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Verhandlung und Vermittlung | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Verhandlung und Vermittlung

Lutz Schrader

/ 7 Minuten zu lesen

Verhandlungen sind das Mittel der Wahl, um Konflikte auszuräumen und erst gar nicht eskalieren zu lassen, aber auch um bereits gewaltsam ausgetragene Auseinandersetzungen beizulegen. Verhandlungen sind deutlich kostengünstiger als militärische Ausscheidungskämpfe. Nicht zu reden von den Folgen kriegerischer Gewalt.

Der Sonderbeauftragte der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, bei den Syrien-Verhandlungen in Genf am 28. Januar 2014. (© picture-alliance/dpa)

Eine "Verhandlung" ist ein gemeinsamer Aushandlungs- und Entscheidungsprozess zwischen verschiedenen Menschen bzw. Gruppen. Im Idealfall sind die Verhandlungsparteien bemüht, ihre unterschiedlichen Meinungen, Interessen und Bedürfnisse zu einem für alle Beteiligten annehmbaren Ausgleich zu bringen. Wenn den Beteiligten dies nicht (mehr) allein gelingt, weil der Konflikt verhärtet und das gegenseitige Vertrauen zerstört sind, besteht die Möglichkeit, eine "Drittpartei" hinzuzuziehen. Das kann sowohl eine von allen Parteien anerkannte Persönlichkeit sein als auch ein professioneller Vermittler. Dann spricht man von "Vermittlung".

Verhandlungen zur Beilegung innerstaatlicher Konflikte

Verhandlungen zur Beilegung eskalierter innerstaatlicher Konflikte sind den internationalen Nachrichtenagenturen meist nur dann eine Meldung wert, wenn es sich um besonders prominente Konflikte handelt und sich wichtige Organisationen, Staaten und Persönlichkeiten in die Vermittlungsbemühungen einschalten. Aktuelle Beispiele dafür sind die Verhandlungen zwischen Kosovo und Serbien unter Vermittlung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton über die Normalisierung der Situation im Norden des Kosovo, die Initiative von US-Präsident Barack Obama, den Nahost-Friedensprozess neu zu beleben oder die Genfer Verhandlungen über die politische Regelung des Syrien-Konflikts unter der Ägide der "Troika" (EU, Russland, USA).

Tatsächlich sind Verhandlungen ein weit verbreitetes Mittel der Konfliktbearbeitung. Tagtäglich wird in den Krisengebieten überall in der Welt auf irgendeiner Ebene – mit oder ohne Vermittlung – verhandelt. Zahllose lokale oder internationale Vermittler sind darum bemüht, Verhandlungen anzubahnen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen, um gemeinsam Alternativen zur gewaltsamen Konfliktaustragung auszuloten.

Verhandlungen als Teil eines komplexen politischen Prozesses

Der Erfolg von Verhandlungen hängt nicht allein und auch nicht in erster Linie vom Geschick des Chefvermittlers und seines Stabs ab. Erfolgskritisch ist vielmehr die gesamte politische Situation innerhalb des betroffenen Landes und in seinem engeren und weiteren regionalen Umfeld. Von großem Gewicht ist dabei die globale Konstellation. Es gehört zu einem guten Vermittler, diesen Gesamtkontext nicht nur geschickt zu nutzen, sondern womöglich durch geeignete öffentlichkeitswirksame oder verdeckte Initiativen zu beeinflussen und zu gestalten.

In der Regel sind Verhandlungen ein Baustein – idealerweise der zentrale – eines ganzen Sets von politischen Instrumenten. Dazu gehören diplomatische Demarchen, politischer Druck und wirtschaftliche Sanktionen ebenso wie militärische Friedens- und Sicherungsoperationen, Maßnahmen der Nothilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. Bestandteil des "Gesamtpakets" können auch Anreize wie z.B. die Anbahnung von besonderen Beziehungen (z.B. zwischen der EU und den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens) sein. Grundsätzlich gibt es kein allgemeingültiges Modell; jeder Verhandlungsprozess hat seine individuelle Form und Ausprägung.

Erfolgsbedingungen internationaler Verhandlungen

Die Analyse einer ganzen Reihe von internationalen Vermittlungen in innerstaatlichen Konflikten hat ergeben, dass ganz unterschiedliche Faktoren deren Verlauf und Erfolgsaussichten beeinflussen:

  • der regionale und globale Kontext,

  • der Einigungswille der Parteien und die Verhandlungsdynamik,

  • die Repräsentativität der Beteiligung der Konfliktparteien,

  • die Koordination zwischen den involvierten Drittparteien,

  • die Zusammensetzung der Vermittlungsmission,

  • die Finanzierung und Unabhängigkeit der Mission,

  • das Design der Mission und der Stil des Chefvermittlers.

Der regionale und globale Kontext

Der Erfolg von Verhandlungen steht und fällt erfahrungsgemäß mit der Bereitschaft einflussreicher internationaler und lokaler Mächte sowie besonders involvierter Nachbarländer, den Prozess zu unterstützen oder zumindest zu tolerieren. Wenn externe Akteure von dem Konflikt und seiner Eskalation profitieren und von einer Friedensregelung nachteilige Konsequenzen für ihre Interessen befürchten, werden sie eher versuchen, eine Einigung zu hintertreiben. Umkehrt gibt es aber immer auch externe Akteure, die sich für eine politische Regelung des Konflikts einsetzen. Darum sollten machtvolle internationale Verbündete der Konfliktparteien und Anrainerstaaten unbedingt mit in den Prozess einbezogen werden – sei es mit Verhandlungsangeboten oder durch die Ausübung politischen Drucks.

Einigungswille und Verhandlungsdynamik

Verständlicherweise können Verhandlungen nur dann beginnen, wenn die wichtigsten Konfliktparteien ihre Bereitschaft signalisieren, sich daran zu beteiligen. Das kann sowohl in konstruktiver Absicht als auch mit dem Ziel geschehen, Zeit zu gewinnen oder die andere Seite zu einseitigen Zugeständnissen zu bewegen. Mit dem Start eines Vermittlungsprozesses wird der Konflikt nicht mehr oder nicht mehr ausschließlich mit Waffengewalt ausgetragen. Das ist für sich genommen schon ein Fortschritt. Die Vertreter der Konfliktparteien begegnen sich nun am Verhandlungstisch als Menschen aus Fleisch und Blut. Die durch persönliche Begegnungen und Gespräche ausgelöste Eigendynamik kann durchaus eine Öffnung und Flexibilisierung verhärteter Positionen bewirken und schrittweise einen Prozess des Umdenkens in Gang setzen. Wenn alles gut läuft, entfalten Verhandlungen zudem eine Sogwirkung: Konfliktparteien, die dem Verhandlungstisch bislang ferngeblieben sind, müssen befürchten, etwas zu verpassen und Nachteile in Kauf zu nehmen.

Repräsentativität der Beteiligung der Konfliktparteien

Grundsätzlich sollten früher oder später alle relevanten Konfliktparteien einbezogen werden. Ansonsten kann eine mit großem Aufwand zustande gekommene Einigung schnell wieder durch Gruppierungen angefochten und torpediert werden, die sich nicht (hinreichend) berücksichtigt oder sogar ausgegrenzt fühlen. Und der bewaffnete Kampf beginnt von neuem. Die Erfahrung zeigt überdies, dass es erfolgversprechender ist, Verhandlungen nicht nur auf der politischen Top-Ebene zu führen. Die Einbeziehung von Vertretern der Zivilgesellschaft ist genauso wichtig wie die Berücksichtigung der Interessen ethnischer, religiöser und/oder kultureller Minderheiten. Das muss gleichwohl nicht bedeuten, dass alle Parteien in jeder Verhandlungsphase gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen. Ein Verhandlungssetting kann ganz unterschiedlich "gestrickt" sein. Es ist keine Seltenheit, dass Gespräche zunächst mit einer oder wenigen Parteien beginnen. Auch eine Aufteilung, etwa zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Foren, kann sinnvoll sein.

Die Koordination zwischen verschiedenen Verhandlungsforen und Drittparteien

In den meisten Fällen werden Vermittlungsprozesse von mehreren (Dritt-)Parteien angebahnt und begleitet. Die Vertreter der UNO und/oder der zuständigen Regionalorganisation können ebenso mit von der Partie sein wie die Abgesandten einer großen globalen oder regionalen Macht, einzelner Nachbarländer oder von internationalen und lokalen NGOs. Früher oder später bedarf es dann einer möglichst effektiven Koordination zwischen den verschiedenen Verhandlungsforen und Drittparteien. Idealerweise sollten von einem bestimmten Zeitpunkt an die Hauptverhandlungen in einem Forum zusammengeführt werden. Nur so kann die Gefahr von politischen Störmanövern, Indiskretionen oder Kompetenzgerangel einigermaßen wirksam begrenzt werden. Möglichkeiten, die Drittparteien zu koordinieren, bietet die Einrichtung einer Kontakt- oder Steuerungsgruppe (z.B. "Troika", "Gruppe der Freunde" des Konfliktlandes).

Die Finanzierung und Unabhängigkeit der Vermittlung

Eine ausreichende Finanzierung ist für das Zustandekommen von Verhandlungen extrem wichtig. Die Geldgeber haben in der Regel eigene Interessen an einem bestimmten Ausgang der Verhandlungen. Deshalb sind von Anfang an Vorkehrungen zu treffen, dass sich die Geldgeber neutral verhalten und sich nicht einmischen. Erwünschte Geldgeber sind deshalb vor allem internationale Institutionen wie die UNO oder die Europäische Union sowie kleinere Staaten (z.B. Norwegen, Schweiz), die nicht nur eine lange Erfahrung als Sponsoren und z.T. auch Gastgeber für internationale Vermittlungsmissionen haben, sondern auch eine Kultur der Zurückhaltung und Neutralität an den Tag legen. Geldgeber sollten möglichst einen langen Atem haben, denn Verhandlungen können sich über viele Jahre hinziehen.

Die Zusammensetzung der Vermittlungsmission

Eine Vermittlungsmission wird meist mit der Person ihres Chefs bzw. ihrer Chefin identifiziert. Eine wichtige Rolle spielen Charisma, politisches Gewicht, Kontakte und Erfahrungen. Mitunter ist auch die geografische bzw. ethnische Herkunft ein Erfolgsfaktor. Besonders große Glaubwürdigkeit genießen Abgesandte aus kleinen Staaten wie Norwegen und der Schweiz. Vermittlungsmissionen werden aber auch von den Vertretern großer Staaten oder internationaler Organisationen wie der UNO, der Europäischen Union oder der Afrikanischen Union, geleitet. Hinter dem Chef-Vermittler steht ein mehr oder weniger großes Team, das sich in der Regel aus Abgesandten unterschiedlicher Organisationen, Staaten und Einrichtungen zusammensetzt. Dies können internationale Beamte und Experten, Wissenschaftler sowie Vertreter der Wirtschaft und Zivilgesellschaft sein.

Der Vermittlungsansatz und die Rolle des Vermittlers

Die Kunst des Vermittlers und seines Teams besteht darin, situativ abzuschätzen, wie viel Einfluss konkret auf die Verhandlungen genommen werden soll. Sein Handlungsspektrum reicht von einem eher begleitenden und moderierenden Ansatz über konkrete Beratungs- und Unterstützungsleistungen (z.B. vorbereitende Einzelverhandlungen mit den Parteien) bis hin zur direktiven Vorgabe des Verhandlungsrahmens oder gar des Ergebnisses (Stichwort: Power-Mediation). Innerhalb eines Vermittlungsprozesses kann es sich als sinnvoll erweisen, das Maß der Einflussnahme in Abhängigkeit vom Verlauf zu variieren. Besonders in der Endphase von Verhandlungen kommt es vor, dass einzelne Konfliktparteien aus dem ausgehandelten Konsens ausscheren. Sie versuchen auf diese Weise, für sich ein besseres Ergebnis herauszuholen. Dann besteht die Möglichkeit, die Konfliktparteien und ihre Vertreter entweder mit Hinweis auf sensible Sicherheits-, Status- und Wirtschaftsinteressen unter Druck zu setzen und/oder ihnen mit begrenzten (und den Gesamtprozess nicht gefährdenden) Zugeständnissen entgegenzukommen.

Der Stil und die Persönlichkeit des Chef-Vermittlers

Eine entscheidende Erfolgsbedingung von Verhandlungen besteht in der Glaubwürdigkeit des Vermittlers. Nur wenn er von den Verhandlungspartnern als vertrauenswürdige Persönlichkeit und fairer Makler ihrer Interessen angesehen wird, hat er eine Chance, die Parteien dazu zu bewegen, sich gegenseitig wertschätzend zu begegnen und die Positionen, Sichtweisen und Bedürfnisse der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen.

Gerade Verhandlungen zwischen (ehemaligen) Bürgerkriegsparteien, die sich oft schwerer Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht haben, sind sehr fragil. Sie verlangen von den Vermittlern einen schwierigen Balanceakt. Auf der einen Seite muss es ihm gelingen, die Gewalt zu beenden. Auf der anderen Seite darf er keine "faulen" Kompromisse zulassen, die früher oder später die Nachhaltigkeit des Friedensschlusses gefährden könnten. So trägt er eine Mitverantwortung dafür, dass im Rahmen des Friedensprozesses diejenigen politisch und juristisch zur Verantwortung gezogen werden, die sich Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen schuldig gemacht haben.

Weitere Inhalte

Dr. Lutz Schrader (Jg. 1953) ist freiberuflicher Dozent, Berater und Trainer mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung sowie Konfliktberatung. Arbeits- und Forschungsthemen sind die Konflikte im westlichen Balkan, Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure in bewaffneten Konflikten und Post-Konfliktgesellschaften, Verfahren der Konflikttransformation sowie Friedens- und Konflikttheorien.