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Formen und Typen innerstaatlicher Konflikte | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Formen und Typen innerstaatlicher Konflikte

Lutz Schrader

/ 9 Minuten zu lesen

In Medienberichten ist u.a. von Ressourcenkonflikten, von ethno-politischen und religiösen Konflikten oder von Macht- und Identitätskonflikten die Rede. Solche Etiketten sind schnell verteilt. Doch gibt es verallgemeinerbare Kriterien, nach denen die Vielfalt sozialer und politischer Konflikte geordnet und systematisiert werden kann?

Ein ukrainischer Soldat in der Nähe der Stadt Solote. (© picture-alliance, AA)

Konflikte, in denen zwei Parteien um ein knappes Gut streiten, kommen in der gesellschaftlichen und politischen Realität im Prinzip nicht vor. Hier sind die Konflikte deutlich komplexer. In der Regel sind daran immer mehrere Personen und Gruppen in unterschiedlicher Intensität und Nähe beteiligt, die sich um verschiedene Konfliktgegenstände streiten. Nicht selten überlagern und verstärken sich mehrere Konflikte oder neutralisieren sich gegenseitig. All das macht eine eindeutige Kategorisierung so schwierig.

Hinzu kommen die Wahrnehmung und Bewertung durch die Konfliktparteien. Während einige Beteiligte (noch) gar keinen Konflikt erkennen können und etwa einen Streit, eine Auseinandersetzung als normale Form des zwischenmenschlichen Umgangs oder der politischen Auseinandersetzung abtun, sehen andere darin bereits eine massive Gefährdung ihrer persönlichen Integrität, ihrer Interessen und Werte.

Insbesondere Konfliktberater und Mediatoren wissen, dass es keine gleichsam objektive Kategorisierung von Konflikten gibt und geben kann. Die Feststellung und Benennung eines Konflikts ist vielmehr Teil der Auseinandersetzung und der Bemühungen um seine Lösung. Konfliktexperten sprechen vom "Konflikt über den Konflikt". Wer die Deutungshoheit über den Konflikt hat, befindet sich in einer besseren (Macht-)Position, dessen Verlauf zu steuern und Lösungsbemühungen zu befördern oder auch zu hintertreiben.

Ob und wie ein Konflikt von den Beteiligten und Beobachtern wahrgenommen wird und wer die größten Chancen auf Deutungsmacht hat, ist in hohem Maße vom jeweiligen strukturellen und kulturellen Umfeld abhängig. Dabei spielen sowohl der Platz der Konfliktparteien in der gesellschaftlichen und kulturellen Hierarchie als auch das dominierende Verständnis von Normalität bzw. von richtig und falsch sowie gut und böse eine zentrale Rolle. Auf jeden Fall kann eine Kategorisierung immer nur eine Momentaufnahme sein, die sich mit der Entwicklung des Konflikts und mit der sich verändernden Perspektive der Parteien und Beobachter ebenfalls wandelt.

Ansätze für die Kategorisierung von Konflikten

Um einen Konflikt zu kategorisieren, liegt es nahe, sich an den bereits erwähnten Merkmalen zu orientieren:

Konfliktarena und Ausdehnung

Auf welcher Ebene findet der Konflikt hauptsächlich statt? Ist er auf wenige Personen oder kleinere Gruppen beschränkt oder zieht er weitere Kreise?

Streitgegenstand und Ursache

Worum streiten die Parteien? Stehen unvereinbare Verhaltensweisen, Interessen und Ziele oder Werte und Überzeugungen im Vordergrund?

Erscheinungsform und Dynamik

Wie sichtbar, wie strukturiert und wie "heiß" ist der Konflikt? In welchem Verhältnis stehen die Parteien zueinander? Nach welchen Regeln und mit welcher Intensität wird der Konflikt ausgetragen?

Konfliktarena und Ausdehnung

Ein Konflikt kann sich innerhalb einer einzigen Person, zwischen mehreren Personen oder zwischen mehr oder weniger großen Gruppen abspielen. In Abhängigkeit von der Größe und dem Organisationsgrad der Konfliktparteien lassen sich vier verschiedene Konflikttypen unterscheiden:

intrapersonale Konflikte

Das sind Konflikte, die eine Person mit sich selbst austrägt. In ihrer Psyche liegen unvereinbar erscheinende Gefühle, Überzeugungen, Werte, Motive, Interessen und Ziele im Widerstreit.

interpersonale/mikro-soziale Konflikte

Diese auch als interpersonale Konflikte bezeichneten Auseinandersetzungen werden zwischen zwei oder mehreren Personen ausgetragen. Das wichtigste Merkmal ist, dass die Beteiligten direkt miteinander interagieren und kommunizieren.

meso-soziale Konflikte

In diesen Konflikttyp sind mindestens zwei Großgruppen bzw. Organisationen (z.B. Vereine, Verbände, Unternehmen, Schulen, Verwaltungseinrichtungen) involviert. Ein Großteil der Kommunikation und Interaktion verläuft nicht mehr direkt, sondern über Sprecher bzw. Repräsentanten.

makro-soziale Konflikte

Hier sind die Konfliktparteien Großgruppen, wie nationale Verbände, staatliche Organisationen, Regierungen/Staaten, Staatenbündnisse und/oder internationale Organisationen.

Die Grenzen zwischen den vier Konflikttypen sind nicht fix. Es gibt zahlreiche Überlappungen. So enthalten meso- oder makro-soziale Konflikte zwischen Organisationen immer auch intrapersonale Konflikte (z.B. Gewissenskonflikte der Entscheider) und mikro-soziale Konflikte (z.B. Streitigkeiten innerhalb der Führungsgruppe).

Konflikttypen

Konfliktarena Konflikttyp
intrapersonale KonflikteErwartungskonflikte, Motivationskonflikte, Entscheidungskonflikte, Rollenkonflikte
interpersonale/mikro-soziale KonflikteFamilienkonflikte, Teamkonflikte, Mobbing, organisationsinterne Konflikte
meso-soziale KonflikteParteienkonflikte, gesellschaftliche Diskriminierung, Proteste, Streiks
makro-soziale Konfliktenationale Streiks, Proteste, Aufstände und Krisen, internationale Krisen, (Bürger-)Kriege

Streitgegenstand und Ursache

Zur Systematisierung der zentralen Streitgegenstände und Ursachen von Konflikten eignen sich am besten die drei "Ecken" des Konfliktdreiecks. Eine wichtige Rolle spielen zudem das sozio-strukturelle und sozio-kulturelle Umfeld des Konflikts (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Konfliktdreieck nach Johan Galtung

Abgeleitet von diesen fünf grundlegenden Dimensionen eines Konflikts ergeben sich folgende Ansatzpunkte für die Kategorisierung:

  • Verhalten (Kommunikations- und Interaktionsebene)

  • Interessen und Ziele (Sachebene)

  • Annahmen und Haltungen (Beziehungsebene)

  • sozio-strukturelle Ursachen und Einflussfaktoren (sozio-strukturelle Ebene)

  • sozio-kulturelle Ursachen und Einflussfaktoren (sozio-kulturelle Ebene).

Je nachdem, welche dieser fünf Ebenen den Konflikt in der Wahrnehmung der Parteien und Beobachter am stärksten prägt, haben wir es mit einem der folgenden fünf Grundtypen zu tun: Kommunikations- bzw. Verhaltenskonflikt, Sachkonflikt, Beziehungskonflikt, sozio-struktureller Konflikt oder kultureller Konflikt.

In Kommunikations- bzw. Verhaltenskonflikten wird die Ursache primär einer bestimmten Art der Kommunikation und/oder des Verhaltens einer oder mehrerer Konfliktparteien zugeschrieben. Das Konflikt auslösende und verstärkende Verhalten kann von nonverbalen Signalen über verbale Äußerungen bis hin zu offener physischer Gewalt zwischen einzelnen Personen oder (Groß-)Gruppen reichen. Kommunikations- bzw. Verhaltenskonflikte deuten in aller Regel auf Spannungen bzw. Konflikte auf der Sach- und/oder strukturellen und kulturellen Ebene hin.

In Sachkonflikten treffen unvereinbar erscheinende Interessen und Ziele aufeinander. Die Parteien können entweder materielle oder immaterielle Interessen und Ziele verfolgen. In beiden Fällen streiten sie um die Verfügung über ein knappes Gut. In materieller Hinsicht kann das ein lukrativer Posten in einer Behörde oder ein Stück Land sein. Knappe Güter in immaterieller Hinsicht sind z.B. Anerkennung, Prestige oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Beides hängt meist eng zusammen. Typische Sachkonflikte sind Macht-, Status-, Interessen- und Verteilungskonflikte.

Wenn die Konfliktparteien auf der Sachebene aneinandergeraten, liegt die Ursache dafür nicht selten in ungeklärten oder sogar gestörten Beziehungen. Ein Verhaltens- und Sachkonflikt bildet sozusagen den sichtbaren Konfliktvordergrund. Der Gesamtkonflikt kann in der Regel nicht oder nur unzureichend gelöst werden, solange nicht der im Hintergrund schwelende Streit um den Charakter der Beziehung thematisiert und bearbeitet wurde.

In Beziehungskonflikten treffen unvereinbare Beziehungsdefinitionen sowie Selbst- und Fremdbilder der Beteiligten aufeinander. Hintergrund sind unterschiedliche Annahmen und Erwartungen, Werte und Überzeugungen, Glaubenssätze und Rollenverständnisse der Beteiligten. Je belasteter und umkämpfter die Beziehungsdefinition ist, desto mehr können sich Misstrauen, Vorbehalte und Feindschaft verstärken. Typische Beziehungskonflikte sind Anerkennungs-, Rollen-, Diskriminierungs- und Marginalisierungskonflikte.

Wie eingangs erwähnt, werden Verhaltens-, Sach- und Beziehungskonflikte durch ihr sozio-strukturelles und kulturelles Umfeld – wie durch einen Resonanzraum – verstärkt, gedämpft oder verzerrt. Strukturelle Widersprüche und Verwerfungen bzw. kulturell verfestigte Überzeugungen und Prägungen können aber auch selbst zur Ursache von Konflikten werden. Weil sich die Betroffenen des Zusammenhangs zwischen dysfunktionalen Strukturen und interpersonalen Konflikten oft nicht bewusst sind, werden strukturelle Ursachen nicht selten auf der Verhaltens-, Sach- oder Beziehungsebene vermutet und auch dort ausgetragen.

Ein sozio-struktureller Konflikt liegt dann vor, wenn ungerechte soziale Strukturen eine ausschlaggebende Ursache für die Auseinandersetzung sind. Strukturen sind Gewohnheiten, Institutionen und Regeln, nach denen Menschen einer Gruppe bzw. Gesellschaft ihr Verhalten mehr oder weniger unbewusst ausrichten. Sie werden deshalb auch als (strukturelle) Tiefendimensionen von Konflikten bezeichnet.

Sozio-strukturelle Konflikte bilden sich besonders an sozialen Bruchlinien heraus, die das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben durchziehen und prägen. Dazu zählen die Unterschiede zwischen Geschlechtern, Generationen und Familien ebenso wie die Abstufungen zwischen Schichten, Milieus und Berufsgruppen. Weitere soziale Bruchlinien bestehen zwischen Stadt und Land, Gebieten mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungs- und Wohlstandsniveaus (Zentrum-Peripherie) sowie zwischen ethnischen/religiösen Gemeinschaften und Nationen.

Bruchlinien

soziale Bruchlinie Konflikttyp
GeschlechterGeschlechter-/Genderkonflikte
Familien/ ClansFamilien- oder Clankonflikte
GenerationenGenerationskonflikte
HierarchienMacht- und Hierarchiekonflikte
OrganisationenOrganisationskonflikte
Klassen/ Schichten/ MilieusKlassen- und Milieukonflikte
Hautfarben Diskriminierungs-/Rassenkonflikte
Ethnien und Religionenethnische und religiöse Konflikte
Ressourcenverteilung und EntwicklungsstandStadt-Land-Konflikte Zentrum-Peripherie-Konflikte
Staaten/ Nationen internationale Konflikte

Man spricht von einem sozio-kulturellen Konflikt, wenn die kulturellen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Prägungen der Konfliktparteien die Auseinandersetzung maßgeblich verursachen und ihre Dynamik bestimmen. Der "Stoff", aus dem kulturelle Bedeutungen entstehen, ist breit gefächert. Alle kulturellen Begründungen und Symbole, die sich für die Stiftung von Sinn und Ordnung eignen, können zur Ursache von Konflikten werden bzw. als Rechtfertigung für ein so oder so geartetes Konfliktverhalten dienen.

"Kultur" ist die Gesamtheit von Bedeutungen, d.h. Werten, Symbolen, Codes und Narrativen, die von den Angehörigen einer Gruppe bzw. Organisation geteilt werden und nach denen sie ihrem Handeln Sinn zuweisen und ihre Kommunikation und Interaktion ausrichten. Einmal verinnerlicht, werden die kulturellen Vorgaben und Überzeugungen als "normal", "natürlich" und deshalb alternativlos angesehen und ganz selbstverständlich eingehalten. Die so begründeten sozialen Ordnungen vermitteln ihren Mitgliedern ein Gefühl der Zugehörigkeit, Orientierung und Sicherheit.

Kulturelle Bedeutungen

kulturelle Bedeutung Konflikttyp
WeltbildWeltanschauungskonflikte
Naturverständnis ökologische Konflikte
Menschenbild moralische Konflikte
Gottesbild/Religion religiöse Konflikte
GesellschaftsvorstellungLoyalitäts- und Legitimationskonflikte
Zeitverständnis zeitbezogene Konflikte
Raumverständnis raumbezogene Konflikte
individuelles/kollektives Selbstverständnis Identitätskonflikte
Wahrheitsverständnis Deutungskonflikte
Sitten und Gebräuche interkulturelle Konflikte im engeren Sinne

Kulturelle Bedeutungen verfestigen sich vornehmlich an den o.g. sozialen Bruchlinien, konkret: zwischen Geschlechtern, Generationen, Milieus usw. Hier treffen unterschiedliche Geschlechterbilder, Selbstverständnisse von Generationen und Milieus sowie Ursprungserzählungen, Verfassungen und Zukunftsvorstellungen von religiösen Gemeinschaften, Organisationen, Unternehmen oder Staaten aufeinander. Sozio-strukturelle Konflikte haben also immer auch eine kulturelle Dimension.

Erscheinungsform und Dynamik

Die Erscheinungsform eines Konflikts lässt sich an hervorstechenden Eigenschaften festmachen: unsichtbar oder sichtbar, formlos oder institutionalisiert, kalt oder heiß, gewaltfrei oder gewaltsam, dynamisch oder verhärtet. Ist der Konflikt innerhalb der eigenen Gruppe entstanden oder wird er von außen hereingetragen, spielt er sich zwischen relativ gleich oder unterschiedlich starken Parteien ab? Die Erscheinungsform eines Konflikts erlaubt wichtige Rückschlüsse auf seine Dynamik, sein Risikopotenzial und die Möglichkeiten seiner Bearbeitung und Lösung.

latenter vs. manifester Konflikt

Ein latenter Konflikt liegt dann vor, wenn gemessen an den Interessen und Zielen der Konfliktparteien zwar Unvereinbarkeiten bestehen, diese aber den Beteiligten nicht bewusst sind und auch in ihrem Verhalten nicht offen zum Ausdruck kommen. In manifesten Konflikten wissen die Beteiligten dagegen um die Auseinandersetzung; sie ist auch eindeutig am Verhalten mindestens einer Konfliktpartei erkennbar.

formloser vs. institutionalisierter Konflikt

Konflikte entstehen oft mehr oder weniger formlos. Je nach Kontext sowie Disposition und Status der Beteiligten werden die verfügbaren Instrumente, Verfahren und Regeln aktiviert, um den Konflikt in den Griff zu bekommen bzw. zu den eigenen Gunsten zu entscheiden. Er wird schrittweise zu einem institutionalisierten Konflikt. Der institutionelle Rahmen (z.B. Abmahnung, Konfliktgespräch, Mediation, Gerichtsverhandlung) schafft Sicherheit und Legitimität. Er kann aber auch eine tragfähige Bearbeitung verhindern, Ersatzlösungen kreieren und zur Verhärtung beitragen.

kalter vs. heißer Konflikt

Kalte Konflikte zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass die Beteiligten ihre Gefühle verbergen und sich eher zurückziehen, als aktiv zu werden. Die Auseinandersetzung findet hauptsächlich indirekt statt. In Gruppen und Organisationen können implizite kulturelle Muster und Normen gelten, die ein solches Verhalten begünstigen. Kalter oder schwelender Konflikt kann jederzeit in eine heiße Auseinandersetzung umschlagen. Heiße Konflikte sind an der Emotionalität und dem Aktionismus der Parteien erkennbar.

gewaltloser vs. gewaltsamer Konflikt

Bei der Unterscheidung spielt in erster Linie offenkundige psychische und/oder physische Gewalt eine Rolle. Solange sich die Konfliktparteien an die Spielregeln halten und die andere Partei weder seelisch noch körperlich zu verletzen suchen, liegt ein gewaltloser Konflikt vor. Die Überschreitung der Schwelle zum gewaltsamen Konflikt ist ein wichtiger Indikator für die erreichte der Eskalationsstufe.

dynamischer vs. verhärteter Konflikt

In einem dynamischen Konflikt sind die Konfliktparteien sehr aktiv in ihrem Bemühen, die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden oder zu lösen. Hier bieten sich zahlreiche Ansatzpunkte für die Bearbeitung. Wenn längere Zeit keine Lösung erreichbar ist, verfestigen sich jedoch nach und nach die Positionen. Die Parteien richten sich in der konflikthaften Interaktion ein. Der verhärtete Konflikt wird zum Dauerzustand.

endogener vs. exogener Konflikt

Endogene Konflikte sind diejenigen Auseinandersetzungen, die innerhalb einer Beziehung, einer Gruppe oder Organisation entstehen und hauptsächlich dort ausgetragen werden. Dagegen werden exogene Konflikte von außen hineingetragen. Das hat u.a. Auswirkungen auf die Bearbeitungsmöglichkeiten. Bei exogenen Konflikten sind die Parteien viel stärker auf den Beitrag externer, meist mächtigerer Konfliktparteien angewiesen, die den Konflikt oft auch verursacht haben und ihn gegebenenfalls kontrollieren können.

symmetrischer vs. asymmetrischer Konflikt

Die Konfliktparteien können einander ebenbürtig oder unterschiedlich mächtig sein. Im ersten Fall spricht man von symmetrischen und im zweiten Fall von asymmetrischen Konflikten. Das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien hat erhebliche Auswirkungen auf den Konfliktverlauf. Eine konstruktive Konfliktlösung setzt idealerweise die Stärkung der schwächeren Konfliktpartei voraus. Ansonsten droht eine asymmetrische Konfliktlösung, die die schwächere Seite übervorteilt. Solche Arrangements sind selten stabil.

Ein Beispiel: der libanesische Spielfilm "Der Affront"

Der libanesische Filmemacher Ziad Doueiris führt in seinem Film die Vielschichtigkeit von Konflikten und die daraus resultierenden Schwierigkeiten der Kategorisierung vor. Was als zufälliger Streit zwischen einem cholerischen Wohnungsbesitzer und einem pflichtbewussten Bauarbeiter als Kommunikations- und Verhaltenskonflikt vor einem Wohnhaus irgendwo in Beirut beginnt, landet schließlich vor Gericht. Der Streit wird zum Auslöser gewaltsamer Zusammenstöße und Proteste, die von den Medien angeheizt das gesamte Land erfassen.

Ursache und Hintergrund bilden die nicht aufgearbeiteten Verletzungen der beiden Protagonisten aus der Zeit des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990). Toni, der Automechaniker und Wohnungsbesitzer, ist Überlebender des Massakers von Damur 1976, das muslimischen Milizen an libanesischen Christen verübt haben. Yasser, der Bauarbeiter, der wegen seiner palästinensischen Herkunft nicht seiner Ausbildung gemäß als Ingenieur arbeiten darf, leidet als Vertriebener aus Israel noch immer an den traumatisierenden Erfahrungen in einem libanesischen Flüchtlingslager (Westphal 2018).

Im Zuge der Konflikteskalation treten die strukturellen und kulturellen Prägungen der Akteure immer deutlicher in den Vordergrund. Aus dem zufällig aufbrechenden latenten, endogenen, formlosen und dynamischen Streit zwischen zwei Männern wird über mehrere Stufen ein manifester, primär exogener, institutionalisierter und verhärteter Konflikt. Nicht zuletzt spielen in den Streit weitere Konflikte hinein – z.B. die allgemeine Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen und politischen Zuständen im heutigen Libanon: Polizeiwillkür, Schwarzmarkt, Korruption ...

Weitere Inhalte

Dr. Lutz Schrader (Jg. 1953) ist freiberuflicher Dozent, Berater und Trainer mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung sowie Konfliktberatung. Arbeits- und Forschungsthemen sind die Konflikte im westlichen Balkan, Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure in bewaffneten Konflikten und Post-Konfliktgesellschaften, Verfahren der Konflikttransformation sowie Friedens- und Konflikttheorien.