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Honduras | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Honduras

Peter Stegemann

/ 8 Minuten zu lesen

Honduras gehört angesichts massiver Banden- und Drogenkriminalität und weit verbreiteter Korruption zu den unsichersten Ländern Lateinamerikas. Regierung und Polizei sind kaum bereit und in der Lage, auch nur annähernd so etwas wie das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen.

Militär und Polizei präsentieren knapp 1,5 Tonnen Kokain, die sie bei drei Operationen gegen den Drogenhandel in Honduras sichergestellt haben, bevor sie vernichtet werden, 01.03.2019. (© picture-alliance/AP, Fernando Antonio)

Aktuelle Konfliktsituation

Gewalt gehört in Honduras zum Alltag. Das mittelamerikanische Land ist mit derzeit etwa 38 Tötungen pro 100.000 Einwohner das Land mit der zweithöchsten Mordrate, bei Frauenmorden das mit der höchsten Rate in ganz Lateinamerika. Die Wirtschaft stagniert seit Jahrzehnten auf niedrigem Niveau. Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit treibt viele Menschen dazu, in die USA, nach Mexiko oder Spanien zu emigrieren. Immer wieder werden kritische Journalisten, Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten bedroht und ermordet.

Ende 2021 konnte die linksgerichtete Präsidentin Xiomara Castro einen klaren Wahlsieg erringen. Castro ist die Ehefrau des 2009 gewählten und dann aus dem Land vertriebenen Präsidenten Manuel Zelaya. Mit diesem als historisch zu betrachtenden Erfolg beendete sie die zwölf Jahre dauernde Regierungszeit der als von vielen Honduranerinnen und Honduranern als korrupt empfundenen Nationalpartei „Partido Nacional de Honduras“ (PNH). Zu ihrem mit vielen Hoffnungen verbundenen Amtsantritt 2022 reiste sogar US-Vizepräsidentin Kamala Harris an. Ihr Vorgänger, Juan Orlando Hernández, wurde kurz darauf medienwirksam mit Handschellen und Ketten in die USA ausgeflogen, wo er wegen Kokainimports in die USA und illegalem Waffenbesitz angeklagt ist. Im März 2024 sprach ihn ein Geschworenengericht in New York City schuldig: Hernández habe das zentralamerikanische Land in einen „Drogenstaat“ verwandelt. Sein jüngerer Bruder war bereits 2021 in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Xiomara Castro hat beim Amtsantritt eine „Regierung des Volkes“ und die Bekämpfung von Korruption, Drogenhandel und organisiertem Verbrechen angekündigt. Außerdem hat sie eine Entmilitarisierung des Landes, eine Polizeireform und eine Verringerung der Migration versprochen. Doch ihr Handlungsspielraum ist begrenzt, denn ihre Regierungskoalition hat keine Mehrheit im Parlament. Zudem üben die früheren Machthaber über ihre Netzwerke immer noch viel Einfluss aus. Bremsend wirken nicht zuletzt die nach wie vor die engen Verbindungen zwischen staatlichen Behörden und organisierter Kriminalität. Auch Repressionen gegen Menschenrechtsaktivisten sind weiter an der Tagesordnung.

Trotz der eher überschaubaren Erfolge genießt Castro in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch großen Rückhalt. Viele haben die Hoffnung noch nicht aufgeben, es könne sich in Honduras prinzipiell etwas ändern. Insbesondere wird die Präsidentin für ihren Einsatz für Frauenrechte anerkannt; so hat sie beispielsweise ihr Wahlversprechen zur Legalisierung der „Pille danach“ eingelöst. Die Diskussion eines Gesetzesentwurfs zur Vorbeugung und Eindämmung der Gewalt gegen Frauen lässt allerdings auf sich warten.

Ursachen und Hintergründe

Zentrale Konfliktursachen sind die sozio-ökonomischen Spaltung des Landes, verbunden mit einer tief verwurzelten Korruption. Seit der Loslösung des Landes von der Kolonialmacht Spanien 1821 hat eine kreolische Elite ein „atypisches Modell von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie herausgebildet, […] bei dem es schwerfällt, zwischen Legalem und Illegalem sowie Legitimem und Illegitimem zu unterscheiden.“ (Muñoz, 2024). Strukturell bedingt leben mehr als 60 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die fehlenden Perspektiven treiben vor allem Jugendliche zu den Straßenbanden. Auch Emigration in die USA ist häufig: Die US-amerikanische Grenzschutzbehörde zählte 2023 über 180.660 Migranten aus Honduras.

Die Korruption zeigt sich vor allem im Rechts- und Polizeiwesen. Die Gerichte sind korrupt, überlastet und werden von der Politik beeinflusst. Im Rule of Law Index des World Justice Project nimmt Honduras seit Jahren die viertletzte Position in Lateinamerika und der Karibik ein, so auch 2023; etwa 87 % der Morde bleiben ungesühnt. Zudem gilt die Polizei als eine der korruptesten in der Region und ist an den Aktivitäten sowohl von Straßenbanden als auch von Drogenschmugglern beteiligt. Mehrere Anläufe, die Polizeikräfte zu reformieren, haben die tiefverwurzelte Korruption nicht beseitigen können.

Für die hohe Mordrate sind im Wesentlichen die kriminellen Aktivitäten der verfeindeten Straßenbanden Mara Salvatrucha (MS-13) und Barrio 18 verantwortlich. Sie kontrollieren weite Teile des Landes und gehen beim Kampf um Einflussgebiete mit äußerster Gewalt vor. Ihre Bewaffnung wird immer professioneller und bewegt sich teilweise auf Armeeniveau. Beide Banden erpressen von Straßenhändlern, Eigentümern kleiner Betriebe und im Personennahverkehr Schutzgelder. Überdies dominieren sie den lokalen Drogenhandel. Die tiefsitzende Feindschaft setzt sich auch in den Gefängnissen fort. So wurden am 20. Juni 2022 in einem Frauengefängnis 46 inhaftierte weibliche Mitglieder der MS-13 ermordet.

Die geografische Lage zwischen Produzentenländern von Drogen in Südamerika und den Abnehmerländern in Nordamerika macht Honduras zum Durchgangsland für Drogen. MS-13 und Barrio 18, die sich bisher auf den lokalen Drogenhandel beschränkten, versuchen zunehmend, sich auch Anteile am lukrativeren grenzüberschreitenden Drogenschmuggel zu sichern.

Die seit den frühen 2000er Jahren verfolgte Politik der harten Hand („mano dura“) gegen Straßenbanden und andere kriminelle Gruppierungen ging ab 2011 mit einer erheblichen Militarisierung der Polizeiarbeit einher. Mit Militäreinsätzen im Inneren und der Gründung militarisierter Spezialeinheiten wurde ein autoritäres Klima der Gewalt geschaffen. Außerdem gibt es starke Hinweise darauf, dass diese Einheiten ebenfalls in kriminelle Machenschaften verstrickt sind. So führte bei der oben erwähnten Ermordung der Aktivistin Berta Cáceres die Spur der Täter u.a. zu Angehörigen der Militärpolizei. Die neue Präsidentin Castro hat zwar einerseits die militarisierte Polizei aufgelöst; andererseits hat der von ihr verhängte Ausnahmezustand praktisch keine in der Kriminalitätsstatistik sichtbaren Ergebnisse gebracht.

Auch politische und zivilgesellschaftliche Aktivisten sind erheblichen Bedrohungen ausgesetzt. Nach Human Rights Watch ist Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen nach wie vor die Norm. Frauen, Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Indigene, Afro-Honduranerinnen und -Honduraner sowie Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) gehören zu den Personen, die am stärksten von Gewalt betroffen sind. Ein prominentes Beispiel ist die international bekannte Umweltaktivistin Berta Cáceres, die 2016 von Auftragsmördern getötet wurde.

Die Nationale Partei Honduras konnte in den zwölf Jahren zwischen 2009 und 2021 an der Regierung ihren Einfluss über sämtliche Staatsgewalten und Institutionen sowie über die Medien ausbreiten und konsolidieren. Wichtige Ämter wurden mit Parteifreunden und Verbündeten besetzt, ebenso wurden Gesetze erlassen, die die Ermittlung gegen Korruption erschwert und das Strafmaß für Korruption gesenkt haben. Zusätzlich zum Drogenschmuggel wurde so auch die Veruntreuung öffentlicher Gelder begünstigt. Vor Gericht machen verhaftete Kartellangehörigen durch ihre Aussagen die Komplizenschaft der politischen und wirtschaftlichen Eliten im Drogenschmuggel immer wieder öffentlich.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

In den vergangenen Jahren hat die internationale Gemeinschaft immer wieder versucht, die Lage in Honduras zu verbessern. So konnte die mithilfe der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) eingesetzte „Mission zur Unterstützung des Kampfes gegen Korruption und Straffreiheit in Honduras“ (Misión de Apoyo contra la Corrupción y la Impunidad en Honduras, MACCIH) trotz des Widerstandes der politischen Elite einige Korruptionsfälle in den höchsten Ebenen der Politik und Gesellschaft aufdecken. Als sich das Ende der Mission abzeichnete, plädierten internationale Organisationen, wie die OAS und die EU, für eine Erneuerung ihres Mandats, das jedoch Anfang 2020, u.a. auch auf Empfehlung des Kongresses, von der PN-Regierung nicht verlängert wurde.

Präsidentin Castro hat zu Beginn ihrer Amtszeit einen Neuanfang versprochen. Unter anderem auch die Schaffung einer Nachfolgeeinrichtung für die MACCIH zur Bekämpfung der Straflosigkeit und der Korruption, die ebenfalls von der UNO unterstützt werden soll. Eine solche Einrichtung könnte es Ermittlern ermöglichen, schwere Straftaten zu untersuchen, bei denen es zu Absprachen zwischen den Tätern und staatlichen Institutionen gekommen ist. Um eine gründliche Untersuchung zu ermöglichen, muss Castro eine Reihe von Rechtsreformen durchsetzen, die von der UNO als entscheidende Voraussetzungen genannt wurden. Bisher hat sie im Kongress jedoch nicht genügend Stimmen für die Annahme dieser Maßnahmen sammeln können. Sollte es honduranischen Staatsanwälten allerdings ermöglicht werden, mächtige illegale Netzwerke zu verfolgen, könnte die seit langem bestehende Praxis, die Macht in den Händen von Verbündeten, Freunden und Familienangehörigen der Regierungspartei zu konzentrieren, beendet werden (International Crisis Group, Juli 2023).

Der von Xiomara Castro angekündigte Neuanfang sollte auch darin bestehen, die zivile Polizei zu stärken, die Korruption zu bekämpfen und die Menschenrechte wirksamer zu schützen. Allerdings setzt die Regierung bei der Bekämpfung der Gewalt bislang im Wesentlichen auf den Ausnahmezustand. Kritiker aus der Zivilgesellschaft (z.B. Asociación para una Sociedad más Justa – ASJ) bemängeln die unzureichende Verfassungsmäßigkeit des seit November 2022 mehrfach verlängerten Ausnahmezustands, der überdies ohne nennenswerte Ergebnisse auf die Kriminalitätsstatistik geblieben ist. Ein weiterer schwerwiegender Kritikpunkt an der neuen Regierung ist die Besetzung wichtiger öffentlicher Ämter durch Familienmitglieder des Ehepaars Xiomara Castro. So wurde ihr Ehemann und Ex-Präsident, Manuel Zelaya, 2023 zum Leiter des Nationalen Antikorruptionsrates (CNA) ernannt.

Für eine Verbesserung der Lage in Honduras scheint die Unterstützung und der Druck der internationalen Gemeinschaft notwendig zu sein. Die USA sind der wichtigste Partner von Honduras, wobei der Fokus auf der Bekämpfung des transnationalen Drogenschmuggels liegt. Zudem versucht die US-Regierung, die Migrationsströme in die USA einzudämmen. Honduranische und internationale Menschenrechtsorganisationen, wie Global Witness, verlangen eine stärkere finanzielle Unterstützung für die Armutsbekämpfung, womit eine der wichtigsten Migrationsursachen bekämpft und den Straßenbanden zumindest teilweise die Rekrutierungsbasis entzogen werden könnte.

Geschichte des Konflikts

Straßenbanden gibt es in Honduras schon seit den 1970er Jahren. Als die USA jedoch Anfang der 2000er massenhaft straffällige Einwanderer aus Lateinamerika in ihre Herkunftsländer abschoben, verschärfte sich die Lage dramatisch. Unter den Abgeschobenen waren zahlreiche Mitglieder der in Los Angeles gegründeten Banden MS-13 und Barrio 18. Mit ihrer straffen Organisation und Gewaltbereitschaft konnten sich diese Gangs schnell gegen lokale Gruppen durchsetzen. Ihr erbarmungsloser Kampf um Einfluss und Territorien ließ die Mordrate im Jahr 2011 auf den Wert von 83 Toten pro 100.000 Einwohner anwachsen. Zwar konnte die Mordrate mit der „Politik der harten Hand“ und zahlreichen Verhaftungen um etwa die Hälfte reduziert werden, doch führte sie gleichzeitig zu einer Verdoppelung der Gefängnispopulation.

Die Amtsenthebung und Vertreibung des damaligen Präsidenten Manuel Zelaya ins Exil im Jahr 2009, die die internationale Gemeinschaft als „Putsch“ verurteilt hat, sorgten für eine starke politische Polarisierung des Landes. Celaya hatte argumentiert, die aus dem Jahre 1982 stammende Verfassung an „die nationale Realität“ anzupassen und versucht, ein Referendum über die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung abzuhalten. Das oberste Verfassungsgericht interpretierte dies als Vorbereitung einer verfassungswidrigen zweiten Amtszeit. Daraufhin wurde Zelaya im Juni 2009 verhaftet und des Landes verwiesen. Aus den folgenden Präsidentschaftswahlen ging Porfirio Lobo siegreich hervor. Es begann eine insgesamt 12-jährige Regierungszeit der PNH. Auf Lobo folgte 2013 Juan Orlando Hernández, dessen Wahlkampf teilweise mit Geldern aus der staatlichen Sozialversicherungskasse finanziert wurde. Die Bewegung „Oposición Indignada“ (Empörte Opposition) forderte in monatelangen Protesten Konsequenzen. Doch die als Kompromiss eingerichtete MACCIH konnte nur wenig zur Minderung der Spannungen beitragen.

Bei den Wahlen 2017 spitzte sich die Lage noch weiter zu, als das oberste Gericht Präsident Hernández die Möglichkeit erteilte, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Noch acht Jahre zuvor hatte dies als Vorwand für die Amtsenthebung Zelayas gedient. Die Wahlen an sich waren von Verzögerungen und vermeintlichen technischen Problemen gekennzeichnet. Erst drei Wochen nach der Abstimmung wurde Hernández mit 1,5 % Vorsprung zum Sieger erklärt, nachdem der Herausforderer Salvador Nasralla bei einer vorläufigen Auszählung am Tag nach der Wahl noch mit 5 % vorne gelegen hatte. Bei den folgenden Unruhen kam es zu über 35 Toten.

Die starke Unzufriedenheit mit der PNH und die immer offensichtlichere Verstrickung von Präsident Hernández mit der organisierten Kriminalität führte 2021 dann zum historischen Wahlsieg von Xiomara Castro.

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Peter Stegemann lebt und arbeitet seit Mitte der 1990er Jahre in Lateinamerika. Er war zunächst als Journalist (u.a. für Deutsche Welle, ZDF und Zeit) in der Region tätig. Derzeit arbeitet er im Risikomanagement.