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Meinung: Möglichkeiten und Grenzen der Krisenprävention – das Beispiel Mali | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Meinung: Möglichkeiten und Grenzen der Krisenprävention – das Beispiel Mali

Dr. Winrich Kühne

/ 11 Minuten zu lesen

Die Mali-Krise hätte durch präventive Maßnahmen nicht verhindert werden können. Denn bislang gibt es keine Entwicklungspolitik, die eine Verdopplung der Bevölkerung innerhalb von nur 25 Jahren kompensieren könnte. Und die internationale Gemeinschaft hatte nicht die Mittel, um das Vordringen der lateinamerikanischen Drogenmafia und des islamistischen Terrorismus zu verhindern.

Winrich Kühne (© Winrich Kühne)

Die völlige Unfähigkeit von Regierung, Staat und Militär in Mali, auf das Wiederaufflammen des Tuareg-Konflikts Anfang 2012 wirkungsvoll zu reagieren, hat international überrascht. Das Land, das seit Anfang der 1990er Jahre als einer der Hoffnungsträger einer erfolgreichen Demokratisierung in Afrika galt, brach innerhalb nur weniger Wochen zusammen. Die Armee setzte den von Norden aus schnell vorrückenden Tuareg-Truppen so gut wie keinen Widerstand entgegen. Stattdessen putschten Teile von ihr unter der Führung eines bis dato völlig unbekannten Hauptmanns gegen die politische und militärische Führung des Landes, die sich seit Jahren auf Kosten der Gehälter und Ausrüstung der Armee bereichert und die Einheiten bei den Kämpfen im Norden allein gelassen hatte.

Es war dieser Putsch, der mit einem Schlag den trügerischen Schleier einer vermeintlich erfolgreichen Demokratisierung Malis wegriss und den Blick auf eine erschreckende Wirklichkeit freigab. Die politische Elite, an ihrer Spitze Präsident Amadou Toumani Touré, hatte sich seit Jahren nicht um eine Konsolidierung des Landes, sondern vor allem um ihre persönliche Bereicherung und ihren Machterhalt gekümmert.

Wie immer, wenn die internationale Öffentlichkeit vom Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts überrascht wird, hat es auch in diesem Fall nicht an kurzatmigen Versuchen gefehlt, den plötzlichen Gewaltausbruch zu erklären. Die internationale, insbesondere die westliche Politik habe es wieder einmal – so eine gängige Version – versäumt, dieser Entwicklung durch den Einsatz von mehr Entwicklungshilfe, entschiedeneres Eintreten für Menschenrechte, Demokratie etc. rechtzeitig konfliktpräventiv entgegenzuwirken.

Niemand wird der Weisheit, dass "Vorsorgen besser ist als Nachsorgen", prinzipiell widersprechen. Zugleich liegt aber auch auf der Hand, dass diese Weisheit sich in der harschen Realität internationaler Politik und Konflikte nur ausnahmsweise durchsetzen kann – ganz ähnlich übrigens wie in der Medizin, in der das Konzept seinen Ursprung hat. Insbesondere lassen es die Rufer mit dem erhobenen Präventionsfinger in der Regel an überzeugenden Argumenten missen, wie denn die Prävention im konkreten Falle hätte funktionieren sollen. Wann und wie hätte sie mit Aussicht auf Erfolg einsetzen müssen – Jahre oder Jahrzehnte vorher? Auch im Falle Malis erhob sich der Ruf nach Prävention wie üblich erst, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war – konkret: als der Militärputsch die Illusion von einer Musterdemokratie beiseite fegte.

Mali – hoffnungsvolle Demokratisierungstendenzen Anfang der 1990er Jahre

Natürlich konnte in Mali nie von einer "Modell- oder Musterdemokratie" die Rede sein. Dennoch hatten dort die Demokratisierungsbemühungen Anfang der 1990er Jahre durchaus eine realistische Perspektive. Sie scheiterten vor allem an einem Umstand - so die Analyse dieses Beitrags – nämlich an den fatalen, destabilisierenden Tendenzen, die sich in Westafrika, und speziell Mali, ab Ende der 1990er Jahre durch das Auftauchen der lateinamerikanischen Drogenmafia aufbauten.

Es lohnt sich, einen Blick zurück auf die Ereignisse in Mali Anfang der 1990er Jahre zu werfen, den Zeitpunkt also, als durch Subsahara-Afrika eine mächtige Welle der Demokratisierung lief, ähnlich wie zwei Jahrzehnte später der "Arabische Frühling". Damals formierte sich in Mali der Widerstand von Studenten und gewerkschaftlichen Gruppen gegen das diktatorisch-korrupte Regime von Moussa Traoré. Die Tatsache, dass er selbst 1968 das autoritär-korrupte Regime von Modibo Keita gestürzt hatte, hinderte ihn nicht daran, den Widerstand der Studenten, Gewerkschaft und weiter Teile der malischen Gesellschaften ebenfalls blutig niederzuschlagen.

Durchführen sollte das ein Mann, der zu diesem Zeitpunkt Oberst und Kommandant der Präsidentengarde war, Amadou Toumani Touré. Er jedoch, später in Afrika hochachtungsvoll nur noch ATT genannt, vollzog eine überraschende Wende. Er verweigerte mit seinen Einheiten den Befehl, verhaftete Präsident Traoré und weitere Politiker und übernahm übergangsweise selbst die Macht. Anders als bei der großen Mehrzahl der Militärputsche innerhalb und außerhalb Afrikas üblich, setzten Touré und seine Mitstreiter kurze Zeit nach ihrer Machtübernahme den von den Studenten und Gewerkschaften geforderten Demokratisierungsprozess in Gang. Im Februar 1992 fanden Wahlen für ein neues Parlament und das Präsidentenamt statt. Präsident wurde Alpha Oumar Konaré, ein Oppositioneller des alten Regimes. Touré und seine Offiziere kehrten in die Kasernen zurück.

Die Präsidentschaft von Konaré soll hier nicht im Einzelnen beurteilt werden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Stabilität des Landes und auch der Demokratisierungsprozess Malis in dieser Zeit gefestigt wurden, trotz zahlreicher Probleme. Beweis dafür ist unter anderem die Tatsache, dass Konaré 2002 bereit war, sein Amt nach der zweiten Amtsperiode verfassungsgemäß abzugeben – ganz anders als eine Reihe anderer afrikanischer Präsidenten, die versuchen, genau diese Errungenschaft der Demokratisierung in Afrika mit allen Mittel zu unterlaufen. Nachfolger Konarés wurde Touré. Er hatte 2001 seinen Militärdienst quittiert und gewann die Wahlen 2002 mit deutlicher Mehrheit, ebenso wie die in 2007.

In Afrika, ebenso wie weltweit, knüpften sich an die Präsidentschaft Tourés große Hoffnungen. Unter Afrikanern war er als "Soldier of Democracy" populär und vermittelte in den 1990er Jahren erst für die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und dann die UNO in der von Militärrevolten und Rebellengruppen geschüttelten Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Ab Mitte der 1990er Jahre war Touré, wie der Autor selbst, Mitglied der internationalen Lessons Learned-Beratergruppe der UN. Niemand hatte Zweifel an seiner Integrität.

Die Ausgangssituation Tourés bei seinem Amtsantritt 2002 war alles andere als einfach. Mali gehörte damals schon zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Hinzu kommt die enorme ethnisch-regionale Zerklüftung des Landes, angeheizt durch wiederholt schwere Dürren und zusätzlich kompliziert durch das Spannungsverhältnis zwischen der Lebensweise der sesshaften Bevölkerung, wie den Bambara im Süden und den Songhai, und den nomadischen oder halb-nomadischen Gruppen im Norden, wie insbesondere den Tuareg.

Entscheidend für den unerwarteten Verfall Malis und der Regierung Touré waren die Auswirkungen von zwei Entwicklungen, die das Land mit voller Wucht trafen: die Bevölkerungsexplosion und das Auftauchen der lateinamerikanischen Drogenmafia in Westafrika. Ein Bevölkerungswachstum von jährlich 2,5-3%, wie es Mali in den letzten Jahrzehnten der Falle war, bedeutet de facto, dass die Bevölkerung sich in einem Zeitraum von rund 25 Jahren (1987-2012) verdoppelte. Es liegt auf der Hand, dass es in einem so ressourcenschwachen Land wie Mali fast einem Wunder gleichkäme, wenn eine Wirtschaftspolitik gefunden würde, die diese Bevölkerungsexplosion mit entsprechend hohen wirtschaftlichen Zuwachsraten auffangen kann. Macht man sich vor allem eine Folge dieser Bevölkerungsexplosion klar, nämlich das extreme Anwachsen der Zahl von Jugendlichen, die keine Perspektive auf eine ordentliche Beschäftigung oder eine Familie haben, dann versteht man, warum Westafrika und der Sahel einen so fruchtbaren Boden für das Vordringen der organisierten Kriminalität und des islamistischen Terrorismus bot.

Westafrika und die lateinamerikanische Drogenmafia

Es ist noch nicht lange her, dass die Stimmung in Westafrika im Hinblick auf Demokratisierung im Wesentlichen positiv war. Die Region schien sich nach den schwierigen 1990er Jahren mit den Konflikten in Sierra Leone, Liberia und anderen Ländern in einer zwar langsamen, aber insgesamt positiven Aufwärtsbewegung zu befinden. Neben den erfolgreichen Friedenseinsätzen der UN in Sierra Leone und Liberia war das Erstarken der Economic Community of West African States (ECOWAS) ab Anfang der 1990er Jahre dafür ein maßgeblicher Grund.

Diese Stimmung hat sich im letzten Jahrzehnt jedoch grundlegend gewandelt. Auslöser hierfür war das Auftauchen der lateinamerikanischen Drogenmafia in Westafrika ab Ende der 1990er Jahre. Sie ist dorthin ausgewichen, weil ihr der traditionelle Weg über Mexiko von der erstarkenden mexikanischen Drogenmafia streitig gemacht wurde. Westafrika mit seinen schwachen Staaten und wenig kontrollierten Grenzen, Küstenstreifen und einer Vielzahl von Inseln bot sich als geradezu ideale Ausweichroute an. Außerdem gab es in den meisten westafrikanischen Ländern immer schon beträchtliche Korruption und organisierte Kriminalität auf "niedrigerem" Niveau. Für die lateinamerikanischen Profis war es ein Leichtes, Fuß zu fassen.

Es wird geschätzt, dass heute ca. 10-15% des in Europa konsumierten Kokains über Westafrika nach Europa gelangen. In absoluten Zahlen wurde der Wert des in Europa umgesetzten Kokains 2007 bis 2009 auf fast 50 Tonnen jährlich im Wert von ca. einer Milliarde US-Dollar geschätzt. Danach soll nach Angaben des UN Office on Drugs and Crime (UNODC) der Umsatz auf ca. 15-18 Tonnen zurückgegangen sein. Ob es diesen Rückgang des Drogentransports jedoch tatsächlich gegeben hat, ist unklar. Denn die Schätzungen beruhen auf den beschlagnahmten, nicht auf den tatsächlich gehandelten Mengen.

Es sind vor allem Guinea-Bissau, Mali und Guinea, die als erste genannt werden, wenn es um das Ausmaß der Verquickung des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität mit Politik, Staat und Wirtschaft geht. Mohammed Ibn Chambas, lange Zeit Generalsekretär und Präsident der ECOWAS und intimer Kenner der westafrikanischen Politik, hat in einer Studie einige spektakuläre Fälle aufgezählt: "… die Beschlagnahme eines Jets am Flughafen von Lunghi in Sierra Leone im Juli 2008, der mit 700 Kilogramm Drogen im Verkaufswert von etwa 60 Millionen US-Dollar beladen war, zwei mit Drogen beladene Jets, die am Flughafen von Bissau im September 2008 beschlagnahmt wurden und eines ähnlichen Jets, der in Boké in Guinea-Conakry landete. UNODC meldete den Fall einer Boeing, die 2009 auf einer Piste in der Wüste im Norden Malis landete. Man glaubt, dass die Händler ihre Drogenfracht auf Allradfahrzeuge luden und dann das Flugzeug verbrannten. Und in Guinea gestand der Sohn des verstorbenen Präsidenten Lansana Conté […] seine aktive Beteiligung am Drogenhandel, während im benachbarten Guinea-Bissau Mitarbeiter des Militärs angeblich einen Menschenkorridor bildeten, um das Abladen mit Drogen beladener Jets zu erleichtern."

Westafrikanische Experten, ebenso wie die UNDOC, sind sich einig, dass die Drogenmafia inzwischen in den meisten Staaten der Region tätig ist. Neben Benin, Gambia und anderen kleineren Staaten wird insbesondere auch Nigeria mit den speziellen kriminellen Verbindungen der nigerianischen Drogenmafia nach Brasilien als ein Hauptakteur genannt. Darüber hinaus scheinen selbst so relativ stabile Demokratien, wie Ghana und der Senegal, zunehmend von der organisierten Kriminalität unterwandert zu sein. Und der Äußerung Chambas über die kriminellen Verwicklungen des Sohns von Präsident Conté in Guinea ist hinzuzufügen, dass es Ähnliches in Bezug auf Präsident Touré und seine Familie in Mali zu berichten gibt: Er soll 2009 zu ihren Gunsten die genaue Aufklärung des Falls der ausgebrannten Boeing im Norden Malis verhindert haben.

Dramatischer noch ist das Ausmaß der kriminellen Durchdringung von Guinea-Bissau: So gelang es im April dieses Jahres der US-amerikanischen Drug Enforcement Administration (DEA), den ehemaligen Chef der Marine Guinea-Bissaus, Admiral Bubo Na Tchuto, zusammen mit einer Reihe weiterer Verdächtigen in internationalen Gewässern festzunehmen. Zugleich setzte die Bundesstaatsanwaltschaft in New York den Chef der Armee Guinea-Bissaus, General Antonio Injai, wegen seiner Beteiligung am Drogenhandel auf die Strafverfolgungsliste. Zusammen mit anderen sollen beide Offiziere eine Schlüsselrolle beim Import tausender Kilos von Kokain nach Guinea-Bissau im Austausch für Waffen für die kolumbianische FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) gespielt haben, darunter Boden-Luft-Raketen. Injai war an verschiedenen Militärcoups gegen demokratisch gewählte Regierungen in Guinea-Bissau führend beteiligt, der letzte im April 2012.

Mali – Schaltstelle der organisierten transnationalen Kriminalität und des islamistischen Terrorismus

Die lateinamerikanische Mafia bedient sich beim Drogenhandel nach Europa verschiedener Routen. Mali war dabei bisher eine der wichtigsten Schaltstellen. Ein Grund ist, dass die Tuareg und andere nomadische Gruppen im Norden schon seit vorkolonialen Zeiten viel Erfahrung im Trans-Sahara-Handel haben, mit wechselnden Gütern. Sie kennen also bestens das Gelände sowie die praktischen Anforderungen an einen solchen Handel. Außerdem lässt die Verknappung ihrer Lebensressourcen durch Dürren und entwicklungspolitische Vernachlässigung seitens der Hauptstadt Bamako ihnen häufig gar keine andere Wahl, als nach neuen Einkommensmöglichkeiten zu suchen. Jobs bei der organisierten Kriminalität sind durchaus willkommen, auch wenn die daraus folgende Kriminalisierung der Tuareg-Kultur bei einer Reihe von Tuareg-Gruppen und ihren Führern nicht unbedingt populär ist.

Einen zweiten Grund für das Abgleiten des Nordens in Kriminalität und Terrorismus, und schließlich seinen eigenen Sturz, lieferte Touré selbst. Denn trotz seiner an sich bemerkenswerten demokratischen Vita setzte er die fatale Praxis seiner Vorgänger fort, den Norden und die dortigen Netzwerke durch Manipulation der ethnischen Divergenzen zu kontrollieren, anstatt alles daran zu setzen, ihn in einen funktionierenden Staat zu integrieren. Zwar bemühte er sich nach seinem Amtsantritt 2002 um einen konstruktiven Dialog und Aussöhnung mit den Tuareg. Er ließ es dabei aber an der notwendigen Entschiedenheit fehlen, nicht zuletzt auch was das Vorgehen gegen problematische Praktiken seiner eigenen politischen Umgebung in Bamako betraf – und fiel schließlich in die alten Muster zurück.

Einen fatalen Quantensprung machte diese Politik ungefähr ab 2007, als die islamistische Terrorbewegung AQIM (Al-Qaeda in the Islamic Maghreb) – hervorgegangen aus den vom algerischen Staat erfolgreich bekämpften GSCP (Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat) und GIA (Group Islamique Armé) – sich nach Mali zurückzog. Das Auftauchen ihrer kampferprobten Kader brachte eine neue Qualität in die kriminell-terroristischen Gruppen des Nordens. Zugleich machte die AQIM-Führung etwas sehr Geschicktes: Sie animierte ihre Kämpfer, in lokale Tuareg-Familien einzuheiraten, wohl wissend, dass in der Tuareg-Kultur Eingeheiratete Teil der Familie und des Clans werden und damit alle Privilegien und deren volle Solidarität genießen.

Das Erstarken von AQIM und in ihrem Gefolge von zwei weiteren, sich als islamistisch proklamierenden Bewegungen, Ansar Dine (Unterstützung des Glaubens) und MUJAO (Mouvement pour l’Unicité et le Jihad en Afrique de l’Ouest), hatte schließlich eine dritte, fatale Folge: Geiselnahmen, vor allem von Europäern (darunter auch Deutschen), wurden eine entscheidende Einnahmequelle für die Finanzierung ihres Kampfes. Damit schloss sich der Kreis einer Entwicklung: Geiselnahmen, Drogenhandel und terroristische Aktivitäten fanden sich mehr und mehr in kriminell-terroristischen Netzwerken zusammen – Netzwerke, die von außen sehr schwierig zu bekämpfen sind.

Was schließlich Touré selbst betrifft, hatte seine Politik eine unausweichliche Folge. Er und seine politisch-militärische Entourage wurden zunehmend zu Kollaborateuren dieser kriminellen Netzwerke. Sie profitierten nicht unbeträchtlich. Zugleich setzte Touré den 2006 mit den Tuareg geschlossenen Friedensvertrag nur mehr schlecht als recht um. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass die Tuaregs die nächstbeste Gelegenheit zu einem erneuten Aufstand ergreifen würden. Diese Gelegenheit kam mit dem Sturz Gaddafis und der Rückkehr einer Reihe gut ausgebildeter und ausgerüsteter Tuareg-Einheiten nach Niger und Mali Ende 2011.

Schlussfolgerungen

Kehren wir zur Eingangsfrage dieses Beitrags zurück: Wo und wann wurde im Falle Malis die Chance zu einer erfolgreichen Prävention verpasst? Hätte man durch eine strenge Einführung der Geburtenkontrolle gleich nach der Unabhängigkeit des Landes das dramatische Bevölkerungswachstum und damit die sich ausweitende Jugendarbeitslosigkeit verhindern sollen? Die weitgehende Erfolgslosigkeit derartiger Programme, prominent in der früheren Entwicklungshilfepolitik, ist hinlänglich bekannt. Oder wäre der richtige Zeitpunkt Anfang der 2000er Jahre gewesen, als nichts gegen das Auftauchen der lateinamerikanischen Drogenmafia in Westafrika unternommen wurde?

Tatsächlich wurden diese Entwicklungen und die damit einhergehende Gefahren von den Westafrikanern erst sehr langsam und von den Europäern und den USA bis vor kurzem überhaupt nicht bemerkt. Selbst wenn das anders verlaufen wäre, muss man bezweifeln, dass die Europäer und Amerikaner dazu imstande gewesen wären, der Drogenmafia den Boden für ihr kriminelles Vorgehen zu entziehen. Voraussetzung dafür wäre entweder eine nachhaltige Eindämmung des Drogenkonsums, die Erfolgsaussichten dafür sind gering, oder aber die Legalisierung des Kokains. Genau dieses fordert ein kürzlich erschienener Bericht der 2013 von Kofi Annan gegründeten West African Commission on Drugs (WACD) als letztlich allein erfolgversprechenden Weg, die Kokainmafia zu schwächen. Sie steht mit ihrer Forderung keineswegs allein. Dennoch gibt es zu diesem Thema bis heute in Deutschland keine wirklich zielführende Diskussion. Sie wird vielmehr mit Glaubenssätzen und Ideologien geführt, die mit den Fakten wenig zu tun haben.

Hätte man schließlich eine Entwicklungspolitik konzipieren müssen, die bei der Schaffung von Wirtschaftswachstum (mit gerechter Verteilung) so erfolgreich ist, dass die beschriebenen destabilisierenden Entwicklungen ausgeblieben wären? Leider hat man eine solche Politik auch nach gut fünf Jahrzehnten des entwicklungspolitischen Laborierens und Experimentierens nicht gefunden. Im Gegenteil, die Bilanz ist ernüchternd: Ihr Beitrag zu einem dauerhaften Wirtschaftswachstum ist gering bis nicht existent und in verschiedenen Fällen sogar kontraproduktiv im Hinblick auf ein verantwortungsvolles Verhalten der Eliten gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung.

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ist Gründungsdirektor i. R. des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) und gegenwärtig Steven Muller Professor am Bologna Center, School of Advanced International Studies (SAIS), Johns Hopkins University.