Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Ein sinnvoller Schritt | „Heizungsgesetz“: Sinnvoller Klimabeitrag oder eine Zumutung ? | bpb.de

Debatte „Heizungsgesetz“

Standpunkt von Jan Rosenow

Ein sinnvoller Schritt

Jan Rosenow

/ 4 Minuten zu lesen

Der Gebäudesektor hat kaum Fortschritte bei der CO2-Reduktion gemacht. Ohne das GEG würden jährlich hunderttausende neuer Öl- und Gasheizungen installiert werden, sagt Energie-Experte Jan Rosenow.

Seit dem 1. Januar 2024 dürfen in Neubauten in Neubaugebieten nur noch Heizungen installiert werden, die auf 65 Prozent Erneuerbarer Energie basieren. Eine Möglichkeit sind Wärmepumpen. (© picture-alliance, Goldmann)

Das „Heizungsgesetz“ im Überblick

  • 2020: Das ursprüngliche Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist bereits am 1. November 2020 in Kraft getreten. Es wurde von der Großen Koalition auf den Weg gebracht. Das GEG hat in seiner damaligen Fassung bestehende Regelung zusammengeführt: das Energieeinsparungsgesetz, das Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Zudem wurden mit dem Gesetz die europäischen Vorgaben zur Gesamtenergieeffizienz umgesetzt.

  • 2021: Externer Link: Im Koalitionsvertrag hält die Ampel-Regierung ihr Vorhaben fest, das GEG zu reformieren. Dort heißt es u.a., dass bis zum 1. Januar 2025 „jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden [soll]“.

  • 2022: Interner Link: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Debatten um Deutschlands Energieversorgung beschleunigt. Vor dem Hintergrund sollte die geplante Gesetzesänderung auf Januar 2024 vorgezogen werden.

  • 2023: Im Frühjahr 2023 wurde ein entsprechender Gesetzentwurf zur GEG-Novellierung in den Medien veröffentlicht. Dabei handelte es sich um einen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unter Minister Robert Habeck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sowohl innerhalb der Ampel-Koalition, von der Opposition als auch in der Gesellschaft wurde der Entwurf kontrovers diskutiert. Die Kritik entfachte sich vor allem an der finanziellen Belastung, die auf private Haushalte zukommen würden, aber auch an dem kurzfristigen Zeitrahmen, in dem die Maßnahmen umgesetzt werden sollten. Nach langen Diskussionen und Änderungen des Entwurfs, einigte sich die Ampel-Koalition im Sommer 2023 auf eine finale Fassung.

  • 8. September 2023: Externer Link: Der Bundestag verabschiedet das „Heizungsgesetz“. In Neubauten innerhalb von Neubaugebieten müssen ab 2024 Heizungen mindestens mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Für u.a. Bestandsbauten gilt die Vorgabe je nach Gemeindegröße ab Mitte 2026 bzw. 2028. Die Fristen sind an die kommunale Wärmeplanung gekoppelt, die bis dahin verbindlich erstellt werden müssen. Das bedeutet, dass diese Eigentümer/-innen erst aktiv werden müssen, wenn ihre Kommune die Wärmeplanung vorgelegt hat. Denn ansonsten hätten sie nicht ausreichend Informationen, um die für sie günstigste Heizung zu wählen. Zudem wurden Förderungen für den Heizungstausch beschlossen.

  • 1. Januar 2024: Die Novellierung des GEG tritt in Kraft.

  • Das Ziel des GEG ist es, die nationalen Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erreichen. Es gilt als zentraler Baustein der Wärmewende. Die Wärmewende ist, neben der Verkehrs- und der Stromwende, ein Teil der Interner Link: Energiewende. Sie bezeichnet die Umstellung des aktuell von fossilen Energieträgern dominierten Wärmesektors auf eine klimaneutrale Wärmeerzeugung. Hierzu sollen Maßnahmen wie mehr Effizienz und Einsparungen sowie die Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung beitragen.

  • Mehr Informationen über Interner Link: Klimaschutz im Gebäudesektor gibt es hier.

Das Ziel des Externer Link: Gebäudeenergiegesetzes (GEG), fossile Heizungen schrittweise durch klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen und Fernwärme zu ersetzen, ist aus klimapolitischer Perspektive absolut richtig und notwendig. Der Gebäudesektor hat in den letzten Jahren kaum Fortschritte bei der Emissionsreduktion gemacht, und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen macht Deutschland verwundbar – sowohl ökologisch als auch geopolitisch. Eine Transformation dieses Sektors ist daher unvermeidlich. Ohne das GEG würden auch weiterhin jedes Jahr hunderttausende neuer Öl- und Gasheizungen installiert werden. Diese müssten nach aktueller Gesetzgebung spätestens im Jahr 2045 mit klimaneutralen Heizungen ersetzt werden, da sich Deutschland für dieses Jahr das Ziel gesetzt hat, klimaneutral zu werden. Um wirtschaftliche Verluste zu minimieren, liegt es nahe, den Einbau fossiler Heizsysteme bereits rund 20 Jahre zuvor zu regulieren, da dies in etwa der Lebensdauer gängiger Heizungsanlagen entspricht.

Das sogenannte Heizungsgesetz jetzt wieder zurückzunehmen, wäre ein fataler Fehler. Was die Kommunen, die Industrie und die Bürgerinnen und Bürger jetzt brauchen, ist Stabilität und nicht eine erneute kontroverse Debatte zum Thema Heizen. Wir sehen in anderen Ländern, dass die Wärmewende nur dann gelingen kann, wenn die Rahmenbedingungen stabil sind. Sonst bleiben die Investitionen aus. Eine weitere Verzögerung der Wärmewende und Verunsicherung der Branche können wir uns einfach nicht leisten. Andere Länder wie zum Beispiel Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen und Frankreich sind ja bei der Wärmewende schon viel weiter als Deutschland. Der Schlüssel zum Erfolg ist die intelligente Kombination von preislichen Anreizen, Förderungen, die über die Zeit reduziert werden können, und regulatorischen Mindeststandards. Polemische Debatten zum Thema Heizen finden sich in diesen Ländern nicht.

Berichterstattung und Kommunikation: Ein Desaster?

Die Diskussion um das GEG wurde durch mediale Berichterstattung und politische Kommunikation leider maßgeblich verschärft. Statt sachlicher Information dominierten Panikmache und Missverständnisse. Begriffe wie „Heizungszwang“ oder „Verbot von Gasheizungen“ sorgten für Angst in der Bevölkerung, obwohl das Gesetz flexible Übergangsfristen und Fördermöglichkeiten bietet. Diese Debatte wurde insbesondere von der BILD-Zeitung unter dem Label „Heizhammer“ angestoßen, von anderen Zeitungen aufgegriffen und von opportunistischen Politiker*innen vorangetrieben.

Die Bundesregierung hätte hier eine deutlich einheitlichere und proaktivere Kommunikationsstrategie entwickeln müssen. Transparenz und eine klare Vermittlung der langfristigen Vorteile – etwa niedrigere Heizkosten, weniger Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und mehr Klimaschutz – hätten viele Missverständnisse ausräumen können. Stattdessen wurde das Gesetz zum Symbol für Überforderung und Zwang.

Ein schrittweiser Ansatz mit längeren Übergangsfristen und gezielten Pilotprojekten hätte möglicherweise mehr Akzeptanz geschaffen und die Umsetzbarkeit verbessert. Gleichzeitig darf die Dringlichkeit der Klimakrise nicht unterschätzt werden – ein zu langsames Vorgehen gefährdet die Klimaziele für 2030 und 2045.

Die soziale Dimension

Die Umsetzung der GEG-Ziele ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Besonders einkommensschwache Haushalte mit Eigentum sind in der Regel nicht in der Lage, hohe Investitionen in neue Heizungstechnologie zu tätigen. Dies wurde auch stark in der kontroversen Debatte um das GEG thematisiert.

Daher zeigen internationale Erfahrungen, dass regulatorische Maßnahmen immer auch von Fördermaßnahmen unterstützt werden müssen. Als das GEG in den Medien zuerst diskutiert wurde, hatte die Bundesregierung das Paket an Fördermaßnahmen noch nicht fertig geschnürt. Mittlerweile wurden die Förderprogramme hochgefahren und einkommensschwache Haushalte können nun bis zu 70 Prozent der benötigten Investitionskosten erhalten. Es wäre sicherlich sinnvoll gewesen, das GEG zeitgleich mit dem umfangreichen Förderprogramm vorzustellen.

Verantwortung beim Einzelnen?

Am GEG wird oft kritisiert, dass es die Verantwortung für den Klimaschutz auf Einzelpersonen – insbesondere Hauseigentümer*innen – abwälzt, anstatt strukturelle Lösungen voranzutreiben. Das ist aber zu kurz gedacht. Das GEG ist eng verknüpft mit der kommunalen Wärmeplanung, welche Bezirkskonzepte für die Dekarbonisierung der Wärme erstellt. Diese Wärmepläne sehen vielfach den Ausbau von kommunalen Wärmenetzen oder die Installierung von Wärmepumpen vor. Da Fernwärme aber nicht überall zur Verfügung stehen wird, können Kommunen außerdem Haushalte beim Wechsel zu Wärmepumpen unterstützen. In Städten wie Hamburg beispielsweise nehmen Kommunen diese Rolle bereits wahr.

QuellentextFernwärme und Nahwärme

Fernwärme: Unter Fernwärme versteht man eine leitungsgebundene Wärmeversorgung aus einer zentralen Wärmequelle über Verteilnetze. Fernwärme ist daher Wärmeenergie, die nicht am Ort der Erzeugung verbraucht wird, sondern wo Erzeugung und Nutzung der Wärme über einige bis einige zehn Kilometer voneinander getrennt sind. Fernwärmenetze sind üblicherweise Rohrleitungssysteme. Die Erzeugung erfolgt häufig in Heizkraftwerken oder größeren Heizwerken aber auch industrielle Abwärme kann als Fernwärme weiterverwendet werden. [...]

Nahwärme: In Abgrenzung zur Fernwärme bezeichnet Nahwärme eine leitungsgebundene Wärmeversorgung auf eher kleinräumiger Ebene mit geringerer Transportentfernung (als Orientierungsmarke kann hier die Entfernung von etwa einem Kilometer dienen). Nahwärmeverteilnetze werden häufig von Blockheizkraftwerken (mit kleinerer Leistung als Heizkraftwerke auf Gas- oder Dampfturbinenbasis – die Grenze dürfte hier bei einigen MW liegen) betrieben, kommen aber auch auf der Basis von Solarenergie (solare Nahwärmenetze) oder Biomasse respektive Erdwärme (geothermische Anlagen) zur Anwendung. Über Nahwärmeverteilnetze werden meistens Wohnsiedlungen oder Mischgebiete (z.B. unter Einschluss großer Wärmeverbraucher wie Schwimmbäder, Krankenhäuser) mit Wärme versorgt. [...]


Quelle: Umweltbundesamt (2007). Externer Link: „Potenziale von Nah– und Fernwärmenetzen für den Klimaschutz bis zum Jahr 2020“, S. 62.

Politische Stabilität: Ein Gesetz auf der Kippe

Das Gesetz ist Teil des Wahlkampfs der vorgezogenen Bundestagswahl geworden und wird von Teilen der Opposition als Symbol für überzogenen Klimaschutz kritisiert. Eine Rücknahme des Gesetzes oder eine Abschwächung der Vorgaben würde jedoch nicht nur die Klimaziele gefährden, sondern auch die Planungssicherheit für Hauseigentümer*innen und die Industrie untergraben. Und die Klimaziele würden mit der Abschaffung des GEG in weite Ferne rücken. Alternative politische Instrumente müssten mühsam erarbeitet werden und in der Zwischenzeit verlieren wir wertvolle Zeit.

Es ist daher entscheidend, dass die aktuelle und zukünftige Regierung die Umsetzung des Gesetzes aktiv begleitet und dessen Vorteile deutlich macht. Eine langfristige Strategie und ein breiter gesellschaftlicher Konsens sind notwendig, um die Stabilität des Gesetzes zu sichern. Dafür sind eine Versachlichung der Debatte, eine umfassende Diskussion mit allen Stakeholder-Gruppen und eine klare Kommunikation, wie das Ganze umgesetzt werden kann, unverzichtbar.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Im Klimaschutzgesetz ist festgehalten, dass Deutschland bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent zu reduzieren hat. Bis 2045 soll Deutschland keine Treibhausgase mehr verursachen, also die Klimaneutralität erreichen.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Jan Rosenow für bpb.de

Sie dürfen den Text unter Nennung der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 und des/der Autors/-in teilen.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken / Videos finden sich direkt bei den Abbildungen.
Sie wollen einen Inhalt von bpb.de nutzen?

Weitere Meinungen zur Debatte

Standpunkt von Michael Voigtländer

Anreize statt Verbote

verfasst von Jan Rosenow

Das GEG geht mit teuren, schwer zu stemmenden Sanierungskosten einher. Das erklärt auch den Widerstand gegen das Gesetz. Die Politik solle lieber auf Anreize setzen, sagt Ökonom Michael Voigtländer.

Gesamten Artikel lesen

Weitere Inhalte

Klimawandel

Energiesektor als Schlüssel zur Klimaneutralität

Spätestens seit dem Atomunfall von Tschernobyl Ende der Achtzigerjahre wird darüber gestritten, wie Energie erzeugt werden soll. Lange Zeit galt Deutschland beim Ausbau der erneuerbaren Energien…

Klimawandel

Klimapolitik in Deutschland

Welche Akteure tragen in Deutschland zur Ausgestaltung und Umsetzung von Klimapolitik bei? Im Folgenden wird dargelegt, wie diese Querschnittsaufgabe im politischen System und den verschiedenen…

Dr. Jan Rosenow ist Vice President beim Regulatory Assistance Project (RAP) und forscht an mehreren Universitäten, darunter Oxford und Cambridge. Er berät zu Energieeffizienz, Wärmewende und Klimapolitik und ist in internationalen Gremien aktiv, um Regierungen und Organisationen bei der Energiewende zu unterstützen.