UN-Generalsekretär António Guterres betonte in seiner Rede zur Eröffnung der 74. Generalversammlung auf internationaler Bühne die Dringlichkeit, sich dem Frauenhass im Extremismus zu widmen, und forderte, "die beunruhigende Gemeinsamkeit zwischen terroristischen Anschlägen, extremistischen Ideologien und brutalen Straftaten zu benennen: die gewaltbereite Misogynie der Täter".
"Misogynie" bezeichnet die nach wie vor weitverbreitete Annahme einer Minderwertigkeit von Frauen, verbunden mit deren Abwertung und Benachteiligung. Die ideologisch verwandte Feindseligkeit gegenüber homosexuellen Menschen und anderen Mitgliedern der "LGBTQI+"-Community wird als "Queerfeindlichkeit" bezeichnet. Diese fußt in der Ablehnung von Abweichungen von heterosexuellen Normen und Geschlechterverhältnissen. "Gruppenbezogene Abwertungen" wie diese nehmen innerhalb extremistischer Gruppierungen eine zentrale Rolle ein. Die Einteilung in "wir" versus "ihr", "richtig" versus "falsch" sowie die daraus resultierende Abwertung der entsprechend als "anders" definierten Gruppe sind hierbei identitätsstiftende und gruppenbildende Elemente. Sie bilden gleichzeitig die Struktur eines eigenen, vermeintlich überlegenen Weltbilds mit klaren Feindbildern, dessen Durchsetzung – im Falle gewaltbereiter Radikalisierung – auch Gewalt rechtfertigen kann.
Die Misogynie extremistischer Täter und die davon abgeleiteten Feindbilder wurden spätestens seit den eingangs erwähnten Anschlägen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Insbesondere der Hass auf Feminist*innen und selbstbestimmt lebende Frauen wurde im Kontext der "Manifeste" und Aussagen rechtsextremer Terroristen vermehrt diskutiert, aber auch infolge der misogynen Terroranschläge aus der sogenannten "Incel"-Szene.
Zwei islamistische Anschläge der vergangenen Jahre richteten sich direkt gegen Angehörige der LGBTQI+-Community: So wählte der islamistische Attentäter von Orlando im US-Bundesstaat Florida 2016 als Ziel den Nachtclub "Pulse", einen bekannten Treffpunkt der queeren Szene der Stadt, ermordete dort 49 Menschen und verletzte 53 weitere. Im sächsischen Dresden richtete sich 2020 ein Terrorangriff gegen ein schwules Paar, bei dem einer der Partner ums Leben kam.
Gruppenbezogene Abwertungen zusammendenken
Trotz einer allmählich sich wandelnden Debatte werden diese Attentate hauptsächlich unter dem Blickwinkel rechtsextremistischer bzw. islamistischer Ideologien diskutiert. Im verbreiteten Verständnis dieser extremistischen Ideologien und den damit verbundenen gruppenbezogenen Abwertungen werden Frauen- und Queerfeindlichkeit jedoch oft ausgeblendet oder als sekundäre Tatmotive angesehen. Oftmals werden andere Ideologien der Ungleichwertigkeit wie Antisemitismus oder Rassismus ins Zentrum gestellt oder, wie im Fall von "IS"-Attentätern, auch "Hass auf Ungläubige" und "den Westen". Die Verwobenheit mit misogynen und queerfeindlichen Abwertungen bleibt dabei oft unerkannt und unbenannt.
Dabei gibt es viele Gründe, die Queer- und Frauenfeindlichkeit als gemeinsam auftretende, rekurrierende Elemente genauer zu untersuchen. Praktiker*innen und Forscher*innen warnen eindringlich vor dem Mobilisierungs- und Gewaltpotenzial dieser Einstellungsmuster innerhalb extremistischer Gruppierungen. Aus der Forschung zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wissen wir, dass verschiedene Formen von Abwertungen häufig gemeinsam auftreten. Auch in extremistischen Narrativen überlappen sie einander oftmals – dennoch werden die verschiedenen Motive von Gewalt nur selten in Zusammenhang gebracht.
Frauen- und Queerfeindlichkeit als zentrale Elemente extremistischer Weltbilder
Sowohl rechtsextremistische als auch islamistische Weltbilder sind geprägt von traditionalistischen Rollen- und Familienbildern und der Ablehnung einer "Modernisierung der Geschlechterverhältnisse". Heterosexuelle Familienmodelle werden hierbei als "natürlich" definiert und, je nach Kontext, biologistisch, religiös, traditionalistisch oder völkisch begründet.
Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen und die damit verbundenen Normen sollen laut phänomenübergreifenden Forschungsergebnissen sowohl im Rechtsextremismus als auch im Islamismus wesentlich zur "Stabilisierung der Gemeinschaft [beitragen], die völkisch oder fundamentalistisch definiert ist". Diese Rollenbilder prägen sich in den jeweiligen Gruppierungen unterschiedlich aus. Sexuell selbstbestimmte Frauen und Feminist*innen, Homosexuelle und andere Menschen aus der LGBTQI+-Community werden daher immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen und Anfeindungen.
Die geteilten Feindbilder und Narrative stellen "eine wichtige inhaltliche Brücke" zwischen den jeweiligen extremistischen Gruppen dar. Dabei haben sie neben Anstrebung der "Herrschaftsfunktion" eine weitere zentrale Funktion innerhalb der Gruppen, nämlich, "nach innen Geschlossenheit und nach außen Ausschluss zu produzieren".
Zusammenhang von Frauen- und Homofeindlichkeit
Homosexualität wird, bis auf wenige Ausnahmen, sowohl im Rechtsextremismus als auch im islamischen Extremismus abgelehnt und steht mit dieser vorherrschenden Norm in heteronormativen Familienmodellen und den dazugehörigen Rollenanforderungen für Männer und Frauen im Widerspruch. Renate Bitzan sieht in ihrer Analyse der Männlichkeitskonstruktionen der extremen Rechten vor allem auch den Überlegenheitsanspruch gegenüber als weiblich verstandenen Attributen als zentral an für Homofeindlichkeit. Denn es sei vor allem "die unterstellte/zugeschriebene Verweiblichung der betreffenden Männer", die in der Szene als "verabscheuungswürdig" gelte.
Die Homosexualität von Frauen steht zwar weniger im Fokus der Abwertung durch extremistische Gruppierungen als die zwischen Männern. Gabriele Dietze erläutert in diesem Zusammenhang, eine eigenständige Sexualität von Frauen sei in rechtextremistischen Weltbildern nicht vorgesehen. Die Sexualität und die Körper von Frauen würden jedoch stark kontrolliert, ein Ausbruch aus den vorgesehenen Normen führe zu starken Abwertungen bis hin zur Gewalt. Auch in islamistischen, christlich-fundamentalistischen und anderen religiös-fundamentalistischen Ideologien finden wir Dispositive der Kontrolle weiblicher Sexualität und Verhaltensweisen. Deren Logik: Männer haben einen Anspruch auf Frauen, eine Verfügungsmacht über deren Körper.
Diese patriarchale Anspruchslogik prägt sich innerhalb der verschiedenen Strömungen aufgrund der jeweiligen kulturellen, historischen und gesellschaftlichen Bezüge unterschiedlich aus. Phänomenübergreifend vertreten wird eine Nostalgie bezüglich eines imaginierten "goldenen Zeitalters männlicher Besitzansprüche", einer früheren Ordnung patriarchaler Autorität und einem damit einhergehenden Männlichkeitsverständnis. Islamistische und andere religiös-fundamentalistische Diskurse fokussieren zum Beispiel eher auf eine mutmaßliche "moralische Degeneration" der Gesellschaft und knüpfen den Erhalt der Gruppennormen und "Reinheit" an die (sexuellen) Verhaltensweisen von Frauen. Sie greifen in ihrer Begründung auf ausgewählte streng ausgelegte Passagen der jeweiligen religiösen Schriften zurück – beispielsweise im islamistischen Fundamentalismus "wortwörtliche Adaptionen koranischer Verse" und "popularisierter Hadithe".
Misogyne Ideologien und Anspruchslogiken können auch Tatmotive für Gewaltakte und terroristische Anschläge werden. Besonders explizit ausformuliert und zugespitzt treten misogyne und antifeministische Narrative beispielsweise bei den rechtsextremen Anschlägen auf der norwegischen Insel Utøya, im neuseeländischen Christchurch, im sachsen-anhaltinischen Halle und im hessischen Hanau wie auch bei den Attentaten aus der misogynen "Incel"-Szene auf: Die Täter sehen sich als "Opfer" selbstbestimmter Frauen, die ihnen Sex und Liebe verweigern, welche den Tätern aus ihrer eigenen Sicht "zusteht". Mit den Attentaten sollen Frauen dafür abgestraft werden.
Die Weiblichkeitsbilder innerhalb extremistischer Gruppierungen sind oftmals widersprüchlich. Rollenbilder werden immer wieder aufgebrochen, verändern sich, werden den Umständen angepasst. Nicht alle Frauen sind gleichermaßen Zielscheibe extremistischen Hasses. Insbesondere in patriarchalen Weltbildern, in denen das Verhalten von Frauen starker Kontrolle unterliegt, werden normkonforme Frauen zum Beispiel als aufopfernde Mutter, treue Partnerin überhöht – diejenigen, die sich widersetzen, dagegen stark abgewertet. Die Rechtsextremismusforschung beschreibt diese Weiblichkeitsbilder zwischen den beiden Polen "Heilige und Huren". Auch können sich verschiedene Formen gruppenbezogener Abwertungen verstärken: Studien zeigen, dass beispielsweise Schwarze Frauen und andere Women of Color von misogynen und queerfeindlichen Anfeindungen besonders betroffen sind.
Mit Blick auf Frauen innerhalb extremistischer Gruppierungen zeigt sich klar, dass sie sowohl Kollaborateur*innen als auch Mittäter*innen bei der Erhaltung und Reproduktion der sexistischen, queerfeindlichen Weltanschauungen sind. Oft kommt diesen Frauen auch eine zentrale Rolle bei der Kontrolle anderer Frauen und bei der Einhaltung von Regeln und Normen zu. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Frauenbrigade "al-Khansa" beim "Islamischen Staat", in der Frauen die Verantwortung für "Sittenkontrolle" und damit zusammenhängende Bestrafungen trugen.
Mobilisierungspotenzial als Brücke zur Mitte der Gesellschaft
Bei "Frauenfeindlichkeit" handelt es sich um ein "überhistorisches und kulturübergreifendes Phänomen", das sich in gesellschaftlichen Institutionen, Strukturen und Normen ausdrückt. Die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen ist in der Extremismusforschung hingegen recht jung. Innerhalb Deutschlands gibt es eine nuancierte Auseinandersetzung mit "Gender" innerhalb der Rechtsextremismusforschung (z. B. Bitzan/Dietze/Kemper). Auch im Bereich "Islamistischer Extremismus" gibt es zwar zunehmend eine Auseinandersetzung mit genderspezifischen Rollenvorstellungen, diese fokussiert sich allerdings hauptsächlich auf den sogenannten "Islamischen Staat".
Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Abwertungen bedürfen jedoch weiterer Untersuchung, wie Erkenntnisse aus dem Themenbereich Antifeminismus und Antigenderismus in der Rechtsextremismusforschung zeigen. Immer wieder wird deren "strategische Funktion" herausgestellt, um "verschiedene Gruppen (und Themen) zusammenzubringen". Diese Schnittstellen eignen sich demnach als "symbolic glue (symbolischer Klebstoff) offenbar gut (…), um breite Bündnisse für eine autoritäre und rassistische Politik zu schmieden". In Rückgriff auf Weiß (2017) stellen Meiering et al. fest: Ein "heroisch-maskulines Weltbild, Homophobie" und die oft komplementären "Weiblichkeitskonstruktionen" sind anschlussfähig an autoritär geprägte, konservative Kreise. Durch diese Anschlussfähigkeit sind Frauen- und Queerfeindlichkeit, Antifeminismus und Antigenderismus nicht (nur) ideologisch, sondern auch strategisch nutzbar.
Die aktuelle "Leipziger Autoritarismus-Studie 2020" bestätigt diesen Eindruck. Sie untersucht gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im gesellschaftlichen Querschnitt mittels repräsentativer Meinungsumfragen. Hierbei vertraten 35,1 Prozent der Befragten die Einstellung, es sei "ekelhaft", wenn Homosexuelle sich küssen; 9,2 Prozent fanden gar, Homosexualität sei "eine Krankheit, die geheilt werden kann". Auch antifeministische und sexistische Einstellungen werden demnach in breiten Bereichen der Gesellschaft vertreten. Letztere böten "einen Anknüpfungspunkt für antidemokratische und speziell antipluralistische Positionierungen" und treten besonders oft in Kombination mit einer "Tendenz zu Verschwörungsmentalität, Autoritarismus und Rechtsextremismus" auf wie auch bei einem "Mangel an Sozialvertrauen". Gestärkt werden diese Haltungen nicht durch Religiosität selbst, sondern auch durch "religiösen Dogmatismus" sowohl bei jüdischen und christlichen als auch bei muslimischen Gläubigen. Interessant ist in diesem Kontext, dass zwar ein "auf Tradition ausgerichteter Sexismus in Teilen der islamischen Religionsgemeinschaften offensichtlich stark vertreten" ist, dies aber nicht unbedingt mit antifeministischen Positionen einhergeht. Entgegen weitläufigen Annahmen blieben die Zustimmungswerte (31,6 Prozent) zu antifeministischen Positionen bei der muslimischen Bevölkerung erheblich hinter der von deutschen AfD-Wähler*innen zurück (46,2 Prozent).
Ausblick
Neueste Erkenntnisse von True et al. legen nahe, dass aggressive Misogynie ein robuster Indikator für die Unterstützung islamistischer extremistischer Gruppierungen ist und möglicherweise als Frühindikator für extremistische Radikalisierung gelten kann. In ihrer umfangreichen Einstellungs-Studie aus drei asiatischen Ländern und einem nordafrikanischen Land waren frauenfeindliche Einstellungen und die Unterstützung von Gewalt gegen Frauen sogar die Faktoren, die am meisten mit der Unterstützung für islamistischen Extremismus einhergingen – im Gegensatz zu den traditionell in der Extremismusforschung beleuchteten Kategorien Alter, Religiosität, sozialer Hintergrund, Geschlecht und lokale Verortung. Zudem gibt es in der Literatur immer mehr Hinweise darauf, dass viele extremistische Attentäter auch sexualisierte Gewalt und Gewalt gegen Frauen ausgeübt haben. Phänomenübergreifend besteht daher Bedarf, die Relevanz von Gewaltausübung und -legitimation gegen Frauen für extremistische Gruppierungen weiter zu beleuchten.
Die Debatte um Frauen- und Queerfeindlichkeit bettet sich ein in einen Kontext gesellschaftlich verbreiteter sexistischer und antifeministischer Einstellungsmuster. Dazu kommen neoreaktionäre Politiken und "Backlashes" gegen Frauenrechte und Feminismus, wenn, beispielsweise in Polen oder Texas, Errungenschaften der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen zurückgedreht werden.
Im Kontext aktueller Debatten zu modernen Geschlechterverständnissen und pluralen Familienpolitiken kommt es immer wieder zu neuen Schwerpunktsetzungen. So gewinnt beispielsweise Queerfeindlichkeit – insbesondere Feindseligkeiten gegenüber Trans- und Interpersonen und die Mobilsierung gegen "Gender Mainstreaming" – im aktuellen Diskurs an Relevanz. Die beteiligten Akteure nutzen Netzwerk- und Mobilisierungspotenziale des Themenbereichs für eine Mobilisierung außerhalb der extremistischen "Ränder der Gesellschaft" in die Mitte der Gesellschaft hinein.
Es bedarf daher weiterer phänomenübergreifender Forschung. Eine genauere Analyse würde nicht nur maßgeblich zum Verständnis der Dynamiken innerhalb der diskutierten extremistischen Bewegungen beitragen, sondern wäre deshalb nicht zuletzt instruktiv für die praktische Extremismusprävention.