spielversionen schon in den 1990er-Jahren für deutsche Jugendliche vergleichsweise leicht zu beziehen. Besonders die Modder-Szene hebelte mit von Laiinnen und Laien erstellten Modifikationen nach der Jahrtausendwende im Handumdrehen die Selbstbeschneidung der Studios und Publisher aus. Selbst dort, wo gar keine vorgesehen waren, tauchten Hakenkreuze auf. Oft duldeten Studios und Publisher diese Modifikationen, weil diese sie nicht in einen ernsthaften Konflikt mit der deutschen Gesetzgebung brachten. In anderen Fällen wurde auch international dagegen vorgegangen, weil offenkundig rechtsextrem motivierte Eingriffe Rufschädigung bewirkten. In den First-Person-Shootern „Counter-Strike“ (Valve, 1999) und „Counter-Strike: Global Offensive“ (Valve, 2012) tauchten immer wieder Hakenkreuze als Profilbilder oder im Spiel als von Spielerinnen und Spielern erstellte Graffitis auf. Man kann derartige Eingriffe zur Entfernung melden. Für „Minecraft“ (Mojang, 2009) werden bis heute von Nutzerinnen und Nutzern Skins angeboten, die die Spielfigur als SS- und SA-Männer oder Hitler darstellen. Die Sonderstellung Deutschlands im Umgang mit NS-Symbolik traf zunehmend auch auf die Realität einer vernetzten Community mit internationalen Vertriebswegen, Foren, Tauschbörsen und digitalen Plattformen.
Geradezu spektakulär war vor diesem Hintergrund die Entscheidung der USK, mit „Through the Darkest of Times“ 2018 zum ersten Mal ein Spiel mit verfassungsfeindlicher Symbolik zu prüfen. Seit 2003 muss jedes Spiel, um eine Jugendfreigabe zu erhalten, durch die USK eingestuft werden. Einmal eingestuft, kann es nicht mehr von der BPjM indiziert werden. Bislang hatte gegolten, dass die USK Spiele mit eindeutigem Straftatbestand gegen Paragraf 86a generell nicht prüfte und diese Spiele folglich nicht vertrieben werden konnten. Das Echo auf die USK-Entscheidung war gewaltig, der Tenor in der Berichterstattung wie unter Fachleuten wundersam einhellig: Ein grundsätzliches Hakenkreuzverbot mache keinen Sinn. Auslöser war die umstrittene Anpassung von „Wolfenstein II: The New Colossus“ (Bethesda Softworks, 2017) für den deutschsprachigen Raum. Aus den oben genannten Gründen hatte sich der Publisher nämlich entschieden, nicht nur alle verfassungswidrigen Symbole vorauseilend zu entfernen. Man war so weit gegangen, jede Erwähnung vom Massenmord an der jüdischen Bevölkerung zu streichen. Das Wort „Juden“ wurde gar durch „Verräter“ ersetzt. Dabei hatte der Publisher nicht mit dem nachfolgenden Sturm der Entrüstung in den deutschsprachigen Medien gerechnet. „Wie ein Computerspiel deutsche Geschichte entsorgt“, titelte etwa der Deutschlandfunk (vgl. Schiffer 2017). Das Thema hatte es bis in die Fernsehnachrichten geschafft (vgl. Pfister 2017). Die Anpassungen waren insofern tragisch, da schon in der internationalen Version des Vorgängerspiels „Wolfenstein: The New Order“ (Bethesda Softworks, 2014) in bisher ungesehener Offenheit die Verbrechen der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten angesprochen worden waren, obgleich in eine fantastische alternative Realität übersetzt. Das Spiel ging ungewohnt direkt auf die Verbrechen des Nationalsozialismus ein: Die Ankunft des Protagonisten im Lager Belica – die als nicht-interaktive Cut-Scene gezeigt wird – greift massiv auf im kollektiven Gedächtnis verankerte visuelle Codes des Holocaust zurück. In dieser Tradition war der Nachfolger „Wolfenstein II: The New Colossus“ (2017) das erste prominente Spiel, das den organisierten Mord an Millionen von Jüdinnen und Juden sowie den Rassenwahn der Nazis (jedenfalls in der Originalversion) beim Namen nannte. Umso schmerzhafter ist deshalb, dass in der deutschen Version nicht nur Fantasiesymbole das Hakenkreuz ersetzten oder Hitlers Bart der Rasur zum Opfer fiel, sondern auch jeder Hinweis auf den Judenmord gelöscht wurde. Hier war zwar die Kritik an den faschistischen Regimen noch immer zu erkennen, aber es fehlte jede Einbettung in die deutsche Geschichte, die diese Warnung so viel eindrücklicher gemacht hätte. Eine bittere Ironie, dass ausgerechnet eine Gesetzespassage, die ein Wiedererstarken des Nationalsozialismus erschweren sollte, eine Kritik an ihm verunmöglichte. Zumal „Wolfenstein II: The New Colossus“ im Hinblick auf das Spieldesign international richtungsweisend war. Noch vor Erscheinen von „Call of Duty: World War II“ (Activison, 2017) erklärte der zuständige Creative Director Brett Robbins, dass auch sein Spiel diesmal nicht länger die „very dark things“ ignorieren wolle (vgl. Rosenberg 2017). Der kritische Blick auf die Gräuel des Zweiten Weltkrieges hatte aber seine Grenzen. Tatsächlich beschränkte sich die Thematisierung des Holocaust vorerst auf das fiktive Foto eines KZ-Gefangenen mit aufgenähtem Judenstern in einer Cut-Scene, auf das im Voice-over-Kommentar nicht näher eingegangen wird. Im Multiplayer-Modus galt, wie Michael Condrey von Sledgehammer Games erläuterte: „You’ll never play as a Nazi, you will play as a German […]“ – als ob die Wehrmachtsausstellung und der Historikerstreit nie stattgefunden hätten. Dennoch: Digitale Spiele suchen nach neuen Wegen, um sich Nationalsozialismus, Zweitem Weltkrieg und Holocaust politikdidaktisch zu nähern (vgl. Pfister 2018).
Eine jüngere Entscheidung der USK ist vor den geschilderten Hintergründen zu lesen. Der dritte Ableger der aktuellen „Wolfenstein“-Reihe aus dem Jahr 2019 erhielt erstmals in zwei Fassungen eine Alterseinstufung und damit die Handelsfreigabe: eine deutsche Version ohne und eine internationale Version mit NS-Symbolik. Besonders die sogenannten Serious Games, die sich der NS-Vergangenheit mit einer didaktisch-historisierenden Zielsetzung nähern, profitieren von der neuen Praxis (vgl. Stark 2018). In einem Fall wurde ein Spiel mit Hakenkreuzen bereits 2012 – allerdings aus besonderen Gründen – mit einer USK-Alterseinstufung versehen (vgl. Stark 2019).
In der Rückschau, mit Blick auf den Missbrauch von Spielen im Dritten Reich und die ersten Anfänge der digitalen Spiele, werden Skepsis und scheinbar rigide Urteile verständlich. Dass zukünftig wieder Spiele mit Hakenkreuzen für den Handel zugelassen sind, ist jedoch nicht als Geschichtsvergessenheit und politischer Irrweg misszuverstehen. Digitale Spiele sind nicht nur ein bedeutsames Unterhaltungsmedium, sondern auch Teil einer populärkulturellen Erinnerungskultur und können möglicherweise einen Beitrag leisten zu historischer Aufklärung und politischer Wertevermittlung.