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NATO-Einsatz im Kosovo | NATO - Nordatlantikpakt | bpb.de

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NATO-Einsatz im Kosovo Militärische Maßnahmen der NATO ab 1999

Markus Kaim

/ 4 Minuten zu lesen

Der Militäreinsatz im Kosovo 1999 gilt als äußerst umstritten. Die NATO griff ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrates ein. Nach Ende der Militäroperation wurde von den UN die KFOR eingerichtet.

Nach dem Ende der umstrittenen NATO-Militäroperation im Kosovo wurde die Kosovo Force (KFOR) im Jahr 1999 vom UN-Sicherheitsrat eingerichtet. (© picture-alliance/dpa, Matthias Schrader)

Das Engagement der NATO im Kosovo ist in zwei Abschnitte aufzuteilen:

Die Operation Allied Force war eine von März bis Juni 1999 andauernde Militäroperation der Allianz, die die Regierung der Bundesrepublik Interner Link: Jugoslawien nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen von Rambouillet dazu bewegen sollte, einer politischen Lösung des Interner Link: Kosovo-Konflikts zuzustimmen. Daneben war es das Ziel, die Regierung unter Präsident Slobodan Milošević zum Rückzug der Armee aus dem Kosovo zu zwingen und so die Übergriffe auf die albanische Bevölkerungsgruppe zu beenden. Die NATO flog innerhalb von zweieinhalb Monaten mehr als 38.000 Kampfeinsätze. Die NATO-Operation erfolgte ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates.

Die Kosovo Force (KFOR) wurde nach dem Ende dieser Militäroperation im Jahr 1999 vom Interner Link: Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) eingerichtet. Die NATO stellt seitdem die KFOR; der Einsatz dauert bis heute an. Ziel der KFOR war zu Beginn die Verbesserung der humanitären Lage im Kosovo, die sichere Rückkehr der Flüchtlinge, die Sicherheit des internationalen Personals und die Unterstützung der Übergangsverwaltung der UN im Kosovo (UNMIK). Heute trägt die KFOR weiterhin zur Aufrechterhaltung eines sicheren Umfelds im Kosovo bei und soll die Bewegungsfreiheit aller Bevölkerungsgruppen gewährleisten.

Weitere Hintergründe zum Kosovo-Krieg

Aufgaben der NATO-Truppen

Vergleichbar mit den Interner Link: NATO-Einsätzen Implementation Force (IFOR) und Stabilization Force (SFOR) in Bosnien Herzegowina zielt die KFOR-Präsenz vor allem darauf, den Ausbruch von erneuten Feindseligkeiten zwischen der serbischen und der kosovo-albanischen Bevölkerung zu verhindern, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, den vereinbarten Waffenstillstand durchzusetzen sowie die Rückkehr von serbischen Sicherheitskräften in das Kosovo zu verhindern. Gleichzeitig sollten die Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) und andere kosovo-albanische Gruppen entwaffnet werden.

Für die KFOR stellten die NATO-Mitgliedstaaten sowie Partnerländer zunächst rund 50.000 Soldatinnen und Soldaten. Aufgrund politischer Fortschritte in den serbisch-kosovarischen Beziehungen und der verbesserten Sicherheitslage konnte die NATO die KFOR-Truppenstärke erheblich reduzieren. Sie lag zuletzt (Stand: August 2024) bei rund 4.500 Soldatinnen und Soldaten.

Mandatsgrundlage

Der Einsatz der NATO im Kosovo 1999 war ein Wendepunkt in der Geschichte der Allianz und des Interner Link: Völkerrechts. Erstmals in seiner Geschichte trat der Nordatlantikpakt außerhalb des Territoriums der NATO-Mitgliedstaaten militärisch offensiv in Aktion. Die NATO griff mit ihrer Operation Allied Force allerdings ohne ein Interner Link: Mandat des UN-Sicherheitsrates ein – auch wenn eine Reihe von Resolutionen des Gremiums als „Vorbereitung“ eines solchen gelesen werden können.

Die NATO argumentierte hier mit der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft zum Schutz der Zivilbevölkerung: Wenn in einem Land die Menschenrechte aufs Schlimmste verletzt würden oder dies drohe, wie Beobachtende für die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo befürchteten, und der UN-Sicherheitsrat durch das Veto einer Großmacht gelähmt sei – hier: der russischen Unterstützung für den serbischen/jugoslawischen Verbündeten -, dürften andere Staaten militärisch intervenieren, um den bedrängten Zivilisten beizustehen. Das Modell einer sogenannten humanitären Intervention, das wenige Jahre später die Grundlage für die Doktrin der Interner Link: „Responsibilty to Protect“ bilden sollte, mag moralisch akzeptabel erscheinen. Das geltende Völkerrecht sieht diese aber nicht vor. Denn das strenge, unter dem Eindruck der zwei Weltkriege erlassene Interner Link: Gewaltverbot der UN-Charta geht vor. Kritikerinnen und Kritiker warnten vor allem davor, dass die internationale Gemeinschaft mit der Billigung eines derartigen Vorgehens einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen hätte, dem weitere Großmächte in anderen Konflikten bald folgen würden.

Das Mandat der KFOR-Operation ist hingegen unstrittig – es ergibt sich aus der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates. Sie operiert gemäß Interner Link: Kapitel VII der UN-Charta („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“). Am 17. Februar 2008 erklärte sich die Republik Kosovo unabhängig. Die KFOR führt seither ihren Einsatz im Land mit Zustimmung der kosovarischen Regierung fort.

Deutsche Beteiligung

An der Operation Allied Force beteiligte sich auch die Bundeswehr. So flogen deutsche Kampflugzeuge Luftangriffe gegen jugoslawische Ziele. Es war das erste Mal seit 1945, dass sich deutsche Soldatinnen und Soldaten an einem Kampfeinsatz beteiligten.

Seit 1999 gibt es ein Mandat des Deutschen Bundestages für eine deutsche Beteiligung an KFOR, das auf Antrag der Bundesregierung jährlich fortgeschrieben wird, zuletzt im Mai 2024. Anfangs entsendete die Bundeswehr bis zu 8.500 Soldatinnen und Soldaten in das Kosovo. Das aktuelle Mandat gestattet den Einsatz von bis zu 400 deutschen Soldatinnen und Soldaten.

Bilanz

Der Konflikt um das Kosovo schwelt weiterhin, sodass der KFOR-Einsatz auch nach 25 Jahren weiter andauert. Vor allem im Norden des Landes, an der Grenze zu Serbien (dem Nachfolgestaat der Bundesrepublik Jugoslawien), besteht nach wie vor Konflikt- und Eskalationspotenzial. In der mehrheitlich von ethnischen Serbinnen und Serben bewohnten Region kommt es immer wieder zu Interner Link: Spannungen und auch gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den kosovo-albanischen Behörden und Bevölkerungsgruppen: Im Mai 2023 gab es infolge der Kommunalwahlen im Nordkosovo Zusammenstöße; dabei wurden etwa 30 NATO-Soldatinnen und Soldaten verletzt. Im September 2023 überfielen paramilitärische Kräfte eine kosovarische Polizeistreife, ebenfalls im Norden des Landes; drei Angreifer und ein Polizist wurden dabei getötet. Kurz darauf verschanzten sich die Angreifer im serbisch-orthodoxen Kloster Banjska bei Mitrovica. Dies war der schwerste gewaltsame Zwischenfall in der Region seit Jahren.

Die Rolle der NATO wird von den Bemühungen der Europäischen Union (EU) um eine politische Einhegung dieses Konfliktes begleitet: Seit 2011 führen Kosovo und Serbien einen von der EU moderierten Dialog, der auf ein umfassendes Abkommen zielt, das alle strittigen Fragen regelt und zur regionalen Stabilität beiträgt. Im Frühjahr 2023 einigten sich Kosovo und Serbien im Rahmen dieses Formats auf ein Grundlagenabkommen, mit dem sich die beiden Länder faktisch (aber nicht rechtlich) anerkennen. Doch die angestrebte Normalisierung der Beziehung in einem europäischen Rahmen lässt weiter auf sich warten.

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Dr. Markus Kaim ist Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte. Als Senior Fellow in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin verfasste er mehrere Textbeiträge für das Dossier NATO auf bpb.de. Seit Mai 2024 leitet er das Referat „Geoökonomie und Sicherheitspolitik“ im Bundesministerium der Finanzen (BMF).