In Deutschland liegt das Gewaltmonopol beim Staat. "Gewaltmonopol" bedeutet, dass ausschließlich staatliche Organe physischen Zwang ausüben dürfen und dass jede Form der Selbstjustiz durch Bürgerinnen und Bürger verboten ist.
Alle staatlichen Institutionen sind unterschiedlichen Formen der Kontrolle, zum Beispiel durch eine kritische Berichterstattung in den Medien oder durch interne Kontrollprozesse, unterworfen, die ein verbessertes Verhältnis zwischen den Institutionen und der Öffentlichkeit erreichen sollen. Formell ist die Kontrolle der Polizei über die Gerichtsbarkeit vorgesehen.
Die Situation in der Bundesrepublik Deutschland
Damit die Polizei ihren gesetzlichen Auftrag wahrnehmen kann, ist ihr notfalls der Einsatz unmittelbaren Zwangs erlaubt, also die Ausübung von physischer Gewalt. Dabei muss sich die Polizei immer an geltendes Recht halten.
So kann auch die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Handlung mit einer Anzeige in Frage gestellt und durch ein Gericht überprüft werden. Hat eine Person dies getan, liegt in der Regel ein Anfangsverdacht vor. Die Staatsanwaltschaft ist dann zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet. Diese werden durch ein Ermittlungsverfahren von der Polizei selbst geleistet, wenn sie als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft in Erscheinung tritt. Sind die Ermittlungen abgeschlossen, prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und Anklage erhoben oder andernfalls das Verfahren eingestellt wird.
Neben dieser strafrechtlichen Kontrolle hat sich in Deutschland auch eine politische Kontrolle etabliert. Diese üben einerseits die parlamentarischen Kontrollgremien in Form der regelmäßig tagenden Innenausschüsse oder der extra einberufenen Untersuchungsausschüsse des Bundestags und der Landtage, aus. Diese beschäftigen sich beispielsweise mit besonderen Großeinsätzen, spektakulären Einzelfällen und Strukturfragen.
Eine weitere Ebene der Kontrolle ist die administrative interne Kontrolle. Die Polizei ist durch einen hierarchischen Verwaltungsaufbau gekennzeichnet, in dem der Einzelne dem jeweiligen Vorgesetzten und die oberste Behördenleitung der Verantwortlichkeit des jeweiligen Innenministeriums untersteht. Beim Verdacht eines Verstoßes gegen Verhaltensvorschriften kann ein internes Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Auch gibt es in einigen Bundesländern bereits seit längerem ein zentrales Beschwerdemanagement der Polizei.
"Im Beschwerdeverfahren werden die betroffenen Dienstkräfte angehört und aufgefordert, sich zu den Vorwürfen schriftlich zu äußern. Die oder der Vorgesetzte prüft und bewertet den Vorgang und leitet ihn an die zuständige Beschwerdestelle weiter, die Ihnen nach einer abschließenden Prüfung das Ergebnis mitteilt." (Externer Link: http://www.berlin.de/polizei/aufgaben/beschwerden/)
Damit wird die Eingangsfrage – "Wer überwacht die Wächter?" – in Deutschland derzeit so beantwortet, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte die Arbeit der Polizei strafrechtlich überprüfen. Daneben findet über Disziplinarverfahren, den behördeninternen Polizeibeschwerdestellen sowie der hierarchischen Verantwortlichkeiten der jeweiligen vorgesetzten Ebenen und der Behördenleitungen eine interne Kontrolle statt. Die politische Kontrolle haben die Parlamente sowie die kritische Öffentlichkeit inne. Somit wird in Deutschland die Polizeiarbeit strafrechtlich, administrativ, politisch sowie durch die Öffentlichkeit kontrolliert.
Sind neue Lösungsansätze für ein altes Problem notwendig?
Kritiker, wie Prof. Tobias Singelnstein
Die Staatsanwaltschaft bedient sich bei der praktischen Ermittlungstätigkeit der Polizei als Ermittlungsbehörde. Sie ist zwar "Trägerin" und "Leiterin" der Ermittlungsverfahren, greift aber zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Strafverfolgung auf die Hilfe der Polizei zurück.
Auch wird Kritik geübt von Organisationen wie Amnesty International, wonach das Kontrollinteresse der Staatsanwaltschaft geringer werden kann, je enger sie mit der Polizei zusammenarbeitet.
Die Einstellungsquote bei Verfahren gegen Polizistinnen und Polizisten beträgt in Deutschland zurzeit über 95 Prozent, in nur 3 Prozent der Fälle wird überhaupt Anklage erhoben. Manche interpretieren diese Zahlen als Beleg für die tadellose Arbeit der Polizei. Andere Akteure sehen in diesen Zahlen einen Hinweis auf die mangelnde Wirksamkeit der derzeitigen Ermittlungspraxis gegen Polizeibeamte in Deutschland.
Neben der institutionellen Nähe zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei gilt ein Aspekt der polizeilichen Berufskultur - die "Mauer des Schweigens" - als Hauptproblem. Diese sei ein gruppenpsychologisches Phänomen: Polizisten verstünden sich mit ihren Kollegen häufig als eine "Gefahrengemeinschaft", der gegenüber sie nicht illoyal sein wollen. Das könne sich, so der Verdacht, auf die Aussagebereitschaft von Polizisten und Polizistinnen gegen ihre Kollegen und Kolleginnen auswirken.
Solchen Handlungsmustern entgegenzuwirken wäre in erster Linie eine Aufgabe der vorgesetzten Ebene in der organisationsinternen Hierarchie der Polizei. Die Wirksamkeit der internen Kontrolle innerhalb der Polizei wird jedoch bezweifelt. Vorgesetzte hätten häufig nur geringe Informationsverarbeitungs- und Weisungskapazitäten.
Kritiker zweifeln darüber hinaus die Effektivität der parlamentarischen Kontrolle der Polizei an. Die regelmäßige enge politische Verbindung zwischen parlamentarischer Mehrheit und der Regierung könne einen subjektiv gebremsten Drang der Parlamentsmehrheit nach effizienter Überwachungstätigkeit auslösen
Aus diesen Gründen regen Menschenrechtsorganisationen wie u.a. Amnesty International, die Humanistische Union, die Internationale Liga für Menschenrechte, das Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein die Einführung eines von der Staatsanwaltschaft und Polizei unabhängigen Untersuchungsmechanismus an.
Alternative Kontrolle der Polizeiarbeit?
Vielerorts wird die Eingangsfrage nach der Kontrolle der Polizei dadurch beantwortet, dass diese "besondere Kontrolle" nicht vom Polizeiapparat selbst geleistet wird. Kritiker sind der Meinung, dass es externer, nicht-polizeilicher Einrichtungen bedarf, welche die Polizei kontrollieren. Dieses können unabhängige Untersuchungskommissionen wie in Irland, Großbritannien, den USA und Norwegen sein oder andere unabhängige Beschwerdeinstitutionen wie Polizeibeauftragte (Ombudsstellen), wie es sie in Kanada oder Australien gibt.
In Großbritannien werden beispielsweise die Untersuchungen in Fällen von mutmaßlichen gravierenden polizeilichen Fehlverhaltens von der Independent Police Complaints Commission (IPCC) durchgeführt. Eigene Ermittler kommen hier bei schwerwiegenden Angelegenheiten zum Einsatz, wie beispielsweise Schusswaffengebrauch mit tödlichem Ausgang oder Todesfälle in Polizeigewahrsam. In anderen Fällen werden die Ermittlungen wie in Deutschland von der Polizei selbst durchgeführt, allerdings überwacht diese dann nicht die Staatsanwaltschaft, sondern die IPCC.
Andere Modelle sind Beschwerdekommissionen, welche zumeist aus ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern bestehen, die entweder selbst Beschwerden nachgehen oder dies mit Unterstützung eines professionellen Arbeitsstabs tun. Dieses Modell ist u.a. in den USA verbreitet, wo in den letzten Jahrzehnten mehr als 100 unabhängige Polizeibeschwerdestellen entstanden sind.
Das Modell des Polizeibeauftragten – sogenannte Ombudsstellen oder -personen – ist ein weiterer Grundtypus der externen Kontrolle der Polizei. Diese Beauftragten sind meist hauptamtlich tätig und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer politisch-institutionellen Anbindung (beim Parlament oder der Regierung), ihrer Kompetenzen und ihrer Personalausstattung.
Auch in Deutschland hat die Diskussion über Alternativen zur bestehenden Kontrolle der Polizeiarbeit in letzter Zeit eine neue Dynamik bekommen. So beschlossen mehrere Landesregierungen neue Institutionen zu diesem Zweck, beispielsweise in Rheinland-Pfalz, wo die Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten Mitte Juli 2014 um den Bereich Polizei erweitert wurde. Auf der Externer Link: Homepage des Bürgerbeauftragten heißt es: "Er ist Ansprechpartner für Bürgerbeschwerden oder Anregungen zur Polizei des Landes. Ebenso können Polizeibeamte sich mit Eingaben im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Tätigkeit direkt und ohne Einhaltung des Dienstwegs an ihn wenden".
Trotz dieser Ansätze lassen sich in den Diskussionen über eine effektivere Kontrolle der Polizei in Deutschland bezüglich der Zielrichtung und der Zuständigkeit solcher Einrichtungen große Unterschiede beobachten. So sprechen sich viele Nichtregierungsorganisationen für die Einrichtung unabhängiger Untersuchungskommissionen bei Fällen mutmaßlichen polizeilichen Fehlverhaltens aus.
Die Gegner solcher Institutionen, wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Fazit
Die Arbeit der Polizei wird in Deutschland derzeit strafrechtlich, administrativ, politisch sowie von der Öffentlichkeit kontrolliert. Einige Kritiker bezweifeln die Effizienz dieser Kontrolle und sprechen sich für die Einführung alternativer Kontrollmechanismen wie unabhängigen Untersuchungskommissionen oder Polizeibeschwerdestellen aus. Die Gegner solcher Institutionen halten dagegen, das bestehende System sei ausreichend, bezweifeln den Mehrwert unabhängiger Kontrollinstitutionen und lehnen daher die Forderungen nach alternativen Kontrollmechanismen für die Polizei ab.
Gesetze wie das im Juli 2014 im Landtag Rheinland-Pfalz verabschiedete verdeutlichen, dass die Diskussion über Alternativen zur bestehenden Kontrolle der Arbeit der Polizei in Deutschland eine neue Dynamik gewonnen hat. Letztlich ist es eine politische Entscheidung, ob in Deutschland flächendeckend alternative Kontrollmechanismen für die Polizei eingeführt werden. Die Frage, wer die Wächter bewacht, ist jedenfalls auch nach über zweitausend Jahren Diskussion noch lange nicht abschließend beantwortet.