Der "Islamische Staat": Interne Struktur und Strategie
Ghiath Bilal
/ 13 Minuten zu lesen
Link kopieren
Der Islamische Staat hat sich über Jahre hinweg entwickelt. Anders als al-Qaida strebt er eine lokale Herrschaft an. Und hat für die Verfestigung seiner Macht entsprechende Strukturen ausgebildet.
Die Ursprünge und Entwicklungen der gegenwärtigen jihadistischen Organisationen im Nahen Osten lassen sich schematisch über drei aufeinander bezogene Prozesse nachzeichnen. Die extremste Erscheinungsform, der "Islamische Staat", ist in Reaktion auf die von den USA angeführten Angriffe auf den Irak und infolge der nachfolgenden Besatzung entstanden. Unter despotischen Regime-Cliquen, den um sich greifenden anarchischen Zuständen und Menschenrechtsverletzungen konnten bewaffnete Kampfgruppen mit ihrer islamisch grundierten Befreiungs- oder Vergeltungsrhetorik entstehen, gedeihen und über ihren lokalen Kontext hinaus an Anhängerschaft gewinnen. In den verschiedenen Entwicklungsstufen sind bestimmte Führer an unterschiedlichen Orten in Erscheinung getreten, die zugleich jeweils eigene Generationen an jihadistischen Kämpfern hervorbrachten und eigene ideologische Akzente, Strategien und Taktiken setzten. Zu den Anführern der ersten Generation zählen Abdullah Azzam und Osama bin Laden, die zu Beginn die al-Qaida-Organisation gegründet haben. Diese war damals das Resultat der Kombination aus drei unterschiedlichen Komponenten:
Der Wahhabi-Salafismus Saudi-Arabiens (Osama bin Laden), gekoppelt an
die Übernahme dynamischer Strukturen der Muslimbruderschaft (Abdullah Azam) und an die
Neo-Jihadistische Bewegung aus Ägypten (Aiman az-Zawahiri).
Das Resultat war die Entstehung der ersten Organisation von Jihadisten mit überregionaler Ausprägung. Abu Musab az-Zarqawi steht für die zweite Generation von Jihadisten und trat seit 2003 im Irak als al-Qaida-Vertreter in Erscheinung.
Die regionale Zweigstelle al-Qaidas im Irak entwickelte sich indessen in mehreren aufeinanderfolgenden Stadien, bis daraus die Organisation "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" entstand. Im Sommer 2014 (29.06.2014) rief sie die Wiederbelebung des "islamischen Kalifats" in den Regionen aus, die unter ihrer Kontrolle standen. Somit repräsentiert die IS bzw. ISIS die dritte Generation der sogenannten jihadistischen Gruppen.
Wie haben sich diese Organisationen im Laufe der Zeit entwickelt? Welche Strategie haben die jeweiligen Führungs-Generationen verfolgt und welche Strukturen hervorgebracht?
Entwicklung der Strategie und der Ziele
Erste Generation
Der ehemalige Chef und Begründer von al-Qaida, Osama bin Laden, erklärte kurzerhand: "Wir führen einen Jihad gegen die Kreuzfahrer und Juden". Er meinte damit den in weiten Teilen ehemals kolonialisierter Länder des Nahen und Mittleren Ostens sogenannten "westlichen und zionistischen Imperialismus" und nicht die Religionen als solche. Al-Qaida traf damit einen empfindlichen Nerv, der in einer weit verbreiteten Unzufriedenheit über die dortigen Regimes und die Eingriffe von außen umgeschlagen war.
Dazu entwickelten die al-Qaida und ihre Tochterorganisationen eine klare Strategie des dynamischen Angriffs nach dem Prinzip der gegenseitigen Abschreckung, indem sie netzartige und zugleich flexible Strukturen aufspannten, durch die sie den Gegner an jedem Ort der Welt schmerzhaft angreifen und sich anschließend wieder schnell zurückzuziehen konnten. Besonders deutlich ist dies an den folgenden Angriffen und Anschlägen geworden, die von al-Qaida verübt wurden:
World Trade Center in New York im Jahre 1993
Khobar Towers in Saudi-Arabien im Jahre 1996
US-amerikanische Botschaften in Kenia und Tansania 1998
US-Schiff Cole in Aden in Yemen, im Jahre 2000
Die Art von Angriffen waren zur damaligen Zeit als unmittelbare Reaktion auf die Präsenz der amerikanischen Streitkräfte in der Golfregion unternommen worden, außerdem wegen fortdauernder Tyrannei und undemokratischer Staatsordnungen in der arabischen Region. Diese Rahmenbedingungen führten in den darauf folgenden Jahren dazu, dass die jihadistischen Organisationen kontinuierlich durch neue Mitglieder erstarken konnte, die deren Angriffe zunächst als – aus ihrer Warte – legitime Akte der Verteidigung und Vergeltung unterstützen wollten.
Zweite Generation
Im Jahr 2003 griff az-Zarqawi auf sein altes Netzwerk aus Herat/Afghanistan zurück und gründete eine neue Gruppe, die später "al-Tawheed wa al-Jihad" genannt wurde. Am 8. Oktober 2004 hat sich diese Gruppe al-Qaida angeschlossen. Sie wurde dann in "Qaida al-Jihad in Bilad al-Rafedeen" umbenannt, zu Deutsch "der Stützpunkt des Jihad im Zweistromland". Seitdem hat sich diese Gruppe als eine Art Zweigstelle der al-Qaida im Irak verstanden.
Zarqawis Zielsetzung hat sich mit der Zeit sukzessive fortentwickelt: Von der ursprünglich anvisierten Befreiung des Iraks von der amerikanischen Besatzung hin zum Sturz der dortigen schiitischen Regierung. Schließlich ist daraus ein weit angelegter Kampf zur "Errichtung eines Islamischen Staates" erwachsen. Die skrupellose und ungezügelte Natur des von ihnen geführten Kampfes ist zu einem großen Teil in Gefechte mit anderen islamischen Gruppierungen umgeschlagen, zunächst in Gefechte zwischen sunnitischen und schiitischen Lagern und schließlich in einen umfassenden Kampf zwischen verschiedenen sunnitischen und schiitischen Fraktionen.
Im Laufe der Zeit wurde deshalb immer fraglicher, ob die Gruppe um az- Zarqawi herum sich selbst noch als Untereinheit der al-Qaida verstand oder von ihr so geführt und betrachtet wurde. Die Auswertung von Informationen aus dem von bin Laden genutzten PC nach seinem Tod haben nämlich zahlreiche Hinweise auf die gespannten Beziehungen unter den Führern der al-Qaida und der Bewegung mit der Selbstbezeichnung "al-Tawhid wa-l-Jihad" geliefert. Die Spaltung blieb zunächst auf ideologischer Ebene bestehen, wurde überwiegend hinter den Kulissen geführt und trat somit nur selten in die Öffentlichkeit.
Dennoch wurde über die Gefechte unter verschiedenen muslimischen Gruppierungen der ursprünglich proklamierte "Kampf gegen die Kreuzfahrer und die Juden" verwässert und davon überlagert, dass er faktisch zu einem blutigen Kampf unter verschiedenen muslimischen Gruppierungen geworden war. Durch interne ideologische Konflikte wurde zudem der Zusammenhalt unter den im Rahmen der Bewegung agierenden radikal-islamistischen Parteien geschwächt. Über diese Innere Spaltung der einzelnen jihadistischen Gruppierungen haben sich wiederum zwei weitere Strömungen in den Jahren 2012 und 2013 entwickelt, die uns gegenwärtig unter den Namen "Jebhet al-Nusra" und "Islamischer Staat" geläufig sind.
Zarqawi war jedoch schon im Juni 2006 getötet worden und hatte zunächst eine stabile und agile Organisation hinterlassen. Im Oktober 2006 kündigte sein Nachfolger (Abu Omar al-Baghdadi) programmatisch die Etablierung "des Islamischen Staates im Irak" an. Damit war als strategische Ausrichtung unter seiner Führung die Gründung eines sunnitischen Staates auf irakischem Boden benannt, um weitere Anhänger unter der seit 2003 stark benachteiligten sunnitischen Bevölkerung zu gewinnen.
Dritte Generation
Abu Bakr al-Baghdadi übernahm die Führung, nachdem Abu Omar al-Baghdadi im April 2010 von amerikanischen Streitkräften getötet worden war. In dieser Phase lag das Augenmerk der Kämpfer in erster Linie darauf, Bodengewinne zu erzielen. Der Bewegung ging es zunehmend um die Erlangung von Macht, um den Gewinn von Einfluss und um lokale Ressourcen. Damit richteten sie sich gegen alle anderen Gruppierungen, die sich in den entsprechenden Gebieten betätigten. Längst konzentrierte man sich nicht mehr auf das irakische Territorium, sondern ging darüber hinaus, so dass Kämpfe auf syrischem Boden auf die Eroberung erstens von Gebieten mit größeren Öl- beziehungsweise Nahrungsressourcen abzielten oder aber zweitens auf Städte mit strategischer Bedeutung (Verwaltungszentren oder Nähe zu Grenzübergängen), sowie drittens auf Ortschaften, die einer künftigen Expansion den Weg ebnen konnten. Al-Baghdadi erklärte schließlich den Krieg gegen all jene jihadistischen Kämpfer, die nicht die eigenen Vorstellungen teilten. Die Folge dieser Haltung war, dass man dem Zusammenhalt mit anderen islamischen Strömungen zur Bekämpfung des auswärtigen Feindes keine Bedeutung mehr beimessen wollte.
Entwicklungsgeschichte des IS
Gegenwärtig sind der IS und seine Unterstützer flexibel organisiert. Sie verstecken sich nicht mehr in den Bergen und Höhlen von Afghanistan und des Jemen, sondern bedienen sich genau genommen Strukturen, die sich aus Elementen moderner Staatsführung und ideologischer Mafiagruppen und -Bewegungen zusammensetzen.
Wie zuvor dargelegt ist das Phänomen der sogenannten "Islamischen Staats" die aktuellste Entwicklung innerhalb der jihadistischen Gruppierungen im Nahen Osten. Ihre Wurzeln gehen auf die im Jahre 2003 begründete Gruppe von "al-Tawheed wa al-Jihad" von Abu Musab az-Zarqawi zurück. Um die gegenwärtigen Strukturen des sogenannten "Islamischen Staates" hinreichend darzulegen, werden im folgenden Abschnitt die Entwicklungslinien der Gruppe um az-Zarqawi dargelegt.
Die Herat-Struktur des "Tawheed wa-l-Jihad"
Wie bereits erwähnt hat az-Zarqawi sich seiner alten Netzwerke aus Herat/Afghanistan bedient, um eine neue Gruppe zu gründen, die in ihrer weiteren Genese in "al-Tawheed wa al-Jihad” umbenannt wurde. Der ideologisch-religiöse Ideengeber für dieser Gruppe war "Abu Abdullah al-Muhajer", der als Lehrer von az-Zarqawi in Afghanistan bekannt war. Die Zarqawi Gruppe hatte damals eine einfache Struktur ausgebildet mit einem sogenannten Schura-Rat, der quasi die Leitungs- und Weisungsfunktion des Verbunds inne hatte und fünf Komitees vorstand, dem für Militär, Medien, Sicherheit, Finanzen, und dem Fatwa-Gremium.
Am 8. Oktober 2004 schloss sich diese Gruppe schließlich offiziell der al-Qaida an, was sich in der Selbstbezeichnung "Qaida al-Jihad in Bilad al-Rafedeen" widerspiegeln sollte. Um die Führung seiner Organisation von seiner Person unabhängig zu machen und im Falle seiner Tötung ihre Struktur zu erhalten, setzte Zarqawi seinen Gefährten Abu Abd al-Rahman al-Iraqi als Stellvertreter ein. Die wichtigsten Posten waren überwiegend von Nicht-Irakern, den sogenannten (immigrierten) al-Muhajireen besetzt.
Über militärische Einsätze und weitere Operationen vor Ort wurde in der Regel selbstständig von der Gruppenleitung entschieden, ohne Abstimmung mit der übergreifenden al-Qaida Zentrale. Über die so gewährleistete Agilität konnte der militärische Apparat schnell wachsen und sich um verschiedene Brigaden und sogenannte Fachgruppen erweitern, etwa die sogenannte Strategiegruppe, die Informationen über Personen und Ziele sammeln und verarbeiten konnte.
Obwohl Zarqawi zwei Jahre später, nämlich im Juni 2006 getötet wurde, war die so erstarkte Organisation nicht in ihrer Stabilität gefährdet. Ganz im Gegenteil: Seine Gefolgschaft nahm unter Führung seines Nachfolgers Abu Omar al-Baghdadi größere Ziele in Angriff, indem im Oktober 2006 von ihnen der sogenannte "Islamische Staat im Irak" ausgerufen wurde, in dem sie sich selbst als die erste Regierung ausrief. Im Jahre 2009 verkündete die Gruppe die zweite Regierung. Hinter diesen großspurigen Verkündigungen und Selbstbezeichnungen verbergen sich bei näherem Hinsehen Arbeitsgruppen, wobei es kaum nähere Informationen über die tatsächliche Konstruktion dieser sogenannten Regierungen gibt. Im April 2010 wurde schließlich Abu Omar al-Baghdadi (Hamed Dawood Mohammed Khalil al Zwai) von US-Amerikanischen Streitkräften getötet, so dass einen Monat später Abu Bakr al-Baghdadi als Nachfolger benannt wurde. Er war dafür bekannt, eine geschickte Personalstrategie zu verfolgen. Darüber trieb er die Professionalisierung weiter Teile der Bewegung voran. Zudem erwies er sich als pragmatischer Führer und nannte die einst als Ministerien deklarierten Gruppen in Councils (Räte) um.
Unter seiner Führung wurden die wichtigsten Leitungsposten innerhalb der Organisation von Irakern besetzt, die ihnen zuarbeitenden Stellen von den sogenannten al-Muhajireen. Auf diese Weise kamen zahlreiche alte irakische Baath-Offiziere des umgestürzten Saddam-Regimes an die Spitze der Organisation, wie beispielsweise Haji Bakr und Abd al-Rahman Bilawi, was schließlich in der allgemeinen Handlungsweise der Bewegung Niederschlag fand. Dadurch, dass der damals von der US-Regierung eingesetzte Verwalter Paul Bremer die irakische Armee und den Geheimdienstapparat auf einem Schlag aufgelöst hatte, verloren Hunderttausende dort beschäftigte Regierungsanhänger ihre Posten. Bei den jihadistischen Bewegungen fanden nicht nur einfache Soldaten, sondern auch wichtige Offiziere und Strategen Zuflucht und neue Zukunftsaussichten, vor allem im ISIS. Abu Bakr al-Baghdadi gab sehr vielen ehemaligen Baath-Offizieren Spitzenposten, so dass sie nunmehr dort ihre Erfahrungen einsetzen und auch Rache für ihre Degradierung nehmen konnten.
Die Muhajereen aus dem arabischen Golf wurden indessen im Scharia-Gremium untergebracht, die meisten Jihadisten aus dem Westen finden sich in den Mediensektionen der Organisation. Daraus konnte sich die folgende komplexe Struktur entwickeln:
Al-Khalifa
Der sogenannte Kalif ist die entscheidende Leitungsfigur der Organisation mit weitreichenden Kompetenzen und Entscheidungsbefugnissen. Er leitet den Rat an und führt seine verschiedenen Gremien zusammen, die die wichtigsten Glieder im Rahmen der IS darstellen und die Leitung seiner Arbeit in den verschiedenen Handlungsfeldern innehaben. Baghdadi entscheidet somit als derzeitiger "Kalif" in letzter Instanz über die Ernennung und Absetzung der Leiter einzelner Gremien, nachdem er sich den Rat der Schura einholt, der allerdings nicht bindend zu sein scheint.
Der Schura-Rat
Der Rat umfasst zwischen neun und elf Mitglieder, die von al-Baghdadi ernannt werden. Geleitet wird der Schura-Rat im Moment wiederum von Abu Arkan al-Ammery, der zugleich den Kalifen allgemein berät. Theoretisch kann der Schura-Rat den Kalifen absetzen. Zu den Gremien des Schura-Rates gehört ein Scharia-Komitee. Letzteres konstituiert sich über sechs Mitglieder, die al-Baghdadi wiederum anleitet. Dieses Komitee kann theoretisch einen Kalifen als Nachfolger vorschlagen, sofern dieser nicht mehr fähig ist, zu regieren, und beobachtet die Arbeit der anderen Gremien im Rat.
Der Rat der Weisen
Dieser Rat repräsentiert ein von klassischen Gelehrten eingeführtes Konzept innerhalb der islamischen Tradition. Mitglieder sind Stammesführer, große Gelehrte, bekannte Führungspersönlichkeiten und weitere einflussreiche Leute aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Der Rat spielt eine wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen dem IS und dem Volk. Seine Leute verschaffen dem IS die nötige Legitimation und Anerkennung innerhalb verschiedener Kreise der Bevölkerung und tragen seine Politik in die Mitte der Bevölkerung.
Die Scharia-Kommission
Die Scharia-Kommission ist zuständig für die Erhaltung des religiös angebundenen ideologischen Rahmens, auf dem die Legitimität des Staates basiert. Im Einzelnen wird über ihre Mitglieder
die Arbeit von Gerichten reguliert, indem Richter nominiert werden und sie selbst als eine Art Obergericht in wichtigen Konflikten fungiert
die Arbeit von sogenannten Scharia-Wächtern überwacht
der mediale Bereich überwacht und die Verbreitung ihrer extremistisch-islamischen Ideologie gesteuert
. Ihr derzeitiger Leiter heißt Abu Mohamed al-Anie. Die meisten Schlüsselfiguren stammen aus benachbarten Ländern des arabischen Golfs.
Die Medien-Kommission
Die Medien-Kommission muss die Entscheidungen des IS nach innen und nach außen kommunizieren. Über ihre Überzeugungsarbeit stellt sie den ständigen Nachschub an Mujahideen-Kämpfern und an finanziellen Unterstützern sicher. Sie fungiert darüber hinaus als Ansprechinstanz, u.a. für westliche Regierungen und verschiedenen internationalen Akteure.
Ihre weit verzweigte Arbeit umfasst über 30 Untereinheiten, wovon die wichtigsten Kanäle al-Furqan, al-Itissam und al-Hayat sind. Über diese sind in den letzten zwei Jahren mehrere Filme in Englisch produziert worden mit sehr hoher Qualität, was auf eine professionalisierte Arbeit schließen lässt.
In der Medien-Kommission sind die meisten Anhänger aus der westlichen Welt beschäftigt.
Sie veröffentlicht regelmäßig Online-Magazine wie zum Beispiel al-Dabiq, die weit über ihre Anhängerschaft hinaus reichen.
Über sie werden mehrere Radio-Stationen betrieben, wie etwa "al-Bayan" in Mossul und al-Raqqa.
Sie pflegt zahlreiche Online-Blogs, über die ihre Botschaften weltweit in mehreren Sprachen übersetzt werden.
Die Haushaltskommission
Diese Kommission verwaltet unter der derzeitigen Leitung von Mustafa Mohammad Karmush die Einkünfte und überwacht die Ausgaben der Organisation für die Geldeinnahmen. Die Einnahmen der IS stammen aus unterschiedlichen Geldquellen:
Steuern und Gebühren
Spenden
Verwaltung von eroberten noch intakten Wirtschaftsbetrieben
Ölressourcen: IS eroberte mehrere Öl- und Gasfelder in al-Raqqa, al-Hassaka und Deir-A‘Zor.
Getreide und Baumwolle
Fabriken: In Sheikh Najjar und Aleppo nahm der IS mehrere Fabriken ein.
Lösegelder und Schutzgelderpressung
Kunsthandel: IS stahl u.a. antike Statuen vom Nationalmuseum in al-Nabak und verkaufte sie.
Der Militärrat
Der Militärrat besteht aus 9 bis 13 Mitgliedern und wird vom zweiten Stellvertreter von al-Baghdadi, seit Juni 2014 von Abu Muslim al-Terkmani (Fadel al-Hayali) geleitet. Er hat den von Januar-Juni 2014 eingesetzten Abu Abd Alrahman al-Bilawi (Adnan al-Bilawi), vorher Haji Baker (Samir al-Khliefawi) abgelöst, die beide in Syrien im Kampf gegen die Rebellen getötet wurden.
Der Rat besteht aus sogenannten Kateh-Führern (قاطع). Jede der 9-13 Kateh umfasst drei Brigaden. Zu jeder Brigade gehören 300 bis 350 Kämpfer.
Der Rat umfasst darüber hinaus mehrere Fach- und Spezialgruppen, die etwa für die Bereiche strategische Planung, Selbstmordattentate, Frauen und Waffenproduktion zuständig sind.
Sicherheitsrat
Die meisten Mitglieder des Sicherheitsrats sind ehemalige Offiziere des irakischen Geheimdienstes. Der Chef dieses Apparats ist heute Abu Ali al-Anbari und weist mehre Fachgruppen an, die sich um folgende Aufgaben kümmern:
Schutz des Kalifats
Schutz der Organisation vor Infiltration
Beobachtung der Handlungen von Leitungspersonen des IS
Postdienste
Eine spezielle Einheit für Entführungen und gezielte Mordanschläge
Der Zivile Verwaltungsrat
Derzeit umfasst das von der IS eroberte und verwaltete Territorium einen weiten Bereich, der von ihm in 16 sogenannten "Wilaya" im Sinne von Verwaltungseinheiten aufgeteilt wurden. Jede Wilaya wurde wiederum in mehrere "Katehs" (Kreise) aufgeteilt. Jede Kateh verwaltet mehrere Städte und Vororte.
Zu jeder Wilaya gibt es
einen Wali, der als eine Art Gouverneur zu verstehen ist
einen sogenannten Militär-Amir, als militärischen Anführer
ein Sicherheits-Amir
einen Scharia-Amir
ein Medien-Büro.
Dieselbe Struktur findet sich auch für die jeweiligen Katehs und in den Städten, sodass sie sich nach unten hin immer weiter auffächert. Für die Zivilverwaltung gibt es eine Vertretung des Kalifen.
Dieser Apparat verwaltet die bürokratischen Angelegenheiten des täglichen Lebens der Zivilbevölkerung. Er hat zuletzt sogar moderne Ausweise für die Organisations-Angestellten erstellt. Dort werden die Eheschließung dokumentiert, neue Geburten eingetragen und die Preise und die Lieferung der Nahrungsmittel kontrolliert.
Der IS versucht moderne Systeme zu etablieren. So hat er z.B. einen Experten auf diesem Bereich kontaktiert, der in dem Syrischen Oppositions-Regierung arbeitet, und ihm das ca. Dreifache seines Gehaltes geboten plus mehrere Privellegien, damit er ihnen als Berater fungiert.
Schlussfolgerungen
Insgesamt lässt sich aus der näheren Betrachtung der derzeitigen Organisationsweise des IS und seiner Leitfiguren schließen, dass es sich hierbei um eine irakische Organisation handelt, die im Irak ihren territorialen Anker geschlagen hat und sich von dort aus sukzessive weiterentwickelt und ihre Herrschaft über verschiedene Länder hinweg ausbreiten konnte. Die optimalen Rahmenbedingungen für ihre Expansion haben sich für die IS erst mit der wachsenden Instabilität und den blutigen Kämpfen in Syrien ergeben.
Die maßgeblichen Anführer des heutigen IS werden von der Vorstellung geleitet, eine "islamische Herrschaft" wieder einführen zu müssen. Mit dieser Vorstellung geht die Überzeugung einher, dass sich dies einzig über den Rückgriff auf ein über 1000 Jahre altes Strafrecht mitsamt dem zu seiner Zeit verhängten drastischen Vollstreckungen bewerkstelligen lässt. Zugleich bedienen sie sich solcher Instrumente moderner Nationalstaaten, die das Individuum einer vollkommenen Kontrolle unterwerfen und in seinen Freiheitrechten einschränken. Über entsprechende machterhaltende Werkzeuge schaffen sie sich die Möglichkeiten und die Kapazitäten, das Wertesystem der zu regierenden Gesellschaften zu kontrollieren bzw. auch mit den vorhandenen modernen Tools zu manipulieren. Der IS verwendet dazu in äußerst effektiver Weise die Medien, das Bildungssystem und die vor Ort herrschende zentrale Gesetzgebung, um den von ihm regierten Bevölkerungsgruppen seine Ideen einzuimpfen.
In seiner gegenwärtigen Form vereint der sogenannte Islamische Staat organisationsstrukurelle Elemente der bürokratisierten und professionalisierten Aufgabenteilung moderner Staatssysteme einerseits mit mafiaähnlichen Strukturen bzw. einem Patronage-und Klientel-System auf der anderen Seite, das gut mit bestehenden Stammeskulturen der Region korrespondiert. Dennoch ist der IS kein regionales Phänomen, sondern als Ausgeburt dortiger Instabilität und Despotismus als ein Produkt der Globalisierung zu werten, das sich wiederum stark auf modernen Kommunikationstechnologien und überregionale Netzwerke stützt.
Literatur/Quellen
Die Information in diesem Artikel stammen aus unterschiedlichen Quellen und entsprechen dem Stand von Ende 2014. Unten sind die Hauptquellen aufgeführt:
Seit 9/11 ist das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit immer wieder Gegenstand kontroverser Debatten. Es lassen sich durchaus verschiedene Antworten formulieren auf die Frage, welchen Stellenwert…
Der Aufstieg des Salafismus ist nach Meinung von Guido Steinberg eine welthistorische Entwicklung. Welche Möglichkeiten haben Staat und Gesellschaft, darauf einzuwirken – und…
Viele der Tatbeteiligten in Paris und Brüssel sind in Frankreich und Belgien aufgewachsen und haben sich dort radikalisiert. Auch in Deutschland radikalisieren sich junge Muslime. Für die…
Wie hat sich der jihadistische Salafismus in Syrien in den vergangenen zwei Jahren entwickelt? Welche Hauptströmungen gibt es? Wie stehen sie zueinander? Ghiath Bilal mit einer Einschätzung.
ist in Damaskus aufgewachsen, hat in Deutschland studiert und arbeitet im Bereich des Business Developement und als strategischer Analyst.
Ihre Meinung ist uns wichtig!
Wir laden Sie zu einer kurzen Befragung zu unserem Internetauftritt ein. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um uns bei der Verbesserung unserer Website zu helfen. Ihre Angaben sind anonym.