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NATO-Einsatz in Bosnien und Herzegowina | NATO - Nordatlantikpakt | bpb.de

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NATO-Einsatz in Bosnien und Herzegowina Militärische Maßnahmen der NATO zwischen 1992 und 2004

Markus Kaim

/ 4 Minuten zu lesen

Auf der Grundlage eines UN-Mandats griff die NATO 1992 in den Bosnienkrieg ein. Heute bemüht sich Bosnien und Herzegowina um einen NATO-Beitritt.

Französische Soldaten der Internationalen Friedenstruppe in Bosnien (IFOR) bewachen 1995 auf einer Straße im Stadtteil Dobrinja einen Kontrollpunkt, der zwischen Stellungen der serbischen und bosnischen Armee liegt. (© picture-alliance/dpa, epa)

Bei der NATO-Operation in Bosnien und Herzegowina handelt es sich um eine Reihe von militärischen Maßnahmen der Allianz zwischen 1992 und 2004. Das erklärte Ziel bestand darin, im Auftrag der Interner Link: Vereinten Nationen (UN) während des Interner Link: Bosnienkriegs und nach seinem Ende einen dauerhaften Frieden zwischen den Konfliktparteien zu schaffen. Der Konflikt hatte sich entlang der ethnischen Volkgruppen aus bosnischen Serbinnen und Serben und kroatischen sowie muslimischen Bosnierinnen und Bosniern entzündet.

Weitere Hintergründe zum Bosnienkrieg

Zwischen 1992 und 1995 waren die Hauptaufgaben der NATO vor allem die Überwachung des von den UN verhängten Waffenembargos und die Durchsetzung der von den UN beschlossenen Flugverbotszone. Das militärische Engagement des Bündnisses weitete sich als Folge des Friedensvertrags von Dayton im November 1995 erheblich aus. Zur Umsetzung beziehungsweise Absicherung der erzielten Vereinbarungen wurde die NATO-geführte Implementation Force (IFOR) eingesetzt.

Neun Jahre lang konnten zuerst die einjährige IFOR und die darauf folgende Stabilization Force (SFOR) der NATO den Wiederausbruch militärischer Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen in Bosnien und Herzegowina verhindern und die politische Stabilität im Land gewährleisten. Der NATO-Einsatz folgte dabei der 1992 aufgestellten United Nations Protection Force (UNPROFOR) und hat diese Aufgabe nach der erkennbaren Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2004 an die Europäische Union (EU) übergeben. Bis heute sind mehr als 1.000 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina präsent.

NATO-Operationen in Bosnien und Herzegowina

  • Durchsetzung des Waffenembargos der UN auf See durch die NATO-Operationen Maritime Monitor (1992), Maritime Guard (1992-1993) und Sharp Guard (1993-1996)

  • Durchsetzung der Flugverbotszone der UN über Bosnien und Herzegowina durch die NATO-Operationen Sky Monitor (1992-1993) und Operation Deny Flight (1995), dabei auch direkte Luftangriffe gegen Ziele der bosnischen Serben (Operationen Deadeye und Deliberate Force, 1995) zur Unterstützung der UN-Friedenstruppen in Jugoslawien (UNPROFOR)

  • Militärische Durchsetzung des Dayton-Vertrags und Friedenssicherung durch die Implementation Force (IFOR) von Dezember 1995 bis Dezember 1996 sowie die Stabilisation Force (SFOR) von Dezember 1996 bis Dezember 2004

Aufgaben der NATO-Truppen

IFOR wie SFOR überwachten die Umsetzung der militärischen Aspekte des Friedensabkommens von Dayton, das den Bosnienkrieg 1995 beendete. Dessen Ergebnis war der souveräne Staat Bosnien und Herzegowina, der sich aus der bosnisch-kroatischen Föderation von Bosnien und Herzegowina und der serbisch dominierten Republika Srpska zusammensetzt. Beide Landesteile verfügen dabei weiterhin über ihre im Konflikt eingesetzten Streitkräfte.

Die NATO-Truppen sollten das Ende der Feindseligkeiten gewährleisten und die Konfliktparteien dauerhaft voneinander trennen. Sie überwachten die vereinbarte Übergabe von Gebieten zwischen den Volksgruppen, gewährleisteten die Rückkehr von Flüchtlingen und patrouillierten die in Dayton festgehaltenen Gebietsgrenzen. Sie halfen bei der Räumung von vermintem Gelände und bei der Ermittlung und Verhaftung von Personen, die vor dem Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, ICTY) wegen Kriegsverbrechen angeklagt waren. Die IFOR verfügte über eine 60.000 Personen starke Truppe; die SFOR umfasste dann nur noch 31.000 Soldatinnen und Soldaten. Bis 2004 reduzierte die NATO die Truppenstärke schrittweise auf 7.000.

Mandatsgrundlage

Der UN-Sicherheitsrat richtete im Dezember 1995 die IFOR ein, präzisierte ihre Aufgaben in diesem Konfliktkontext und beauftragte die NATO, die erreichten Waffenstillstandsvereinbarungen durchzusetzen sowie den angestrebten Truppenrückzug der Konfliktparteien zu überwachen. Es handelte sich – wie auch 1996 bei der SFOR – um eine friedenserhaltende Operation gemäß Interner Link: Kapitel VII der UN-Charta („Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“). An diesem NATO-Einsatz, der erstmalig über die Rolle der NATO als kollektives Verteidigungsbündnis hinaus ging, beteiligten sich auch 17 Partnerländer der Allianz, unter anderem Russland und die Ukraine. So unterstand – heute angesichts der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen unvorstellbar - eine russische Brigade mit 1.500 Soldatinnen und Soldaten im Norden des Landes einem US-amerikanischen Kommando.

Deutsche Beteiligung

Die Bundeswehr stellte bis zu 4.000 Soldatinnen und Soldaten für IFOR beziehungsweise SFOR. Auch nach der Übergabe der Mission an die EU beteiligte sich Deutschland zunächst bis zum Jahr 2012 noch mit einem kleinen Truppenkontingent. Die Interner Link: politische Lage in Bosnien und Herzegowina vor den dortigen Wahlen 2022 sowie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine erforderten nach Ansicht der Bundesregierung dann wieder ein verstärktes militärisches Engagement bei EUFOR Althea. Das von tiefen Spaltungen geprägte Land ist EU-Beitrittskandidat und gilt als anfällig für Destabilisierungsversuche Russlands – insbesondere über die mit Serbien verbundene und mit Abspaltung drohende Republika Srpska. Anlässlich der weiterhin bestehenden ethnischen Spannungen mandatierte der Bundestag zuletzt ein Kontingent von 50 Soldatinnen und Soldaten für diese Mission. Das aktuelle Mandat wurde 2024 um ein weiteres Jahr bis Ende Juni 2025 verlängert.

Bilanz

Der NATO-Einsatz konnte die unmittelbaren Kriegshandlungen in Bosnien und Herzegowina beenden und das Land vordergründig befrieden. Eine dauerhafte politische und gesellschaftliche Einigung beziehungsweise Versöhnung konnte jedoch nicht in dem gleichen Maß erreicht werden. So ist das Land bis heute politisch und ethnisch tief gespalten: Interner Link: Bosnien und Herzegowina besteht weiterhin aus zwei Entitäten: der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska. Jede Entität hat ihre eigenen politischen Institutionen, darunter Präsidentschaften, Parlamente und Regierungen. Die Beziehungen zwischen den drei Hauptethnien – muslimischen, serbischen und kroatischen Bosnierinnen und Bosnier – sind nach wie vor angespannt. Die politischen Parteien sind ethnisch geprägt, was zu einer tiefen Spaltung im Land führt.

Bosnien und Herzegowina strebt eine NATO-Mitgliedschaft an. Bereits im Dezember 2006 wurde das Land Teil des NATO-Programms „Partnerschaft für den Frieden“. Bosnien und Herzegowina beteiligte sich als Partnerstaat etwa an dem Interner Link: NATO-Einsatz in Afghanistan. Seit 2010 nimmt das Land an dem Aktionsplan für Beitrittskandidaten (Membership Action Plan, MAP) teil. Dieses Programm berät und unterstützt beitrittswillige Staaten während ihrer Vorbereitungen auf eine mögliche NATO-Mitgliedschaft. Seit 2022 ist Bosnien und Herzegowina zudem offiziell Beitrittskandidat der Europäischen Union.

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Dr. Markus Kaim ist Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte. Als Senior Fellow in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin verfasste er mehrere Textbeiträge für das Dossier NATO auf bpb.de. Seit Mai 2024 leitet er das Referat „Geoökonomie und Sicherheitspolitik“ im Bundesministerium der Finanzen (BMF).