Das „Verbrenner-Aus“ im Überblick
Ab 2035 dürfen neuzugelassene Fahrzeuge in der Europäischen Union (EU) kein CO2 mehr ausstoßen. Das sogenannte „Verbrenner-Aus 2035“ ist Teil eines EU-Maßnahmepakets (Externer Link: „Fit for 55“), das 2021 beschlossen wurde. Darin sind mehrere Flottenziele festgehalten, also CO2-Limits, die Hersteller für den Auto-Verkauf in der EU einhalten müssen.
Die EU-Vorgabe zielt auf den Übergang von Benzin und Diesel, zu etwa E-Mobilität und Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen (E-Fuels) ab. Letztere können mit Verbrennungsmotoren laufen und wurden durch Nachforderungen Deutschlands – insbesondere durch das FDP-geführte Verkehrsministerium (2021-2024) – in die Richtlinie aufgenommen.
Kritik am „Verbrenner-Aus“ entfacht sich unter anderem an der noch nicht flächendeckenden Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. Außerdem werden E-Fuels als Schlupfloch für Verbrennermotoren bemängelt.
Laut Externer Link: Klimaschutzgesetz soll Deutschland bis 2045 die Treibhausgasneutralität erreichen. Der Verkehr ist noch immer einer der größte Verursacher von Treibhausgasen: 2023 machte der Verkehrssektor rund 22 Prozent der Gesamtemissionen aus. Der Großteil stammt aus der Diesel- und Benzinverbrennung im Straßenverkehr.
Viele Expertinnen und Experten drängen auf einen konsequenteren Klimaschutz im Verkehrssektor. Die sogenannte Verkehrs- bzw. Mobilitätswende zielt darauf ab, den Verkehrssektor nachhaltiger zu gestalten, CO2-Emissionen zu reduzieren und die Luftqualität zu verbessern.
Maßnahmen wie das Deutschlandticket für den Nahverkehr, ein Tempolimit oder das bereits beschlossene „Verbrenner-Aus“ werden fortlaufend in Gesellschaft und Politik kontrovers diskutiert.
Weitere Hintergründe zu den Herausforderungen einer Verkehrswende,
Interner Link: finden Sie hier.
Ich stehe voll hinter den Pariser Klima- und Nachhaltigkeitszielen. Genau deshalb bin ich gegen das sogenannte „Verbrenner-Aus 2035“. Um diesen scheinbaren Widerspruch auflösen zu können, müssen wir eine ganze Reihe von Denkmustern in Frage stellen, die sich in der zunehmend polarisierten Diskussion der letzten Jahre verselbständigt haben. Der Verbrennungsmotor ist zum Symbol für Klimaschädlichkeit hochstilisiert worden. Das ist ideologisch aufgeladen, viel zu kurz gedacht und hält einer sachlichen Auseinandersetzung nicht stand.
Genau genommen gibt es gar kein „Verbrennerverbot“. Vielmehr sieht die Regulatorik vor, dass mit 2035 nur noch emissionsfreie PKW in den Markt gebracht werden dürfen. Das bedeutet technisch, dass nur die lokale Emission am Auspuff des Fahrzeugs gemessen wird. Für die Klimawirksamkeit geht es aber um ganzheitliche CO2-Bilanzen. Insofern ist der Begriff der Emissionsfreiheit irreführend. Weil wir aber nur die lokalen Emissionen bewerten, hat auf den ersten Blick die Elektromobilität einen klaren Vorteil und kann mit dem Attribut „emissionsfrei“ punkten. Daher wird der Anteil von E-Fahrzeugen oft mit dem Erreichen von Klimazielen gleichgesetzt. Wenn diese verfehlt werden, „muss das Hochfahren der Elektromobilität beschleunigt werden“. Diese scheinbar einfache Schlussfolgerung ist aber falsch. Tatsächlich würde ein zu schnelles Hochfahren das CO2-Budget sogar zusätzlich belasten. Grund dafür ist, dass die Emission in die Stromerzeugung und Speicherung verlagert wird. Und da Strom schlecht speicherbar ist, kann das Fahrzeug nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern Batterien und Ladeinfrastruktur müssen mitgedacht werden. Beides hat sich in den letzten Jahren zwar rasant entwickelt – damit ist die Elektromobilität marktfähig geworden – die damit verbundenen Herausforderungen bleiben aber bestehen.
Es geht nicht um Motoren, sondern um das Energiesystem
Wie sieht die Situation nun für den Verbrennungsmotor aus? Dieser wurde entwickelt, damit Energieträger mit hoher Energiedichte – Kraftstoffe – direkt in einer kompakten Maschine gewandelt werden und damit Fahrzeuge und mobile Maschinen antreiben können. Aufgrund der guten Speicher- und Transportfähigkeit von Kraftstoffen gilt dies überall, jederzeit und für eine Vielzahl von Anwendungen. Mit dieser zentralen Eigenschaft ist der Verbrennungsmotor langfristig konkurrenzlos. Das Problem ist nicht der Motor, sondern die heute überwiegend aus fossilen Quellen stammenden Kraftstoffe.
Die heute gültige Regulatorik bildet das politische Ziel ab, den Mobilitäts- und Transportsektor zwangsweise in das elektrische Energiesystem zu schieben. Das ist mit dem Attribut „emissionsfrei“ einfach zu kommunizieren. Betrieben mit grünem Strom ist ein praktisch CO2-freier Fahrbetrieb darstellbar. Was aber, wenn dieser nicht zur Verfügung steht? Der Strommix in Deutschland ist alles andere als CO2-frei. Zudem ist die CO2-Emission aus der Produktion von Batterien von E-Autos erheblich und wird als „Rucksack“ mitgeschleppt. Im statistischen Mittel muss ein E-Fahrzeug ca. 60.000 bis 80.000 km betrieben werden, um Parität hinsichtlich der Klimawirksamkeit mit Fahrzeugen herzustellen, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. Die Statistik ist aber nicht das, was Bürger bzw. Betreiber von Fahrzeugen bewegt und damit den Markt bestimmt. Die aktuelle Marktentwicklung zeigt, dass die Skepsis gegenüber der E-Mobilität steigt. Herbeigeredete oder zwangsweise verordnete Technologien waren noch nie erfolgreich. Prämien können Startanreize bieten, führen aber längerfristig immer zu einer Verzerrung des Marktes. Folgerichtig würden wir gut daran tun, Randbedingungen zu schaffen, die einen marktgerechten Hochlauf der Elektromobilität mit einem realistischen Marktanteil anstreben. Genau das verhindert aber das 100%-Elektroziel, das mit dem „Verbrenner-Aus“ regulatorisch abgebildet ist.
Regenerative Kraftstoffe und E-Mobilität müssen sich ergänzen
Der Schlüssel, um die Klimaziele zu erreichen, liegt im ambitionierten Hochfahren regenerativer Kraftstoffe: Solchen, die einen geschlossenen CO2-Kreislauf ermöglichen und daher auch als klimaneutrale Kraftstoffe bezeichnet werden. Ein seit Kurzem auch in Deutschland verfügbares Beispiel ist HVO (Hydrotreated Vegetable Oil). Das ist ein aus Reststoffen erzeugter Kraftstoff, der mit Dieselmotoren kompatibel ist. Aktuell ermöglicht dieser ca. 93 Prozent CO2-Minderung. Daher sind mit HVO betriebene Fahrzeuge in der Klimawirksamkeit klar besser als Elektrofahrzeuge, deren CO2-Fußabdruck von Strommix und Nachteilen in der Produktion bestimmt wird.
An dieser Stelle kommt in der öffentlichen Diskussion typischerweise der Einwand der geringeren Effizienz. Doch der große Vorteil von regenerativen Kraftstoffen liegt darin, sie überall dort produzieren zu können, wo hoher Ertrag vorliegt und nachhaltige Energien für die Produktion eingesetzt werden können. Jeder Liter klimaneutral hergestellter Kraftstoff ist damit ein zusätzlicher Beitrag zum angestrebten regenerativen Energiesystem!
Solange die Klimawirksamkeit regenerativer Kraftstoffe aber nicht berücksichtigt wird, fehlt die politische Grundlage für die notwendigen massiven Investitionen in die Kraftstoffherstellung. Damit ist das „Verbrenner-Aus“ mitverantwortlich dafür, dass wir einen ganz wesentlichen Technologiepfad zur CO2-Minderung nicht wirkungsvoll nutzen. Offensichtlich schwingt hier die Sorge mit, dass eine Alternative zur Elektromobilität deren Hochlauf bremsen oder sogar stoppen könnte. Das ist aber zu kurz gedacht, da sie letztlich nur erfolgreich sein kann, wenn sie marktgerecht und im Wettbewerb hochgefahren wird. Das Ausgrenzen von Alternativtechnologien durch Verbote mag kurzfristig Vorteile versprechen, führt aber nicht zu einer stabilen Entwicklung.
Weniger Regulatorik, mehr marktgerechte Technologie
Für die europäische Automobilindustrie stellt sich die Situation aus Sicht der Antriebstechnologie als extrem herausfordernd dar. Getrieben von politischem Druck, Regulatorik und der Finanzmarktdynamik der letzten Jahre, wurde sehr stark oder voll auf Elektromobilität gesetzt. Zu spät? Zu früh? Zu radikal? Jedenfalls nicht marktgerecht, der Kunde geht den Weg nicht mit. Das hat schon jetzt viele Arbeitsplätze gekostet. Das „Verbrennerverbot“ hat zusätzlich dazu geführt, dass eine weltweit anerkannte, führende Position Deutschlands in diesem Technologiefeld weitgehend verloren gegangen ist. Mit hohem Druck wird beispielsweise heute im Asien an Hocheffizienzmotoren und neuen Hybridkonzepten gearbeitet, die aktuell Im chinesischen Markt deutlich höhere Wachstumsraten aufweisen, als reine Elektrofahrzeuge.
Leidtragende sind die Bürger. Selbstbestimmte und eigenverantwortete Mobilität – ein wesentlicher Faktor unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prosperität und Resilienz – wird immer teurer und hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung besteht große Unsicherheit. Das soziale Ungleichgewicht steigt. Es ist daher auch aus Sicht der gesellschaftlichen Entwicklung essentiell, den Herstellern die Möglichkeit zu geben, ihr Portfolio marktgerecht und wirtschaftlich zu entwickeln.
Wir brauchen daher einen neuen Denkansatz: Es sollte so schnell wie möglich nach maximaler Klimawirksamkeit unter wirtschaftlichen Randbedingungen bewertet werden. Die Anwendung eines „Carbon Correction Factors“, der die CO2-reduzierende Wirkung regenerativ erzeugter Kraftstoffe berücksichtigt, könnte dafür ein Weg sein. Wir haben in den letzten Jahren viel gelernt. Das „Verbrennerverbot“ führt uns in die falsche Richtung. Es schadet dem Klima, der Gesellschaft und letztlich auch der Elektromobilität.