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Workshop 1: "Unsere Landsleute"? Politische Diskurse in der 'russischsprachigen Diaspora': Probleme, Projekte, Kontroversen | Aussiedlung – Beheimatung – Politische Teilhabe | bpb.de

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Workshop 1: "Unsere Landsleute"? Politische Diskurse in der 'russischsprachigen Diaspora': Probleme, Projekte, Kontroversen

Yuriy Krotov

/ 4 Minuten zu lesen

Panelteilnehmer*Innen:

  • Viktor Ostrovsky, Bundesverband russischsprachiger Eltern, Köln

  • Oleg Zinkovski, rbb Funkhaus Europa, Berlin

  • Dr. Wolfgang Schälike, Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Kulturinstituts e.V., Dresden

  • Boris Feldman, Russkaya Germanija, Berlin

  • Alexander Reiser, Vision e.V., Berlin Marzahn

  • Albina Nazarenus-Vetter, Deutsche Jugend aus Russland, Frankfurt am Main

Moderation: Andreas Pankratz, Berlin/Köln

Panelteilnehmer*Innen des Workshop 1 (Björn Stysch) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die wichtigsten Fragen, denen man im Rahmen des Workshops die meiste Aufmerksamkeit widmete, waren die Folgenden: Welche Schlüsse wurden aus dem Fall Lisa gezogen? Gibt es unter den Russlanddeutschen eine Tendenz zu einer Sympathie für die AfD und weitere rechte Parteien? Ist die Islamophobie für Russlanddeutsche typisch? Braucht man eine politische Plattform in russischer Sprache?

Der rote Faden des Workshops war der Fall Lisa, der in mehreren Podien der Konferenz als "Elefant im Raum" bezeichnet wurde. Auch hier nahm der Moderator Andreas Pankratz Bezug auf das Ereignis schon bei seiner ersten Frage. Alexander Reiser aus dem Berliner Verein Vision e.V., den Andreas Pankratz als 'Pressesprecher' der russischsprachigen Community in Berlin-Marzahn vorstellte, stellte fest, dass die Entwicklungen sehr schnell gewesen seien und alle Akteure überrascht hätten. Die angesprochenen Gruppen hätten gar keine Möglichkeit gesehen, besonnen zu reagieren. Verschiedene Kräfte haben versucht den Fall für sich medial zu Nutze zu machen. Heute habe man aber aus dem Fall gelernt, dass man nicht immer glauben müsse, was medial verbreitet wird. Einen Fall Lisa werde es nicht noch einmal geben, so Reiser. Albina Nazarenus-Vetter, Verband der Deutschen Jugend aus Russland, Frankfurt am Main, glaubt, dass es die Tagung nicht gäbe, wenn es nicht zu dem Fall Lisa gekommen wäre. Frau Nazarenus-Vetter wunderte am meisten das Fehlen des Vertrauens in unseren Rechtsstaat bei den Demonstranten die für 'Lisa' auf die Straße gingen.

Schon die erste Frage aus dem Publikum griff die These an, dass die Russlanddeutschen einen überproportionalen Hang zur AfD haben. Zwischen den Teilnehmern entbrannte die Diskussion, ob dies ein speziell russlanddeutsches oder ein gesamtdeutsches Phänomen sei. Alexander Reiser stimmte zu, dass dieses Problem existiert. Dafür gebe es folgende Gründe: etablierte Parteien erkannten die Russlanddeutschen nach ihrer Ankunft nicht als Deutsche an, die NPD tat das aber. Russlanddeutsche brachten die Islamophobie aus Russland mit, die durch tschetschenische Kriege und Terrorakte in Russland entstanden war und durch russische Medien verstärkt wurde: daran kann die AfD anknüpfen. Soziale Probleme in Marzahn, die seit Jahrzehnten nicht bekämpft werden, führen zu einem Vertrauensverlust in der Politik: da kommt die AfD mit ihrem Versprechen, alles anders zu machen, gerade recht. Laut Viktor Ostrovsky, Bundesverband russischsprachiger Eltern, hat die AfD eine ganz klare Struktur und den politischen Willen die russischsprachige Zielgruppe anzusprechen, was die etablierten Parteien nicht getan haben. Andere Teilnehmer des Workshops sehen das anders: Russlanddeutsche seien auf gar keinen Fall extrem rechts, sondern eher wertkonservativ, deswegen seien die meisten bei der CDU zu finden. Die AfD fische primär bei sozial schwachen Bevölkerungsgruppen, so Albina Nazarenus-Vetter. Laut einer Studie der Nemzow- Stiftung seien 49% der Russischsprachigen dafür, die Grenzen zu schließen, was eine der zentralen Forderungen der AfD sei. Allerdings sei auch die Mehrheit der gesamtdeutschen Bevölkerung dafür. Deswegen könne man daraus nicht ableiten, dass die Russischsprachigen einer radikalen Weltanschauung generell offener gegenüber stehen, als die Deutschen ohne Migrationshintergrund, so Oleg Zinkovski, rbb Funkhaus Europa, Berlin.

Der These, dass es unter den Russischsprachigen viele Menschen mit Ängsten vor dem 'Islam' gibt, stimmten mehrere Teilnehmer zu. So brachte Viktor Ostrovsky ein Beispiel, das zur Kontroverse anregte. Er erzählte von einem Treffen mit den Kinderbetreuern seines Verbandes für Kinder aus russischsprachigen Familien. Man habe über mögliche Angebote für die Kinder von Geflüchteten gesprochen, worauf die Betreuer antworteten, dass wenn diese auch in ihre Einrichtungen kämen, würden die Eltern ihre Kinder nicht mehr bringen.

Laut Dr. Dr. h.c. Alfred Eisfeld, kann man ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Russischsprachigen generell und islamischen Völkern nicht übersehen werden. Zum Beispiel hätten die Russlanddeutschen, die aus Kasachstan nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Entstehung neuer Nationalstaaten wegziehen wollten, ihre Häuser dort nicht verkaufen dürfen. Gleichzeitig gab es eine Rückwanderung von Kasachen aus der Mongolei, aus China und aus Usbekistan, denen man dann diese frei werdenden Häuser übergab. Man müsse die Augen vor diesen Ereignissen nicht verschließen, die die Menschen geprägt hätten.

Zum Thema "politische Plattform in russischer Sprache" sagte Viktor Ostrovsky: die AfD gewinne an Anhängern bei den Russischsprachigen, weil sie diese in russischer Sprache und gut organisiert anspricht. Die einzige Möglichkeit diese Menschen zu entzaubern, wäre ein offener Dialog zwischen den Politikern aus den etablierten Parteien und denjenigen, die populistische Positionen vertreten. Ostrovsky betonte, dass für ihn die Muttersprache essentiell sei, um diese Menschen zu erreichen.

Fussnoten