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Der Nordatlantikvertrag | NATO - Nordatlantikpakt | bpb.de

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Der Nordatlantikvertrag

Nele Marianne Ewers-Peters

/ 6 Minuten zu lesen

Der Nordatlantikvertrag wurde am 4. April 1949 unterzeichnet. Er formuliert den rechtlichen Rahmen der NATO sowie die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten.

Die USA gelten als wichtigster militärischer Pfeiler der NATO: Außenminister Dean Acheson unterschreibt am 4. April 1949 in Washington den Nordatlantikvertrag. Links neben ihm stehen US-Vizepräsident Alben W. Barkley (ganz links) und US-Präsident Harry Truman. (© picture-alliance, ASSOCIATED PRESS | Uncredited)
Zitat

„Die Parteien dieses Vertrags […] sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten. Sie sind bestrebt, die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlantischen Gebiet zu fördern. Sie sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen. Sie vereinbaren daher diesen Nordatlantikvertrag: [...]“

Mit dieser Präambel beginnt der Nordatlantikvertrag, den die zwölf Gründerstaaten des Nordatlantikpakts (North Atlantic Treaty Organization, NATO) am 4. April 1949 unterzeichneten. Das Übereinkommen lässt sich auch als Beginn der Neuordnung Westeuropas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstehen. Der Zusammenschluss von Staaten des Nordatlantikraums zu einem militärischen Bündnis geschah vor dem Hintergrund des aufziehenden Kalten Kriegs zwischen den USA und der Sowjetunion. Die europäischen Mitgliedstaaten sahen sich durch die sowjetische Expansion in Osteuropa direkt bedroht. Die ersten vierzig Jahre der NATO waren somit durch den Konflikt zwischen Ost und West, zwischen kapitalistischen und kommunistischen Ideologien, geprägt.

Ein Bündnis des Kalten Kriegs

Bereits direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs versuchten europäische Staaten, ein Bündnis zum Erhalt von Frieden, Sicherheit und Stabilität in Europa einzugehen. So unterzeichneten Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Großbritannien im Jahr 1948 den Interner Link: Brüsseler Pakt, auch mit dem Ziel, neue Gefahren einzudämmen: So richtete sich der Pakt zunächst nicht nur gegen eine sowjetische Expansion, sondern auch gegen eine mögliche Aggression durch einen neu gegründeten deutschen Staat. Der Vertrag von Brüssel sowie dessen spätere Erweiterung um die Bundesrepublik Deutschland und Italien im Jahr 1954 und die damit einhergehende Gründung der Interner Link: Westeuropäischen Union (WEU) waren maßgebend für weitere sicherheitspolitische Kooperation. Der Brüsseler Pakt gilt daher als Vorreiter der heutigen NATO.

Vor allem Großbritannien unter Winston Churchill hatte frühzeitig erkannt, dass nicht nur eine erneute Stärkung Westdeutschlands, sondern auch die expansionspolitischen Pläne der Sowjetunion zur Gefahr für den noch jungen und fragilen Frieden in Europa werden könnten. Die Briten waren daran interessiert, die US-Amerikaner langfristig an Europa zu binden, um so nachhaltig für Sicherheit und Stabilität zu sorgen und suchten eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit mit den USA. Während Geheimverhandlungen zwischen Vertretern von Großbritannien, Kanada und den USA Anfang 1949 entstand die Idee eines Verteidigungspakts. Im April 1949 unterzeichneten schließlich zwölf Staaten den Nordatlantikvertrag in Washington DC, USA. Daher wird der Vertrag auch „Washingtoner Vertrag“ genannt.

Zu den Gründungsstaaten der NATO gehörten Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Island, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA. Seitdem versteht sich die NATO als ein regionales Militärbündnis zur kollektiven Verteidigung der Vertragspartner. Die NATO beruft sich dabei auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, der Staaten das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung erteilt.

Inhalte des Nordatlantikvertrags

Der Nordatlantikvertrag besteht neben der Präambel aus 14 Artikeln, die seit der Unterzeichnung nicht verändert, angepasst oder erweitert wurden. Als vertragliche Grundlage der NATO bestimmt er jedoch nur den rechtlichen Rahmen. Die Allianz wurde über die Jahre durch weitere Protokolle sowie Strategische Konzepte inhaltlich und strategisch ergänzt.

Kurz erklärtDie Strategischen Konzepte der NATO

Der Nordatlantikvertrag formuliert den rechtlichen Rahmen der NATO sowie die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten. Die Strategischen Konzepte vereinbaren die politische und militärische Ausrichtung der Allianz. Sie definieren das strategische und geopolitische Umfeld, beschreiben aktuelle und künftige Bedrohungen und Herausforderungen und bieten Orientierungshilfen, mit diesen umzugehen. Die politischen und militärischen Strategischen Konzepte galten während des Kalten Krieges als geheime Dokumente. Heute sind die politischen Strategischen Konzepte öffentlich zugänglich, während die militärischen Strategischen Konzepte noch immer klassifiziert und damit unter Verschluss sind. Sie sind einerseits nach innen gerichtet und dienen der gemeinsamen Strategiesetzung zwischen den NATO-Mitgliedern. Zugleich betonen sie nach außen – auch an potentielle Gegner – die sicherheitspolitische Einheit und militärische Abwehrfähigkeit der NATO.

Bindung an die UN-Charta und Demokratie

Mit Artikel 1 verpflichten sich alle Mitgliedstaaten zur friedlichen Beilegung von Konflikten. Zugleich verzichten sie auf die Drohung und Anwendung von Gewalt, die nicht im Einklang mit der UN-Charta sind. Artikel 2 sieht die Förderung freier, demokratischer Institutionen und die Beseitigung von Konflikten in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen durch Zusammenarbeit vor.

In Artikel 3 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die eigenen Fähigkeiten und Kapazitäten zur kollektiven Verteidigung zu stärken. Artikel 3 dient als Grundlage für die militärische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, verpflichtet die Mitgliedstaaten gleichzeitig aber auch dazu, ihre Verteidigungsfähigkeit zu erhalten und auszubauen.

Artikel 4 ermöglicht es einem Mitgliedstaat, die anderen NATO-Mitglieder zu Beratungen zu rufen, wenn dieser seine eigene Unabhängigkeit oder territoriale Integrität bedroht sieht. Artikel 4 regelt also die politische Dimension der NATO. Solche sogenannten politischen Konsultationen wurden bisher siebenmal einberufen: Die Türkei nutze Artikel 4 fünfmal – 2003 in Reaktion auf den bewaffneten Interner Link: Konflikt im benachbarten Irak, zweimal im Jahr 2012 im Zusammenhang mit dem Interner Link: Konflikt in Syrien, 2015 nach Terroranschlägen auf türkischem Territorium und 2020 nach dem Tod türkischer Soldaten bei syrischen Luftangriffen. Polen berief sich 2014 auf Artikel 4 als Reaktion auf die Interner Link: russische Annexion der zur Ukraine gehörenden Krim. Acht osteuropäische Mitgliedstaaten – Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei – beriefen politische Konsultationen im Jahr 2022 ein als Reaktion auf den Interner Link: russischen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine.

Der Bündnisfall und das Vertragsgebiet

Artikel 5 wird oft als dasInterner Link: Kernelement des Nordatlantikvertrags und der NATO verstanden. Auf dieser rechtlichen Grundlage kann ein Mitgliedstaat den sogenannten Bündnisfall ausrufen, wenn ein „bewaffneter Angriff“ gegen ihn oder andere Vertragsstaaten erfolgt ist. Denn mit Artikel 5 gilt das Prinzip der kollektiven Verteidigung getreu dem Motto: „einer für alle, alle für einen“. Ein Angriff auf ein NATO-Mitglied wird somit als ein Angriff auf das gesamte Bündnis verstanden. Es besteht jedoch keine automatische Beistandspflicht: Zunächst müssen im Nordatlantikrat alle NATO-Mitgliedstaaten den bewaffneten Angriff als solchen anerkennen und dem Bündnisfall zustimmen. Der angegriffene Staat informiert dann über mögliche Reaktionsoptionen und jeder Mitgliedstaat entscheidet für sich, welche Art von Beistand er leisten möchte (z.B. militärisch, finanziell, politisch) und darf über die eigenen Maßnahmen bestimmen. Nach den Interner Link: Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA hat die NATO zum ersten und bisher einzigen Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall ausgerufen.

In Artikel 6 wird geografisch bestimmt, wann ein bewaffneter Angriff auf das Vertragsgebiet der NATO für den Bündnisfall in Frage kommt. Neben den Staatsgebieten der NATO-Mitglieder in Europa und Nordamerika fallen darunter zum Beispiel auch das Mittelmeer, die militärischen Stützpunkte und Überseegebiete von Staaten wie Frankreich und Großbritannien sowie grundsätzlich die Gewässer und Gebiete des Nordatlantiks. Man spricht bei Letzterem auch von dem Gebiet „nördlich des Wendekreises des Krebses“.

Artikel 7 weist auf das Primat der Interner Link: Charta der Vereinten Nationen und dessen Sicherheitsrat hin. Dies heißt, dass die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats Vorrang vor denen der NATO haben und die NATO in ihren Aktionen und Entscheidungen die Charta der UN jederzeit respektieren muss. Mit Artikel 8 wird dies dadurch bekräftigt, dass die Rechte und Pflichten unter dem Nordatlantikvertrag nicht im Widerspruch mit anderen internationalen Abkommen stehen.

Erweiterungen und Austrittsmöglichkeiten

Artikel 9 legt fest, wie die NATO institutionell aufgebaut werden soll, ausgehend vom Nordatlantikrat (NAC ), in dem alle Mitgliedstaaten vertreten sind und welcher als Hauptentscheidungsgremium dient. Im NAC sollen anschließend weitere Gremien und Organe der Allianz beschlossen und gegründet werden. Mit Artikel 10 verweist die NATO auf mögliche Erweiterungen der Allianz um andere europäische Staaten. Seit 1952 sind 20 weitere Staaten aufgenommen worden. In Artikel 10 wird auch die Sonderrolle der USA in der NATO unterstrichen, da die Beitrittsurkunde eines jeden neuen Mitgliedstaates bei der US-Regierung hinterlegt werden muss.

In den Artikeln 11 bis 14 werden die vertraglichen Formalitäten der NATO geregelt: der Ratifikationsprozess der Gründungsstaaten, das Begutachtungs- und Überarbeitungsverfahren zehn Jahre nach dem Unterzeichnen des Nordatlantikvertrags sowie die Kündigungsmodalitäten, wenn ein Mitgliedstaat den Austritt aus der NATO wünscht. Die Austrittsbestimmungen wurden 1969 um eine einjährige Kündigungsfrist ergänzt. Austritte aus der NATO gab es in der 75-jährigen Geschichte nicht – auch wenn einige Mitglieder sich zeitweise militärisch aus der Allianz zurückgezogen hatten. Laut Artikel 14 wird der Nordatlantikvertrag in englischer und französischer Fassung in den Archiven der US-Regierung aufbewahrt. Der Nordatlantikvertrag läuft ohne ein Vertragsende und ist damit unbegrenzt gültig.

Fussnoten

Fußnoten

  1. NATO (1949): The North Atlantic Treaty, Washington DC, 4. April 1949, online verfügbar unter: Externer Link: https://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_17120.htm.

  2. de Leornardis, Massimo (2023) The Historical Roots of the Atlantic Alliance Between Values and Interests. In: Massimo de Leornardis (Hrsg.) NATO in the Post-Cold War Era: Continuity and Transformation, Basingstoke: Palgrave Macmillan, 23-44; Giegerich, Bastian (2012) Die NATO, Wiesbaden: Springer VS.

  3. Giegerich, Bastian (2012) Die NATO, Wiesbaden: Springer VS. Pedlow, Gregory W. (1997) NATO Strategic Documents 1949-1969, Mons: Historical Office / Surpreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Nele Marianne Ewers-Peters für bpb.de

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Dr. Nele Marianne Ewers-Peters ist Assistant Professor for European Security an der Faculty of Arts and Social Sciences der Maastricht Universität. Zuvor arbeitete sie u.a. am Lehrstuhl für Internationale Sicherheit und Konfliktforschung der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf der NATO, der Europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Sicherheitskooperation und Global Governance.