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Meinung: Föderative Strukturen in einem israelisch-palästinensischen Staatenbund sind die bessere Alternative | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Meinung: Föderative Strukturen in einem israelisch-palästinensischen Staatenbund sind die bessere Alternative

Michael Wolffsohn

/ 7 Minuten zu lesen

Wie soll es weitergehen im Nahen Osten? Michael Wolffsohn meint: Die Zweistaatenlösung löst nichts, sie schafft neue Probleme.

Graffiti an der israelischen Sicherheitsmauer in Bethlehem, Westjordanland. (© picture-alliance, CHROMORANGE)

Wie soll es in Nahost weitergehen? Innerhalb Israels, zwischen Juden und den palästinensisch-arabischen Staatsbürgern, sowie zwischen Israel und den Palästinensern? Die Zweistaatenlösung löst nichts, sie schafft neue Probleme. Alle bisherigen Realisierungsversuche scheiterten. Die künftigen werden ebenfalls misslingen. Nur zwei offensichtliche Gründe seien genannt.

Erstens: Im heutigen Israel leben ohne besetzte Gebiete rund 2 Millionen Palästinenser als Bürger des Jüdischen Staates. Das entspricht etwa 21 %. Selbst bei der Gründung von „Palästina“ möchten und werden sie in Israel bleiben. Allein schon wegen ihrer als Staatsbürger Israels erworbenen Versorgungsansprüche. Kein ernstzunehmender Politiker Israels denkt an eine Vertreibung bzw. „ethnische Säuberung“ dieser Bürger. Und wenn doch, war die Raketen-Intifada im Mai 2021 nur die Ouvertüre zum wechselseitigen jüdisch-arabischen Abschlachten.

Zweitens: Im palästinensischen Westjordanland plus Ostjerusalem leben – es gefalle oder nicht – rund 750.000 jüdische „Siedler“. Das entspricht circa 22 % der Westbank-Bewohner. Selten ausgesprochen, meist unausgesprochen enthält die Zweistaaten“lösung“ als Ziel nicht nur die Räumung der Siedlungen, sondern auch die Umsiedlung der jüdischen Siedler. Diese werden das nicht hinnehmen. Um das vorherzusagen, muss man kein Prophet sein. Es würde in diesem – völlig unrealistischen – Falle zu einem Bürgerkrieg kommen: Zwischen den Siedlern und ihren Anhängern im israelischen Kernland auf der einen Seite sowie den räumungsbereiten jüdischen Israelis im Kernland auf der anderen. Letztere möglicherweise gemeinsam mit dem neuen „Palästina“. Vorstellbar, aber nicht machbar. Massenhaftes Blutvergießen zwischen Palästinensern und Juden im Westjordanland ebenso wie im Kernland Israels kann demnach nur verhindert werden, wenn die Siedler weiter im Westjordanland und in Ostjerusalem leben. Das wird vielen missfallen, ist aber der Preis für den Verzicht auf wechselseitiges Massenmorden. So viel in aller Kürze zur Zweistaaten“lösung“.

Nach ihrem vielfachen Scheitern im Vorstadium sollte man endlich auf den Gedanken kommen, dass jener Plan nicht zu verwirklichen sei. Doch das ist ein Irrtum. Die Zweistaaten“lösung“ gilt weiter als Dogma. Der US-Präsident hat das auch während des Gazakrieges 2023/24 immer wieder bekräftigt. Deutschland und die EU plädieren seit Jahrzehnten für diese politische Perspektive – weil sie die Katastrophe, die aller Wahrscheinlichkeit nach daraus resultieren würde, nicht vorhersehen (wollen oder können).

Was wäre eine, besser, DIE Alternative? Föderative Strukturen! Das sei im Folgenden erläutert. Die föderative Gliederung eines gemeinsamen israelisch-palästinensischen Staates würde die grundlegenden Axiome und Ziele einschließen, an denen sich jede Lösung messen lassen muss: Erstens haben beide Seiten das Recht, nach innen und außen friedlich zu leben bzw. zu überleben. Zweitens haben beide Seiten bzw. beide politischen Einheiten das Recht auf individuelle ebenso wie kollektive Selbstbestimmung. Überall und immer ist jede politische Einheit nur nach außen eine Einheit, nach innen jedoch vielfältig und vielschichtig. Das bedeutet, dass es untereinander bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols durchaus zur Anwendung von Gewalt in der oder gegen die eigene politische Einheit bzw. Gruppe kommen kann.

Individueller und kollektiver Überlebens- und Selbstbestimmungswille sind HISTORISCHE URKRÄFTE. Das heißt: Man kann sie zeitweilig, doch nie auf Dauer unterdrücken. Das ist einerseits realistisch und andererseits ethisch. Es zwingt letztlich alle Beteiligten jeder politischen Einheit, intern und extern nach politischen, d.h. friedlichen Lösungen zu suchen. Nur zwei Möglichkeiten der Konfliktlösung sind denkbar und deshalb machbar: Möglichkeit 1: Kompromiss, Möglichkeit 2: fortwährende Gewalt. Da Möglichkeit 2 bereits auf eigenem Gebiet für jede Seite riskant bis tödlich ist, gebieten Vernunft und der jedem Menschen angeborene Überlebenstrieb, Möglichkeit 1 anzustreben.

Unerlässliche Voraussetzung hierfür sind funktionierende, demokratisch bestimmte, repräsentative Institutionen – Parlamente – als Instrumente der Selbstbestimmung. Parlamente sind die Vergegenwärtigung (= Re-präsentierung) der verschiedenen, überall und immer rivalisierenden Kräfte der Gesellschaft in einer durch freie und faire Wahlen legitimierten Institution. Die Parlamente sind gewissermaßen Spiegel der Gesellschaft.

Parlamente und die auf ihnen gründenden innerstaatlichen Institutionen bewirken, dass die gesellschaftlichen Konflikte durch ihre Verlagerung von der Straße ins Parlament zwar nicht aufgelöst, jedoch aber einer weitgehend gewaltfreien politischen Bearbeitung zugeführt werden: Das Wort ersetzt die Waffe. Vom Gedanken zur Tat, vom Denken zum Machen.

Bundesrepublik Israel

Weil in den geografisch-politischen Einheiten Israel und Westjordanland Juden und Araber territorial jeweils „durchmischt“ wohnen, kann ihr Recht auf Selbstbestimmung nicht territorial eindeutig definierten Gebieten zugeordnet werden. Träger des Selbstbestimmungsrechts sind deshalb die Gruppe 1 Juden und die Gruppe 2 Araber. Also keine territoriale, sondern eine gruppenbezogene Aufteilung. „Personale Autonomie“ sei sie genannt.

Israel bleibt wie es ist – und doch nicht, denn: Unabhängig vom Wohnort im israelischen Kernland wählen Juden und Araber ihr je eigenes Parlament („Kammer“) und dieses die je eigene Regierung ihrer Gruppe. Sie ist für die jeweilige Binnenregulierung, einschließlich der je eigenen Polizei, zuständig. Auf diese Weise würden auch innerjüdisch die Interessen der Peripherie, jenseits der Metropolregionen, gewichtiger. Neben und über den zwei Gruppen-Parlamenten gibt es – wie bisher – die Knesset, das gesamtstaatlich israelische Parlament mit dem allgemeinen Wahlrecht für alle Bürger. Alle Juden und Araber Israels wählen dieses Parlament gleichberechtigt. Dieses bestimmt und kontrolliert die Bundesregierung. Der jüdische Staat Israel wäre also eine Personale Föderation von Juden und Arabern.

Araber, die eine solche föderative Regelung durch eine behördlich fixierte Erklärung nicht billigen, können weiter in Israel wohnen. Sie sind inländische Einwohner, jedoch keine israelischen Staatsbürger. Deshalb dürfen sie nicht an den Wahlen zur Knesset teilnehmen. Davon bleibt jedoch ihr Wahlrecht für das Gruppen-Parlament in ihrem palästinensischen Kanton unberührt. Für Einzelheiten verweise ich auf mein Buch „Zum Weltfrieden“ (Wolffsohn 2015).

Eine Personale Autonomieregelung würde auch Raum für gruppenbezogene Selbstbestimmungsrechte innerhalb der beiden großen Einheiten ermöglichen. So könnte z.B. innerhalb des israelischen Bundesstaats der hoch eskalierte Dauerkonflikt zwischen Religiösen und Nicht- bzw. Antireligiösen durch die Schaffung einer Autonomiegruppe für jede der beiden Seiten entschärft werden. Innerhalb der palästinensischen Großgruppe wären ebenfalls mehrere Untergruppen bzw. Bundesländer (oder auch Kantone) denkbar.

Palästina 1: Bundesland / Kanton Palästina-Westjordanland

Palästina-Westjordanland könnte ein erstes Bundesland der „Bundesrepublik Palästina“ sein. Es ist entmilitarisiert, verfügt aber über eine eigene Polizei. Die Palästinenser wählen ihr Parlament und dieses die Landesregierung. Die jüdischen Siedler, die keiner ohne Blutvergießen umsiedeln kann, wählen ihre Vertreter für die jüdische Kammer und beteiligen sich, wie bisher, an Knessetwahlen in Israel. Infrastruktur- und Entwicklungsmaßnahmen für die Siedlungen finanziert der Staat Israel. Sie bedürfen jedoch der Zustimmung der Regierung von Palästina-Westjordanland. Für die Sicherheit der Siedler sorgt die israelische Polizei.

Palästina 2: Bundesland Palästina-Gaza

Seit Juli 2005 und gewiss auch nach dem Gazakrieg 2023/24 gilt diese Tatsache: Kein Jude siedelt im Gazastreifen. Dieser wird als „Palästina-Gaza“ zum zweiten Bundesland der „Bundesrepublik Palästina“. Auch hier wären die üblichen Bundesland- bzw. Kanton-Strukturen von unten nach oben aufzubauen Die administrativen Regelungen – es gibt sie zuhauf – sind kein strategisches, sondern ein operativ-taktisches Problem. Dessen Ausformung muss hier deshalb nicht skizziert werden.

Palästina 3: Bundesland Palästina-Jordanien

Jetzt kommen wir zu einer der wohl schwierigsten Herausforderungen. Sie betrifft die palästinensische Mehrheitsbevölkerung (etwa zwei Drittel) im benachbarten Königreich Jordanien. Demografisch ist Jordanien folglich seit jeher Palästina. Zwischen der Palästinenser-Mehrheit und den Nicht-Palästinensern, zu denen das Königshaus gehört, herrscht ein instabiler und – wie die Erfahrung zeigt – jederzeit wiederrufbarer Status quo. Er wird zudem derzeit, besonders von Hamas und dem Iran, durch Propaganda und Mobilisierungsversuche gegen das Königshaus noch instabiler.

Um den fragilen Status quo zu stabilisieren, schlage ich vor, ebenfalls nach den Grundsätzen einer Personalen Autonomie in Jordanien je eine Kammer für Palästinenser und Nicht-Palästinenser einzurichten. Darüber würde das jordanische Nationalparlament stehen, das aus allgemeinen Wahlen hervorgeht und die Regierung bestimmt und kontrolliert. Wie bisher, verfügt Palästina-Jordanien über eigenes Militär.

Bundesrepublik Palästina

Palästina 1, 2 und 3 bilden die „Bundesrepublik Palästina“, wählen das Bundesparlament und dieses die Bundesregierung, die den Staat nach außen vertritt und durch das eigene Militär nach außen schützt. Stationiert wird es auf dem Territorium von Palästina-Jordanien. Hauptstadt ist Ost-Jerusalem, wobei die Stadt ungeteilt bleibt: Regierungs- und Parlamentssitz der Bundesrepublik Palästina ist Amman. Das ermöglicht auch geografische Distanz zur Bundesrepublik Israel. Und wieder: Hier werden strategische Rahmenbedingungen beschrieben, also die Prioritäten, keine operativ-taktischen. Sätze wie „Der Teufel steckt im Detail“ sind Ablenkungsmanöver. Man übersehe zudem nicht, dass kein ernstzunehmender Akteur bislang Details der vermeintlichen Lösung für zwei Staaten präsentiert hat.

Wie jeder Krieg, ist auch der Gazakrieg 2023/24 irgendwann zu Ende. Taktisch, kurzfristig stellt sich danach freilich die Gretchenfrage: Wie hältst du´s mit der Hamas? Und zwar im Rahmen eines – wie skizziert – demokratischen Staates Palästina? Wenn gilt, was landauf, landab gesagt wird: Die Hamas ist eine Terrororganisation, dann gibt es nach allen historischen Erfahrungen nur eine Antwort: Die Hamas muss als politischer Akteur verboten werden. Keiner aus ihrer Führungsgruppe kann für politische Ämter kandidieren, denn: Sie alle haben Blut an ihren Händen. Israelisches Blut (aus der Feindessituation verständlich), aber eben auch das massenhaft, wissentlich und willentlich vergossene Blut der eigenen Landsleute.

Anders die Zukunft der überzeugten oder umstandsbedingten Mitläufer. Wie ab 1945 im besiegten NS-Deutschland (und nach der DDR) werden sie – es gefalle oder nicht – gebraucht, geduldet und integriert. Dieses Modell hat sowohl in der Alt- als auch der Neu-Bundesrepublik Deutschland ab 1990 letztlich den inneren Frieden gesichert. Übrigens auch welthistorisch, von der Antike bis zur Gegenwart, in vergleichbaren Situationen.

Staatenbund bzw. Konföderation Israel-Palästina-Jordanien

Die beiden Bundesstaaten Israel und Palästina bilden einen Staatenbund „Israel-Palästina“ als Wirtschafts-, Zoll-, Währungs- und Finanzunion. Der Ansatz entspricht dem der Europäischen Integration. Das bedeutet: Damit sich die einstigen und potenziellen Feinde nicht wieder ineinander verbeißen, werden sie mit- und ineinander verzahnt. Feindseligkeiten würden so für jede Seite zumindest ökonomischer Selbstmord. Frieden durch Föderalismus, das ist eine Vernunft-, keine Liebesheirat. Doch allemal besser als Dauerkrieg. Es gibt zudem Vernunftehen, die zu Liebe führten. Utopie? Die bisherigen „Lösungen“ führen in den Abgrund. Zeit zum Umdenken.

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Prof. Dr. Michael Wolffsohn ist Historiker, Publizist und Buchautor. Er lehrte von 1981 bis 2012 Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr München.