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Mosambik | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Mosambik

Elísio Macamo Lothar Berger

/ 8 Minuten zu lesen

In Mosambik ist der Friedensprozess unter Druck. Zwar dominiert die FRELIMO das politische System. Doch die RENAMO-Opposition ist weiterhin gewaltbereit. Der Staat ist hochverschuldet, und die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer tiefer. Seit 2017 häufen sich dschihadistische Überfälle im Norden.

Präsident Filipe Jacinto Nyusi (FRELIMO) (l.) und Oppositionsführer Ossufo Momade (RENAMO) bei der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Maputo am 06.08.2019. (© picture-alliance/AP, Ferhat Momade)

Der Weg zum Frieden

1992 war der Bürgerkrieg zwischen der ehemaligen Befreiungsbewegung FRELIMO und der Rebellenbewegung RENAMO unter der Vermittlung der katholischen Laiengemeinde Sant‘Egidio aus Rom und mit finanzieller Unterstützung der italienischen Regierung beendet worden. Die RENAMO war zwei Jahre nach der Unabhängigkeit Mosambiks (1975) in Rhodesien gegründet worden, später übernahm das Apartheidregime Südafrikas die militärische und logistische Unterstützung der RENAMO. Was als Destabilisierungskrieg gegen das sozialistisch ausgerichtete Mosambik begann, entwickelte sich bald zu einem langjährigen, an Brutalität damals kaum zu überbietenden Bürgerkrieg. Daran änderte sich auch nichts, als sich die FRELIMO 1989 vom Sozialismus verabschiedete und das Mehrparteiensystem in der Verfassung verankerte.

Das Friedensabkommen sah den Aufbau von demokratischen Strukturen, die Vertiefung des Friedensprozesses und die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung vor. Bis 2013 hielten sich beide Parteien weitgehend an die Abmachungen und arbeiteten an der Errichtung eines funktionierenden demokratischen Systems. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete ihr stillschweigendes Einverständnis, Menschenrechtsverletzungen während des Krieges nicht weiter zu verfolgen. Unter "Versöhnung" wurde v.a. der Aufbau einer gemeinsamen Armee, die gesellschaftliche Wiedereingliederung der Kämpfer und die Behandlung von Kriegstraumatisierten verstanden. Das Wiederaufflammen kriegerischer Auseinandersetzungen seit 2013 und ein sich intensivierender Konflikt mit dschihadistischen Gruppen im Norden des Landes gefährden den ohnehin labilen Frieden.

Erfolge und Fortschritte

Bei allen Wahlen seit 1994 gewannen die Kandidaten der ehemaligen Befreiungsbewegung FRELIMO mit absoluter Mehrheit. Auch bei den letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Jahre 2019 errang der Regierungskandidat, Filipe Jacinto Nyusi, mit 73% der abgegeben gültigen Stimmen das Präsidentenamt. Bei den Parlamentswahlen behauptete die FRELIMO mit 184 Sitzen (vorher 144) die absolute Mehrheit gegenüber den beiden Oppositionsparteien RENAMO (60 Sitze) und der Bewegung für Demokratie in Mosambik (MDM) (6 Sitze).

Internationale und nationale Beobachter warfen Regierung und FRELIMO bisher bei jeder Wahl Betrug vor. Doch blieben Drohungen der Hauptoppositionspartei RENAMO, sich mit Gewalt zur Wehr zu setzen, lange folgenlos. Obwohl immer wieder darüber berichtet wurde, dass die RENAMO über bewaffnete Gruppen verfügt, schien es unwahrscheinlich, dass sie den Willen und die organisatorische Fähigkeit besitzt, ihre Anhänger für einen erneuten Krieg zu mobilisieren. Dagegen sprachen nicht zuletzt auch die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Mitgliedern der RENAMO- und der FRELIMO-Führung.

Das extreme Machtungleichgewicht zwischen Regierung und Opposition und der offensichtliche Unwille der RENAMO, sich mit der Oppositionsrolle abzufinden, gefährden inzwischen den Friedensprozess. Das Hauptproblem liegt darin, dass die Gewaltenteilung und Demokratisierung des Staates nicht wirklich vorankommen. Bereits bei den Friedensverhandlungen war deutlich geworden, dass der Staat eine wichtige Kriegstrophäe sein würde. Die FRELIMO zieht nach wie vor immense Vorteile aus der Kontrolle des Staates.

Bisher war es so, dass hauptsächlich die Zivilgesellschaft die politischen Probleme des Landes thematisiert. Sie organisierte große Kundgebungen und Demonstrationen – z.B. gegen die wachsende Kriminalität. Die aktive Zivilgesellschaft besteht aus Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Medien und Zeitungen (z.B. Savana, Canal de Moçambique, Magazine Independente, O País, STV). In jüngster Zeit ist allerdings eine wachsende Einschüchterung unabhängiger Journalisten zu beobachten, vor allem bei der Berichterstattung über die Krisenregionen. Im Pressefreiheitsindex von Transparency International ist Mosambik 2020 auf Platz 104 (von 180 Staaten) abgerutscht.

Armut trotz Rohstoffreichtum

Die Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen in Mosambik lockte neue Investoren an – vor allem aus China und Brasilien, aber auch aus Südafrika, Australien, Indien, Italien und einigen anderen europäischen Ländern, die massiv in sogenannte "Mega-Projekte" investieren. Die dadurch ausgelöste wirtschaftliche Dynamik schlägt sich jedoch nicht in einer entsprechenden Verbesserung der Lebensverhältnisse nieder. Im HDI, dem UN-Ranking der menschlichen Entwicklung, nimmt Mosambik weiterhin einen der letzten Plätze ein: 2019 Rang 180 von 189.

Zu den strukturellen Defiziten der mosambikanischen Wirtschaft gehört auch, dass mittelständische Unternehmen kaum von den Mega-Projekten profitieren. Außerdem hat die schlechte Entwicklung der Rohstoffpreise auf den Weltmarkt Mosambik hart getroffen. 2015 verlor die mosambikanische Währung fast 30% ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar, und die Regierung musste zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder Finanzspritzen vom Internationalen Währungsfonds beantragen.

Noch viel einschneidender für die Wirtschaftslage waren die von der Guebuza-Regierung (2005-2014/15) aufgenommenen illegalen Schulden in Höhe von 2 Mrd. US-Dollar, die dazu führten, dass Mosambik 2016 praktisch bankrott war. Sowohl der Weltwährungsfonds IWF als auch wichtige Geber stellten daraufhin bis zur vollständigen Aufklärung des Skandals ihre Zahlungen an Mosambik ein. Die Staatsverschuldung belief sich 2018 auf 15,2 Mrd. US-Dollar. Nach Weltbankangaben sind neben dem Staat mittlerweile auch private Unternehmen und Banken in erheblichem Maße im Ausland verschuldet. Das lange Zeit gerühmte Wirtschaftswachstum ist 2017 bei einem 15-Jahrestief von 3,6% gelandet. Wegen der heftigen Auswirkungen der Zyklone, die Mosambik Anfang 2019 trafen, sank das Wachstum weiter auf nur noch 2,2%. Eine für 2020 prognostizierte Erholung könnte sich wegen der Folgen der Corona-Krise als nichtig erweisen.

Während vom Rohstoffboom nur etwa 20% der Bevölkerung profitieren, wächst der Anteil der ländlichen Haushalte unterhalb der Armutsgrenze. Geschätzte 19 Mio. Mosambikaner leben nach Weltbank-Angaben von 2017 in extremer Armut, d.h. über 62% der Bevölkerung von rd. 30 Millionen müssen mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen. Ausgerechnet das Zentrum und der Norden Mosambiks, wo die meisten Rohstoffvorkommen lagern, fühlen sich sozial und wirtschaftlich abgehängt.

Mosambik - Konflikte mit Beteiligung der RENAMO
Interner Link: Hier finden Sie die Karte als hochauflösende PDF-Datei (mr-kartographie, Gotha 2018) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Probleme und Defizite

2013 kam es zu mehreren gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und bewaffneten Kämpfern der RENAMO. Deren Vorsitzender, Afonso Dhlakama, hatte mit Krieg gedroht und nach der Einnahme des RENAMO-Hauptquartiers in Zentralmosambik durch Regierungssoldaten im Oktober 2013 das Abkommen von 1992 gekündigt, und der Konflikt drohte zu eskalieren. Doch vor den Wahlen im Oktober 2014 einigten sich die Kontrahenten auf eine Waffenruhe, die Straffreiheit für Kämpfer und die Integration der Rebellen in die Armee vorsah. In einem der Hauptstreitpunkte, der Zusammensetzung der nationalen Wahlkommission, konnte schließlich Einigung erzielt werden, was der RENAMO eine Teilnahme an den Wahlen im Oktober 2014 ermöglichte. Dhlakama musste sein Versteck in den Gorongosa-Bergen verlassen, um sich unter strengen Sicherheitsmaßnahmen für die Wahlen registrieren zu lassen.

Bei den Wahlen von 2014 verlor die FRELIMO ihre Zweidrittelmehrheit. Vor allem aber bestätigte der Ausgang die Spaltung des Landes: In den fünf Zentralprovinzen Nampula, Tete, Manica, Zambezia und Sofala gewann Dhlakama mehr Stimmen als sein Konkurrent von der FRELIMO, die vor allen im Süden und in der Nordprovinz Cabo Delgado ihre Hochburgen hat. Offenbar haben die Menschen vor Ort, der gewaltsamen Auseinandersetzungen überdrüssig, jeweils jene Kräfte gewählt, denen sie schon bei den ersten freien Wahlen 1994 ihre Stimme gegeben hatten. Das Ergebnis von 2014 ähnelte nämlich in frappierender Weise dem Wahlausgang von 1994, als Joaquim Chissano für die FRELIMO 53% und Dhlakama für die RENAMO knapp 34% erhalten hatte. Die 2009 in Beira gegründete Bewegung für Demokratie in Mosambik (MDM), von vielen Beobachtern als eigentliche Opposition gesehen, konnte 2014 mit nur 8% der Stimmen von der wachsenden Unbeliebtheit der Regierung in den großen Städten des Landes kaum profitieren. 2019 büßte sie noch mehr Stimmen ein, während die FRELIMO unter Nyusi ihre Position wieder ausbauen konnte.

Zu Beginn der Präsidentschaft von Filipe Nyusi schien es zunächst so, als würde die Regierung ihre unversöhnliche Haltung gegenüber der Opposition aufgeben. Nachdem Nyusi nur wenige Monate nach seinem Wahlsieg 2014 auch den Parteivorsitz von seinem Vorgänger Guebuza übernahm, hatte er zwar den innerparteilichen Machtkampf gewonnen, doch verweigerten ihm einige Parteioberen in den Verhandlungen mit RENAMO-Chef Dhlakama ihre Unterstützung. Sie befürchten den Verlust angestammter Privilegien.

Nach zwei Anschlägen gegen eine Autokolonne von Dhlakama in Manica, die radikalen Kräfte innerhalb der FRELIMO zugeschrieben wurden, zog sich der RENAMO-Chef im September 2015 erneut in den Untergrund zurück und verweigerte jegliche Verhandlungen mit der Regierung. Gegenseitige Morde an RENAMO- und FRELIMO-Politikern im Jahr 2016 ließen wenig Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts aufkommen. Die immer wieder aufflammenden Kämpfe trieben tausende mosambikanische Flüchtlinge ins benachbarte Malawi.

In dieser instabilen, durch den Schuldenskandal zusätzlich belasten Lage war Nyusi daran gelegen, endlich auch eine Einigung mit Dhlakama zu erzielen. Gegen den Widerstand der Armee und ohne den inneren Parteizirkel zu informieren, traf er sich Anfang August 2017 mit Dhlakama in dessen Versteck in den Gorongosa-Bergen. Im Februar 2018 einigten sich beide Seiten auf ein Dezentralisierungsabkommen, das der RENAMO in ihrer Forderung nach der Ernennung von Provinzgouverneuren entgegenkommt. Künftig sollen die Gouverneure von der Mehrheitspartei in den Provinzen gestellt werden.

Nachdem Afonso Dhlakama am 3. Mai 2018 an Herzversagen, verursacht durch eine Diabeteserkrankung, verstorben war, stockten die Verhandlungen zunächst, und es bedurfte Monate zähen Ringens, bis zwischen Präsident Nyusi und dem neuen RENAMO-Chef Ossufo Momade am 6. August 2019 in Maputo ein Friedensabkommen geschlossen werden konnte, das angesichts der anwesenden internationalen Gäste als "endgültiger Friedensvertrag" gefeiert wurde. Wenige Tage vorher war in Chitengo im Gorongosa-Nationalpark bereits ein Waffenstillstandsabkommen zwischen beiden Parteien unterzeichnet worden. Von einem "endgültigen Frieden" ist das Land allerdings weiterhin weit entfernt, denn es dauerte nicht lange, bis sich eine selbsternannte RENAMO-"Militärjunta" unter General Mariano Nhongo, die Momade als Parteipräsidenten nicht anerkennt, aus dem Rebellen-Quartier meldete und mit weiteren bewaffneten Aktionen drohte. Die Entwaffnung der RENAMO und eine erfolgreiche Integration ihrer Soldaten und Offiziere in die reguläre Armee sind nach wie vor ein ungelöstes Problem.

Konflikt in Cabo Delgado

In jüngster Zeit ist der ungelöste Konflikt zwischen Regierung und RENAMO durch ein neues Bedrohungsszenario in den Hintergrund gerückt. Seit Oktober 2017 sind Dörfer und Kleinstädte in traditionell muslimisch geprägten Küstendistrikten der Nordprovinz Cabo Delgado Ziel von bewaffneten Angriffen, die dschihadistischen Gruppen zugeschrieben werden. In Somalia und Kenia ausgebildete Mosambikaner sollen den Kern einer Miliz namens Ahlu Sunna wa Jama (ASWJ) bilden, doch die komplexe Gemengelage der Provinz lässt keine eindeutigen Zuschreibungen zu. Neben dem Einsickern dschihadistischer Gruppen aus dem Ausland, die sich in letzter Zeit offen zum "Islamischen Staat" (IS) bekennen, spielen auch interne Faktoren eine Rolle.

Zu nennen sind vor allem Mega-Projekte internationaler Konzerne, wie Total, ENI, ExxonMobil u.a., die vom dortigen Rohstoffreichtum (vor allem Erdgas) angezogen werden und ihre Investitionen gefährdet sehen, der grenzübergreifende illegale Drogenhandel und zunehmende ethnische Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Dies lässt ein breiteres Spektrum bewaffneter Akteure vermuten, die zudem wenig Schwierigkeiten haben, neue Kämpfer zu rekrutieren. Die Verarmung marginalisierter Jugendlicher, die sich von der verhassten Elite im Süden im Stich gelassen fühlen, macht diese anfällig für die Versprechen religiöser Führer und Warlords. Bei den Überfällen wurden ganze Dörfer niedergebrannt, über 200.000 Menschen wurden vertrieben; seit 2017 sind Schätzungen zufolge über tausend Tote zu beklagen.

Die FRELIMO-Regierung hat das Problem lange kleingeredet und eine Berichterstattung aus den Konfliktgebieten mit harter Verfolgung von Journalisten unterbunden. Im März 2020 brüskierten islamistische Angreifer nach der Einnahme zweier Distrikthauptstädte die Regierung mit dem Hissen der schwarzen Flagge des IS und stellten damit der demoralisierten Armee ein schlechtes Zeugnis aus. Diese ist unfähig, den Norden des Landes zu befrieden. Schließlich musste Maputo den Ernst der Lage eingestehen und das Ausland um Hilfe bitten. Ende 2019 versuchten russische Söldner der Firma Wagner vergeblich, die Aufständischen zu vertreiben. Ihre Stelle hat inzwischen ein privates südafrikanisches Söldnerunternehmen, die Dyck Advisory Group (DAG), eingenommen. Im Mai 2020 hat sich Mosambik an das Verteidigungs- und Sicherheitsorgan der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) gewandt. Der Konflikt wird mittlerweile als über die Region hinausreichender islamistischer Angriff mit erheblichen Risiken, auch für die Nachbarstaaten, angesehen. Doch ob die SADC, deren multinationale Kampfeinheiten bislang noch nicht aktiv wurden, tatsächlich effektive Lösungen anbieten kann, ist mehr als fraglich.

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Elísio Macamo ist Professor für Afrikastudien an der Universität Basel in der Schweiz. Er forscht über Risiken und Katastrophen; seine Schwerpunkte umfassen auch wissens- und religionssoziologische Fragen sowie Entwicklungspolitik. Er stammt aus Mosambik.

Lothar Berger ist leitender Redakteur von "afrika süd" bei der informationsstelle südliches afrika e.V. in Bonn Er ist Autor der GIZ-Länder-Informations-Portale Angola und Mosambik.