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Süd-Thailand | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Süd-Thailand

Patrick Ziegenhain

/ 9 Minuten zu lesen

Seit mehr als zwanzig Jahren fordern im Süden Thailands separatistische Organisationen die Loslösung der islamisch-malaiisch geprägten Gebiete. Zivilen und militärischen Regierungen ist es nicht gelungen, die Gewalt einzudämmen. Im Februar 2024 wurde erstmals ein Abkommen zwischen den Konfliktparteien geschlossen.

Der thailändische Kampfmittelräumdienst untersucht den Ort eines Bombenanschlages in Rangae in der Provinz Narathiwat 2015. (© picture-alliance/dpa, Str)

Aktuelle Konfliktsituation

Auch im Jahr 2024 hat sich der gewaltsame Konflikt im Süden Thailands nicht beruhigt. In den mehrheitlich von malaiischen Muslimen bewohnten Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat sowie in geringerem Maße auch in Songkhla und Satun kommt es weiterhin regelmäßig zu Gewalttaten von Separatisten, die eine Loslösung der südlichen Provinzen vom Gesamtstaat fordern. Mit Bombenanschlägen auf staatliche Einrichtungen, in letzter Zeit aber auch vermehrt auf nichtstaatliche Einrichtungen, und mit gezielten Tötungen von Vertretern des thailändischen Staates, wie Soldaten, Polizisten, Verwaltungsmitarbeitern und Lehrern, schaffen sie ein Klima der Gewalt.

Im März 2024 wurde eine Welle koordinierter Bombenanschläge und Brandstiftungen auf mehr als 40 Gebäude in den Provinzen Yala, Pattani, Narathiwat und Songkhla verübt, die nicht nur einen hohen Sachschaden verursachten, sondern auch ein Menschenleben kosteten.Externer Link: Reuters (2024): At least 40 fires set in night of arson across Thailand's south, 22. März 2024. Im Mai 2024 wurde bei zwei Bombenexplosionen im südthailändischen Narathiwat eine Person getötet und 13 weitere, darunter ein Polizist, verletzt. Im Juni 2024 wurde bei einem Autobombenanschlag auf ein Polizeigebäude in Yala ein Mensch getötet und 18 weitere zum Teil schwer verletzt.

Doch nicht nur Vertreter des thailändischen Staates wurden Opfer. Am 25. Juni 2024 wurde der malaiisch-muslimische Menschenrechtsverteidiger Roning Dolah in der Pattani-Provinz von zwei bisher nicht identifizierten Männern erschossen. Roning Dolah arbeitete als Koordinator mit der lokalen zivilgesellschaftlichen Organisation Duay Jai Group im Rahmen des UN-Freiwilligenfonds für Folteropfer zusammen, um Rehabilitationshilfe für Folteropfer in der Region zu leisten. Laut der Duay Jai Group schloss sich Roning der Gruppe an, nachdem er im Juni 2017 in der Provinz Pattani von thailändischen Militärangehörigen gefoltert worden war.

Nach fast 10 Jahren Militärregierung unter Führung von General Prayuth Chan-o-cha wird Thailand seit August 2023 wieder von einer zivilen Regierung gelenkt. Allerdings haben Militär und Polizei weiter große Machtbefugnisse, gerade im Bereich der inneren Sicherheit. Das thailändische Militär hat de facto mehr Macht als die zivile Regierung und kontrolliert die thailändische Innenpolitik seit Jahrzehnten. Es hat dutzende Male geputscht, Regierungschefs ab- und eingesetzt und Gesetzgebung sowie die Berufung von hochrangigen Beamten, Richtern und Ministern entscheidend beeinflusst. Über viele Jahre (das letzte Mal von 2014 bis 2023) stellte das Militär selbst den Regierungschef. Insgesamt gestaltete sich die innenpolitische Lage im Königreich Thailand in den letzten zwanzig Jahren sehr turbulent. Seit der gewaltsamen Eskalation des Konflikts im Jahr 2004 waren acht verschiedene Regierungen an der Macht – und keiner gelang es, den Konflikt im Süden Thailands auch nur einzudämmen.

Der seit Juli 2005 verhängte Ausnahmezustand wurde bisher von allen thailändischen Regierungen verlängert. Er erlaubt den thailändischen Sicherheitskräften ein sehr hartes Vorgehen gegen jegliche Handlungen, die „die öffentliche Ordnung des Volkes beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann oder die Sicherheit des Staates gefährdet oder dazu führen kann, dass das Land oder ein Teil des Landes in Schwierigkeiten gerät.“ Der Konflikt im Süden Thailands wird von beiden Konfliktparteien mit großer Brutalität geführt, von der in hohem Maße auch die Zivilbevölkerung betroffen ist. Nach Angaben von Deep South Watch, einer zivilgesellschaftlichen Organisation an der Universität in Pattani, gab es von Januar 2004 bis März 2024 7.594 Tote und über 14.000 Verletzte.

Ursachen und Hintergründe

Ethnische Malaien stellen seit Jahrtausenden die ethnische Bevölkerungsmehrheit in den heutigen thailändischen Provinzen Pattani, Yala, Songhkla und Satun. Die lokale Bevölkerung konvertierte nach und nach im 15., 16. und 17. Jahrhundert wie auch die in der benachbarten malaiischen Halbinsel sowie auf den (heute zu Indonesien gehörenden) Inseln Sumatra und Java zum Islam. Seit dem 15. Jahrhundert existiert das Sultanat Pattani.

Im Anglo-Siamesischen Vertrag von 1909 legten das Königreich Thailand und Großbritannien als Kolonialmacht über Malaya, dem späteren unabhängigen Malaysia, die Grenze zwischen beiden Einflussgebieten fest. Die Sultanate Kelantan, Terengganu, Kedah, Perlis und zugehörige Inseln gingen an Großbritannien, während das Sultanat Pattani und die umliegenden Regionen Thailand zugesprochen wurden.

Das thailändische Künigreich versucht seitdem vergeblich die Bevölkerung im „Tiefen Süden“ zu assimilieren, doch die religiösen und ethnischen Unterschiede sind groß. Während die thailändische Staatsreligion der Buddhismus ist, sind die Bewohner der südlichen Provinzen bis heute in großer Mehrheit ethnische Malaien und gläubige Muslime. In der Provinz Pattani beispielsweise sind 87 % der rund 720.000 Einwohner (Zensus 2014) malaiische Muslime.

Der Süden Thailands gehört zu den Regionen, in denen der ökonomische Fortschritt des Landes nur sehr langsam zu besseren Lebensbedingungen für die lokale Bevölkerung führt. Konfliktverschärfend kommt hinzu, dass der allgemeine Wohlstand hier zwar deutlich höher ist als z.B. im Nordosten des Landes (Isaan), sich die Einkommensverteilung jedoch sehr ungleich gestaltet. Buddhistische ethnische und chinesischstämmige Thais verfügen im Durchschnitt über ein deutlich höheres Einkommen und Vermögen als die Angehörigen der malaiischen Minderheit (Vechbanyongratana/Niwatananun 2020).

Seit 2004 verfolgen islamistische Gruppen in Südthailand kontinuierlich eine Politik der Gewalt gegen die thailändische Zentralregierung. Als politische Maximalforderungen werden die Wiedererrichtung eines unabhängigen islamischen Staats (Sultanat Patani) oder die Angliederung der Provinzen an Malaysia formuliert. Abang Jawat, der Vorsitzende der MARA Patani, einem Bündnis verschiedener muslimisch-malaiischer Organisationen, hat im August 2015 die folgenden Forderungen aufgestellt:

  • Die Schaffung einer politischen Struktur und Verwaltung, die für die Menschen in Pattani geeignet ist, ihre eigene Zukunft selbst zu bestimmen.

  • Gleichmäßige und gerechte Verteilung der natürlichen Ressourcen und lokalen Steuern zugunsten der Entwicklung und des Wohlstands der Patani-Bevölkerung.

  • Anerkennung der malaiischen Sprache (und der Jawi-Schrift) als offizielle Landessprache, ebenso des Rechts, ein islamisch begründete Bildungssystem zu errichten sowie islamische Gesetze und Vorschriften zu praktizieren.

  • Gesetzliche Garantie der Rechte der Nicht-Muslime, um zu einem harmonischen Miteinander in der multi-ethnischen und multi-religiösen Region Pattani zu gelangen.

  • Unterstellung der Sicherheitspolitik der Region Pattani unter lokale Verwaltung, die damit der Armeeführung in Bangkok entzogen würde.

Mit diesen Forderungen orientiert sich MARA an Zielen wie sie etwa die GAM (Gerakan Aceh Merdeka) in der indonesischen Provinz Aceh oder die Moro Islamic Liberation Front (MILF) in der BARMM (Bangsamoro Autonomous Region of Muslim Mindanao) im Süden der Philippinen erfolgreich umgesetzt haben: Autonomie vom Zentralstaat, aber keine vollständige Unabhängigkeit, mit einer stark islamisch geprägten Gesellschaftsordnung, die aber Minderheitenrechte berücksichtigt.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Seit Beginn der Gewalteskalation gehen die thailändischen Sicherheitskräfte mit äußerster Brutalität und oft außerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens gegen alle vor, die sie für Separatisten halten. Diese Maßnahmen verstärken die bereits latent vorhandenen Antipathien der lokalen Bevölkerung im Süden Thailands gegenüber der Zentralregierung und dem thailändischen Staat. Es entsteht zunehmend ein Klima der Feindseligkeit.

Eine von der thailändischen Regierung eingesetzte Nationale Versöhnungskommission unter Leitung des früheren thailändischen Premierministers Anand Panyarachun schlug im Juni 2006 vor, sowohl Teile der islamischen Gesetzgebung als auch Malaiisch als Amtssprache in den Südprovinzen zuzulassen. Der frühere Premierminister Abhisit Vejjajiva (2008-2011) betonte immer wieder, dass er eine friedliche Konfliktlösung unter Anerkennung der kulturellen und sprachlichen Besonderheiten suche und veranlasste die Verwendung zusätzlicher Steuergelder zur Entwicklung des Südens. Im Februar 2013 begann die thailändische Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra Friedensgespräche mit der Barisan Revolusi Nasional-Coordinate (BRN-Coordinate) und anderen bewaffneten Gruppen unter Vermittlung der malaysischen Regierung. Die Verhandlungen wurden jedoch mehrfach verschoben, weil die Separatistenorganisationen Bedingungen stellten, die für die thailändische Verhandlungsseite nicht akzeptabel waren.

Ende August 2015 schlossen sich sechs Separatistenorganisationen – BRN, drei Flügel der PULO, die Gerakan Mujahideen Islam Patani (GMIP) und die Barisan Islam Pembebasan Patani (BIPP) – zu einer Dachorganisation mit dem Namen Majlis Syura Patani (MARA Patani) zusammen. Damit gingen die Separatisten auf die Forderung Bangkoks ein, eine einheitliche und verbindliche Repräsentation für die Friedensgespräche mit der Regierung zu schaffen. Doch dieses Bündnis hielt nicht lange, und die BRN, die nach allgemeiner Einschätzung über den größten Einfluss auf radikale Aufständische verfügt, verließ das Bündnis wieder.

Friedensgespräche wurden dennoch wiederaufgenommen. Die Vertreter von MARA Patani und des thailändischen Staats nutzten die Treffen, um ihre Forderungen zu präsentieren und die Aufrichtigkeit und das Engagement der jeweils anderen Seite zu testen. Die Regierung verlangte, dass MARA der Einführung von „Sicherheitszonen“ zustimmt, die darauf abzielen, die Gewalt in diesen gemeinsam ausgewiesenen Gebieten zu verringern. Die MARA verlangte ihrerseits, dass der Staat Immunität für ihre an den Friedensverhandlungen beteiligten Personen gewährleisten solle (Engvall et al. 2020).

Die thailändische Regierung, die bemüht ist, eine Internationalisierung des Konflikts zu vermeiden, stimmte letztlich 2018 zu, eine Konflikt-Vermittlung von Regierungsvertretern des Nachbarlands Malaysia zu erlauben, obwohl alle bisherigen Regierungen und vor allem das Militär diesen Vermittlungsbemühungen stets misstrauisch gegenüberstanden. Die Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien unter Vermittlung Malaysias verliefen lange Zeit konstruktiv, jedoch ohne größere konkrete Ergebnisse.

Im Januar 2023 ernannte die malaysische Regierung von Premierminister Anwar Ibrahim den ehemaligen Chef der Verteidigungsstreitkräfte, Zulkifli Zainal Abidin, zum Vermittler bei den Gesprächen zwischen der thailändischen Regierung und der BRN. Auf Seiten der malaiischen Muslime stimmte die BRN-Führung zu, dass auch andere malaiisch-muslimische Rebellenorganisationen an den Verhandlungen teilnehmen.

Hoffnungen auf eine Beilegung des Konflikts wurden größer, als im August 2023 zum ersten Mal nach dem Militärputsch im Jahr 2014 wieder eine zivile Regierung in Thailand unter Premierminister Setha Thavisin an die Macht gelangte. Diese setzte sich stärker als die zuvor neun Jahre herrschende Militärregierung für eine Konfliktlösung ein. Im Februar 2024 konnten sich die thailändische Regierung (deren Delegation zum ersten Mal von einem Zivilisten, Chatchai Bangchuad, geleitet wurde) und muslimische separatistische Rebellen in Südthailand schließlich auf einen Fahrplan (Roadmap) einigen, um den langjährigen Konflikt zu beenden. Ein Waffenstillstand wurde beschlossen, jedoch wurden Details des „Gemeinsamen ganzheitlichen Friedensplans“ (Joint Comprehensive Plan Towards Peace – JCPP) bisher noch nicht bekannt gegeben und sollen erst noch in weiteren Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien festgelegt werden.

Ustaz Anas Abdulrahman von der BRN sagte Reportern, er habe große Hoffnungen auf eine dauerhafte Lösung unter der neuen thailändischen Regierung unter Premierminister Srettha Thavisin (Stangio 2024). Für Srisompob Jitpiromsri von der Prince of Songkhla University, einem führenden Experten für den Konflikt, bleibt eine friedliche Lösung des Konflikts jedoch nur schwer erreichbar, da der Handlungsspielraum des thailändische Premierministers Srettha Thavisin durch das Militär sehr eingeengt sei, das nur wenig Interesse an einer friedlichen Konfliktlösung zeige. Als Beleg dafür könne die weiterhin anhaltende Gewalt in Süd-Thailand angesehen werden (Chambers 2024).

Geschichte des Konflikts

Thailand, das im Unterschied zu den Vielvölkerstaaten Indonesien und Malaysia als ethnisch und kulturell weitgehend homogen gilt, verfügt neben den Bergvölkern im Norden und Nordosten des Landes über eine bedeutende malaiisch-muslimische Minderheit, die in den südlichen Provinzen an der Grenze zu Malaysia lebt. Sie macht rund 4,6 % der Gesamtbevölkerung aus. Die malaiische Minderheit ist sich ihrer eigenen Identität im Verhältnis zur ethnisch und religiös unterschiedlichen zentralthailändischen Bevölkerungsmehrheit bewusst und verweist auf eine jahrhundertelange eigene Geschichte.

Ein Auslöser der Unruhen in den muslimischen Südprovinzen war die Homogenisierungspolitik der thailändischen Regierungen, die bereits mit der Anerkennung des thailändischen Herrschaftsanspruchs in der Pattani-Region durch Großbritannien im Jahr 1809 begann. Mitte der 1960er Jahre entstanden erste militante Widerstandsgruppen, wie die BRN und die PULO. Bis Anfang 2004 köchelte der Konflikt auf kleiner Flamme. Dann organisierten radikale Separatistenorganisationen unter der Führung von BRN-Coordinate im Süden Thailands eine Reihe von Anschlägen gegen zentralstaatliche Einrichtungen. Als Beginn der Eskalation gilt der 4. Januar 2004, als muslimische Jugendliche bei einem Überfall auf eine Kaserne rund 400 Maschinengewehre erbeuteten.

Die damalige thailändische Regierung unter Premierminister Thaksin Shinawatra befahl daraufhin den nationalen Streitkräften, mit Härte auf Provokationen und Übergriffe zu reagieren. Am 28. April 2004 erschossen Sicherheitskräfte in der Krue Se Moschee in Pattani 32 Muslime, die zuvor eine Kaserne und Polizeistationen überfallen hatten. Am 25. Oktober 2004 löste die thailändische Armee in Tak Bai in der Provinz Narathiwat eine Protestversammlung von muslimischen Jugendlichen gewaltsam auf und verhaftete mehrere Hundert Demonstranten. Bei dem sechsstündigen Transport zu einem Armeestützpunkt erstickten mindestens 78 jugendliche Demonstranten in völlig überfüllten Armeelastwagen. Inzwischen hat sich die thailändische Regierung für den Vorfall entschuldigt und rund 1,2 Mio. Euro als Entschädigung an die Hinterbliebenen gezahlt. Weiterhin gibt es Gewalt und Morde – ausgehend sowohl vom thailändischen Militär als auch von malaiisch-muslimischen Separatisten.

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Dr. habil. Patrick Ziegenhain ist Politikwissenschaftler und zurzeit Associate Professor im Fach Internationale Beziehung an der President University in Cikarang/Indonesien.