Begriff und Bedeutung der Mobilität
Jeder will mobil sein, denn alle wollen immer irgendwohin. Mobilität stellt ein Grundbedürfnis aller Menschen dar. Sie beeinflusst unseren Alltag und den Wunsch, ein selbstbestimmtes Leben unabhängig von der Unterstützung und Fahrdiensten anderer führen zu können. Der Begriff Mobilität stammt aus dem Lateinischen (mobilitas), bedeutet Beweglichkeit, Veränderlichkeit und meint grundsätzlich jegliche Positionsveränderung (auch virtueller, geistiger, sozialer und kultureller Art). Im vorliegenden Text geht es vor allem um die Überwindung räumlicher Distanzen. Mobilität bedeutet Lebensqualität und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe.
UN-Behindertenrechtskonvention
Bereits 2009 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen an allen gesellschaftlichen Bereichen von Deutschland ratifiziert. Die in der UN-BRK formulierten Rechte sind also vom Staat entsprechend umzusetzen, so dass sie von Menschen mit Behinderungen gelebt werden können. Die UN-BRK geht ausdrücklich mit zwei Artikeln auf Mobilität ein. Artikel 9 fordert „Zugänglichkeit“
Barrierefreiheit
Die barrierefreie Gestaltung des Straßenverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind wesentliche Bedingungen für Mobilität und damit den Zugang zu allen notwendigen Lebensbereichen. Der Begriff Barrierefreiheit wird im § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes wie folgt definiert: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind“.
Mobilitätsbarrieren
Mobilitätseinschränkende Barrieren müssen zunächst erkannt und wahrgenommen werden. Neben den personenbezogenen Barrieren können Menschen auch durch sprachliche, soziale sowie sozioökonomische Barrieren mobilitätsbehindert werden. , z.B. können Probleme aufgrund der (eingeschränkten) Kommunikation, dem (rücksichtslosen) Verhalten anderer Verkehrsteilnehmenden sowie niedrigem Einkommen entstehen. Bei den Behinderungsformen lassen sich für die praktische Realisierung mobilitätsfördernder Angebote
Bewegen
Sehen
Hören
Verstehen / Orientieren
Sehen
Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, zu denen man – je nach Sehschärfe – Sehhinderungen (Schädigungen des Auges, z.B. Grauer Star, Grüner Star) bis zur Blindheit zählen kann, haben bei der Teilnahme am Straßenverkehr insbesondere Probleme
bei ausschließlich optisch vermittelten Informationen, z.B. nur optische Warnschilder, Linienbusnummern oder Haltestellen,
beim Auffinden des Weges, Erkennen von Gefahren und Hindernissen,
bei der visuellen Wahrnehmung von Personen und Gegenständen mit wenig Kontrasten und geringer Farbgestaltung.
Die Probleme potenzieren sich bei so genannten Shared-Space-Plätzen (dt. gemeinschaftlicher, zumeist städtischer Raum mit vielen gleichberechtigten Funktionen, wie Einkaufen, Aufenthalt, Bewegung usw.) mit einheitlichem Untergrund, bei Dämmerungen und schlechten Sichtverhältnissen. Eine relativ neue, jedoch durchaus problematische Barriere stellen die an jeder beliebigen Stelle des Gehweges abgestellte und umgestürzte E-Roller dar, die für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zur Stolperfalle werden können und nur schwer mit dem Blindenlangstock ertastbar sind.
Hören
Menschen mit Hörbeeinträchtigungen (Schwerhörigkeiten und Gehörlosigkeit) haben vor allem Probleme bei Informationen, die ausschließlich auditiv angeboten werden, z.B. Signale wie Hupen, Fahrradklingeln, Sirenen, Lautsprecheransagen. Auch hier stellt das Zwei-Sinne-Prinzip die erste Maßnahme der Barrierefreiheit dar: Alle Informationen müssen über einen anderen Sinn, z.B. optisch und/oder taktil vermittelt werden.
Bewegen
Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen können leichte bis schwere Bewegungseinschränkungen haben und von Hilfsmitteln (z.B. Gehhilfen, Rollator, Rollstuhl) abhängig sein. Zu den motorischen Beeinträchtigungen gehören z.B. Erkrankungen des Stützapparates und der Organe, zerebrale Bewegungsstörungen, chronische Krankheiten und Kleinwuchs. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr ergeben sich unterschiedliche Herausforderungen und Probleme, z.B. bei
Bordsteinen, Stufen, Treppen, stark geneigten Rampen,
zugeparkten Gehwegen und Straßenüberquerungen,
längeren Umwegen und Wartezeiten,
hoch angebrachten Bedienungselementen bei Aufzügen, Automaten.
Oberste Maßnahme zur Barrierefreiheit stellt das Fuß-Rad-Prinzip dar: Alles was zu Fuß erreichbar ist, muss auch mit Rädern (z.B. Rollstuhl) zugänglich sein. Hierzu zählen u.a. Rampen, Aufzüge, stufenlose und schwellenfreie Eingänge oder PKW-Stellwege für Rollstuhlfahrer.
Verstehen – Orientieren
Zu dieser Gruppe zählen Menschen mit Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten (Lernbehinderungen, geistige Behinderung). Es können sich Probleme ergeben
bei der Orientierung im Straßenverkehr, u.a. beim Aufsuchen der Bushaltestelle, beim Einsteigen in den richtigen Bus, etc.,
beim Lesen des Fahrplanes, vor allem wenn die Informationen ausschließlich mit Zahlen und Text angeboten werden,
aufgrund schneller Ablenkbarkeit und einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne,
aufgrund von Wahrnehmungs- oder Kommunikationsbeeinträchtigungen.
Maßnahmen der Barrierefreiheit stellen Informationen in Leichter Sprache, Bildsprache, Piktogramme und Orientierungssysteme dar, gemäß der sogenannten KISS-Regel: Keep it short and simple. Zu den Menschen mit Mobilitätseinschränkungen gehören – neben den oben genannten Gruppen – alle schwächeren Personengruppen, z.B. Kinder oder ältere Menschen. Jede/r von uns kann sehr schnell vorübergehend oder dauerhaft, z.B. durch Unfälle oder Krankheiten, beeinträchtigt werden. Auch Menschen mit Gepäck, Kinderwagen, einer vorübergehenden Verletzung (Gips, Schiene) können mobilitätsbehindert sein, es reicht auch, unterwegs zu sein ohne Lesebrille etc.
Problemfelder im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
Im Bereich des ÖPNV gibt es zahlreiche Mobilitätsbarrieren, die Menschen mit Behinderungen die selbständige Teilnahme und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren bzw. sogar verhindern. Anforderungen an barrierefreie Fahrzeuge im ÖPNV sind z.B.: - Stufen-, schwellen- und spaltenloser sowie neigungsarmer Zugang für alle Fahrgäste, Einsatz von Niederflurfahrzeugen, leicht erkennbare Piktogramme am barrierefreien Fahrzeugeingang, kontrastreiche optische Fahrzielinformationen.
Weiterhin müssen zugängliche und behindertengerechte WC-Räume in ausreichender Anzahl und hygienisch sauber zur Verfügung stehen. Barrierefreiheit ist ein Recht und damit gesetzlich bindend verankert. Neben der bereits genannten UN-BRK gibt es die Fahrgastrechteverordnung der EU, das Behindertengleichstellungsgesetz sowie das Personenbeförderungsgesetz, das im Folgenden näher beleuchtet werden soll. Der Bund hat im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) von 2013
Mobilitätsbildung
„Die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen gehört zu den zentralen Voraussetzungen einer selbstbestimmten Teilhabe“
Unfallrisiken
Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Rollen der Verkehrsteilnahme sollen im Folgenden exemplarisch die besonderen Unfallrisiken und Gefahrensituationen fokussiert werden, um häufigen Unfallursachen präventiv zu begegnen. Hauptunfallursachen beim Zufußgehen sind:
Falsches Verhalten beim Überqueren der Fahrbahn, vor allem an ungesicherten Stellen (Unterschätzen von Geschwindigkeit und Entfernung herannahender Fahrzeuge, plötzliches Hervortreten zwischen Sichthindernissen, Nichtbeachtung von Fahrzeugen etc.).
Benutzung des Smartphones (Telefonieren, Verfassen von Textnachrichten, Hören von Musik etc.) bei der Teilnahme am Straßenverkehr.
Beim Radfahren sind die häufigsten Unfallursachen:
Falsche Straßennutzung,
Fehler beim Abbiegen,
Verletzung von Vorfahrt- oder Vorrangregelungen,
falsche Geschwindigkeiten,
falsche Abstände zum Vorausfahrenden.
Auch hier gibt es – analog zum Zufußgehen – eine Erhöhung des Unfallrisikos bei Handynutzung auf dem Fahrrad.
Zusammenfassung
Menschen mit Behinderungen gehören zur Gruppe der mobilitätsbehinderten Menschen, die oftmals auf spezielle Fahrdienste und/oder Begleitungen angewiesen sind. Aber nur wer mobil ist, kann ein selbständiges und unabhängiges Leben führen. Mobil zu sein ist wesentlicher Bestandteil für Lebensqualität und stellt die Grundlage für Inklusion und Teilhabe dar. Voraussetzung ist eine entsprechende Mobilitätsbildung für alle sowie eine inklusive Verkehrspolitik mit größtmöglicher Barrierefreiheit. Dabei sollten Menschen mit Behinderungen unbedingt als Expertinnen und Experten in eigener Sache einbezogen werden, z.B. mit der Beteiligung regional verschiedenen behindertenpolitischen Netzwerken oder kommunalen Behindertenbeiräten.