Für die Bürgerinnen und Bürger wird innere Sicherheit vor allem sichtbar durch die Präsenz von Polizei oder uniformiertem Ordnungsamtspersonal auf der Straße. Um sich deren direkten Zugriff zu entziehen, agieren Kriminelle oder Extremisten oft konspirativ, das heißt, sie versuchen, ihre Taten unbemerkt von Öffentlichkeit und Sicherheitsbehörden vorzubereiten. Sie handeln gezielt im Verborgenen und nutzen dabei zum Beispiel private Kommunikationsmittel wie Telefon und E-Mail oder treffen sich an Orten, an denen sie eine Überwachung durch die Behörden nicht befürchten.
Damit der Staat seinem Sicherheitsauftrag dennoch effektiv nachkommen kann, muss er sich ebenfalls konspirativer Maßnahmen und Mittel bedienen. Ziel ist es, geplante Straftaten oder extremistisches Handeln möglichst bereits im Vorfeld zu verhindern – oder sie im Nachhinein aufzuklären. Nur so kann der Staat seinen Strafanspruch durchsetzen beziehungsweise seinem Informationsauftrag gegenüber der Gesellschaft gerecht werden. Indem der Gesetzgeber den Sicherheitsbehörden konspirative Eingriffsmaßnahmen zur Verfügung stellt, soll also so etwas wie eine Chancen- oder Waffengleichheit zwischen Staat und potenziellen Straftätern oder Extremisten hergestellt werden.
Vielfältige Eingriffsbefugnisse
Neben Personal setzen die Sicherheitsbehörden zur Aufklärung technische Maßnahmen ein, da sie oftmals konspirativer und unauffälliger angewendet werden können. Den Sicherheitsbehörden stehen dazu vielfältige Mittel zur Verfügung, zum Beispiel:
technische Observationsmaßnahmen (zum Beispiel GPS-Ortung)
Telekommunikationsüberwachung (TKÜ; zum Beispiel Überwachung des Telefon- oder E-Mail-Verkehrs),
sogenannte Quellen-TKÜ (TKÜ zum Beispiel direkt am PC des Betroffenen durch den Einsatz entsprechender Software, Stichwort "Bundestrojaner"),
Videoüberwachung (zum Beispiel von öffentlichen Plätzen vor Bahnhöfen),
IMSI-Catcher (IMSI = International Mobile Subscribe Identity; Auslesen technischer Parameter von Handys)
Diese Aufzählung umfasst nicht alle Möglichkeiten. Weitere Maßnahmen sind in den Polizei- und Verfassungsschutzgesetzen der Länder und des Bundes zu finden. Auf zwei der oben genannten technischen Kontrollmaßnahmen soll im Folgenden kurz und exemplarisch eingegangen werden.
Technische Observationsmaßnahmen oft unauffälliger
Kern der Observation ist, die Bewegung des beziehungsweise der Verdächtigen und möglicher Kontaktpersonen zu ermitteln (sogenanntes Bewegungsbild). Die Observation kann nicht nur "klassisch", also durch die Vor-Ort-Beobachtung der Zielperson durch Sicherheitspersonal, sondern auch durch technische Maßnahmen erfolgen. So verfügen die Sicherheitsbehörden über Geräte, mit denen Bewegungsbilder erstellt, aufgezeichnet und im Nachhinein ausgewertet werden (sogenannte GPS-Tracker). In Krimis ist oft zu sehen, wie solche Geräte in die Autos von Verdächtigen eingebaut werden – genau so oder ähnlich geschieht das im wahren Leben tatsächlich. GPS-Tracker übermitteln in kurzen zeitlichen Abständen ihren Standort; mithilfe von Software lassen sich so Bewegungen verfolgen und auswerten. Der Einsatz dieser Handy-ähnlichen Geräte hat den Vorteil, dass die Observation mit großer Wahrscheinlichkeit unbemerkt und über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden kann. Auch die Standorte von Handys lassen sich mit entsprechender Software bestimmen.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Richtschnur
Die Rechtsgrundlagen dieser Maßnahmen finden sich in verschiedenen Gesetzen des Bundes und der Länder. Das Bundeskriminalamt (BKA) darf beispielsweise Observationen nach § 20g Absatz 2 Nummer 1 BKA-Gesetz (BKAG) durchführen und der Verfassungsschutz des Landes Thüringen nach § 6 Absatz 1 Thüringisches Verfassungsschutzgesetz (ThürVSG). Gemeinsam ist diesen Regelungen, dass sie keine Festlegungen über das "Wie" treffen, dass sie also die Frage offen lassen, ob den Betroffenen nur durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der jeweiligen Behörde gefolgt werden darf oder ob das Ziel auch durch technische Observationsmaßnahmen erreicht werden kann.
Dem Einsatz aller staatlichen Maßnahmen mit Eingriffscharakter ist gemein, dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Er besagt in etwa, dass stets die mildestmögliche Maßnahme zu wählen ist, das heißt die mit dem geringsten Eingriffscharakter. Eine Observation beispielsweise ist ein Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen; die Überwachung von Telefongesprächen ist ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis – doch dieses ist durch das Grundgesetz geschützt (Art 10). Daher gilt es jeweils abzuwägen, ob die technische Kontrollmaßnahme verhältnismäßig ist. Nicht jede Maßnahme darf also zur Ermittlung jedes strafbewehrten oder extremistischen Handelns durchgeführt werden. Mit dieser Einschränkung soll, bildlich gesprochen, verhindert werden, dass mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. So wäre es etwa unverhältnismäßig und daher nicht erlaubt, einen Falschparker beziehungsweise eine Falschparkerin per Observation zu überführen.
Eine allgemeine Befugnis, irgendeine technische Eingriffsmaßnahme anzuordnen, ohne diese auch nur im Ansatz zu beschreiben, wie sie etwa der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) im Nationalsozialismus zustand, haben die Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik nicht. Außerdem besagt die Gesetzeslage, dass eine jede Maßnahme, selbst die der Nachrichtendienste, voll gerichtlich überprüfbar sein muss.
Einhaltung der Verhältnismäßigkeit schwer zu überprüfen
Auch die Wahl der Observationsmethode unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. So gilt die Observation mit technischen Mitteln im Vergleich zur klassischen Observation als geringfügigerer Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen, da der Staat nicht mit eigenem Personal in diese eindringt. Daher ist ihr, wenn möglich, der Vorzug zu geben. Aber auch das Ziel der Observation spielt bei der Wahl zwischen technischer und klassischer Observation eine Rolle: Ist es für die Behörde wichtig, auch etwaige Kontaktpersonen zu benennen, so erscheint eine technische Maßnahme als weniger Erfolg versprechend; kann sie hingegen auf das Erheben von Kontaktpersonen verzichten, muss sie bei der Durchführung der Observation nicht auf eigenes Personal zurückgreifen.
Für die Betroffenen ist es schwierig zu überprüfen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten wurde. Denn natürlich wissen sie nicht, dass sie observiert werden, da dies die Überwachung ad absurdum führen würde. Die einschlägigen Gesetze sehen auch nicht zwangsläufig vor, dass die Betroffenen nach der Observation über diese informiert werden müssen.
Dies hat seinen Grund darin, dass die Observationen der Nachrichtendienste vielfach auf Dauer angelegt sind, um so über einen langen Zeitraum ein zum Beispiel extremistisches Personenpotenzial aufklären zu können. Würde man im Rahmen solcher Aufklärungsmaßnahmen einer Person mitteilen, dass sie observiert worden ist, könnte sich dies auf das Verhalten von Kontaktpersonen auswirken. Diese würden wohl, etwa bei der Planung terroristischer Anschläge, noch konspirativer agieren – mit womöglich fatalen Folgen für die Gesellschaft.
Behörden müssen sich selbst kontrollieren
Die Betroffenen können also die Rechtmäßigkeit einer Observationsmaßnahme nur im Ausnahmefall und dann ausschließlich im Nachhinein überprüfen lassen, etwa durch eine Klage beim Verwaltungsgericht. Das Gericht kann dann zumindest nach einer abgeschlossenen Observation feststellen, dass diese rechtswidrig war und eine vergleichbare Maßnahme in der Zukunft nicht stattfinden darf.
Daher muss die Einhaltung der Rechtmäßigkeit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zunächst durch die Behörde selbst gewährleistet werden. Natürlich ist es kritisch zu sehen, wenn dieselbe Behörde, die eine Maßnahme durchführt, deren Rechtmäßigkeit überprüfen soll. Dabei unterscheidet sich der Nachrichtendienst allerdings zunächst nicht von anderen Behörden, wie etwa Baubehörden. Ob nun abgelehnte Baugenehmigung oder angeordnete Observationsmaßnahme – beide Entscheidungen greifen in die Rechtssphäre der Bürgerinnen und Bürger ein, und die Behörden sind aufgrund des Rechtsstaatsgrundsatzes gehalten, rechtmäßig zu handeln. Unterschiedlich sind jedoch die betroffenen Bereiche der Rechtssphäre, in die eingegriffen wird. Und zweifellos sind Rechtsmittel insbesondere gegen Nachrichtendienste teilweise schwierig einzusetzen.
Um sicherzustellen, dass Observationsmaßnahmen nicht vorschnell und gegebenenfalls rechtwidrig durchgeführt werden, wird der Erlass einer solchen Maßnahme innerhalb der Behörde auf möglichst viele Schultern verteilt. Die entsprechenden Regelungen sehen vor, dass behördenintern mehrere Personen an der Anordnung beteiligt sind und sich gegenseitig kontrollieren. In Verfassungsschutzbehörden kann der Observationsantrag von einem Fachbereich entworfen, durch die Behördenleitung angeordnet und von einem anderen Fachbereich durchgeführt werden. Befürworter dieser Regelung argumentieren, dass dadurch behördenintern bereits eine dreifache Kontrolle gegeben sei.
TKÜ hat starken Eingriffscharakter
Die Überwachung der Telekommunikation verdächtiger Personen greift in den Kernbereich der Lebensführung ein, da sie deren Kommunikation direkt erhebt, und steht daher unter engen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Mit ihr lassen sich zum einen die Inhalte potenziell gesetzeswidriger Planungen abhören, zum anderen lässt sich das jeweilige Personennetzwerk aufklären.
Die ist TKÜ von besonderem Wert für die Sicherheitsbehörden, da andere Maßnahmen jeweils große Nachteile haben: So ist der Einsatz von V-Personen durch Nachrichtendienste nur eine Datenerhebung durch "Hörensagen" (die V-Person berichtet über den Betroffenen), eine Observation kann keine Kommunikation beim Betroffenen erheben, und das Sammeln von offenen Informationen, etwa durch Zeitungen und Internet, kann die Beweggründe des Betroffenen nicht aufklären.
Die gesetzlichen Regelungen zur Überwachung der Telekommunikation finden sich für alle Nachrichtendienste Deutschlands im Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes (Artikel 10-Gesetz) oder für die brandenburgische Polizei in § 33b des Polizeigesetzes des Landes Brandenburgs (BbgPolG). Diese Regelungen erlauben den Eingriff nicht nur in den Bereich der klassischen Telekommunikation mittels Telefon, sondern in alle Kommunikationsbereiche, die sich eines technischen Netzes zur Datenübertragung bedienen. Das gesprochene Wort ist also nur bedingt der Aufhänger für die TKÜ. Erfasst werden kann neben dieser klassischen Telekommunikation auch der Informationsaustausch per Voice over IP (VoIP; Telefonie über Internet oder allgemein Computernetzwerke) oder der E-Mail-Verkehr.
Anordnung der TKÜ bei Polizei und Geheimdiensten unterschiedlich
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer TKÜ unterscheiden sich zwischen Polizei und Nachrichtendiensten deutlich, befinden sich aber von ihrem Anspruch her auf einem ähnlich hohem Niveau. Nachrichtendienste dürfen die TKÜ beispielsweise nur dann durchführen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für geplanten Hochverrat, für Straftaten gegen den demokratischen Rechtsstaat, für die Bildung einer terroristischen Vereinigung oder für den Tatbestand der Volksverhetzung vorliegen.
Die Maßnahme wird, wenn sie durch das Bundesamt für den Verfassungsschutz durchgeführt wird, durch das Bundesinnenministerium angeordnet; wenn sie durch eine Landesverfassungsschutzbehörde durchgeführt wird, durch das jeweilige Landesinnenministerium. Da die Arbeit der Nachrichtendienste langfristig konspirativ angelegt ist, werden sie allerdings nicht durch ein Gericht "bestätigt", sondern durch eine eigens dafür durch das zuständige Parlament gegründete gerichtsähnliche Kommission (G10-Kommission des Bundestags beziehungsweise des jeweiligen Landtags). Diese entscheidet vor der Durchführung einer TKÜ über deren Zulässigkeit.
Die G10-Kommissionen werden durch den Bundes- oder den jeweiligen Landtag gewählt, ihr gehören aber nicht zwangsläufig Abgeordnete an. Dies soll sicherstellen, dass das Rechtmäßigkeitsempfinden von behörden- und parlamentsunabhängigen Personen berücksichtigt wird. Die Kommission ist, wie jedes Gericht, weisungsunabhängig und entscheidet frei.
Bei den Polizeien dagegen wird eine TKÜ im Regelfall vom zuständigen Amtsgericht angeordnet. Damit soll eine externe Rechtmäßigkeitsprüfung sichergestellt werden. Auch hier müssen tatsächliche Anhaltspunkte für gravierende Straftaten wie Mord und Totschlag, Menschenhandel oder schwerer Bandendiebstahl vorliegen.
TKÜ unterliegt Einschränkungen
Bei der Durchführung der TKÜ gilt für Polizeien wie für Nachrichtendienste, dass sie keine Daten erheben dürfen, die dem intimen Kernbereich der persönlichen Lebensführung zugerechnet werden. Als Beispiel dafür sei das klassische Schlafzimmergespräch über den Gesundheitszustand der Großmutter genannt. Ein solches Gespräch hat in aller Regel keinen Bezug zum Anlass der TKÜ. Daher ist es nach Aufnahme sofort zu löschen beziehungsweise gar nicht erst aufzuzeichnen. Ebenso gibt es strenge Vorgaben, was die Aufbewahrung der erhobenen Daten angeht. Der Grund dafür ist, dass die TKÜ in die persönlichste Lebensführung der Betroffenen eingreift und diese auch durch das Grundgesetz (z. B. Art. 1 Abs. 1 GG zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen) besonders geschützt wird.
Wegen des besonderen Eingriffscharakters der TKÜ sieht das Gesetz zudem vor, dass eine TKÜ nach ihrer Durchführung den Betroffenen in jedem Fall mitzuteilen ist – es sei denn, es bestehen gesetzliche Ausnahmen. Darin unterscheiden sich die TKÜ und andere Maßnahmen zur Aufzeichnung des gesprochenen Wortes – etwa der bekannte "Lauschangriff" – von sonstigen Eingriffsmaßnahmen, bei denen zum Beispiel nur der Aufenthaltsort ermittelt wird. Ähnliche Mitteilungspflichten bestehen auch bei der Polizei.
Anschließend können die Betroffenen durch eine Klage bei einem Verwaltungsgericht die die Rechtmäßigkeit der TKÜ überprüfen lassen. Hier kommt das Prinzip der Gewaltenteilung zum Tragen, denn das Gericht ist unabhängig von der Einschätzung der Behörde, auf deren Grundlage diese die Überwachung ursprünglich durchgeführt hat. Ein Blick in die Spruchpraxis der Gerichte zeigt, dass diese durchaus kritisch mit den Entscheidungen von Behörden umgehen.