Nach der Destabilisierung der gesamten nordafrikanischen Region 2011 infolge des sogenannten Arabischen Frühlings und des Sturzes des Gaddafi-Regimes in Libyen durch eine NATO-Intervention ist noch keine tragfähige Konfliktlösung in Sicht (Tull/Lacher 2012). Der Krisenbogen spannt sich von der Mittelmeerküste bis hin zu den südlichen Rändern der Sahelzone. Die betroffenen Länder sind neben Libyen insbesondere die Nachbarländer Tschad, Algerien und Niger sowie Mali, Mauretanien, Burkina Faso und Nigeria.
Die Bemühungen der UNO und der Länder der Europäischen Union, die Region wieder zu stabilisieren und die Konflikte schrittweise zu überwinden, begann bereits unmittelbar nach dem Ende des Bürgerkrieges in Libyen. Im September 2011 beschloss der UN-Sicherheitsrat die United Nations Support Mission in Libya (UNSMIL). Um die regionalen Auswirkungen der Folgen des libyschen Bürgerkriegs einzuhegen, beschloss die Europäische Union 2011 eine "Sahel-Strategie" (European Union External Action Service: 2011). 2013 und 2014 folgten mit den Operationen "Serval" und "Barkhane" zwei von der UNO mandatierte militärische Interventionen Frankreichs.
Konfliktbearbeitung am Beispiel Interner Link: Libyen
Die UNSMIL geht auf eine Anfrage der libyschen Übergangsregierung zurück, sie bei der Herstellung der staatlichen Einheit zu unterstützen. Nach 42 Jahren Gaddafi-Regime und acht Monaten Bürgerkrieg 2011 kämpften in
Aufgrund der Rivalität der beiden Fraktionen, des House of Representatives (HoR) und des General National Congress (GNC), konnte die auf eine langfristige Konfliktlösung ausgerichtete Strategie der UNSMIL bis dato nicht durchgesetzt werden. In der Folge verschob sich der Fokus der Bemühungen der UNSMIL auf eine direkte Konfliktlösung zwischen den Fraktionen, die Ende 2015 mit dem Libyan Political Agreement (LPA) in Skhirat erreicht und formuliert wurde. Die zentralen Punkte des Abkommens sind:
die Einrichtung einer repräsentativen und anerkannten Übergangsregierung – Government of National Accord (GNA) ,
die sofortige Demobilisierung und Entwaffnung aller nichtstaatlichen Gruppen sowie
die Etablierung eines politischen Dialogs im Rahmen eines Wahrheits- und Versöhnungsprozesses durch die Schaffung einer Truth and Reconciliation Commission, um internen Kämpfen und Vergeltungsaktionen entgegenzuwirken.
Die Frage nach dem Charakter und der Verfassung des künftigen Staates kann angesichts der ungeklärten Machtverhältnisse jedoch nur langfristig beantwortet werden: Soll Libyen eine Republik werden? Soll es ein parlamentarisches oder präsidiales System geben? Soll es einen Zentralstaat oder eine Föderation zwischen den einzelnen Landesteilen geben?
Die gegenwärtige Pattsituation zwischen den beiden Lagern bewirkt nicht nur eine interne Instabilität, sondern bietet rivalisierenden externen Akteuren Angriffsflächen für Interventionen und Störmanöver. Dabei muss sich die UNO nicht nur der Konkurrenz regionaler Mächte wie Ägypten oder Katar erwehren. Sie muss auch mit den Interessen und Aktivitäten der von der dortigen Instabilität und Migration direkt tangierten EU-Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich auseinandersetzen. Das Ergebnis sind weitgehend unkoordinierte Vermittlungsbemühungen der externen Akteure, die sich mit widerstreitenden Lösungsansätzen zur Stabilisierung des Staates sowie durch die Einbeziehung unterschiedlicher Fraktionen in die Verhandlungen gegenseitig konterkarieren.
Interessen regionaler und internationaler Mächte in der Sahelzone
Die internationalen und regionalen Lösungsansätze für den Sahel werden vor allem durch die rhetorische Rahmung als Kampf gegen "Islamismus und Dschihad" sowie die Verhinderung von "Migration" dominiert. Kurz: Der regionale Konflikt im Sahel wird durch eine "globale Brille" betrachtet. Dementsprechend ist die Interventionspolitik der internationalen Mächte auf die Bereiche Sicherheit und Entwicklung konzentriert. Auch die EU verfolgt im Sahel diese beiden Handlungsstränge. Beide Variablen sind eng miteinander verknüpft. Die Verbesserung der Sicherheit ist notwendig, damit sich der Sahel nicht weiter zu einem Rückzugsgebiet für diverse, für Europa gefährliche nichtstaatliche Akteure entwickelt. Eine weitere Destabilisierung würde zudem die sozioökonomischen Reformprozesse erschweren bzw. verhindern.
Vor allem die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die in West- und Zentralafrika noch immer wirtschaftlich wie personell stark vernetzt ist, engagiert sich für die Verbesserung der Sicherheitslage. In Paris ist man insbesondere wegen der schnell fortschreitenden Radikalisierung der dortigen jungen Bevölkerung hin zu pseudo-religiösen Ideologien und Gruppen besorgt. Deshalb möchte Frankreich seine militärischen wie entwicklungspolitischen Ziele in einem größeren Umfang durch Allianzen mit und innerhalb der EU und mit regionalen Partnern umsetzen. Zu Letzteren gehören u.a. auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, welche dadurch auch starken politischen Einfluss im Sahel gewinnen.
Die Bundesrepublik hat dagegen vor allem das Interesse, die Flüchtlings- und Migrationsströme von Zentral- und Westafrika nach Libyen, Tunesien und weiter in Richtung Europa und Deutschland zu unterbinden. Als wichtigstes Instrument wird dafür eine substanziell ausgeweitete Entwicklungspolitik in der Region angesehen.
Die USA konzentrieren sich mit ihrer militärischen Präsenz und finanziellen Investitionen hauptsächlich auf die Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staats (IS) sowie von Gruppen, die Al-Qaida nahestehen. Washington setzt dabei vor allem auf das Training der nationalen Armeen und militärische Überwachung (z.B. durch Drohnen).