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Der Internationale Strafgerichtshof | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Der Internationale Strafgerichtshof

Ronen Steinke

/ 7 Minuten zu lesen

Im Jahr 2002 hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit begonnen. Warlords, Milizionäre und ein ehemaliger Staatschef sitzen dort inzwischen in Haft, angeklagt wegen schwerster Verbrechen gegen Zivilisten. Zuletzt wurden die Kompetenzen des Gerichtshofs erweitert.

Die Gambierin Fatou Bensouda leistet am 15. Juni 2012 den Amtseid als neue Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. (© picture-alliance/dpa)

Weltjustiz gegen die Mächtigen

Die Geschichte der internationalen Strafjustiz ist auch die Geschichte einer Emanzipation – des Rechts von der Macht. Als der UN-Sicherheitsrat in den 1990er Jahren erstmals Kriegsverbrechertribunale schuf, für Jugoslawien und Ruanda, da achtete das UN-Gremium noch sehr genau darauf, nichts von seiner Macht aus der Hand zu geben. Der Sicherheitsrat schuf die Kriegsverbrechertribunale als vollständig untergeordnete Einrichtungen. Er wählte sowohl Richterinnen und Richter als auch Anklägerinnen und Ankläger aus und behielt so Einfluss bis hin zur Möglichkeit, diese Tribunale jederzeit wieder zu schließen.

Erst 1998 kam die Zeitenwende. Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC), der 1998 auf einer Staatenkonferenz in Rom gegründet wurde, wurde als unabhängige Institution ins Leben gerufen. Er steht außerhalb des UN-Gefüges. Den Staaten steht es frei, ihm beizutreten. Als im Sommer 2002 eine kritische Masse von 60 Ländern erreicht war, die das sogenannte Externer Link: Römische Statut ratifiziert hatten, nahm der Gerichtshof in Den Haag seine Arbeit auf.

Laut Statut wird der Gerichtshof nur tätig bei Völkermord, schweren Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und seit 2018 auch bei Angriffskrieg ("Aggression"). Zudem ist er nur dann zuständig, wenn Staaten diese Delikte auf nationaler Ebene nicht verfolgen können oder wollen. Angeklagt werden können Einzelpersonen, sofern das Land, in dem die Verbrechen begangen wurden, dem Gerichtshof beigetreten ist – oder wenn das Heimatland des Täters das Statut ratifiziert hat.

Zudem kann der UN-Sicherheitsrat dem Gerichtshof per Resolution auftragen, über die souveräne Entscheidung eines Staates hinwegzugehen und auch in Ländern zu ermitteln, die dem Gericht nicht beigetreten sind. Im Falle Sudans und Libyens hat der Sicherheitsrat dies getan. Stoppen kann der Sicherheitsrat die Arbeit des Gerichtshofs hingegen kaum, allenfalls für ein Jahr aussetzen.

Neue Zuständigkeit: Angriffskrieg

Dass der Internationale Strafgerichtshof auch das Verbrechen der "Aggression" verfolgen darf, bedeutet für ihn eine politisch überaus heikle Aufgabe. Die neue Regelung, die die Kompetenzen des Gerichtshofs erweitert, wurde bereits 2010 auf einer Staatenkonferenz in Kampala beschlossen. Sie konnte allerdings erst im Juli 2018 in Kraft treten. Die Richterinnen und Richter haben seitdem die Autorität zu entscheiden, wer in einem militärischen Konflikt der Aggressor ist, und wer das Recht zur Verteidigung auf seiner Seite hat.

Bislang reklamierte allein der UN-Sicherheitsrat das Vorrecht, über die Interner Link: völkerrechtliche Legitimität von Militäreinsätzen zu entscheiden. Seine Mitglieder sind nicht selten selbst Konfliktparteien, ihre Entscheidungen deshalb meist durchsichtig politisch. Die Änderung gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Frage, ob ein Kriegseinsatz gerechtfertigt ist, in Den Haag künftig fairer beurteilt werden wird.

Allerdings: Eine präzise Definition, was ein Angriffskrieg ist, gibt es nicht. Auch im Statut des Strafgerichtshofs ist der Tatbestand auffallend vage gehalten. Heikle Fragen bleiben unbeantwortet: Darf ein Staat zu seiner Verteidigung "präventiv" losschlagen? Gibt es ein Interner Link: Recht zur humanitären Intervention, wie es Regierungen immer wieder in Anspruch nehmen? Solche Probleme sind nirgends fix geregelt. Sprich: Sie werden nun ganz in die Hände der Richterinnen und Richter gelegt.

Wann und ob das Gericht zum Straftatbestand der "Aggression" urteilen muss, ist ungewiss. Bislang haben Externer Link: nur etwas mehr als 30 Staaten, vor allem aus Europa und Lateinamerika, die Erweiterung des Römischen Statuts anerkannt – gerade so viel, dass die Änderung in Kraft treten konnte.

Themengrafik: Aufbau und Arbeitsweise des Internationalen Strafgerichtshofs. Mehr Informationen dazu erhalten Sie Interner Link: hier. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

"Neokolonialismus": Afrika und der Rassismus-Vorwurf

Gegen 39 Personen hat der ICC bis heute Ermittlungen aufgenommen. Minister, Generäle, zwei Staatschefs. Alle kommen aus Afrika. Keine einzige Person aus einem anderen Erdteil ist bislang betroffen.

Schon lange erheben Kritiker wie etwa die Staaten der Afrikanischen Union den Vorwurf, die Haager Juristen konzentrierten ihre Aufmerksamkeit einseitig auf den afrikanischen Kontinent – aus alter postkolonialer Selbstgerechtigkeit gegenüber schwachen Staaten, die nicht auf mächtige Verbündete zählen können, oder ganz schlicht aus Rassismus.

Als der Internationale Strafgerichtshof gegründet wurde, war dies ein Wort, das unter westlichen Diplomaten die Runde machte: ein "afrikanisches Gericht" werde das Weltstrafgericht sein. Es werde sich auf die Gewalt in Zentralafrika konzentrieren. Politiker in den westlichen Hauptstädten hingegen würden es kaum fürchten müssen.

Also, Rassismus? Ganz im Gegenteil, sagt die heutige Chefanklägerin Fatou Bensouda, die zuvor Justizministerin von Gambia war. Sie und ihre Mitarbeiter konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf Afrika, weil dort eben besonders viele Menschenrechtsverletzungen zu beklagen seien. Das Weltstrafgericht hat begrenzte Ressourcen. Es muss Prioritäten setzen. In anderen Konfliktherden wie etwa Syrien fehlt dem Gerichtshof eine Zuständigkeit, aus Afrika hingegen würden Regierungen, die das Statut des ICC unterzeichnet haben, die Weltjustiz auch immer wieder zur Hilfe rufen.

Auch der deutsche Richter am ICC, Bertram Schmitt, rechnet gegen den Rassismusvorwurf an. 23 Prozent der Mitarbeiter am Weltstrafgericht kämen selbst aus afrikanischen Staaten. Sowohl die Chefanklägerin als auch der Gerichtspräsident des ICC seien heute Afrikaner. "Sie werden keine internationale Organisation finden", sagt Schmitt, "in der Menschen vom afrikanischen Kontinent so viel und Menschen aus dem Westen so wenig zu sagen haben." Der Jurist ist seit 2015 in Den Haag. Davor war er lange Richter am Bundesgerichtshof. Schmitt leitet derzeit das Verfahren gegen einen Kommandeur der ugandischen Miliz "Lord's Resistance Army", Dominic Ongwen.

Gelegenheiten, Nicht-Afrikaner anzuklagen, gab und gibt es. Strafanzeigen gegen westliche Soldaten und Politiker gehen in Den Haag laufend ein. Im Irak sollen britische Soldaten Gefangene gefoltert haben. In Gaza sollen israelische Soldaten Zivilisten beschossen haben. In Afghanistan wird US-Soldaten Folter und sexuelle Gewalt vorgeworfen. Die Reaktion ist stets dieselbe: In Den Haag wird eine Externer Link: sogenannte Vorermittlung eingeleitet. Diese ist grundsätzlich offen, untersucht Externer Link: zum Beispiel in Afghanistan neben den Vorwürfen gegen die USA auch solche gegen die Taliban und afghanische Regierungstruppen. Vorermittlungen betreffen inzwischen auch Kolumbien, die Philippinen und die Ost-Ukraine. Noch nie hat die Chefanklägerin sich aber bereit gezeigt, den nächsten Schritt zu gehen und tatsächlich eine Anklage gegen Nicht-Afrikaner zu beantragen.

"Siegerjustiz": Ein neues Dilemma

In dem lichtdurchfluteten Neubau im Strandvorort Scheveningen, der den Internationalen Strafgerichtshof seit 2015 beherbergt, gibt es alles, was zu einem Gericht gehört. Säle, bewaffnete Gerichtsdiener (mit eigens entworfener blauer Uniform), Büros. Nur draußen, an den Tatorten, um die es geht, fehlt etwas Entscheidendes: eine internationale Polizei, die überhaupt Verdächtige nach Den Haag bringen könnte.

Das ist ein heikles Problem. Die Haager Juristen müssen sich darauf verlassen, dass Staaten freundlicherweise von sich aus Verdächtige ausliefern.

Als zum Beispiel der Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, trotz verlorener Wahl 2010 nicht von der Macht ablassen wollte und Unterstützer seiner innenpolitischen Gegner gewaltsam verfolgen ließ, warfen ihn lokale Oppositionskräfte mit Gewalt (und der Unterstützung Frankreichs und der UN) aus dem Präsidentenpalast und lieferten ihn direkt in Den Haag ab. Der Prozess gegen Gbagbo konnte beginnen.

Als die Haager Juristen allerdings laut darüber nachdachten, auch die innenpolitischen Gegner Gbagbos wegen Menschenrechtsverbrechen vor Gericht zu stellen, drohten diese, jegliche Zusammenarbeit mit der Weltjustiz einzustellen. Die Haager Juristen nahmen die Warnung ernst. Denn ohne die Mithilfe der neuen Regierung der Elfenbeinküste hätten sie keinen Zugang mehr zu Beweismitteln – und auch keine Möglichkeit, Zeugen zu kontaktieren. Ein Prozess gegen Gbagbo würde praktisch unmöglich.

So landen die Haager Juristen, deren Unabhängigkeit eine der wichtigsten Errungenschaften des Rom-Statuts war, in der Praxis oft wieder in Abhängigkeiten. Das ist ihr größtes Dilemma. Eigentlich sollte mit der Gründung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs ja gerade die schlechte alte Praxis überwunden werden, in der stets nur Sieger über Besiegte richteten.

Kein Weltgericht für alle

Interner Link: Mehr als 120 Staaten sind dem Internationalen Strafgerichtshof bereits beigetreten. Das ist – aus Haager Sicht – die gute Nachricht. Die größten, bevölkerungsreichsten Staaten der Erde sind aber nicht darunter, so Russland, China, die USA, Indien, und fast alle arabischen Staaten sowie Israel und Iran. Das ist die andere Hälfte der Wahrheit.

Vor allem auf die USA, die mit ihren Soldaten in so vielen Weltregionen operiert wie keine anderer Staat, galt einst als Vorreiter der internationalen Strafjustiz. Erst als es 1998 darum ging, einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof einzurichten, der theoretisch nicht nur Jugoslawen oder Ruander, sondern Angehörige aller Staaten anklagen könnte, änderte sich die Haltung der US-Regierung. Sie wurde erst zurückhaltend, dann offen feindselig. Unter Präsident Barack Obama hatte die USA zwischenzeitlich einen pragmatischen Ansatz erprobt und das Weltstrafgericht in einzelnen Fällen wie etwa Libyen unterstützt. Mit der Politik seines Nachfolgers Donald Trump hat sich die Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs wieder verhärtet.

Auch Russland – wie die USA einst Mitunterzeichner des Römischen Statuts – hat das Gericht bis heute nicht anerkannt. Im Zuge der Vorermittlungen in der Ukraine und Georgien, bei denen das Land zu den Konfliktparteien gehört, hat Russland vielmehr 2016 erneut erklärt, dem Gericht nicht beitreten zu wollen.

Während die mächtigsten Staaten den Gerichtshof nur von außen betrachten, haben einzelne afrikanische Regierungen zwischenzeitlich schon gedroht, sich aus dem Gerichtshof wieder zurückzuziehen, also den völkerrechtlichen Vertrag zu kündigen, auf dem er basiert. Seine Ankündigung wahr machte bislang nur das ostafrikanische Burundi 2017. Südafrika und Gambia nahmen ihre Drohung rasch wieder zurück.

Bedeutend ist indes der Rückzug eines anderen Staates geworden, der Philippinen. Als der dortige Präsident Rodrigo Duterte mit seiner brutalen Anti-Drogenpolitik im Frühjahr 2018 in den Fokus des Gerichtshofs geriet, kündigte er mit großer Geste die Unterstützung seines Landes für die internationale Justiz auf - "mit sofortiger Wirkung". Rechtswirksam wird der Austritt jedoch erst 2019. Die Ermittlungen gegen ihn laufen also weiter.

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Ronen Steinke (Jg. 1983) ist Politikjournalist in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Von dem studierten Juristen sind bislang erschienen: "The Politics of International Criminal Justice: German Perspectives from Nuremberg to The Hague" (Oxford 2012) und "Fritz Bauer - oder Auschwitz vor Gericht" (München 2013).