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Nicaragua | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Nicaragua

Karsten Bechle

/ 7 Minuten zu lesen

In Nicaragua wurde der Bürgerkrieg an den Wahlurnen beendet. Eine ernsthafte Aufarbeitung fand nie statt. 2007 kehrten die Sandinisten durch Wahlen an die Macht zurück. Präsident Daniel Ortega hat die demokratischen Institutionen bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt. Seit der blutigen Niederschlagung der Proteste im April 2018 befindet sich das Land in einer tiefen Krise.

Demonstranten knien bei einem Protest gegen Gewalt durch Paramilitärische Kräfte in Managua vor Polizisten, 14.07.2018. (© picture-alliance/dpa, Carlos Herrera)

Der Weg zum Frieden

Nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza übernahm der linksgerichtete Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) 1979 die Macht in Nicaragua. Ein Jahr später begannen die rechtsgerichteten Contras den bewaffneten Kampf gegen das sandinistische Regime. Die Aufständischen setzten sich nicht nur aus Anhängern Somozas zusammen, sondern auch aus Teilen der bürgerlichen Opposition, vielen Bauern, einigen enttäuschten Sandinisten und großen Teilen der indigenen Bevölkerung an der Atlantikküste. Das Einzige, was diese überaus heterogene Koalition über Jahre hinweg verband, war die massive finanzielle und logistische Unterstützung durch die US-Regierung, die in Nicaragua einen Stellvertreterkrieg gegen den Einfluss der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in Mittelamerika führte.

Die US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan (1981-89) weigerte sich, die Wahl Daniel Ortegas zum Präsidenten anzuerkennen und erließ ein Handelsembargo gegen das Land. 1984 verminte die CIA die Häfen Nicaraguas. Als der US-Kongress die weitere Unterstützung der Contras untersagte, leitete der Geheimdienst Einnahmen aus Waffengeschäften mit dem Iran an die Rebellen weiter und ließ zu, dass die Contras große Mengen an Kokain in die USA schmuggelten. Erst nachdem die sogenannte Iran-Contra-Affäre 1986 aufgedeckt worden war, kam die Unterstützung aus den USA zum Erliegen.

Seit 1983 bemühte sich eine lateinamerikanische Staatengruppe um Mexiko, Panama, Kolumbien und Venezuela, die Konflikte in Zentralamerika aus der Ost-West-Perspektive zu befreien, um so eine regionale Lösung zu ermöglichen. Die sogenannte Contadora-Gruppe leistete wichtige Vorarbeit für das 1987 unterzeichnete Abkommen von Esquipulas. Darin einigten sich die Regierungen Zentralamerikas auf weitreichende Maßnahmen zur Demokratisierung und Befriedung der Region. In der Folge verloren die Contras ihr Rückzugsgebiet in Honduras und die Sandinisten verpflichteten sich zur Durchführung von Neuwahlen.

Vor diesem Hintergrund entschlossen sich Teile der Contras, das oppositionelle Wahlbündnis Unión Nacional Opositora (UNO) von Violetta Barrios de Chamorro zu unterstützen. Es umfasste ein breites Spektrum bürgerlicher, konservativer und radikal anti-sandinistischer Parteien. Der Sieg der UNO im Februar 1990 traf die Sandinisten völlig unvorbereitet. In der zweimonatigen Übergangszeit bis zum Amtsantritt der neuen Regierung erließen sie noch einige Gesetze zur Absicherung der sandinistischen Agrarreform und stellten zahlreiche Eigentumstitel für Land und Wohnungen aus. Darüber hinaus bedienten sich insbesondere hohe Funktionäre großzügig an konfisziertem Eigentum aus dem Umfeld Somozas.

In der gleichen Zeit gelang es der künftigen Präsidentin Chamorro, Übereinkünfte mit den Contras und Sandinisten zu erzielen. Damit war der Bürgerkrieg beendet und Nicaragua aus seiner internationalen Isolierung befreit. Die Regierung Chamorro war jedoch weiter auf die Unterstützung durch die Sandinisten angewiesen, die nach wie vor Armee, Polizei und Geheimdienst kontrollierten und die stärkste Fraktion im Parlament stellten.

Ergebnisse des Friedensprozesses

Mit der Wahlniederlage des FSLN endete auch der Bürgerkrieg. Die Contras hatten ihr wichtigstes Ziel erreicht. In den Friedensverhandlungen saßen sie nicht dem ehemaligen Bürgerkriegsgegner gegenüber, sondern einer neuen Regierung, deren Vertreter sie im Wahlkampf unterstützt hatten. Eine offene und selbstkritische Auseinandersetzung zwischen Contras und Sandinisten blieb jedoch ebenso aus wie ein ernsthafter Versuch zur Aufarbeitung der Bürgerkriegsvergangenheit. Die Friedensverhandlungen konzentrierten sich überwiegend auf die Entwaffnung und Demobilisierung der Kombattanten.

Anders als in den Nachbarländern blieb die Rolle der Vereinten Nationen in Nicaragua weitgehend darauf beschränkt, die Entmilitarisierung der Contras zu überwachen. Die von den UN entsandte Beobachtergruppe (Grupo de Observadores de las Naciones Unidas en Centroamérica, ONUCA) verließ das Land bereits 1991. Die fast ausschließlich von den USA finanzierte Mission der Organisation Amerikanischer Staaten (Comisión Internacional de Apoyo y Verificación, CIAV-OAS) konzentrierte sich in den ersten Jahren lediglich auf die Untersuchung von gegen die Contras und ihr Umfeld verübte Menschenrechtsverletzungen.

Die wirtschaftliche und soziale Notlage nach dem Ende des Bürgerkriegs erwies sich als schwere Hypothek. Der jahrelange interne Konflikt, die gezielte Obstruktion durch die Contras und ihre Verbündeten, aber auch Fehlentscheidungen der Sandinisten hatten der Wirtschaft enormen Schaden zugefügt. Die sozialen Errungenschaften der sandinistischen Revolution wurden durch Reformen der nachfolgenden Regierungen weitgehend zurückgenommen. Die von internationalen Finanzorganisationen eingeforderten Strukturanpassungsmaßnahmen ließen wenig Spielraum, um angemessen auf die drängenden sozialen Probleme der Nachkriegszeit zu reagieren.

Vor diesem Hintergrund gestaltete sich die gesellschaftliche Wiedereingliederung der Kombattanten schwierig. Unzufriedenheit und fehlende Perspektiven führten dazu, dass ehemalige Rebellen (Recontras) oder Sandinisten (Recompas) erneut zu den Waffen griffen. Viele Recontras wollten sich nicht mit den Ergebnissen der Friedensverhandlungen und der nach wie vor starken Rolle der Sandinisten in Staat und Gesellschaft abfinden. Andere wollten die Regierung durch ihre Rückkehr zu den Waffen dazu nötigen, die im Rahmen der Demobilisierung erfolgten materiellen Zusagen auch einzuhalten. Ein weiterer Teil verlagerte seine Aktivitäten in den Bereich der Kriminalität und nutzte die im Bürgerkrieg gesammelten Erfahrungen für Tätigkeiten wie Drogenschmuggel. Ähnlich sah es bei den Recompas aus, die vor allem von der drastischen Reduzierung der Streitkräfte betroffen waren. Politische Gewalt blieb bis weit in die zweite Hälfte der 1990er Jahre ein Problem und kostete noch fast 2.000 Menschenleben.

Die ideologischen Konfliktlinien aus der Zeit des Kalten Krieges haben seither an Bedeutung verloren. Als die Sandinisten 2007 auf dem Weg von Wahlen an die Macht zurückkehrten, war die Sorge vor einem erneuten Bürgerkrieg gering. Auch das Ausmaß an Gewaltkriminalität ist, insbesondere im Vergleich zu den Nachbarländern Honduras, El Salvador und Guatemala noch moderat.

Probleme und Defizite

Zu den ungelösten Problemen Nicaraguas gehören das niedrige Entwicklungsniveau, das hohe Ausmaß an Korruption und die Schwäche der staatlichen Institutionen, die seit der Wiederwahl Daniel Ortegas 2007 fast vollständig ausgehöhlt wurden. Bereits 1999 hatten Ortega und der damalige Präsident Arnoldo Alemán die wichtigsten Positionen in den zentralen staatlichen Institutionen zwischen FSLN und Alemáns Partido Liberal Constitucionalista (PLC) aufgeteilt. Der "Pakt" sollte Alemán, der sich unter anderem der Geldwäsche, Veruntreuung und Korruption schuldig gemacht hatte, über das Ende seiner Amtszeit hinaus parlamentarische Immunität verschaffen.

Seit seiner Rückkehr an die Macht hat Ortega seine personalistische und autoritäre Herrschaft kontinuierlich ausgebaut. Er kontrolliert nicht nur die sandinistische Partei und die Mehrheit der Gewerkschaften, sondern auch die politischen und juristischen Institutionen des Landes, den Sicherheitsapparat und die Medien. Die weitgehend vom FSLN dominierten Bürgerräte ("Consejos del Poder Ciudadano") sichern die politische Kontrolle auf der lokalen Ebene. Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen 2016 entzog der Oberste Gerichtshof aufgrund eines internen Richtungsstreites im Partido Liberal Independiente (PLI) dem aussichtsreichsten Oppositionskandidaten den Vorsitz der Partei. Kurze Zeit später enthob die Oberste Wahlbehörde die Abgeordneten der PLI ihres Mandates. Weite Teile der Opposition boykottierten daraufhin die Wahlen, internationale Beobachter waren nicht zugelassen. Ortega erzielte einen überwältigenden Sieg, Vizepräsidentin wurde seine Ehefrau Rosario Murillo. Die Kinder des Präsidentenpaares haben Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und Medien inne.

Mit wenig Rücksicht auf ideologischen Ballast hat es Ortega in der Vergangenheit verstanden, potenzielle Gegner auf seine Seite zu ziehen. Das gilt nicht zuletzt für die katholische Kirche, mit der er frühzeitig eine Aussöhnung anstrebte. Mit den Stimmen des FSLN wurde 2006 in Nicaragua ein Abtreibungsverbot verabschiedet, das selbst bei Gefahr für das Leben der Mutter oder Vergewaltigung langjährige Haftstrafen für Schwangerschaftsabbrüche vorsieht. Die Gunst der wirtschaftlichen Eliten sicherte sich Ortega durch ein investitionsfreundliches Klima, das maßgeblich durch den Unternehmerverband Consejo Superior de la Empresa Privada (COSEP) mitbestimmt wurde. Internationale Finanzinstitutionen stellten jahrelang bereitwillig Kredite in Höhe von hunderten Millionen Dollar zur Verfügung. Auch gegenüber den USA, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner Nicaraguas, verfolgte Ortega einen sehr pragmatischen Kurs, nicht zuletzt im Rahmen des gemeinsamen Freihandelsabkommens zwischen Zentralamerika und den USA und bei der Bekämpfung des Drogenhandels.

Die Unterstützung der ärmeren Bevölkerungsschichten sicherte sich Ortega über Sozialprogramme, wie das 2007 aufgelegte Armutsbekämpfungsprogramm "Hambre Cero". Nicaragua ist nach Haiti das ärmste Land Amerikas, doch es erzielte über weite Strecken der Amtszeit Ortegas eine der höchsten Wachstumsraten in der Region. Merkliche Fortschritte wurden nicht nur bei der Armutsreduzierung, sondern auch im Bildungssektor und im Gesundheitssystem erzielt. Finanziert wurde dies nicht zuletzt mit Mitteln der befreundeten sozialistischen Regierung Venezuelas. Aufgrund der gravierenden Wirtschaftskrise in Venezuela ist die Unterstützung jedoch seit 2015 merklich gesunken und seit 2017 gänzlich ausgeblieben. Dadurch wurde Ortega zu Sparmaßnahmen gezwungen, was zu einer wachsenden Erosion seiner Unterstützerbasis führte.

Im April 2018 verkündete die Regierung eine Reform der Sozialversicherung, die zu höheren Rentenbeiträgen und niedrigeren Bezügen geführt hätte. In der Folge kam es zu Massenprotesten, die neben Schülern und Studenten auch von der Kirche und Teilen der Unternehmerschaft getragen wurden. Im Zuge der Unruhen wurden rund 300 Menschen getötet, tausende wurden verletzt. Die meisten Opfer gehen auf das Konto regimetreuer paramilitärischer Gruppen und der Sicherheitskräfte. Hunderte Oppositionelle wurden festgenommen und erlitten in der Haft teilweise massive Menschenrechtsverletzungen. Rund 100.000 Menschen haben das Land verlassen.

Seit der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste sind alle Vermittlungsversuche gescheitert. Die Regierung setzt weiterhin auf Repression. Der lange Zeit verhältnismäßig große Rückhalt Präsident Ortegas in der Bevölkerung ist weggebrochen. Auch die Kirche und weite Teile des Unternehmertums haben sich vom Präsidenten abgewendet. Die Wirtschaft Nicaraguas ist seit dem Ausbruch der Proteste eingebrochen. Das Land leidet massiv unter dem Rückgang internationaler Investitionen. Die weiteren Aussichten sind düster. Ein Einlenken der Regierung ist wenig wahrscheinlich, nicht zuletzt, weil sich Ortega und seine Entourage im Falle eines Machtwechsels voraussichtlich für die blutige Niederschlagung der Proteste verantworten müssten.

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Karsten Bechle ist seit mehreren Jahren im Bereich Risikomanagement tätig. Er hat Politikwissenschaft in Freiburg und Buenos Aires studiert und war anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI) in Freiburg und am German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg.