Ranajit Guha, intellektueller Begründer der South Asian Subaltern Studies Group, ein Zusammenschluss indischer Historiografen und Historiografinnen, die den Widerstand subalterner Gruppen untersuchen, argumentierte in seiner einflussreichen Arbeit "Dominance without Hegemony: History and Power in Colonial India" aus dem Jahr 1998, dass der koloniale Staat in Südasien sich ursprünglich vom metropolitan-bürgerlichen Staat (der am Aufbau des kolonialen Staates beteiligt war) unterschieden hat.
Dies führte in der Geschichte ironischerweise dazu, dass Großbritannien, als selbsternannte Führungsfigur der westlichen Demokratie, eine gewaltvolle koloniale Herrschaft auf Übersee sowohl institutionalisierte, als auch über die Zeit hinweg aufrechterhielt. Guha folgerte daraus, dass der nicht-hegemoniale koloniale Staat paradox ist: eine Dominanz ohne Hegemonie in dem Sinne, dass die Dominanzstruktur "nicht-hegemonial war, also die Überzeugungskraft durch das Zwangsmoment aufgehoben wurde".
Des Weiteren veranschaulichte Guhas Analyse am Beispiel Indiens, dass die nationalistische Politik einen strukturellen Bruch zwischen einheimischen Eliten und Subalternen
Einer der wichtigsten Beiträge der Subalternen Studien ist demnach die Erweiterung des Politik-Begriffs, indem die Distanz und Verwobenheit zwischen organisierter und unorganisierter Politik erforscht wird. Diesem Ansatz folgend ist das Ziel der folgenden Ausführungen die Analyse der Dynamiken zwischen postkolonialen Staaten, ihren Zivilgesellschaften und Subalternität. Der Fokus liegt hierbei auf der irreduziblen Rolle postkolonialer Nationalstaaten im Prozess der Dekolonisierung.
Staatsbürger und Subjekte
In seiner einflussreichen Arbeit "Citizen and Subject" befasst sich Mahmood Mamdani mit der Struktur von Macht und der Anatomie von Widerstand, welche die Dekolonisierungs- und Demokratisierungsprozesse im postkolonialen Afrika prägte und nach wie vor prägt. Angesichts der geografischen Ungleichheiten und der Schwierigkeiten, diesen riesigen Kontinent zu erschließen, war die koloniale Herrschaft in Afrika von zweigeteilter Natur, nämlich indirekte Herrschaft in den ländlichen Gebieten und direkte Herrschaft in urbanen Gegenden.
Dementsprechend bestand der zweigeteilte koloniale Staat aus zwei Formen von Autoritäten: "die Erste, eine zivile Macht, welche die Sprache des Rechts benutzte, und eine zweite ‚traditionelle Macht‘, welche die Sprache der Tradition sprach".
Diese Herrschaftsmuster prägten auch den antikolonialen Kampf, wobei auch hier zwischen ländlichen und städtischen Widerstandsformen unterschieden werden muss. Demnach nahm der demokratische Kampf gegen die einheimischen Eliten im ländlichen Bereich die Form eines "Bürgerkriegs innerhalb der tribes" an.
Diese Konflikte stellen eine große Herausforderung für die gegenwärtigen Regierungen in Afrika dar. Versuche der Nationenbildung werden durch Diskontinuitäten zwischen "traditionellen" und "zivilen" Räumen behindert. Ausgehend von der Tatsache, dass im kolonialen Afrika die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung durch indigene Oberhäupter und "traditionelles Recht" unter einem Regime indirekter Herrschaft regiert wurde, war die ländliche Bevölkerung nicht darauf vorbereitet, als Staatsbürgerinnen und -bürger in einem modernen, unabhängigen Staat zu partizipieren.
Mamdani postulierte, dass den postkolonialen Regierungen in Afrika zwei Optionen zur Verfügung standen: eine Bewahrung der Dezentralisierung durch die Hierarchie der Stammeshäuptlinge oder, als Alternative, der radikale Versuch einer Entwicklung durch den "zentralisierten Despotismus".
In Abwesenheit weiterführender Strategien für politischen Wandel und soziale Transformation sei die Ermächtigung marginalisierter Gruppen eingeschränkt und nur von kurzer Dauer.
Gleichzeitig kritisierte Mamdani den "Afro-Pessimismus"
Mit der Unabhängigkeit mussten sich politische Regime drei Herausforderungen stellen: erstens der Derassialisierung (die Dekonstruktion und Aufhebung kolonial-rassistischer Zuschreibungen und Machtstrukturen) der Zivilgesellschaft als Schlüssel zur Überwindung der kolonialen Trennung zwischen Staatsbürger und Subjekte; zweitens der Detribalisierung (Prozess des Bedeutungsverlusts traditioneller hierarchischer Strukturen) der einheimischen Machthaber in Richtung Demokratisierung sowie drittens dem Streben nach wirtschaftlichem Wachstum und Entwicklung im Kontext der höchst ungleichen Beziehungen des globalen Kapitalismus. Junge unabhängige Regime waren am erfolgreichsten in der Derassialisierung der Zivilgesellschaft und scheiterten trotzdem daran, das koloniale System der zweigeteilten Macht zu beseitigen. Mamdani bedauerte daher "das Scheitern der Demokratisierung, was dazu führte, dass der Prozess der Derassialisierung nicht fortgesetzt werden konnte und Entwicklung definitiv scheiterte".
"Politik der Regierten"
Die derzeitigen Erfordernisse der Globalisierung haben neue Herausforderungen für die herrschenden Eliten in postkolonialen Gesellschaften geschaffen. In diesem Zusammenhang rückt die Frage nach der "Politik der Regierten" in den Mittelpunkt.
Da nur kleine Gruppen von Eliten in postkolonialen Ländern die Kriterien für Staatsbürgerschaft im Sinne des normativen Zivilgesellschaftskonzepts erfüllen können, konzeptualisierte Chatterjee eine Domäne, die getrennt von und eigenständig gegenüber der Zivilgesellschaft ist. Er schlägt den Begriff einer "politischen Gesellschaft" vor, um die Politik derer, die im postkolonialen Kontext von der Teilnahme an der Zivilgesellschaft ausgeschlossen sind, greifbar zu machen.
Diese politische Gesellschaft ist zusammengesetzt aus weiten Teilen der ländlichen und armen städtischen Bevölkerung, die zwar den formellen Status von Staatsbürgern, aber nicht in gleichem Maße Zugang zu den Staatsorganen haben wie Mitglieder der bürgerlichen Zivilgesellschaft. Chatterjee nennt Beispiele aus dem informellen Wirtschaftssektor, wie Straßenverkäufer oder illegale Landbesetzer, die Straßenraum in Anspruch nehmen, meist kommunale Rechtsvorschriften missachten, kommunale Dienstleistungen wie Wasser und Strom nutzen und keine Steuern zahlen.
Solche Aktivitäten bringen diese Bevölkerungsgruppen in ein gewisses politisches Verhältnis zum Staat. Denn viele dieser Gruppen überschreiten in ihren Bemühungen, zu überleben und zu arbeiten, die strikten Grenzen der Legalität, die staatlichen Behörden können sie weder wie gesetzmäßige Bürgervereinigungen behandeln noch ignorieren.
Der Staat muss die Fiktion aufrechterhalten, dass vor dem Recht alle gleich sind. Dieses "fiktionale" Element muss in konkreten Verwaltungsprozessen berücksichtigt werden. Nach Chatterjee findet eine derartige Verhandlung nicht aufgrund des Wohlwollens des Staates statt; vielmehr zwingen diese Subjekte den Staat, entsprechend zu handeln. Beispielsweise machen marginalisierte Gruppen vielmals instrumentellen Gebrauch von ihrem Wahlrecht, um Vorteile auszuhandeln.
Die politische Gesellschaft demonstriert die Handlungsfähigkeit der Bevölkerung, indem sie den Staat dazu zwingt, sie anzuerkennen. Während der Aufstieg des industriell-unternehmerischen Kapitals in postkolonialen Ländern durch "primitive Akkumulation" ermöglicht wird, zwingt die politische Gesellschaft die staatlichen Behörden, die Effekte der primitiven Akkumulation rückgängig zu machen, indem sie Sozialleistungen einfordert. Sozialstaats- und Entwicklungsfunktionen werden als notwendige Regierungsaufgaben in den Feldern der Gesundheitsversorgung, der Bildung und der Sicherung von Grundbedürfnissen angesehen, geradeso wie die Reaktion von staatlichen Behörden bestenfalls situationsgebunden ist und darauf zielt, Opposition gegen den Staat abzuwenden. Dies wird erreicht, indem Rivalität zwischen Sozialleistungssuchenden geschürt wird. Politische Aktionen zielen darauf, die Aufmerksamkeit von Beamten, Politikern und besonders von Medien auf spezifische Missstände zu lenken und sich um geeignete staatliche Hilfen zu bemühen.
Es ist hier wichtig zu betonen, dass Chatterjee Politik nicht auf eine Spiegelung von Kapitalinteressen reduziert, sondern ein stärker "politisiertes" Verständnis von Formen der Staatsmacht vorschlägt. Während der Staat die nötigen politischen Bedingungen für weiteres schnelles Wachstum von Unternehmenskapital schafft, ist er auch dazu verpflichtet, die Auswirkungen der primitiven Akkumulation von Kapital durch Maßnahmen wie Armutsbekämpfungsprogramme auszugleichen, um das Überleben marginalisierter Gemeinschaften zu sichern. Eine Wahldemokratie macht es für die Regierung untragbar, die ihrer Arbeitsmittel Beraubten ohne Subsistenzmittel hinfristen zu lassen, da dies das Risiko mit sich bringt, dass sie sich zu "gefährlichen Klassen" entwickeln könnten.
Im Rückgriff auf Michel Foucaults Vorstellung von pastoralen Regierungsfunktionen argumentierte Chatterjee, dass das Regierungssystem seine Legitimierung nicht durch die Partizipation von Bürgern in staatlichen Angelegenheiten erhält, sondern durch dessen Anspruch, für das Wohlergehen der Bevölkerung Sorge zu tragen.
Chatterjee postulierte, dass die Geschichte der Gouvernementalität sich im Globalen Süden aufgrund der kolonialen Begegnung anders darstellt. Im Westen vollzog sich die Geschichte der Staatsbürgerschaft über die Institution von bürgerlichen Rechten in der Zivilgesellschaft zu politischen Rechten im voll entwickelten Nationalstaat, in welchem erst später die Gouvernementalitätstechniken entwickelt wurden. Da in den Kolonien jedoch häufig die Gouvernementalitätstechnologien dem Nationalstaat vorangingen, stellte sich diese Reihenfolge hier umgekehrt dar.
Ideen von republikanischer Staatsbürgerschaft, welche die nationale Befreiungspolitik begleiteten, wurden durch den Entwicklungsstaat eingeholt, der Armutsbeseitigung durch die Implementierung geeigneter Strategien für Wirtschaftswachstum und Sozialreform versprach. Postkoloniale Staaten wandten gouvernementale Technologien an, um das Wohlergehen ihrer Bevölkerung zu fördern, oft angespornt und unterstützt durch internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen. Oft wurden Klassifikationskategorien der ehemaligen Kolonialherrn auch in der postkolonialen Periode weiterverwendet. Dadurch prägten sie auch administrative, rechtliche, wirtschaftliche und elektorale Strategien. Die Art und Weise, wie der postkoloniale Staat Angelegenheiten hinsichtlich der politischen Gesellschaft regelt, sei laut Chatterjee widersprüchlich und unentschlossen: Einerseits zeichnete er sich aus durch Zögerlichkeit und Schwäche in der Durchsetzung existierender kodifizierter Normen sowie in der Vollstreckung rechtlicher und exekutiver Beschlüsse, andererseits konnte er auch außergewöhnlich brutal sein.
In ähnlicher Weise diagnostizierte Dipesh Chakrabarty eine Trennung zwischen der Pädagogik und der Performanz der postkolonialen Nation, um die Ambivalenz des Willens des postkolonialen Staates zur Nachahmung des westlichen Modells und der westlichen Modernität zu bezeichnen.
Denn der weitverbreitete Analphabetismus im postkolonialen Indien galt als Hindernis für die Umsetzung des allgemeinen Wahlrechts; dennoch wurde letztlich entschieden, dass Inder – ob lese- und schreibkundig oder nicht – für Selbstregierung geeignet waren. Diese Verteidigung von Volkssouveränität wird konterkariert durch die Entwicklungspraktiken von Regierungsinstitutionen, deren Funktion es ist, die Subalternen zu modernen Bürgern zu erziehen und auszubilden. Während folglich die Nation auf dem historizistischen Narrativ der Entwicklung basiert – beispielsweise die Entwicklung von bäuerlichen Subjekten zu modernen Bürgern durch Institutionen wie formelle Bildung –, wird dieses Narrativ "zeitweilig suspendiert", also jedes Mal dann, wenn ein analphabetischer Bauer wählt.
Die Nation produziert eine politische Darbietung elektoraler Demokratie, welche verschiedene Machtregister offenbart. Am Wahltag wird jeder indische Erwachsene so behandelt, "als ob" er schon ein Bürger wäre, der – ungeachtet formeller Qualifikationen – Entscheidungen treffen kann. Dies signalisiert eine Ambivalenz gegenüber dem subalternen Bauern, der zum Bürger erzogen werden soll, aber trotzdem das Recht zur vollen Partizipation im politischen Leben der Nation hat und so eine Unterbrechung im Narrativ der politischen Modernität in postkolonialen Gesellschaften einleitet.
Der Erfolg von strategischen Manövern der politischen Gesellschaft hängt davon ab, den angemessenen Druck an der richtigen Stelle der Regierungsmaschinerie anzuwenden.
Auf diese Weise richtet die politische Gesellschaft unsere Aufmerksamkeit auf verschiedene, sich in der Entwicklung befindliche Strategien, mittels derer Menschen die Freiräume in einer Demokratie nutzen, um vielfältige Forderungen zu äußern; Freiräume, welche die herrschenden Klassen zu öffnen gezwungen sind, um ihre Machtpositionen zu legitimieren. Die politische Gesellschaft ist daher eine innovative und vielversprechende politische Entwicklung, die sich auszeichnet durch ihr wachsendes Vermögen, mittels desselben Rechts zu sprechen, welches dazu benutzt wird, sie zu enteignen.
Gleichzeitig ist die Handlungsfähigkeit der politischen Gesellschaft eingeschränkt. Erstens sind Verhandlungen und Durchsetzungsmöglichkeiten von Rechten innerhalb der politischen Gesellschaft kontingent sowie ortsspezifisch. Zweitens ist der Einfluss der politischen Gesellschaft mit der inhärent mehrheitlichen Ausrichtung der elektoralen Demokratie verbunden. Wegen dieser Ausrichtung werden gewisse Minderheiten sogar aus der politischen Gesellschaft ausgeschlossen, wodurch noch marginalisiertere Gruppen produziert werden, wie etwa in Indien Angehörige aus niedrig gestellten Kasten oder tribes. Die politische Gesellschaft und die elektorale Demokratie haben diesen Gruppen nicht die Möglichkeit gegeben, effektive Forderungen an den Staat zu stellen, was zu ihrer vollkommenen Marginalisierung führt, da sie noch nicht einmal über die strategischen Druckmittel elektoraler Mobilisierung verfügen. In diesem Sinne repräsentieren diese marginalisierten Gruppen ein Außen jenseits der Grenzen der politischen Gesellschaft.
Postkolonialer Staat als Pharmakon
Oft reduziert auf repressive Apparate – sowohl in liberalen als auch linken Diskursen – wird von einer Marginalisierung des Nationalstaates ausgegangen. Die "neue Weltordnung" der marktwirtschaftlichen Globalisierung hat zu einer systematischen Demontage der Verantwortlichkeit des Nationalstaates geführt, der lediglich eine geschäftsführende Rolle einnimmt. Internationale Unternehmen setzen postkoloniale Staaten unter Druck, günstige Bedingungen für die freie Bewegung des Kapitals zu schaffen. Beugen sich die Staaten diesem Druck nicht, folgen Handelsembargos und internationale Isolation.
Folglich wird die Welt entsprechend der Nachfrage nach berechenbaren, marktfreundlichen Bedingungen geformt, um Unternehmen und Investoren freies Spiel zu lassen. Dies hat die Dominanz multinationaler Unternehmen gestärkt, zur Aushöhlung von Nationalstaaten beigetragen und dazu geführt, dass Unternehmensmanager mitunter über mehr Macht verfügen können als demokratisch gewählte Abgeordnete in nationalen Parlamenten.
Auf der anderen Seite arbeiten Politikerinnen und Politiker – mit der Rechtfertigung, nationale Interessen zu verfolgen – stets an einer Neumodellierung des Staates, um Auslandsinvestitionen anzuziehen.
Mit dem Legitimitätsverlust des Nationalstaats wird die transnationale Zivilgesellschaft als hoffnungsvollster Akteur sozialer Transformation gesehen. Man geht davon aus, dass es unmöglich ist, ein System zu transformieren, das global durch Regulation und Administration des Nationalstaates operiert – wobei Ungleichheiten auf globaler Ebene nicht von der Ebene des Nationalstaates gelöst werden können. Die internationale Zivilgesellschaft entwickelt sich in zunehmendem Maße zu einem dominanten Akteur in Fragen globaler Gerechtigkeit, die sich als eine Form des kollektiven Handels parasitär zum Scheitern von Staaten verhält. In unserem Alltagsverständnis nehmen wir an, dass eine ermächtigte Zivilgesellschaft unwillkürlich zu einer Stärkung von Demokratie beitragen wird.
Gayatri Chakravorty Spivak hinterfragt diese Gleichung, indem sie darlegt, dass die Zivilgesellschaft als eine Erweiterung der hegemonialen Ordnung zu verstehen ist. Sie problematisiert hierbei die Rolle von elitären Akteuren der Zivilgesellschaft, die – ohne von den Menschen, die sie zu vertreten angeben, direkt gewählt worden zu sein – beachtliche politische Macht sowie einen Zugang zur transnationalen Öffentlichkeit erlangt haben. Die Subalterne hingegen – darauf sei an dieser Stelle hingewiesen – hat keinerlei Anteil an den organisierten Kämpfen der neuen sozialen Bewegungen. Mithilfe der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft als der Avantgarde von global governance sei die redistributive Macht des Staates gänzlich untergraben worden.
In Kontexten der "Dritten Welt" mit ihren fragilen Demokratien wird der Staat zum Pharmakon, das laut Jacques Derrida, Gift und Arznei zugleich ist. Spivak bemerkt hierzu: "Es verwandelt sich in Gift, was Medizin hätte sein können."
Aristoteles nahm an, dass nicht alle Personen bereit seien, Teil einer regierenden Klasse zu werden, weil nicht jeder das notwendige praktische Wissen oder die ethische Tugend dafür besitze. Tatsächliche Regierungspraktiken in den meisten postkolonialen Gesellschaften basieren immer noch auf der Annahme, dass nicht jeder und jede regieren könne. Die Fragestellung, die Spivak eröffnet, lautet: Wie kann die Subalterne in die Hegemonie eintreten, sodass sie befähigt ist, zu regieren und nicht nur als angelernte Arbeiterin beschäftigt zu werden (was meist das Ziel von Entwicklungspolitiken ist)? Wie kann die Subalterne von einem "Objekt der Barmherzigkeit" in eine "demokratische Akteurin" verwandelt werden?
Rolle der Staatlichkeit
Es ist eine Herausforderung, demokratische Theorie und Öffentlichkeit mit Blick auf die Frage der Subalternität zu rekonstruieren. In großen Teilen der postkolonialen Welt wird "Klassenapartheid"
Abgesehen von seiner Relevanz für die Mechanismen der Verteilungsgerechtigkeit und seiner Fähigkeit, die Interessen der Staatsbürger zu adressieren, ist es notwendig, grundsätzliche Formen zu untersuchen, um den Staat zu restrukturieren. Hier wird die Notwendigkeit einer Reflektion und Neugestaltung des Verhältnisses zwischen dem Staat, der Zivilgesellschaft und denen, in deren Namen sie handeln, unterstrichen. Statt eines begrenzten Verständnisses vom Staat als repressiven Apparat, welches eine Für- oder Gegen-Position gegenüber dem Nationalstaat verlangt, muss eine andere Vorstellung vom Staat erfolgen, die fähig ist, die Interessen der ausgeschlossenen subalternen Völker zu artikulieren.
Trotz des Legitimitätsverlustes des Staates müssen hegemoniale Kämpfe immer noch innerhalb des Territoriums der Nation gewonnen werden, da kein anderer Akteur zwischen subalternen Gruppen und transnationalen Machtstrukturen vermitteln kann. Die Angriffe auf den Staat sind überwiegend durch die Diktate der neoliberalen politischen Ökonomie geleitet, welche einen Gegensatz zwischen den Problemen staatlicher Planung und den Prinzipien des freien Marktes aufstellt. Was dabei gerne übersehen wird, ist, dass auch der Neoliberalismus den Staat voraussetzt.
Schließlich muss, anstelle für oder gegen den Staat zu diskutieren, der Fokus auf der Frage liegen, wie die Interessen und Anliegen entrechteter Gruppen in hegemonialen Kämpfen artikuliert werden können.
Dieser Artikel erschien erstmalig in Interner Link: "Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 44–45/2012): Kolonialismus".