Unter Klimahandeln ist eine breite Reihe von Maßnahmen und (Alltags-)Aktivitäten zu verstehen, die darauf abzielen das Ausmaß des menschengemachten Klimawandels zu verringern. Klimahandeln ist das Ergebnis menschlicher Entscheidungen, die bewusst oder unbewusst Klimaschutz als Wahlkriterium in Erwägung ziehen bzw. den Klimawandel beeinflussen. Diese reichen von Einkaufsentscheidungen einzelner Bürger/-innen, über Produktionskriterien von Unternehmen, bis hin zu politischen Beschlüssen.
Das Wissen über die Klimakrise ist in der Gesellschaft weit verbreitet. Mit mehr Hitzewellen und anderen Extremwettereignissen als je zuvor, sind einige der Daten und Fakten längst zur alltäglichen Realität geworden. Zum Beispiel zeigt eine repräsentative Bevölkerungsumfrage von 2022, dass sich 73 % der Befragten gut oder sehr gut über den Klimawandel informiert fühlen. Die Befragung zeigt aber auch, dass nur 52 % aus Klimagründen teilweise oder ganz auf das Fliegen verzichten, 46 % Ökostrom zu Hause nutzen, 25 % Geld an Umweltschutzorganisationen spenden und 17 % sich aktiv für den Klimaschutz engagieren. Doch woher kommt die Kluft zwischen Klimawissen und Klimahandeln?
Drei Formen der Entscheidungsfindung
Entscheidungen werden durch vielfältige mentale Prozesse getroffen, einerseits rational und abwägend („mit dem Kopf”), zum anderen instinktiv und durch Gefühle geleitet („mit dem Bauch”) oder indem Regeln befolgt werden („nach Vorschrift“). Letztere hängen mit der sozialen Identität und gesellschaftlichen Normen zusammen.
Bei der Entscheidungsfindung werden ständig (unbewusst) die potenziellen Vor- und Nachteile jeder Entscheidung abgewogen. Diese unterschiedlichen mentalen Prozesse („Kopf“/ „Bauch“/ „Vorschrift“) finden parallel statt und führen oft zu ähnlichen Entscheidungen. Es kann jedoch auch ein Zwiespalt oder eine Dissonanz verspürt werden. In diesen Fällen wird (unbewusst) beschlossen, welcher dieser Prozesse gewinnt.
Bei den meisten Alltagsentscheidungen, die sich direkt oder indirekt auf den Klimawandel auswirken, führen rationale Entscheidungsprozesse häufig zur Wahl der kostengünstigeren oder bekannten Option – auch wenn sie auf lange Sicht klimaschädlicher ist. Wenn sich Entscheidungsprozesse stattdessen auf Emotionen und soziale Normen beziehen, führen sie hingegen zu nachhaltigerem Verhalten und effektiverem Klimahandeln.
Beispielsweise zeigt eine Studie, dass bei der Wahl zwischen klimafreundlichem Ökostrom und günstigerem Braunstrom in Schweizer und US-Amerikanischen Haushalten, zu verschiedenen Graden rechnungs-, gefühls-, und regelgeleitete Prozesse einsetzen. Je stolzer die Bürger/-innen etwa auf den eigenen Beitrag zum Gemeinwohl waren, desto öfter entschieden sie sich für Ökostrom. Ebenso erhöhte die Sorge um das Wohl der Gemeinde und der (Enkel-)Kinder die Wahrscheinlichkeit sich für die nachhaltigere Energiequelle zu entscheiden. Die Studie zeigt auch, dass Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Einkommen, politische Einstellungen und Bildung die Entscheidung nicht wesentlich beeinflussten.
Psychologische Erklärungen
1. Pluralistische Ignoranz
Laut einer Studie des Institute on Behaviour & Inequality (briq) unterschätzen viele Menschen, denen Klimaschutz wichtig ist, wie sehr ihre Ansichten in der Gesellschaft geteilt werden. Somit unterschätzen sie auch, wie viele andere Menschen bereit sind klimafreundlich zu handeln. Diese Fehleinschätzung ist ein psychologisches Phänomen, das als pluralistische Ignoranz bekannt ist.
Dieses Phänomen ist besonders problematisch, da es zu einem Teufelskreis des Schweigens führen kann. Wer glaubt mit seinem Engagement und seinen Überzeugungen allein dazustehen, traut sich weniger darüber zu sprechen und verliert oft die Motivation zum Handeln. Das zeigt sich beispielsweise auch an der Spendenbereitschaft: Je niedriger die Bereitschaft der Mitbürger/-innen zur Spende eingeschätzt wird, desto niedriger fällt auch die eigene Spende an Klimaschutzorganisationen aus.
2. Bedingte Kooperation
Menschen machen häufig ihr eigenes Verhalten von dem anderer abhängig. Das wird als „bedingte Kooperation“ (conditional cooperation) bezeichnet. Dies zeigt sich etwa bei Handlungen die das Gemeinwohl stärken, aber den Einzelnen etwas kosten. Kaum jemand möchte der Einzige sein, der in diese investiert, aber dann nicht von den Beiträgen anderer profitieren kann. Pluralistische Ignoranz, d.h. die fälschliche Annahme, dass andere nicht bereit seien zum Klimaschutz beizutragen, zeigt dann negative Konsequenzen. Neben solchen rationalen Gründen kann bedingte Kooperation auch dazu führen, dass das Verhalten anderer kopiert wird (in ihrem Handeln oder Nichthandeln). Hintergrund kann etwa die Angst vor sozialer Ablehnung sein.
3. Suche nach Sicherheit
Viele der aktuellen existenziellen Bedrohungen für den Menschen sind subtil, graduell und langfristig. Daher erfordern sie eher strategisches Denken und weitsichtige Annahmen, als übereilte Kampf- und Fluchtreaktionen. In der Tat ist die Fähigkeit der Menschen rational zu denken, zu reflektieren und auf der Grundlage von Daten zu handeln, ein Schlüssel zu ihrem Erfolg als Spezies. Jedoch wurde der Mensch evolutionär und genetisch auf schnelles, gefühlsbasiertes und lebensrettendes Verhalten optimiert. Beispielsweise um schnell vor Raubtieren fliehen zu können. Diese impulsive und emotionale Natur des Menschen als evolutionäres Erbe, ist parallel aktiv und daher von großer Bedeutung. Außerdem benötigt das Gehirn sehr viel Energie für die Festigung neuer Verhaltensweisen und den Aufbau von neuen Gewohnheiten. Jede (größere) Verhaltensänderung kann daher als anstrengend oder sogar als Bedrohung für die eigene Sicherheit empfunden werden.
Die ständige Suche nach Sicherheit ist tief im Menschen verankert. Wenn diese sich bedroht fühlen, reagieren sie auf unterschiedliche Weise. Während manche sich der Bedrohung widersetzen und beispielsweise im Klima-Kontext auf die Straße gehen, um für Veränderungen zu demonstrieren, halten andere an ihren alten Gewohnheiten fest. Auch das Einkommen und Unterschiede in der sozialen Orientierung (vom Individualismus zum Kollektivismus) beeinflussen das Verhalten von Bürger/-innen hinsichtlich riskanter Situationen, wie in der Konfrontation mit dem Klimawandel. Ein hohes Unsicherheitsgefühl kann auch der Entwicklung von Empathie gegenüber der Gesellschaft oder der Natur im Weg stehen, was wiederum mit einem geringeren sozialen Verhalten, z.B. dem Klimahandeln für das Gemeinwohl, verbunden sein kann.
Die Rolle von Kommunikation
Entscheidend für Klimahandeln ist die Art und Weise, wie das Wissen über den Klimawandel vermittelt und kommuniziert wird. Klimakommunikation kann so gestaltet sein, dass sie Entscheidungsfindungen erleichtert. Im Folgenden sind Beispiele für solche Entscheidungsarchitekturen aufgeführt.
1. Emotionen ansprechen
Menschen können aus persönlichen Erfahrungen lernen. Dieser Lernprozess ist mit Emotionen und assoziativen, spontanen Gedanken verbunden. Dieser Prozess läuft schnell und automatisch ab. Im Gegensatz dazu erfordern Fakten, wie statistische Beschreibungen, eine kognitive Anstrengung des Gehirns. Diese analytische Verarbeitung muss erst erlernt werden. Daher ist es viel wahrscheinlicher, dass Emotionen mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als Statistiken. Tabellen mit Fakten und Zahlen, die rationales Nachdenken und rechnerische Verarbeitung erfordern, sind zwar wichtig, allerdings oft nicht ausreichend, um klimaschützendes Verhalten zu steigern. Die Verwendung von Bildern, Symbolen und Botschaften, die mit gesellschaftlichen Normen zum Klimaschutz assoziiert werden können und positive Emotionen wie Verantwortung und Stolz anregen, könnten eine effektive Ergänzung sein.
2. Informationen verständlich darstellen
Wenn Daten und Fakten kommuniziert werden, dann sollten sie möglichst leicht verständlich sein. So könnte beispielsweise das Layout der Energieausweise von Wohngebäuden vereinfacht werden, indem die zwei Anzeigeskalen von Energiekennwerten vereint werden. Mit dem Gebäudeenergiegesetz wird auch die Angabe von CO2-Emissionen im Energieausweis verpflichtend. Neben dem eigenen Verbrauchswert könnten etwa Vergleichswerte zur Verfügung gestellt werden, wie die durchschnittlichen CO2-Emissionen deutscher Wohngebäude und ein gewisser Zielwert, etwa die 80- bis 95-prozentige Reduzierung dieses Werts. Indem den Verbraucher/-innen so das Rechnen abgenommen wird, könnte die kognitive Belastung verringert werden. Damit können das Verständnis und die Entscheidungsfindung erleichtert werden.
3. Soziale Normen ansprechen
Die meisten Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis zum Gemeinwohl beizutragen, sowie zur eigenen Sicherheit und der ihrer Mitmenschen. Es kann sehr wirkungsvoll sein, diese Bedürfnisse in der Klimakommunikation anzusprechen. Durch Feldstudien fanden Wissenschaftler beispielsweise heraus, dass die mehrmalige Nutzung von Handtüchern in Hotels zunahm, wenn diese statt eines Standard-Umweltappells, wie „Helfen Sie, die Umwelt zu retten“, ihre Gäste darüber informierten, dass 75% der früheren Gäste ihre Handtücher wiederverwendet hatten.
4. Zwischen Klimawissen und Klimaschutz unterscheiden
Darüber hinaus ist es von Bedeutung, zwischen dem Wissen über die Ursachen, Entwicklungen und Folgen des Klimawandels und dem Wissen über die Existenz, Effektivität und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und Lösungen zu unterscheiden. Beides kann zwar zum Klimaschutz motivieren, allerdings mit unterschiedlichen Auswirkungen. Das Wissen über die Klimakrise selbst weckt oft negative Gefühle, wie Sorge oder Angst vor zukünftigen oder augenblicklichen Folgen. Hingegen kann das Wissen über die (potenziellen) Lösungen besonders wirkungsvoll sein. Denn dadurch kann das Gefühl vermittelt werden, tatsächlich etwas zur Problemlösung beizutragen. So könnten positive Emotionen, wie Stolz, Hoffnung, Ermächtigung und Selbstwirksamkeit geweckt werden. Die Teilnahme an einem klimawissenschaftlichen „Citizen Science-Projekt“ (Bürgerwissenschaft) kann zum Beispiel solche Gefühle erzeugen: Durch die Sammlung von Daten helfen Bürger/-innen bei der Klimaforschung.
Der Umgang mit Klima-Angst
Die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen kann aber auch eine übermäßige Angst vor dem Klimawandel auslösen. Diejenigen, die sich viele Sorgen machen, neigen zur Suche nach einer einzigen Handlung, die das Problem löst und ihre Angst oder Verletzlichkeit sofort reduziert. Diese kognitive Strategie, der sogenannte „Single-Action-Bias“, soll die Dauer ungewünschter, negativer Gefühle abkürzen. Unabhängig davon, wie effektiv diese auf lange Sicht ist. Eine Studie der Universität Princeton und des Science and Resilience Institute at Jamaica Bay hat beispielsweise das Anpassungsverhalten von Haushalten in New York City untersucht, die von Überschwemmungen bedroht sind. Der Single-Action-Bias zeigt sich bei den betroffenen Hausbesitzer/-innen folgendermaßen: Diejenigen, die während eines Hochwassernotfalls kleinere Schutzmaßnahmen ergriffen und sich etwa mit Vorräten eindeckten, zogen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit keine langfristigen Maßnahmen in Betracht, wie etwa den Abschluss einer Hochwasserversicherung.
Die Betonung von Sorgen und Ängsten kann in der Gesellschaft auch zu einer Abwehrhaltung führen: Wenn beispielsweise verstärkte Angst die Klimabewegungen zu extremeren Handlungsformen motiviert, kann die Distanz zur breiten Gesellschaft wachsen und die gegenseitige Empathie abnehmen. Beispielsweise zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, dass sich in Deutschland die Unterstützung der Klimabewegung nach dem Anstieg der Straßenblockaden halbiert hat. Außerdem stieg der Anteil der Befragten, denen die Proteste oft zu weit gingen von etwa 50 % im Jahr 2021 auf 85 % im Jahr 2023 – und das obwohl viele Menschen die Notwendigkeit engagierter Klimaproteste sehen. Die Befragung zeigt auch, dass der persönliche Bezug zur Klimabewegung bei den meisten Gesellschaftsteilen stark abgenommen hat. Außerdem ist der Anteil der Deutschen von 65 % auf 28 % gesunken, der die Sprache der Klimabewegung verständlich findet.
Fazit
Wenn die Aufmerksamkeit für ein Risiko zunimmt, nimmt der Fokus auf andere Risiken oft ab. So kann eine zu große Sorge um den Klimawandel dazu führen, dass andere Bedürfnissen und Prioritäten, eigene wie auch die von Mitmenschen, aus den Augen verloren werden. Gleichzeitig kann zunehmendes Unbehagen gegenüber radikalen Handlungen und Narrativen die gesellschaftliche Polarisierung und Spaltung verstärken. Gegen solche Probleme können eine Umgestaltung der Klimakommunikation und die Förderung von Schulungen in der Verhaltenspsychologie besonders hilfreich sein. Schließlich würde die Förderung von verhaltenspsychologischen Schulungen, etwa in den klassischen akademischen Lehrplänen, die Entwicklung der emotionalen Intelligenz, des Empathievermögens und der Resilienz unterstützen. Diese Fähigkeiten sind zur Bewältigung von Krisen wie dem Klimawandel erforderlich.