Gefängnisse sind in vielerlei Hinsicht ein Ort, in dem die Prävention von Radikalisierung ganz speziellen Beschränkungen unterworfen ist. Internationale Expertise war in diesem Workshop mit Dr. Veronika Hofinger, wissenschaftlicher Geschäftsführerin am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien und Dr. Jean-Luc Marret, Leiter der Abteilung "Konflikte, gewaltsamer Extremismus und Prävention" an der Fondation pour la recherche strategique in Paris, vertreten. Hofer stellte in ihrem Eingangsstatement heraus, dass Gefängnisse ein Ort besonderer Verletzlichkeit seien und daher für die Rekrutierung gewaltbereiter Salafisten ein ausgezeichneter Nährboden. Die hohen gesellschaftlichen Erwartungen an den Justizvollzug als "Gesinnungswandelmaschine" kämen hinzu. Beide Referierenden waren sich einig, dass die Haftbedingungen ganz wesentlich für das Risiko von Radikalisierung verantwortlich seien. Hofinger nannte das Beispiel der Isolationshaft als negativen Faktor. Angesichts dessen plädierte sie für eine Strategie der Normalisierung und eine genaue Einzelfallanalyse, z.B. bei Syrien-Rückkehrern. Manche Widersprüche seien unauflösbar: So sei Kommunikation zwischen den Insassen im Sinne der Prävention begrüßenswert, sie könne allerdings auch zur Gruppenbildung führen und somit zu einem Sicherheitsrisiko werden. Für Marret ist der Begriff der Radikalisierung das falsche "Branding" für Haftinsassen. Er stellte eher die Frage, wie eine menschliche Beziehung zwischen Insassen und Präventionsexperten möglich sein kann. In der Vertrauensbildung müssten Präventionsexperten oft ethische Dilemmata lösen, die eine best practice unmöglich machen. Hin und wieder seien sie auch mit lediglich vorgespielter Radikalisierung konfrontiert. Und letztlich sei die Unsicherheit darüber, wann es zum Prozess komme, auch ein Faktor, der eine nachhaltige Präventionsarbeit erschwere. Eine Evaluation sei da schwierig und operative Erfolge würden oft als politische Fehlschläge interpretiert, zumindest in Frankreich.
Referenten:
Dr. Veronika Hofinger, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien
Dr. Jean-Luc Marret, Fondation pour la recherche stratégique, Paris
Moderation: Stefan Artmann, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Heidelberg