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Konfliktsensibler Journalismus | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Konfliktsensibler Journalismus

Lutz Schrader

/ 11 Minuten zu lesen

Medien können sowohl zur Zuspitzung als auch zur Deeskalation von Konflikten beitragen. Der Ansatz des konfliktsensiblen Journalismus fordert Medienmacher auf, sich der damit einhergehenden Verantwortung bewusst zu sein. Und er gibt ihnen einen Orientierungsrahmen an die Hand, der eine große Schnittmenge mit den Kriterien des Qualitätsjournalismus aufweist.

Mit Helmen und Schutzwesten ausgerüstete Journalisten stehen auf einer Straße in Gaza-Stadt. (© picture-alliance)

Je nach Berichterstattung können Medien Konflikte eher anheizen oder zu ihrer Deeskalation und konstruktiven Bearbeitung beitragen. Die daraus resultierende Verantwortung jedes Journalisten und jeder einzelnen Journalistin bewusst zu machen, ist das Anliegen des konfliktsensiblen Journalismus. Darüber hinaus geht es darum, Medienmacher/-innen Konzepte, Methoden und Strategien an die Hand zu geben, wie Konflikte und ihre Dynamik analysiert und verstanden werden können und welche Möglichkeiten es gibt, durch eine informierte, differenzierte und sensible Berichterstattung deeskalierend und friedensfördernd auf die Austragung, Bearbeitung und Lösung von Konflikten Einfluss zu nehmen.

Ein Beispiel: der Jemen-Konflikt

Der innerstaatliche Konflikt im ärmsten Land der arabischen Welt ist seit 2012 schrittweise zu einem Krieg mit regionaler Bedeutung eskaliert. Nach dem Sturz der Regierung von Präsident Mansur Hadi im September 2014 durch ein Bündnis verschiedener Oppositionsbewegungen aus dem Norden des Landes unter Führung der Huthi-Rebellen begann im März 2015 eine von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition mit massiven Luftangriffen gegen die Aufständischen. Seitdem haben Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate über 100.000 Angriffe geflogen. Bereits im Juli 2016 dokumentierte Human Rights Watch in einem Bericht "Bombing Businesses: Saudi Coalition Airstrikes on Yemen’s Civilian Economic Structures" siebzehn rechtswidrige Luftangriffe auf dreizehn gewerblich genutzte Anlagen, darunter Fabriken, Warenlager, Agrarbetriebe und Elektrizitäts- und Wasserwerke.

Die Angriffe wurden von Anfang an von den USA, Großbritannien, Israel und Frankreich unterstützt. Im Juni 2015 bestätigte ein Sprecher die massive Beteiligung des US-Militärs: "geheimdienstliche Kooperation und Informationsaustausch, Assistenz bei der Zielauswahl, Beratungsleistungen und logistische Unterstützung, einschließlich der Luftbetankung mit bis zu zwei Flügen von Tankflugzeugflügen täglich." Außerdem sind auch Kampf- und Söldnereinheiten mehrerer arabischer Länder (z.B. Vereinigte Arabische Emirate, Jordanien, Marokko) sowie US-amerikanische und britische Spezialeinheiten am Boden aktiv.

Die Konflikte haben ihre Ursache im Unvermögen der politischen Kräfte des Nordens und des Südens, sich auf eine gemeinsame tragfähiges Zukunftsprojekt für das Land zu einigen. Die heutige Republik Jemen war erst 1990 aus der Vereinigung von Nord- und Südjemen hervorgegangen. Seitdem haben immer wieder Kämpfe zwischen rivalisierenden Fraktionen stattgefunden: 1994, 2004-2010, 2013. Die wichtigsten Gruppen sind: die politisch-militärischen Eliten, die den Staat kontrollieren, die zaiditische Bewegung unter Führung des Huthi-Klans im Norden, die sunnitische "Südliche Bewegung" (al-Hirak al-Dschanubi), die Moslembrüderschaft mit ihrem lokalen Ableger Al-Islah sowie "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAP) im Südosten.

Der Bürgerkrieg, der mit der Revolte der Huthi-Rebellen gegen die ineffektive und korrupte Regierung Hadi begann, droht immer mehr, zu einem Mehrfrontenkrieg zu werden. Seit Januar 2018 hat die "Südliche Bewegung" das Zweckbündnis mit den Truppen Hadis aufgekündigt und betreibt – unterstützt von den VAE – im Rahmen des Südlichen Übergangsrates (STC) aktiv die Abspaltung des Südens. Zum STC gehören u.a. die Gouverneure von fünf südlichen Provinzen. Unter dem Druck ihrer Geldgeber gehen die STC-Milizen inzwischen auch gegen die Al-Islah-Verbände der Moslembrüder vor, die weiterhin zur Anti-Huthi-Koalition gehören.

Nach dem Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi Anfang Oktober 2018 haben sich die Gewichte innerhalb der Koalition verschoben. Risse tun sich auf und Interessenunterschiede werden sichtbarer. Während Saudi-Arabien weiterhin auf die Zurückdrängung der Huthi-Rebellen und die Installierung einer pro-saudischen Regierung für den gesamten Jemen setzt, scheinen die Emirate primär die Schaffung einer eigenen Einflusszone im Südjemen zu betreiben. Damit nehmen sie billigend die erneute Spaltung des Landes in Kauf (Fenton-Harvey 2018). Die VAE, die eine eigenständige regionale Rolle anstreben, wollen sich u.a. die Verfügung über die Häfen von Aden und der Insel Socotra sichern und die Seewege im Süden der Arabischen Halbinsel kontrollieren (Reimann 2018).

Die Rücksichtslosigkeit und Brutalität der Konfliktparteien stürzten den Jemen in die nach Einschätzung der UNO größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart. Nach Schätzungen wurden bisher mehr als 28.000 Menschen getötet. Über 3 Mio. sind auf der Flucht. Ein Großteil der Infrastruktur des Landes ist zerstört. Etwa 22 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von 27 Mio. sind von Hunger und Krankheiten bedroht und auf Nahrungsmittel- und medizinische Hilfe angewiesen. Besonders beunruhigend ist die Cholera-Epidemie mit über 1,2 Mio. Verdachtsfällen und über 1.300 Toten pro Woche.

Berichterstattung über den Jemen-Krieg in den deutschen Medien

Von der komplexen Gemengelage des Konflikts kommt in der großen Mehrheit der deutschen Medien – wenn überhaupt – nur eine bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Darstellung an: Danach stehen sich in einem "Stellvertreterkrieg" die von Saudi-Arabien unterstützte "legitime" Regierung von Präsident Mansur Hadi auf der einen Seite und die vom Iran unterstützten "Huthi-Rebellen" auf der anderen Seite gegenüber. Im Kern gehe es darum, die Schaffung eines iranischen Brückenkopfes im Jemen zu verhindern.

Diese Darstellung ist ebenso falsch wie gefährlich. Sie ist falsch, weil die Ursachen für den Konflikt zuallererst in der jemenitischen Geschichte und im saudisch-jemenitischen Verhältnis zu suchen sind. Seit Jahrhunderten versuchen saudische Stämme und Herrscher, auf die Entwicklung im südlichen Nachbarland Einfluss zu nehmen – auch, indem sie dort ihre dogmatische Version des Islam verbreiten. Im jemenitischen Langzeit-Präsidenten Ali Abdallah Salih (1990-2011) fanden sie dafür einen Verbündeten. Interner Link: Um die widerspenstigen Stämme im Norden einzudämmen, erlaubte Salih die Verbreitung des sunnitischen Wahhabismus im Jemen, dessen Anhänger die Zaiditen als Häretiker betrachten. Nicht zuletzt als Reaktion auf diese feindliche und diskriminierende Politik entstand die Bewegung der Huthis.

Die Darstellung in den deutschen Medien ist gefährlich, weil sie – wie eine sich selbsterfüllende Prophezeiung – genau jene Entwicklung befördert und verstärkt, die Saudi-Arabien und die VAE angeblich zu verhindern suchen: das geostrategische Ausgreifen des Iran auf den Süden der Arabischen Halbinsel. Interner Link: Deutsche Expert/innen haben stets eine systematische politische und militärische Unterstützung der Huthis durch den Iran bezweifelt. Ein Argument bezieht sich auf die Unterschiede zwischen iranischem Schiismus und Zaidismus, der u.a. über eine eigene Tradition und Rechtsschule verfügt. Wie angesichts der massiven saudischen Intervention zu befürchten war, scheinen sich die Huthis inzwischen stärker dem Iran zuzuwenden. In letzter Zeit gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass der Iran Waffen an die Huthis geliefert hat (Chivers/Schmitt 2017).

Muster der medialen Berichterstattung über gewaltsame Konflikte

Die Medien- und Kommunikationsforschung hat verschiedene Theorien entwickelt, die diese Art der Berichterstattung erklären, z.B.:

  • die Indexing-Theorie (Bennett 1990),

  • die Framing-Theorie (Goffman 1974, Entman 1993),

  • die Nachrichtenwert-Theorie (Lippmann 1922/1990; Galtung/Ruge 1965; Schulz 1976).

Die Indexing-Theorie verallgemeinert den empirisch vielfach bestätigten Befund, dass der Grad der Einmütigkeit bzw. Kontroverse zu einem Thema innerhalb der dominierenden politischen Elite auch Ausmaß, Vielfalt und Kritikhaltigkeit der medialen Berichterstattung "indiziert" – also anzeigt und vorgibt. "Demnach setzt eine kritische Berichterstattung über einen Konflikt erst dann ein, wenn sich auch kritische Stimmen in der politischen Elite erheben" (Pohr, 2005: 262; Krüger 2016).

Die Theorie wurde erneut durch die Entwicklungen rund um den Jemen-Krieg bestätigt. Nach dem Mord des saudischen Königshauses an dem kritischen Journalisten Jamal Khashoggi am 2. Oktober 2018 begann der Elitenkonsens innerhalb der großen Koalition, in der NATO und im transatlantischen Verhältnis zu bröckeln. Außenminister Maas, der erst Ende September das seit Monaten kriselnde deutsch-saudische Verhältnis gekittet hatte, schlug nun wieder kritische Töne an. Die Bundesregierung verurteilte den Mord, belegte Verantwortliche und Mitglieder des Kommandos mit einem Einreiseverbot und untersagte bis auf Weiteres Waffenexporte nach Saudi-Arabien.

In der Folge veränderte sich auch die mediale Medienberichterstattung, nicht nur über den vermutlichen Auftraggeber, Kronprinz Mohammed bin Salman, und die politische und Menschenrechtssituation in dem Golfstaat, sondern auch über den Jemen-Krieg und die Politik der Bundesrepublik, die aufgrund ihres langen Schweigens und umfangreicher Rüstungsexporte an Riad eine Mitverantwortung für den Krieg trägt. Selbst die Bild-Zeitung fragte am 18. Oktober 2018: "Nach dem Mord an Journalist Jamal Khashoggi. Dürfen wir den Saudis noch Waffen liefern?"

Der Jemen-Krieg erfuhr durch den Mord an dem saudischen Dissidenten plötzlich eine neue Rahmung. Nun ließ sich das Narrativ von Saudi-Arabiens "wichtiger Rolle für Frieden und Stabilität in der Region und in der Welt" (Heiko Maas) nicht mehr aufrechterhalten. Zu offenkundig waren die Verstöße gegen die Wertordnung der westlichen Demokratien. Hier setzt die Erklärungskraft der Framing-Theorie an, die sich mit der Art und Weise beschäftigt, wie politische Ereignisse und Entwicklungen durch die politischen Eliten und die Medien "gerahmt" werden (englisch: framing = rahmen).

Gemäß der Framing-Theorie gibt keine objektive Nachricht. Eine Nachricht verändert sich in Abhängigkeit davon, von wem, in welchem Kontext, in welcher Art, mit welchen Worten, mit welchen inhaltlichen Bezügen und normativen Bewertungen sie präsentiert wird. Die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky (1981) haben in Laborsituationen gezeigt, dass Personen von ein und derselben Sachnachricht, die unterschiedlich präsentiert wird, auch unterschiedliche, ja z.T. gegensätzliche Handlungskonsequenzen ableiten.

Was in der tagtäglichen Kommunikation mehr oder weniger unbewusst abläuft, wird in der politischen und Medienkommunikation professionell gesteuert. Nach dem US-amerikanische Medienforscher Robert Entman bedeutet Rahmung/Framing, "einige Aspekte einer wahrgenommenen Realität auszuwählen und sie in einem Text so hervorzuheben, dass eine bestimmte Problemdefinition, kausale Interpretation, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung für den beschriebenen Gegenstand befördert wird" (Entman 1993).

Ziel ist, die öffentliche Deutungshoheit über ein Thema zu behalten bzw. zurückzugewinnen und so die politische Agenda bestimmen zu können. Dafür bedienen sich Politik und Medien übergreifend gültiger Deutungsmuster (sog. Schemata). Das können Mythen, verdichtete Wissens- und Erfahrungskomplexe, aber auch tiefverwurzelte Überzeugungen, Vorurteile und Stereotype sein. Lange standen bei der politischen und medialen Rahmung des Jemen-Krieges Interpretationskategorien, wie "legitime Regierung gegen illegitime Rebellen", "Stabilitätsgarant Saudi-Arabien gegen Unruhestifter Iran" oder "Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten", im Vordergrund. Nach der Ermordung Khashoggis dominierte die moralische Entrüstung angesichts der brutalen Machtpolitik des saudischen Kronprinzen, und regte sich Kritik an den deutschen Waffenexporten in die Krisenregion.

Die Vereinfachung und Verzerrung von Nachrichten kommt einem dritten Muster der Medienberichterstattung entgegen. Gemeint ist das Phänomen, dass Nachrichten besonders dann von Medienmachern ausgewählt werden, wenn sie ein großes Interesse beim Publikum versprechen. Dafür sollten sie möglichst aktuell, überraschend, aufregend, klar strukturiert sowie persönlich und geografisch nah erscheinen. Entsprechend wird Nachrichten ein mehr oder weniger hoher Wert zugemessen. Der "Nachrichtenwert" entscheidet darüber, ob ein Ereignis überhaupt als berichtenswert gilt, wie viele Zeilen bzw. Sendezeit ihm eingeräumt und in welcher Weise es präsentiert wird. Warum das so ist, untersucht die Nachrichtenwerttheorie.

Vor diesem Hintergrund wird schnell verständlich, warum Berichte über den Jemen-Krieg in deutschen Medien wenig Chancen haben durchzudringen. Wenn es Nachrichten dennoch in Zeitungen, Fernsehsendungen und auf Websites schaffen, dann werden sie meist entsprechend präsentiert. Sie werden personalisiert, indem z.B. Formulierungen gewählt werden wie “der junge saudische Kronprinz“. Sie bedienen eine Schwarz-Weiß-Logik: die Huthis gegen die Regierung Hadi. Sie liefern beklemmende Bilder von zerstörten Häusern und hungernden Kindern. Und sie arbeiten mit der Angst vor Islamismus und Terrorismus.

Kriterien für einen konfliktsensiblen Journalismus

Nach Rob Wijnberg, einem innovativen Kopf des niederländischen Online-Journalismus, besteht die vornehmste Aufgabe des Journalismus darin, "jedem, der Teil der Öffentlichkeit ist, zu helfen, die Welt gut genug zu verstehen, um sich an der öffentlichen Diskussion darüber beteiligen zu können, was zu tun ist". Wijnberg und seine Mitstreiter/-innen von der Online-Plattform "The Correspondent" setzen sich u.a. dafür ein, "schädliche Vereinfachungen zu bekämpfen und Nachrichten zu vermeiden, die eher schockieren als informieren sollen. Der Anspruch ist, tiefer zu graben und die Fakten gründlicher zu überprüfen." Weitere Arbeitsgrundsätze sind: Unabhängigkeit, Manipulationsverbot, Benennen von Problemen, aber auch von Lösungsmöglichkeiten, Transparenz, Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven sowie Vorrang journalistischer Qualität vor finanziellem Gewinn.

Auffällig ist die große gemeinsame Schnittmenge zwischen zeitgemäßem Qualitätsjournalismus und konfliktsensiblem Journalismus. Egal ob Medien über das Leck in einer Erdölraffinerie in Nordrhein-Westfalen oder über den Krieg im Jemen berichten, die Anforderungen sind weitgehend identisch. Medien haben nicht nur die Verantwortung und die Funktion zu informieren und Öffentlichkeit herzustellen (Was geschieht?), sondern auch Orientierung zu geben (Was ist wichtig?), die Gesellschaft zu integrieren (Was verbindet uns?) sowie Institutionen, Unternehmen und andere machtvolle Akteure zu kontrollieren (Was läuft falsch?) (Lünenborg 2012).

Mit Blick auf die Berichterstattung über eskalierte Konflikte bedeutet dies konkret, gezielt zur Deeskalation, Öffnung und friedlichen Überwindung von Konflikten und Kriegen beizutragen. Deshalb muss ein Journalist bzw. eine Journalistin nicht zum "Friedenskämpfer" werden. Es reicht völlig aus, die Qualitätsstandards des journalistischen Handwerks hochzuhalten.

Dazu gehört u.a.,

  • die eigenen Interessen und Vorurteile zu reflektieren und transparent zu machen,

  • nach Verzerrungen und Leerstellen im Puzzle der Berichterstattung zu suchen,

  • neue Blickwinkel auf einen Konflikt zu eröffnen,

  • die Macht- und Gewinninteressen der Konfliktparteien offenzulegen,

  • Positionen von Minderheiten, Betroffenen und Opfern auf allen Seiten zu Wort kommen zu lassen,

  • die Verheerungen und Kosten der Gewalt für Wirtschaft, Umwelt, Kulturschätze und vor allem für Leben, Gesundheit, Psyche und das Zusammenleben der Menschen publik zu machen.

Weil letztlich eine irgendwie geartete Rahmung der Berichterstattung über Kriege und Konflikte unvermeidlich ist, plädieren die Vertreter eines konfliktsensiblen Journalismus für eine bewusste Entscheidung, die immer noch weit verbreitete "Kriegsrahmung" der Berichterstattung über Konflikte in Richtung einer "Friedensrahmung" zu verändern. Orientierungspunkte dafür gibt Bilke, 2002:

Umfassende und ausgewogene Darstellung des Konflikts

  • Dualität durchbrechen: Es gibt mehr als zwei Parteien!

  • Argumente aller Seiten im Gesamtkontext hinterfragen, einordnen.

  • Alle Seiten mit ihren Argumenten zu Wort kommen lassen.

  • Positionen der Parteien nach ihren Interessen und Bedürfnissen beurteilen.

Streben nach Korrektheit und Wahrhaftigkeit

  • Eigene Befangenheit verstehen und überwinden.

  • Ein breites Spektrum an Quellen und Positionen zur Kenntnis nehmen.

  • Selbst aktiv recherchieren und sich ein unabhängiges Bild erarbeiten.

  • Widersprüche innerhalb der verschiedenen Positionen analysieren.

Fokus auf die beteiligten und betroffenen Menschen

  • Nicht nur offizielle und Elite-Quellen nutzen.

  • Keine einseitige Identifikation zulassen und über die Situation auf allen Seiten berichten.

  • Menschen nicht nur als Opfer, sondern auch als Akteure der Veränderung darstellen.

  • Frieden als gesellschaftliche Aufgabe formulieren und den Beitrag der einzelnen Menschen hervorheben.

Konzentration auf konstruktive Bearbeitungs- und Lösungsansätze

  • Das Problem sind nicht die Parteien, sondern deren Gewalttätigkeit.

  • Nicht nur Gewalt darstellen, sondern vorhandene Ansätze zur Öffnung und Lösung aufzeigen.

  • Über positive Ansätze und Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien berichten.

  • Berichterstattung als konstruktiven Beitrag zum Dialog zwischen den Parteien anlegen.

Weitere Inhalte

Dr. Lutz Schrader (Jg. 1953) ist freiberuflicher Dozent, Berater und Trainer mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung sowie Konfliktberatung. Arbeits- und Forschungsthemen sind die Konflikte im westlichen Balkan, Handlungsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure in bewaffneten Konflikten und Post-Konfliktgesellschaften, Verfahren der Konflikttransformation sowie Friedens- und Konflikttheorien.