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El Salvador | Kriege und Konflikte | bpb.de

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El Salvador

Viviana García Pinzón

/ 11 Minuten zu lesen

Mit äußerst hohen Popularitätswerten trat Nayib Bukele am 1. Juni 2024 seine zweite Amtszeit als Präsident von El Salvador an. Die Wiederwahl bedeutete einen entscheidenden Schritt in Richtung Autoritarismus.

24. Juni 2024: Gang-Mitglieder in Tecoluca, El Salvador, warten auf den Transfer in ein Hochsicherheitsgefängnis. (© picture-alliance, Anadolu)

Aktuelle Konfliktsituation

Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2019 und durch die öffentliche Zustimmung ermutigt, ist Nayib Bukele bestrebt, die Macht in seinen Händen zu konzentrieren und in einem autoritären Stil zu regieren. Seine Wiederwahl 2024 mit 85 % der Stimmen und der Sieg seiner Partei Nuevas Ideas mit 54 von 60 Sitzen in der Nationalversammlung zementierten diesen Prozess. Obwohl eine Wiederwahl laut Verfassung verboten ist, ermöglichte eine umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Bukeles Verbleib an der Macht.

Der „Krieg gegen die Banden“ und der permanente Ausnahmezustand sind zentrale Elemente der Regierungsführung Bukeles und des Autokratisierungsprozesses in El Salvador. Am Anfang seiner Regierungszeit setzte Präsident Bukele eine Sicherheitsstrategie um, die den Einsatz von Militär und Polizei in den Gebieten mit dem höchsten Gewaltaufkommen mit Rehabilitations- und sozialen Integrationsprogrammen im Rahmen des „Plan Control Territorial“ kombinierte. Gleichzeitig führte er geheime Verhandlungen mit den Anführern der wichtigsten Banden, darunter Mara Salvatrucha MS-13 und die beiden Fraktionen des Barrio 18.

Im ersten Amtsjahr Bukeles sank die Mordrate in El Salvador um 60 %. Bukeles Strategie hat sich seitdem als wirksam erwiesen. Im Zeitraum von 2015 bis 2023 verringerten sich die Morde von 53,31 gewaltsamen Tötungen pro 100.000 Einwohner auf lediglich 2,4. Auch wenn die offiziellen Zahlen nicht ganz verlässlich sind, bestätigen verschiedene Berichte, dass sich das Alltagsleben in den von Bandengewalt und Erpressung betroffenen Gemeinden verbessert hat.

Ab März 2022 ging die Sicherheitspolitik zu einer Politik der „harten Hand“ („mano dura“) über. Die Mara Salvatrucha-13 (MS-13) tötete zwischen dem 25. und 27. März 87 Menschen, vermutlich als Reaktion auf Verstöße gegen den Pakt mit der Regierung nach der Verhaftung mehrerer ihrer Mitglieder. Der Kongress verhängte daraufhin einen einmonatigen Ausnahmezustand, der seither immer wieder verlängert wurde und mittlerweile zur neuen Normalität geworden ist. Das Notstandsregime beinhaltet die Aussetzung verfassungsmäßiger Rechte, die Einschränkung ordentlicher Gerichtsverfahren, die Einführung von Ermessenstatbeständen, die es der Polizei erlauben, Personen auf der Grundlage subjektiver Beweise zu verhaften, sowie die anhaltende Präsenz von Militär und Polizei auf den Straßen.

Die Regierung wertete dies als Erfolg ihrer Sicherheitsmaßnahmen. Einige Analysen legen jedoch nahe, dass der bemerkenswerte Rückgang zu einem großen Teil auf die organisatorische Dynamik von Gewalt und territorialer Kontrolle durch die Banden sowie auf die informellen Vereinbarungen zwischen Bandenchefs und der Regierung zurückzuführen ist. Der Preis für diese Entwicklung sind massive Menschenrechtsverletzungen. In der Zeit vom 27. März 2022 bis zum 20. April 2024 wurden 79.211 Personen oft willkürlich in Haft genommen. El Salvador ist mit 1,73 % das Land mit der weltweit höchsten Inhaftierungsrate. Mindestens 265 Menschen sind in staatlichem Gewahrsam ums Leben gekommen. Hinzu kommen Berichte über tausende Fälle von Folter und Verschwindenlassen.

Die Nichtregierungsorganisation Socorro Jurídico Humanitario schätzte, dass mindestens 20.000 Gefangene unschuldig inhaftiert sind. Bis August 2023 wurden lediglich 7.000 dieser Personen freigelassen, da keine ausreichenden Beweise für ihre angebliche Verbindung zu Banden vorlagen, jedoch existiert bisher kein konkreter Plan für Wiedergutmachung. Zudem hat die Regierung den Ausnahmezustand genutzt, um Menschenrechtsverteidiger zu verfolgen und die Pressefreiheit einzuschränken. Bukele greift Journalisten auch persönlich über Twitter an, nicht selten verbunden mit Beleidigungen und Drohungen seitens seiner Anhänger. Berichte über öffentliche Sicherheit und Banden, die von der offiziellen Linie abweichen, werden ebenfalls kriminalisiert. Seit Beginn der Pandemie werden Informationen zu öffentlichen Angelegenheiten vertraulich behandelt.

Ursachen und Hintergründe

Mit dem Ende des Bürgerkrieges (1980-1992) begann zunächst eine positive Entwicklung in Richtung Demokratisierung. Doch die Fortschritte wurden schnell in der unversöhnlichen Konfrontation zwischen den beiden führenden Parteien zerrieben. Das ist einerseits die rechtskonservative Alianza Republicana Nacionalista de El Salvador (ARENA) und andererseits die ehemalige Guerilla-Bewegung Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMNL). Beide standen sich bereits während des Bürgerkrieges gegenüber, in dem die ARENA die Militärregierung stellte. Die Rivalität bedeutet de facto die Fortsetzung des alten Konflikts mit überwiegend politischen Mitteln.

Hinzu kommt, dass die Verbrechen im Bürgerkrieg nie aufgearbeitet wurden. 1993 wurde sogar im Parlament für die Verantwortlichen und Täter für alle Kriegsverbrechen vor 1992 eine Generalamnestie erlassen. Dies geschah fünf Tage bevor mehrere Ermittlungskommissionen, wie z.B. die „Comisión de la Verdad para El Salvador“, die Ergebnisse veröffentlichen wollten. Es wurden 13.569 Fälle ermittelt, darunter schwere Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen.

Weiterer konfliktverschärfende Faktoren sind das Fehlen natürlicher Ressourcen und die geringe Konkurrenzfähigkeit der salvadorianischen Unternehmen im globalen Markt. Die Situation wurde in den 1990er Jahren noch zusätzlich durch die neoliberale Sparpolitik der ARENA-Regierungen verschärft. Handelsliberalisierung und Deregulierung haben die Wirtschaftsstruktur des Landes grundlegend verändert. Das Land hat sich von einer auf Agrarexporten basierenden Wirtschaft zu einer Wirtschaft entwickelt, die nun von Maquilas (oder Maquiladoras), dem Dienstleistungssektor und vor allem von Rücküberweisungen von Salvadorianern aus dem Ausland abhängig ist. In der Folge vertiefte sich die traditionelle Kluft zwischen reicher Oberschicht und der großen Mehrheit der Bevölkerung. Besonders die Zukunftschancen der jüngeren Generation verschlechterten sich drastisch.

Das Nachkriegs-El Salvador wird von vielfältiger Gewalt geprägt, darunter staatlich geförderte und geschlechtsspezifische Gewalt, organisierte Kriminalität und Jugendbanden. Hauptakteure sind staatliche Sicherheitskräfte und drei Banden: Mara Salvatrucha 13 (MS-13) sowie die beiden Fraktionen des Barrio 18, Revolutionäre und Südstaatler. Die Gewalt der Banden wurde zum größten Sicherheitsproblem des Landes. Die starke sozio-ökonomische Ungleichheit, vor allem zulasten der Jugendlichen, verstärkt die Anreize, sich Banden anzuschließen.

Auch die Bandenkriminalität hat ihre Ursachen im Bürgerkrieg. Damals flohen etwa eine Million Menschen aus dem Land. Sie strandeten in den Armenvierteln im Westen der USA. Aus Schutz vor lokalen Banden schlossen sich vor allem Jugendliche bestehenden Gruppierungen an oder bildeten ihrerseits Banden, um nicht hilflos gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt zu sein. Vor allem die MS-13 entwickelte sich schnell zu einer der gefährlichsten Bandengruppierungen in Kalifornien. So liegen die Wurzeln der heute in El Salvador dominierenden Mara Salvatrucha 13 (MS-13) in Los Angeles und anderen Städten Kaliforniens. Aufgrund der rapide ansteigenden Gewalt- und Kriminalitätsrate verschärfte die USA ab 1996 ihre Migrationsgesetzgebung und Abschiebepolitik. Allein zwischen 1998 und 2005 wurden 46.000 Menschen nach Zentralamerika abgeschoben, darunter tausende Bandenmitglieder mit ihren Strukturen, ihrem Know-how und ihrer Ideologie.

Fast drei Jahrzehnte lang dominierten Arena und FMLN die salvadorianische Politik, ohne jedoch die gravierenden Probleme des Landes wie Korruption, Ungleichheit und die weit verbreitete organisierte Kriminalität zu lösen. Vor diesem Hintergrund betrachtete die Mehrheit der Salvadorianer das politische System als korrupt und ineffizient. Dies gilt trotz der Stärkung der wesentlichen horizontalen Institutionen zur Rechenschaftspflicht und der Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung, die zu Ermittlungen und Strafverfolgung auf höchster Regierungsebene geführt haben (Mélendez-Sánchez 2024). Im Jahr 2019 trat Bukele mit einem Anti-Establishment-Programm zur Präsidentschaftswahl an, das den Salvadorianern einen radikalen Wandel versprach.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Der von Bukele verfolgte Ansatz lässt sich in das Modell des autoritären Konfliktmanagements einordnen. Präsident Bukele hat wiederholt behauptet, dass die Konzentration der Macht in den Händen der Exekutive und eine Politik der „harten Hand“ zur Lösung der vielfältigen Probleme des Landes, vor allem zwecks der Befriedung der innerstaatlichen Konflikte, notwendig seien. Im Vorfeld der Kongresswahlen erklärte er, dass die Verlängerung des Ausnahmezustands, die Wahl regierungsfreundlicher Mitglieder des Obersten Gerichtshofs und Generalstaatsanwälte „für den Sieg im Krieg“ notwendig seien. Er schreckte auch nicht vor plumpen Populismus zurück, als er davor warnte, dass die Opposition im Falle eines Wahlsieges alle Bandenmitglieder aus den Gefängnissen entlassen könnte, um sie für die Machtübernahme zu nutzen. In der wissenschaftlichen Literatur wird diese Spielart als Millennial-Autoritarismus bezeichnet. Gemeint ist eine innovative politische Strategie, die traditionelle populistische Appelle und klassisches autoritäres Verhalten mit einer modernen, jugendlichen Marke kombiniert, die stark auf sozialen Medien basiert (vgl. Mélendez-Sánchez 2024).

Die Kritik an der zunehmenden Machtkonzentration wird sowohl von der politischen Opposition als auch von Menschenrechtsorganisationen immer stärker. Währenddessen nutzt Bukele weiterhin seine immense Popularität, um die „Reformen“ zu rechtfertigen. In einer Rede nach den Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024 argumentierte er, dass Demokratie bedeute, dass das salvadorianische Volk entscheiden könne, welche Art von Regierung es wolle, auch wenn dies eine Einparteienregierung zur Folge habe. Daher seien die Reformen legitim, da sie den Willen des Volkes widerspiegelten und notwendig seien, um Korruption zu bekämpfen und Sicherheit zu gewährleisten.

Obwohl die repressive Politik und der Ausnahmezustand zu einem Rückgang der tödlichen Gewalt und zum Rückzug der Banden geführt haben, sind repressive Sicherheitsstrategien auf Dauer nicht nachhaltig; sie beschädigen vielmehr die demokratischen Institutionen (Rosen/Cutrona 2023). Zunehmende staatliche Willkür und Autoritarismus stellen neue Bedrohungen für die Sicherheit und die Rechte der salvadorianischen Bevölkerungen dar. So gibt es zahlreiche Vorwürfe der Erpressung und des sexuellen Missbrauchs durch Angehörige der Polizei und des Militärs. Darüber hinaus werden Rechte von Menschenrechtsverteidigern verletzt.

Im Gegensatz zu Maßnahmen der „harten Hand“ ist es notwendig, dass El Salvador seinen Justizapparat stärkt, die Straflosigkeit bekämpft und seinen Jugendlichen legitime Alternativen zur Mitgliedschaft in den Banden bietet. Doch diesbezüglich hat Bukeles Modell die Lage in Bezug auf Armut und Perspektivlosigkeit nicht verbessert. Tatsächlich stieg die extreme Armut von 4,5 % im Jahr 2019 auf 7,1 % im Jahr 2021. Im selben Zeitraum erhöhte sich die Ernährungsunsicherheit von 42,2 % auf 46,5 %. Gleichzeitig wurden die Finanzmittel für die Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen reduziert. Andere wichtige Themen, wie Klimawandel, Ernährungssicherheit und Migration, wurden völlig vernachlässigt.

Geschichte des Konflikts

Am 16. Januar 1992 endete in El Salvador der blutige 12-jährige Bürgerkrieg, in dem 75.000 Menschen starben. Durch die Vermittlung von Kirche und UNO und den „Friedensvertrag von Chapultepec“ begann eine neunmonatige Waffenruhe, die den Übergang zur Demokratie einleitete. Die Umsetzung des Vertrages wurde von 1991 bis 1995 durch die UN-Beobachtermission (ONUSAL) garantiert. Der Prozess galt lange als Musterbeispiel liberaler Friedensentwicklung. Neben der Demokratisierung des Landes beinhaltet der Vertrag die Entwaffnung der Guerilla-Gruppierung FMNL (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) und deren Anerkennung als Partei, die Reduzierung des Militärs sowie Grundbesitz- und Justizreformen.

Mit dem 1992 unterzeichneten Friedensvertrag entstand ein neues politisches System, das auf politischen und bürgerlichen Rechten beruhte. Die Kandidaten der ARENA Partei gewannen mit ihrer proamerikanischen und neoliberalen Ausrichtung alle vier Präsidentschaftswahlen seit 1989 und kontrollierten die Exekutive bis 2009. Während dieser Periode erlebte das Land ein hohes Wirtschaftswachstum, was es ermöglichte, die Zölle zu senken. Auch für die Einführung des US-Dollars als Landeswährung 2001 war die ARENA maßgeblich verantwortlich – eine Maßnahme, die ab den 2000er Jahren mit einem sinkenden Wirtschaftswachstum einherging. Während der Weltwirtschaftskrise 2008 kam das Wachstum zum Stillstand und erholte sich in den darauffolgenden Jahren nur sehr langsam.

Als 2009 die FMNL zum ersten Mal die Präsidentschaftswahlen für sich entscheiden konnte, war in der rechten Opposition die Sorge groß, dass die neue Regierung die marktwirtschaftlich orientierte Politik der Vorgängerregierung stoppen könnte. Die FMNL-Regierung fokussierte sich auf die benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Sie beschloss u.a. erhöhte Ausgaben für Bildung und Gesundheit sowie staatliche Unterstützung für die Rentenpläne. Diese Ausgabensteigerungen verstärkten den Druck auf die Staatsfinanzen. Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit erreichten 2017 ein Rekordhoch. Daraufhin wurde auf Druck der Opposition ein Gesetz verabschiedet, das die Regierung verpflichtete, Defizitausgaben und Neuverschuldung zu begrenzen.

Eine Folge dieser wirtschaftlichen und politischen Krisen war ein explosionsartiger Anstieg der organisierten und Bandenkriminalität. Im Land begann eine erbitterte öffentliche und politische Debatte darüber, wie die Gewalt eingedämmt werden sollte. Zwar waren sich die beiden großen Parteien, ARENA und FMNL, darin einig, dass die Ursachen zum größten Teil in der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich zu suchen sind, doch bestanden unvereinbare Positionen dazu, wie die sozio-ökonomischen Unterschiede überwunden werden können. In diesem Zusammenhang lag der Schwerpunkt der Sicherheitspolitik stark auf repressiven Maßnahmen (Aguilar 2019). Dieser politische Ansatz und die Kriminalisierung haben zur Radikalisierung von Banden beigetragen (Aguilar 2019; Reyna 2017). Die Militarisierung der Sicherheitspolitik hatte negative Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation in El Salvador (Aguilar 2016).

Angesichts weitverbreiteter Korruption und Straflosigkeit, anhaltender Armut, sozialer Ungleichheit sowie zunehmender Gewalt und Unsicherheit wuchs die Unzufriedenheit der Salvadorianer mit dem politischen System und der defizitären Demokratie (Córdova et al. 2021). Dadurch wurde Bukeles Aufstieg an die Macht massiv begünstigt. Seine Wahl zum Staatsoberhaupt im Jahr 2019 bedeutete nicht nur das Ende des Zweiparteiensystems aus rechter ARENA-Partei und linker FMLN, sondern markierte auch das Ende des politischen Systems, das nach dem Bürgerkrieg und der Demokratisierung das Land geprägt hatte.

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ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI) in Freiburg. Sie promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg und war Teil des Doktorandenprogramms von dem German Institute for Global and Area Studies (GIGA). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Konflikt und Gewalt, lokale Regierungsführung, Frieden und Sicherheit mit besonderem Fokus auf Städte und Grenzgebiete sowie einer regionalen Ausrichtung auf Lateinamerika.