Artikel 5 des
QuellentextArtikel 5 des Nordatlantikvertrags
„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.
Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.”
Quelle: Externer Link: NATO
Auch wenn innerhalb der
Aus historischer Perspektive waren die Verhandlungen um Artikel 5 und die Gewichtung des Bündnisfalls innerhalb der NATO kein einfacher Prozess. Der britische Außenminister Ernest Bevin galt dabei als richtungsweisende Kraft und war federführend im Verfassen von Artikel 5. Das Ziel bestand darin, die USA an die Sicherheit und Stabilität europäischer Staaten zu binden und langfristig die US-Sicherheitsgarantien gegen die Bedrohung durch die Sowjetunion zu bewahren. Ursprünglich sollte der Wortlaut zur kollektiven Verteidigung vom
QuellentextKollektive Verteidigung im Brüsseler Vertrag
Article IV: "If any of the High Contracting Parties should be the object of an armed attack in Europe, the other High Contracting Parties will, in accordance with the provisions of Article 51 of the Charter of the United Nations, afford the Party so attacked all the military and other aid and assistance in their power."
Artikel IV: „Sollte eine der Hohen Vertragsparteien in Europa Gegenstand eines bewaffneten Angriffs sein, werden die anderen Hohen Vertragsparteien gemäß den Bestimmungen von Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen der angegriffenen Partei alle in ihrer Macht stehenden militärischen und sonstigen Mittel zur Verfügung stellen.“
Quelle: Externer Link: NATO (deutsche Übersetzung durch bpb)
Bündnisfall nach 9/11
In der Geschichte der NATO wurde Artikel 5 bisher nur einmal ausgelöst. Dies geschah nach den
Auf die Angriffe vom 11. September 2001 und die Ausrufung des Bündnisfalls folgten weitere militärische Operationen der NATO oder einzelner Mitglieder: Einzelne NATO-Staaten übernahmen das Kommando über die von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene
Bündnisfall nach dem 11. September 2001Die acht Maßnahmen der NATO
Am 4. Oktober 2001 einigten sich die damals 19 Mitgliedstaaten des Nordatlantikrats einstimmig auf ein Paket von acht Maßnahmen zur Unterstützung der USA.
Verbesserter Informationsaustausch und Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung (bilateral und innerhalb der NATO-Strukturen)
Unterstützung derjenigen Staaten, die durch ihr Anti-Terror Engagement höheren Risiken terroristischer Anschläge ausgesetzt sind
Erhöhung der Sicherheit von US-Einrichtungen (auch außerhalb der USA)
Bereitstellung von NATO-Mitteln zur Terrorismusbekämpfung
Überfluggenehmigungen zur Terrorismusbekämpfung
Zugangsgenehmigungen zu Häfen und Flugplätzen zur Terrorismusbekämpfung
Stationierung Ständiger Seestreitkräfte im östlichen Mittelmeer
Einsatz Teile der NATO Airborne Early Warning Force für die Terrorismusbekämpfung
Die Anwendung des Artikel 5 beschränkt sich basierend auf Artikel 6 des Nordatlantikvertrags auf das geographische Territorium der NATO-Mitgliedstaaten sowie ihrer international tätigen Streitkräfte. Mit der Entscheidung von 1951 wurden die Überseegebiete der Mitgliedstaaten inbegriffen. Mit jeder NATO-Erweiterung vergrößert sich das Territorium unter Artikel 5.
Ausweitung auf Cyber- und Weltraumsicherheit
Aufgrund technischer Fortschritte und dem Wandel der sicherheitspolitischen und strategischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert haben die NATO-Mitgliedstaaten auf ihrem
Debatten um den Bündnisfall
Die Debatten um Artikel 5 bleiben trotz dessen Anpassungen nicht aus. Umso mehr, als nach dem Ende des Kalten Kriegs die
Seit der
Ein Großteil der Abschreckungsfähigkeit der NATO beruht auf dem Vertrauen darin, dass die Mitgliedstaaten und insbesondere die USA ihren Verbündeten im Falle eines Angriffs militärisch beistehen. Wiederholte Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten und voraussichtlich erneuten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump drohen, dieses Vertrauen zu beschädigen. Trump stellte zuletzt erneut infrage, ob die USA bei einem Angriff Russlands auf das Bündnisgebiet militärisch Hilfe leisten würden. Diese Verunsicherung der Verbündeten hatte bereits während seiner letzten Präsidentschaft (2017 bis 2021) dazu geführt, dass die europäischen Staaten über eine eigene strategische Autonomie bzw. Souveränität und Sicherheitsstrukturen abseits der NATO diskutierten.
Zugleich gibt es das politische Bekenntnis zur NATO und ihrer Beistandspflicht in europäischen Staaten. Nach dem russischen Angriffskrieg versicherte beispielsweise der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz „jeden Quadratzentimeter“ des Bündnisgebiets zu verteidigen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron revidierte seine Aussage von 2019, die NATO sei „hirntot“. Zugleich betonte er die Bedeutung und Wirksamkeit von Artikel 5 für die Abschreckung gegenüber Russland.
Eine Reihe an Studien zeigen außerdem, dass das öffentliche Meinungsbild in den NATO-Mitgliedstaaten zur Beistandspflicht ihres Landes variiert und sich mit der sicherheitspolitischen Lage verändert: Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 gab es in vielen NATO-Mitgliedstaaten keine Mehrheit für den militärischen Beistand nach Artikel 5.
Auch in anderen Staaten hat die russische Aggression zu einem radikalen Wandel der öffentlichen Meinung gegenüber der NATO geführt: So sind mit Finnland 2023 und Schweden 2024 zwei europäische Staaten der NATO beigetreten, die sich traditionell außen- und sicherheitspolitisch neutral positioniert hatten. Beide Länder gaben ihre jahrzehnte- bis jahrhundertelange militärische Bündnisfreiheit auf, nach dem sich die öffentliche Meinung innerhalb nur eines Jahres zugunsten eines NATO-Beitritts praktisch gedreht hatte. Der Kern von Artikel 5, das gegenseitige Vertrauen darauf, sich gemeinsam gegen Angriffe zu verteidigen, bleibt demnach bis heute das zentrale Versprechen der NATO.