Sicherheit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen aller Bereiche des öffentlichen Lebens sowie Grundbedarf aller natürlichen und sozialen Systeme. Als konstitutiver Bestandteil des demokratischen Staatsauftrages ist sie Basis für Handeln und Planen und eine enorme Herausforderung nicht nur bei der Abwehr extremer Gefahrenpotentiale wie Terrorismus oder Katastrophen. Obwohl sich viele Forschungsbereiche mit "Sicherheit“ auseinandersetzen und sie Bestandteil verschiedener Diskurse ist, bleibt sie begrifflich eine unklare Größe, die einem permanenten Wandel unterlegen ist.
Bisher ist es der Politikwissenschaft nicht gelungen, eine abschließende bzw. wirklich zufriedenstellende Definition des Terminus Sicherheit zu finden. Das ist umso erstaunlicher, als er schon seit der Prägung des Begriffs der inneren Sicherheit in den 1960er-Jahren von zentraler Bedeutung ist. Die im angelsächsischen und amerikanischen Sprachraum gängige Unterscheidung zwischen Security (am ehesten mit "Angriffssicherheit“ gleichzusetzen) und Safety (am ehesten mit "Betriebssicherheit“ gleichzusetzen) findet im Deutschen keine Entsprechung. Allerdings reicht das simple Ausweichen auf englische Terminologien nicht aus, um die Vielfalt und Vielschichtigkeit des Begriffs der Sicherheit zu erfassen. Denn er war und ist einer spezifischen Prägung im deutschen Sprachraum ausgesetzt.
Die Schwierigkeit bei der Definition besteht darin, dass Sicherheit ein "catch-all-Begriff“ der modernen Welt
Unstillbares Sicherheitsbedürfnis
Der ständige Ruf nach Kompetenzerweiterung des Staates aufgrund ständig neuer "Bedrohungen“ stellt eine maßgebliche Konstante in der Sicherheitsdiskussion dar.
Geradezu paradox erscheint, dass der Staat Opfer der eigenen Erfolge wird. Indem er für grundlegende Sicherheit sorgt und somit seiner hoheitlichen Aufgabe gerecht wird, schafft er weiter reichende Sicherheitsbedürfnisse der Gesellschaft. Der Staat erscheint immer weniger in der Lage, diese komplexen Bedürfnisse zu befriedigen. Er kann sie allerdings auch nicht abweisen, ohne die eigene Legitimationsgrundlage, also explizit die Gewährleistung von Sicherheit, zu untergraben.
Anknüpfend daran kann die zentrale Aufgabe der Sicherheitsakteure nur darin bestehen, Unsicherheiten zu reduzieren. Dies umfasst zwei Dimensionen: zum einen die tatsächliche Unsicherheit, ausgelöst durch Gefahren und Risiken, zum anderen die "gefühlte“ Unsicherheit. Beiden Dimensionen versuchen die Akteure im Bereich der inneren Sicherheit zu begegnen.
Verschiedene Perspektiven
In der Forschung hat sich eine segmentierte Betrachtung der jeweiligen Politikfelder durchgesetzt. So besteht auch weiterhin eine klare Trennung zwischen den Forschungsgebieten der inneren
Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur in den letzten 40 Jahren über 9 000 deutsche Titel
Zum Wandel des Sicherheitsbegriffs
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt sich die Tendenz seitens der Sicherheitsakteure, bei der Herstellung von Sicherheit, stärker auf zeitliche Begrifflichkeiten wie präventiv, präemtiv, reaktiv, proaktiv zurückzugreifen. So wurde beispielsweise die Bedrohungsabwehr zunehmend durch die Risikovorsorge abgelöst.
Sicherheit hat sich zu einem der zentralen, wenn nicht dem zentralen Wertebegriff demokratischer Gesellschaften entwickelt. Konkurrierten noch vor einigen Jahren die Begrifflichkeiten "Frieden“ und "Sicherheit“ um die Vorrangstellung in Parteiprogrammen und Strategiediskussionen, so ist "Sicherheit“ heute Ausgangspunkt jeglichen Handelns nationaler und internationaler Politik – unabhängig von parteipolitischer Couleur und Interessenslage. Dabei hat sich der Begriff längst auch auf andere Politikfelder ausgeweitet.
Unbestritten ist Sicherheit ein individuelles und kollektives Grundbedürfnis, das sowohl durch die Gemeinschaft bedient als auch gemeinschaftlich befriedigt wird. Sicherheit bedeutet die Abwesenheit von Gefährdung sowie den Erhalt der psychischen und physischen Unversehrtheit "in einer das Überleben ermöglichenden Umwelt".
"Innere Sicherheit" und "öffentliche Sicherheit"
Das Politikfeld der inneren Sicherheit ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass neben den Akteuren des politisch-administrativen Systems eine Vielzahl von weiteren gesellschaftlichen und politischen Akteuren integriert ist.
Der Begriff "innere Sicherheit" spielte zu Anfang im politischen Rahmen, insbesondere bei Wahlkämpfen, eine besondere Rolle.
Rechtlich ist der Begriff jedoch nicht klar definiert, auch wenn sich im Strafgesetzbuch gesondert einzelne Verweise finden. Hier wird explizit die innere Sicherheit aus einer traditionellen und nationalstaatlichen Perspektive als Bestandteil der "staatlichen Sicherheit" neben der "äußeren Sicherheit" gesehen. Der Begriff wird also aus einer juristischen Betrachtung in einen strafrechtlichen Kontext gesetzt und bezieht sich somit auf die Bekämpfung von Kriminalität. Genau betrachtet umfasst "innere Sicherheit" alle strafrechtlich sanktionierten kriminellen Aktivitäten im "Inneren der Bundesrepublik, genauer: ein möglichst weit gehendes Verhindern von Kriminalität".
Der Staat steht dabei durch seine originäre Funktion und Legitimierung als Gewaltmonopolist im Zentrum. Er soll einen Rahmen schaffen, der dem Individuum ein Leben in Würde (in Anlehnung an das Grundgesetz) und Freiheit garantiert. Dafür muss er über die reine Kriminalitätsbekämpfung hinausgehen und weitere Bereiche wie beispielsweise den Schutz vor Naturkatastrophen und Krankheiten mit pandemischen Ausmaßen sowie ökonomische Sicherheit (wirtschaftliche Stabilität) gewährleisten. Durch die zunehmende Komplexität von Schadensszenarien und vernetzten Bedrohungen verschwinden die "klassischen" Strukturen der inneren Sicherheit. Weiter zunehmen wird die Bedeutung von bisher (auch in der Forschung) vernachlässigten Akteuren beispielsweise des Bevölkerungsschutzes.
"Erweiterter Sicherheitsbegriff"
Der erweiterte Sicherheitsbegriff ist ein Sammelbegriff für eine ganze Reihe von neuen Rahmenbedingungen: inhaltliche Ausweitung des Begriffs auf andere Politikfelder, eine zunehmende Zusammenführung von innerer und äußerer Sicherheit und damit einhergehend eine zunehmende Internationalisierung.
Eine neue Sicherheitsarchitektur etabliert sich, die verstärkt nichtstaatliche Akteure einbezieht. Innere und äußere Sicherheit werden stärker miteinander verkoppelt,
Äußere Sicherheit löst sich von der Grundannahme, dass sie als Abwehr von Bedrohungen des eigenen Landes, die von anderen Staaten oder von nicht-staatlichen Akteuren jenseits der Landesgrenzen ausgehen,
Auch im Bereich der äußeren Sicherheit stehen zunehmend andere, nichtstaatliche Akteure und Institutionen im Fokus: Mit UNO, EU sowie internationalen Regimen setzen sich weitere Akteure mit der Bekämpfung von transnationaler Kriminalität und Terrorismus auseinander. Laut dem Politikwissenschaftler Wilfried von Bredow muss "im Zuge der Globalisierung […] jedes Land Sicherheit in globalen Horizonten definieren. Zudem muss es bereit sein, durch die Mitgliedschaft in der UN Beiträge unterschiedlichster Art zur ‚internationalen Sicherheit’ (früher Weltfrieden) zu leisten".
Bei einer detaillierten Untersuchung zeigt sich, dass mit der Aufhebung der tradierten Linien zudem verfassungsrechtliche, rechtsstaatliche, bürgerrechtliche, parlamentarische und zu guter Letzt auch demokratische Schutzgüter erodieren.
"Sicherheitskultur"
Die Erweiterungen vollziehen sich dem Politikwissenschaftler Christopher Daase zufolge in vier Dimensionen: der Referenzdimension (die Frage, wessen Sicherheit gewährleistet werden soll), der Sachdimension (also in welchem Problembereich die politischen Sicherheitsgefahren gesehen werden), der Raumdimension (für welches geographische Gebiet Sicherheit angestrebt wird) und der Gefahrendimension (wie das Problem konzeptualisiert wird, auf das die Sicherheitspolitik antworten soll).
Das Begriffsverständnis hat sich seither stark gewandelt. Aus der Wahrnehmung, was als Gefahr bewertet wird, in Kombination mit dem verstärkten Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft und dem breiten Sicherheitsversprechen des Staates lässt sich beispielsweise ein Wandel der "Sicherheitskultur" ableiten.
Neue Akteure im Politikfeld
Für die Akteure im Bereich der inneren Sicherheit ergeben sich dadurch eine ganze Reihe von Neuerungen. Es entstehen neue Formen der Kooperation, wie beispielsweise Sicherheitspartnerschaften, besonders auf kommunaler/regionaler Ebene zwischen Polizei, Privatwirtschaft und Bevölkerung. Dabei kommt es zu einer Öffnung von öffentlichen Verwaltungsorganisationen gegenüber anderen Akteuren. Dieser Wandel beschreibt die Tendenz zu mehr Heterogenität (verschiedene Akteure) und Offenheit (Abhängigkeit der Aufgabendurchführung von Verbänden und (zivil)gesellschaftlichen Akteuren) in diesem Politikfeld.
In den klassischen Kategorien (staatlich versus privat, innere versus äußere Sicherheit, organisierte Kriminalität versus Terror, politisches versus sportliches Großereignis usf.) nicht (mehr) greifbare Phänomene erfordern sowohl andere Wissensstrategien als auch andere Strategien der Organisation des Handelns.
Fazit und Ausblick
Sicherheit und Unsicherheit sind ohne einander nicht zu denken und ein der Gesellschaft inhärenter Teil. Mit einem mehr oder minder großen "Restrisiko" muss versucht werden, in konstruktiver, diskursiver Weise umzugehen. Das scheint besonders in der Politik auf Schwierigkeiten zu stoßen.
Der Diskurs hat sich von der statischen Enge der 1950er- und 1960er-Jahre aufgrund neuer Anforderungen von außen und sich wandelnder politischer Sicherheitslagen verabschiedet und ist im Bewusstsein gesellschaftlicher Funktionszusammenhänge aller Art angekommen. Das verwendete Begriffsfeld hat sich enorm vergrößert und die Problemerfassung dadurch verfeinert. Dennoch ist eine gewisse Statik nach wie vor nicht von der Hand zu weisen. Der Brückenschlag zu einer notwendig dynamischeren Auffassung wird durch die Fokussierung auf den Umgang mit Sicherheit geschaffen, auf die Art und Weise, wie Sicherheit oder vielmehr Unsicherheit auf allen Ebenen begegnet wird. Begrifflich spiegelt sich diese Auffassung in der "Sicherheitskultur" wider (auch wenn der Begriff "Unsicherheitskultur" streng genommen präziser wäre), dessen Reichweite die Notwendigkeit einer interdisziplinären Forschung und Weiterentwicklung voraussetzt.
Aufgrund der starken Dynamik erscheint eine Normierung nahezu abwegig. Normativer Rahmen bei der Produktion und Gewährleistung relativer Sicherheit und bei der Reduzierung von Unsicherheit muss das Grundgesetz sein, denn Sicherheit ist konstitutiver Bestandteil des demokratischen Staatsauftrags in einer pluralistischen Gesellschaft. Die Frage ist, wie dieser Rahmen gesetzt wird und wie man sich innerhalb dieses Rahmens in dem nicht lösbaren Spannungsverhältnis bewegt.
Die Idee der Sicherheit kann dabei nur eine Navigationshilfe, ein Leitstern sein. Man kann sich – ähnlich einem Seefahrer – an diesem Leitstern orientieren und mit seiner Hilfe die Richtung bestimmen. Man darf ihn aber nie erreichen, denn dann hat man etwas falsch gemacht.