Die Analyse und Bewertung (Evaluierung) von Projekten und Programmen und ihrer kurz- und langfristigen Wirkungen ist ein wichtiges Instrument, um die Suche nach effektiven Strategien der Entwicklung und Friedensförderung zu unterstützen. Evaluierungen tragen zur Reflexion darüber bei, unter welchen Bedingungen und durch welche Maßnahmen Friedensförderung erfolgreich und effizient unterstützt werden kann. Sie schaffen einen Lernraum für Projektbeteiligte und Stakeholder. Ihre Ergebnisse unterstützen nicht zuletzt die Rechenschaftslegung gegenüber Auftrag- und Geldgebern.
Methoden der Evaluation sind unter anderem die Auswertung von Dokumenten und die Befragung von MitarbeiterInnen, Begünstigten und Partnern der Projekte und Programme sowie von anderen wichtigen Akteuren (lokale Behörden, Geldgeber und zivilgesellschaftliche Organisationen). Diese Daten ermöglichen die Bewertung der Qualität und des Nutzens einzelner oder auch mehrerer Maßnahmen und Programme im Hinblick auf die Eindämmung von Konflikten, die Minderung von Gewalt und die Förderung des Frieden.
Zentrale Entwicklungen
Die Evaluierung von Friedensförderung kann sich auf die reichen Erfahrungen aus der Bewertung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit stützen. Die 1991 vom Komitee für Entwicklungshilfe der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD DAC) für die Evaluierung von Programmen und Projekten formulierten Kriterien sind auch im Bereich der Friedensförderung anwendbar. Dazu zählen Relevanz, Effektivität, Effizienz, Wirkung und Nachhaltigkeit. Die zentrale Fragen lauten: Inwieweit orientieren sich die Maßnahmen an den Bedarfen des jeweiligen Landes, werden die gesteckten Zielsetzungen erreicht, besteht ein angemessenes Verhältnis zwischen eingesetzten Mitteln und erzielten Ergebnissen, werden tatsächlich kurz-, mittel- und auch langfristige Veränderungen angestoßen? Mit ihren Leitlinien von 2012 entwickelte das DAC der OECD einen Rahmen dafür, wie die Evaluierung von Projekten und Programmen an die spezifische Realität in fragilen und von politischer Gewalt geprägten Ländern und Regionen angepasst werden kann.
Seit den späten 1990er und frühen 2000er Jahren wurden schrittweise konzeptionelle Grundlagen geschaffen, die auf die besonderen Bedingungen und Herausforderungen der Evaluierung von Projekten und Programmen der Friedensförderung zugeschnitten sind. Die ersten großen Untersuchungen waren die Studie Confronting War: Critical Lessons for Peace Practitioners (2003) und die Utstein Peacebuilding Studie (2004). Erstere dokumentiert die Erkenntnisse aus einem mehrjährigen Projekt, in dem unter dem Titel Reflecting on Peace Practice (RPP) mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen aus der Friedensarbeit und Konfliktbearbeitung der Frage nachgingen, wie die Frieden stärkende Wirkung ihrer Projekte und Programme besser nachvollzogen und die Effektivität der Maßnahmen erhöht werden kann.
Die Utstein-Studie stellt sozusagen das staatliche Pendant dazu dar. Vertreter der außen- und entwicklungspolitischen Ministerien Großbritanniens, der Niederlande, Norwegens und Deutschlands untersuchten, wie Friedensförderung in Konfliktregionen wirksamer gestaltet werden kann. Das Ziel war, politikrelevante Leitlinien für die weitere Friedensarbeit im Kontext der staatlichen Entwicklungspolitik zu erarbeiten. Ein zentrales Ergebnis bildete die Feststellung eines "großen strategischen Defizits" zwischen der Konzipierung von Maßnahmen der Friedensförderung und ihrer praktischen Umsetzung.
Eine für die Weiterentwicklung der deutschen Friedensförderung zentrale Evaluierung war 2011 die Begutachtung des Programms Ziviler Friedensdienst (ZFD), das hauptsächlich vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird. Die EvaluatorInnen des ZFD-Programms stellten unter anderem fest, dass ZFD-Maßnahmen auf lokaler Ebene zu zahlreichen positiven Veränderungen geführt haben, breitere Wirkungen auf regionaler und insbesondere nationaler Ebene jedoch bislang die Ausnahme geblieben sind. Zur Verbesserung der Arbeit des ZFD wurde die Weiterentwicklung des Instruments der Länder- bzw. Regionalstrategien empfohlen, die die Koordination und Kooperation zwischen verschiedenen ZFD-Organisationen verbessern, Synergieeffekte erhöhen und die Wirkung der Projekte und Programme verstärken sollen.
Fragile und von politischer Gewalt betroffene Länder als besondere Herausforderung
In der letzten Dekade haben sich die Ausgaben der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) für fragile und von Gewaltkonflikten betroffene Länder wie Afghanistan, Süd Sudan, Burundi oder die Zentralafrikanische Republik verdoppelt. Dennoch haben vor allem diese Länder die von der UNO formulierten langfristigen Entwicklungsziele (Millennium Development Goals – MDG) verfehlt, die bis 2015 erreicht werden sollten. Die Frage, wie in fragilen und von politischer Gewalt betroffenen Ländern der Teufelskreis aus gescheiterter Entwicklung und sich ständig reproduzierender politischer Gewalt unterbrochen werden kann, ist nach wie vor nicht beantwortet.
Um die Wirksamkeit der Friedensförderung in diesen Ländern zu verbessern, ist die Evaluierung des Beitrags der Entwicklungszusammenarbeit zur Friedensförderung von besonderer Relevanz. Diese Evaluierungen werden sowohl von einzelnen Gebern, wie dem BMZ, als auch geber- und organisationsübergreifend durchgeführt. Eine wichtige Orientierung dafür bildet der New Deal for Engagement in fragile States, der 2011 auf dem Fourth High Level Forum on Aid Effectiveness in Busan (Südkorea) ausgehandelt wurde. Danach ist vorgesehen, dass fragile Staaten in enger Zusammenarbeit mit Gebern und zivilgesellschaftlichen Organisationen sogenannte Fragility Assessments erstellen, in denen die relevanten Konfliktfaktoren identifiziert werden und die dann als Grundlage für die strategische Ausrichtung und Koordinierung des entwicklungs- und friedenspolitischen Engagements der externen Akteure dienen.
Herangehensweise und Methoden
Die Analyse des Konfliktkontextes ist entscheidend, um festzustellen, ob ein Projekt bzw. Programm im Bereich der Friedensförderung bzw. der Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich für die Verringerung politischer Gewalt und die Förderung des Friedens relevant ist. Bei einer geberübergreifenden Evaluierung im Osten der Demokratischen Republik Kongo 2011 wurden beispielsweise folgende zentrale Konfliktfaktoren identifiziert: Streitigkeiten um Land, exzessive Ausbeutung natürlicher Ressourcen, schwache staatliche Strukturen sowie Aktivitäten bewaffneter Milizen. Bei der Evaluierung konnte nun untersucht werden, inwieweit die verschiedenen friedens- und entwicklungspolitischen Maßnahmen einen effektiven Beitrag zum Abbau bzw. zur Überwindung dieser gravierenden Probleme geleistet haben. Die Bewertung der Analyse des Konflikts und seines Kontextes bildet also einen integralen Bestandteil der Evaluierung.
Bei der Evaluierung von Entwicklungs- und Friedensprojekten sollte ein besonderes Augenmerk auf der Vermeidung von nicht beabsichtigten Wirkungen liegen, die geeignet sind, bestehende Konflikte eher noch zu verschärfen. Ein typisches Beispiel sind Projektaktivitäten, die unbeabsichtigt eine Konfliktpartei begünstigen, weil vielleicht Infrastrukturprojekte in einem Gebiet errichtet werden, das besonders von Zerstörung betroffen war, aber mehrheitlich von einer Konfliktpartei bewohnt wird. Auch die Evaluierung selbst sollte konfliktsensibel vorgehen und nicht beabsichtigte negative Wirkungen vermeiden. So können schlecht angeleitete Gruppendiskussionen im Rahmen von Evaluierungen bestehende Spannungen zwischen den Konfliktparteien ungewollt verstärken.
Projekte und Programme der Friedensförderung zielen idealerweise auf die Veränderung von Verhalten und Haltungen ab. Typische Projektziele sind der Aufbau von Vertrauen, der Abbau von Vorurteilen und eine verstärkte Kooperation zwischen den ehemaligen Konfliktparteien. Solche Veränderungen sind durch herkömmliche Evaluierungsmethoden schwer zu fassen. Organisationen, wie Interpeace und Search for Common Ground (SFCG), verwenden deshalb das Outcome Mapping als Methode. Damit wird es möglich, Verhaltens- und Beziehungsveränderungen, etwa bei Kindern und Jugendlichen, festzustellen. Ein Beispiel ist das SFCG-Projekt The Team. Dabei geht es um lokal produzierte Fernsehserien, die zeigen, wie Angehörige unterschiedlicher Konfliktparteien beim gemeinsamen Fußballspiel ihre ethnischen, religiösen, kulturellen und sozio-ökonomischen Unterschiede überwinden.
Bei der Evaluierung von Maßnahmen der Friedensförderung sollte nicht nur darauf geschaut werden, ob und inwieweit sich einzelne Parameter der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in positiver Richtung verändert haben. Das Programmziel ist nur dann erreicht, wenn auch tatsächlich ein signifikanter Rückgang politischer Gewalt, eine verlässlichere Einhaltung der Menschenrechte sowie Fortschritte bei der Aufarbeitung der Konfliktvergangenheit erreicht wurden. Erst dann kann man von einem "groß geschriebenen Frieden" (englisch: Peace Writ Large) sprechen. Das Konzept wurde von den AutorInnen des Reflecting on Peace Practice Project (RPP) geprägt und beschreibt die komplexen sozialen und politischen Bedingungen, die beeinflusst werden müssen, um Frieden zu schaffen.
Werden weniger anspruchsvolle Kriterien bei der Konzipierung und Evaluierung angelegt, kann ein Projekt bzw. Programm zwar seine entwicklungspolitischen Ziele im engeren Sinne erreichen, aber das größere Ziel der Reduzierung zentraler Konfliktfaktoren verfehlen. Beispielsweise haben Maßnahmen in Sri Lanka auf dem Gebiet der sozio-ökonomischen Entwicklung durchaus die Zielsetzungen auf Programm- und Projektebene erreicht. Gleichwohl wurde im Rahmen einer geberübergreifenden Evaluierung von 2009 festgestellt, dass damit nicht die zentralen Konfliktfaktoren wirksam bearbeitet wurden. In diesem Sinne leisteten die Maßnahmen keinen Beitrag zur Realisierung eines anspruchsvollen, "großgeschriebenen" Verständnisses von Frieden.