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Dieser Beitrag erschien zuerst in dem Sammelband "Sie haben keinen Plan B", der von Jana Kärgel herausgegeben wurde. Der Sammelband kann im Shop der bpb
Straftaten im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien stellen die deutsche Strafjustiz vor eine erhebliche Herausforderung. Die Belastung für die Justiz ist insoweit exponentiell angestiegen. In der ersten Jahreshälfte 2016 wurden fast 800 Ermittlungsverfahren im Bund und in den jeweiligen Bundesländern gegen Islamisten geführt;
Aktuelle Zahlen Die islamistische Szene in Deutschland
Die islamistische Szene in Deutschland umfasste laut Bundesamt für Verfassungsschutz 27.480 im Jahr 2022 Personen. Diese lassen sich verschiedenen Gruppierungen zuordnen. Circa 11.000 Personen bundesweit rechnet der Verfassungsschutz dem Salafismus zu. Im Jahr 2011 waren es schätzungsweise 3.800 Personen. Die Millî Görüş-Bewegung und ihr zugeordnete Vereinigungen kommen auf rund 10.000 Personen. Der Muslimbruderschaft (MB)/Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG) werden 1.450 Personen zugerechnet und Hizb ut-Tahrir 750 Personen (Stand Juni 2023).
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Es sind aber nicht nur die Fallzahlen gestiegen; die Ermittlungen sind insgesamt auch äußerst komplex und damit sowohl zeitaufwendig als auch kostenintensiv. Warum sind die Ermittlungen so komplex? Das wird verständlich, wenn man sich die Asymmetrie der Ermittlungen vergegenwärtigt. Die deutsche Strafjustiz muss rückblickend einen Sachverhalt aufklären, der sich mit Syrien in einem Land ereignet hat, mit dem keine justizielle Rechtshilfe stattfindet, und in dem sie selbst vor Ort nicht ermitteln kann. Zur Verdeutlichung mag ein Vergleich helfen: Bei einem Bankraub in Deutschland kann grundsätzlich auf Bilder der Überwachungskameras zurückgegriffen werden; die Bankangestellten stehen als Zeugen zur Verfügung und die Polizei kann vor Ort die sogenannte Tatort- und Spurenarbeit leisten. Dadurch können für den späteren Strafprozess wichtige Beweismittel gesichert werden. Solche Ermittlungsschritte sind selbstredend in Syrien derzeit nicht möglich. Hinzu kommt oft eine Sprachbarriere, die nicht allein mit einem Dolmetscher zu überwinden ist. Erforderlich ist auch ein Verständnis der historischen, kulturellen, religiösen und geografischen Zusammenhänge. Neben dem Dolmetscher bedarf es daher teilweise auch der Expertise von Sachverständigen. Islamwissenschaftler sind häufige Sachverständige in den Strafprozessen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien.
Teil dieser Herausforderung ist der Umgang mit den sogenannten Rückkehrerinnen und Rückkehrern. Dieser Beitrag soll die Fragen beleuchten, was man unter dem Begriff "Rückkehrer" versteht, ob und, falls ja, wie diese sich mit ihrer Ausreise nach Syrien bzw. in den Irak strafbar gemacht haben können, wie ein etwaiges Strafverfahren ablaufen kann und welche Sanktionen ein Rückkehrer bzw. eine Rückkehrerin zu erwarten hat, insbesondere wie sich eine Kooperation mit staatlichen Stellen, vor allem der Strafjustiz, auswirken kann.
Begrifflichkeit
Was verbirgt sich hinter dem Begriffspaar "Rückkehrerinnen und Rückkehrer"? Das Gesetz kennt den Terminus nicht, es gibt keine Legaldefinition. Vielmehr handelt es sich um einen Arbeitsbegriff, den die Praxis bemüht, um eine besondere Problematik im Bereich Islamismus zu beschreiben. Der Begriff umfasst Personen, die aus der Bundesrepublik Deutschland nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, sich dort aufgehalten haben und anschließend wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Ein klassisches Beispiel ist, dass ein junger Mann – geblendet vielleicht von dschihadistischer Internetpropaganda und den damit einhergehenden Verheißungen oder Versprechungen – allein oder in einer Gruppe nach Syrien reist und sich dort dem sogenannten Islamischen Staat (IS) anschließt, nach einer Zeit aber desillusioniert und frustriert in seine Heimat nach Deutschland zurückkehrt.
Die Rückkehrerinnen und Rückkehrer sind von der Gruppe der islamistischen Straftäter abzugrenzen, die sich in Deutschland radikalisiert, aber Deutschland nicht verlassen haben. Sie sind auch von der Gruppe der Ersteinreisenden abzugrenzen, die gezielt nach Deutschland kommen, um hier terroristische Straftaten zu begehen.
Die justizielle Betrachtung des Phänomens ist von der politischen und gesellschaftlichen abzugrenzen. Für die Strafjustiz ist insbesondere von Bedeutung, weshalb die Personen ausgereist sind und was sie vor ihrer Rückkehr aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland getan haben. Die Auslöser für so eine Ausreise sind vielfältig; wie oben ausgeführt kann dabei Internetpropaganda eine wichtige Rolle spielen, die insbesondere junge Männer anspricht, vermehrt aber auch junge Frauen. Die Intention der Ausreise kann äußerst unterschiedlich sein. Sie kann aus humanitären Gründen erfolgen, um einen Beitrag zur Hilfe für notleidende Menschen im Bürgerkrieg in Syrien zu leisten. Ebenso ist aber denkbar, dass die Ausreise dem Zweck dient, am Dschihad teilzunehmen, sich dem "IS" anzuschließen oder sich in einem »Terrorcamp« ausbilden zu lassen, um später – wo auch immer – einen terroristischen Anschlag zu begehen.
Daran schließt sich an, dass auch die Frage, weshalb die Personen zurückgekehrt sind, von erheblicher Bedeutung ist. Sind sie desillusioniert, von der ihrer Ausreise zugrunde liegenden Weltanschauung »geläutert« und wollen schlicht zurück in ihre Heimat? Oder wurden sie etwa nach Deutschland geschickt, um hier eine terroristische Straftat zu begehen? Es drängt sich auf, dass sämtliche dieser Fragen für die Beurteilung einer Strafbarkeit von erheblicher Relevanz sind. Sie lassen sich selbstredend nicht pauschal beantworten; es gibt nicht den Rückkehrer oder die Rückkehrerin. In der justiziellen Praxis bedarf es daher einer intensiven und sehr sorgfältigen individuellen Prüfung des jeweiligen Einzelfalles.
Die begriffliche Grundlage für diesen Beitrag wird hier so gefasst, dass unter »Rückkehrerinnen und Rückkehrern« zunächst sämtliche Personen zu verstehen sind, die aus Deutschland (oder der EU) in die nahöstlichen Kriegsgebiete gereist sind und – aus welchen Gründen auch immer – wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Nach Auskunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz lagen allein bis Mitte September 2017 Erkenntnisse zu mehr als 940 Personen vor, die in Richtung Syrien bzw. Irak gereist sind, um dort aufseiten des "IS" und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen;
Überblick über die Sach- und Rechtslage
Die Sach- und Rechtslage aus Sicht der Strafjustiz kann hier nur schlaglichtartig wiedergeben werden. Zunächst wird der Frage nachgegangen, wie sich Rückkehrerinnen und Rückkehrer strafbar gemacht haben können. Sodann wird ein Überblick über das Strafverfahren gegeben, insbesondere wie die Aufgaben der Strafverfolgung gesetzlich verteilt sind und welche Aufgaben der GBA hat. Schließlich wird darauf eingegangen, wie sich eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden für eine Rückkehrerin bzw. einen Rückkehrer auswirkt.
Möglichkeiten der Strafbarkeit
Typische Deliktsfelder für die Strafbarkeit von Rückkehrerinnen und Rückkehren sind in der Praxis die Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach §129b Strafgesetzbuch (StGB), einschließlich der in diesem Zusammenhang mitverwirklichten Delikte, und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach §89a StGB.
Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Die Strafbarkeit im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung im Ausland regelt §129b StGB. Die Norm wurde im Nachgang zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA im Jahr 2002 in das Strafgesetzbuch eingeführt
Eine terroristische Vereinigung ist nach der gängigen Definition in der Rechtsprechung ein auf eine gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke, nämlich terroristische Straftaten wie Mord, Totschlag (§129a Abs. 1 StGB) oder Sprengstoffdelikte und andere gemeingefährliche Straftaten (vgl. §129a Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 StGB) verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen;
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass der Gesetzgeber jüngst in Umsetzung eines EU-Rahmenbeschlusses die Vereinigung in §129 Abs. 2 StGB erstmals gesetzlich als einen auf längere Dauer angelegten, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängigen organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses definiert hat. Nach gefestigter Rechtsprechung ist der "IS" eine ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der §§129a Abs. 1, 129b StGB.
Als Tathandlungen kommen bei Rückkehrinnen und Rückkehrern das Sich-als-Mitglied-Beteiligen sowie das Unterstützen und Werben für Mitglieder oder Unterstützer in Betracht; die im Gesetz ebenfalls vorgesehenen Tathandlungen des Gründens einer (ausländischen) terroristischen Vereinigung sowie der Rädelsführerschaft spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle: Zum einen zeigt die Praxis, dass die Rückkehrer sich einer bereits bestehenden terroristischen Vereinigung anschließen, nämlich überwiegend dem "IS", zum anderen haben sie, soweit bekannt, keine maßgebliche Rolle in der Vereinigung, die eine Annahme der Rädelsführerschaft begründen würde.
Ein Rückkehrer oder eine Rückkehrerin beteiligt sich als Mitglied, wenn er oder sie über einen längeren Zeitraum an dem Verbandsleben der Vereinigung teilnimmt und sich in die Organisation bei Unterordnung unter den Organisationswillen einfindet und sodann aus diesem Verbandsleben heraus eine fördernde Tätigkeit leistet. Diese fördernde Tätigkeit kann äußerst mannigfaltig sein und ist es in der Praxis auch. Beispiele für eine solche Tätigkeit sind: militärische Wachdienste, administrative oder logistische Aufgaben, Mitwirkung an Propagandavideos, aber auch Tötungshandlungen. Ein Rückkehrer kann sich also z.B. als Koch beim "IS" beteiligt haben, indem er in einem Camp das Essen zubereitete; er kann aber auch im Rahmen von Kampfhandlungen oder bei einer Hinrichtung mitgewirkt und Menschen ermordet haben. Sofern die Beteiligungshandlung im Rahmen der terroristischen Vereinigung weitere Strafnormen verletzt, wie bei der Beteiligung an einer Ermordung, so sind diese neben der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der terroristischen Vereinigung zu verfolgen und haben selbstredend massiven Einfluss auf die Rechtsfolgen (vgl. hierzu den folgenden Abschnitt).
Eine Unterstützung im Sinne der §§129b, 129a Abs. 5 Variante 1 StGB kommt in Betracht, wenn die Rückkehrerin oder der Rückkehrer kein Mitglied einer terroristischen Vereinigung war, diese aber gleichwohl gefördert hat, indem er z.B. Informationen, Werkzeuge, Waffen oder Geld für die Vereinigung beschafft hat und diese Hilfsleistungen der Organisation (und nicht etwa nur einem einzelnen Mitglied) irgendwie zugutegekommen sind. Ein Werben für Mitglieder oder Unterstützer ist gegeben, wenn die Rückkehrerin oder der Rückkehrer ebenfalls kein Mitglied in der (ausländischen) terroristischen Vereinigung war, aber Propaganda verbreitet hat, die auf die Gewinnung neuer Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung gerichtet war. Ob er dazu selbst Propaganda entworfen und verbreitet oder lediglich die Propaganda anderer weiterverbreitet hat, spielt dabei keine Rolle. Ebenfalls unerheblich ist, ob die »Werbung« Erfolg hatte. Die einzelnen Anforderungen an den Tatbestand sind dabei nicht unumstritten, können hier aber vernachlässigt werden, da das Werben im Sinne der §§129b, 129a Abs. 5 Variante 2 StGB im Zusammenhang mit der Rückkehrerthematik eine untergeordnete Rolle spielt.
Für die Strafverfolgung wegen einer Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, die im Bürgerkrieg in Syrien tätig ist, also außerhalb der Europäischen Union, muss ein sogenannter spezifischer Inlandsbezug bestehen und es muss eine Ermächtigung zur Verfolgung vorliegen.
Der spezifische Inlandsbezug ist regelmäßig gegeben, wenn es sich bei den Rückkehrinnen und Rückkehrern um deutsche Staatsangehörige handelt. Er ist auch gegeben, wenn sich nicht deutsche Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr aus Syrien oder dem Irak wieder in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, also kann beispielweise bei einem vor der Ausreise in Deutschland lebenden ausländischen Staatsangehörigen der spezifische Inlandsbezug erst mit der Rückkehr nach Deutschland begründet werden; solange er sich noch nicht in Deutschland aufhält und kein anderer die Zuständigkeit begründender Umstand besteht, mangelt es an einer Zuständigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden.
Die Verfolgungsermächtigung vergegenwärtigt die politische Dimension der Strafnorm. Es wird der Exekutive die Möglichkeit gewährt, bei der Strafverfolgung außenpolitische Belange zu berücksichtigen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) kann eine solche Ermächtigung versagen, wenn gewichtige außenpolitische Belange die Strafverfolgung im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung nicht gebieten. Es können im Rahmen der Ermächtigung auch einzelne Verhaltensweisen von der Verfolgung ausgenommen werden, um die Strafverfolgung auf schwerwiegende Fälle zu konzentrieren oder um das gesellschaftliche Strafbedürfnis aus politischen Gründen zu steuern. So könnte beispielsweise das BMJV die Verfolgungsermächtigung auf die Mitgliedschaft in einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beschränken, was zur Folge hätte, dass andere Beteiligungsformen, wie die Unterstützung der Vereinigung, nicht verfolgt werden würden. Auch könnte die Verfolgungsermächtigung auf einen Zeitraum beschränkt werden, mit der Folge, dass für den nicht benannten Zeitraum eine Strafverfolgung nicht möglich wäre.
Das Staatsschutzstrafrecht ist zwar politisch geprägt, kann aber kein Instrument sein, um globale politisch-religiöse Konflikte zu lösen. Das repressive deutsche Strafrecht hat primär eine auf den Schutz der Rechtsgüter geprägte Betrachtung. Es ist außerordentlich schwierig, mit den Mitteln des Strafrechtes festzustellen, ob in einem religiös-politisch geprägten Bürgerkrieg Menschen als »Freiheitskämpfer« oder »Terroristen« agieren. Um die Dimension außenpolitischer Belange abschätzen zu können, bedarf es besonderer Expertise. Diesem Problem wird unter anderem durch die Strafverfolgungsermächtigung Rechnung getragen. Die Regelung ist rechtsstaatlich unbedenklich und von der Sache geboten.
Delikte im Rahmen der Mitgliedschaft
Bei der bewaffneten Teilnahme an Kampfhandlungen oder bei bewaffneten Wachdiensten kommt – neben der Strafbarkeit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an sich – auch eine Strafbarkeit nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) in Betracht; das Sturmgewehr "Kalaschnikow" gehört zur Standardausrüstung von Kämpfern des "IS" und fällt unter das KrWaffKontrG. Sollte eine Rückkehrerin oder ein Rückkehrer gar an Morden oder Kriegsverbrechen
Eine Beteiligung kann als Täter oder als Teilnehmer in Form der Beihilfe (§27 StGB) erfolgen. Für eine Beihilfe reicht es aus, dass der Rückkehrer oder die Rückkehrerin durch seine bzw. ihre Handlung z.B. den Mord bewusst und gewollt fördert und die Ermordung billigend in Kauf nimmt, etwa in Form von Gefangenentransporten zu einer späteren Ermordung.
Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
Neben der Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach §89a StGB eine weitere zentrale Norm, die im Zusammenhang mit Rückkehrerinnen und Rückkehrern zu prüfen ist.
Der Gesetzgeber wollte mit dem 2009 in das Strafgesetzbuch eingeführten
Die sehr lange und teilweise auch umstrittene Norm kann an dieser Stelle nur summarisch dargestellt werden. Voraussetzung ist zunächst die Vorbereitung einer "schweren staatsgefährdenden Gewalttat". Diese wird durch §89a Abs. 1 Satz 2 StGB selbst definiert, nämlich Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub oder Geiselnahme.
Darüber hinaus muss die Gewalttat im Sinne des §89a StGB noch einen Staatsschutzbezug aufweisen, d.h., sie muss nach den Umständen bestimmt und geeignet sein, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. Dies wird man derzeit bei der Vorbereitung eines islamistisch-motivierten Tötungsdeliktes ohne Weiteres bejahen können.
Die einzelnen Tathandlungen des Vorbereitens sind umfangreich in §89a Abs. 1 Satz 1 und den Absätzen 2 und 2a StGB geregelt. Beispielhaft sei hier die Ausbildung an Schusswaffen oder der Umgang mit Sprengstoff im Sinne des §89a Abs. 2 Nr. 1 StGB genannt. §89a Abs. 2a StGB regelt ausdrücklich den Ausreisefall. Danach ist §89a Abs. 1 auch dann anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer solchen oder der in §89a Abs. 2 Nr. 1 StGB benannten Handlungen (z.B. Ausbildung an der Schusswaffe oder Umgang mit Sprengstoff) aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem solche Unterweisungen erfolgen.
Wegen des relativ weit gefassten Tatbestandes verlangt die Rechtsprechung, dass der Täter nicht lediglich in Kauf nimmt, dass es später zu einer solchen staatsgefährdenden Gewalttat kommt, sondern er muss vielmehr bereits »fest dazu entschlossen« sein.
Ein Beispiel: Ein Deutscher reist in ein Ausbildungslager nach Syrien, wobei nicht bekannt ist, wer dieses Lager betreibt. Im Lager lässt er sich im Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoff ausbilden, um – so sein (damaliger) fester Entschluss – später nach Deutschland zurückzukehren und hier einen Terroranschlag zu begehen. Allein dies würde eine Strafbarkeit nach §89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat) begründen; für eine Strafbarkeit nach §129b StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) würde es hingegen (noch) nicht ausreichen, da nicht nachzuweisen ist, ob das Ausbildungslager von einer ausländischen terroristischen Vereinigung betrieben wird und ob der Täter sich dieser auch angeschlossen hat. Solche "Erkenntnislücken" können z.B. darin begründet sein, dass die Freundin eines Ausreisenden, die sich – aus Angst um das Leben ihres Freundes – den Strafverfolgungsbehörden offenbart hat und als Zeugin zur Verfügung steht, nur eingeschränkte Angaben machen kann, da ihr Freund ihr keine Details erzählt hat. Die für die Rückkehrerthematik spannende Frage, wie es sich weiter verhält, wenn er oder sie inzwischen geläutert ist und von seinem bzw. ihrem Vorhaben Abstand genommen hat, wird weiter unten erörtert.
Verfahren
Die Frage, welche Staatsanwaltschaft für ein Strafverfahren gegen eine Rückkehrerin oder einen Rückkehrer zuständig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich könnte man zunächst an die Staatsanwaltschaft denken, in deren Bezirk der Rückkehrer oder die Rückkehrerin ihren letzten Wohnsitz hatte, sprich von wo er oder sie ausgereist ist. Im Staatsschutzstrafrecht bestehen aber wesentliche Besonderheiten hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte und mithin auch für die Staatsanwaltschaft, da deren Zuständigkeit an die gerichtliche gekoppelt ist.
In der Bundesrepublik obliegt die Strafverfolgung gemäß Art. 30 Grundgesetz (GG) grundsätzlich den Ländern. Die jeweiligen örtlich zuständigen Landesstaatsanwaltschaften leiten bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten einer Straftat ein Ermittlungsverfahren ein und erheben, sofern die Ermittlungen genügenden Anlass dazu bieten, öffentliche Klage bei den zuständigen Amts- oder Landgerichten innerhalb ihres Bezirkes. Bei Straftaten im Staatsschutzstrafrecht, die sich in schwerwiegender Weise gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland richten, bestehen hingegen besondere Zuständigkeiten des GBA. Dieser ist unter anderem als spezielle Staatsanwaltschaft des Bundes für Strafverfahren im Bereich des Staatsschutzes zuständig. Vereinfacht dargestellt kann sich die Zuständigkeit des GBA über geborenen und gekorenen Staatsschutznormen begründen. Die geborenen Staatsschutzdelikte sind im Katalog des §120 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) benannt, dem sogenannten großen Staatsschutz, und begründen in Verbindung mit §142 Abs. 1 GVG eine originäre Zuständigkeit des GBA. Im Bereich der Rückkehrerthematik betrifft dies insbesondere die §§129a, 129b StGB sowie die Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB). In diesen Fällen übt der GBA das Amt der Staatsanwaltschaft aus.
Bei einem entsprechenden hinreichenden Tatverdacht erhebt er seine Anklagen bei den jeweiligen Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte. Staatsschutzsenate sind – nicht zuletzt wegen der besonderen, im Bereich Terrorismus erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen – an folgenden Oberlandesgerichten konzentriert: Hamburg
Der GBA kann aber auch in diesen Fällen, in denen er originäre Zuständigkeit hat, also die hier relevanten Verfahren bei §129b StGB oder dem VStGB, das Verfahren an die jeweils örtliche zuständige Generalstaatsanwaltschaft abgeben, wenn die Sache »von minderer Bedeutung« im Sinne von §142 Abs. 2 Nr. 2 GVG ist. Nicht zuletzt wegen des Anstiegs der Verfahren insgesamt wird davon in jüngerer Zeit vermehrt Gebrauch gemacht. Eine "mindere Bedeutung" im Sinne der Norm kann z.B. vorliegen, wenn der Täter besonders jung ist und Jugendstrafrecht anzuwenden ist, er nur für einen kurzen Zeitraum Mitglied war oder nur untergeordnete Tatbeiträge als Unterstützer geleistet hat.
Die Verfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach §89a StGB und vergleichbare Fälle des "kleinen Staatsschutzes" (vgl. den Katalog des §74a Abs. 1 GVG) fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Landesjustiz. Nur in Ausnahmefällen, nämlich bei einer "besonderen Bedeutung" oder sofern die Tat zusammen mit einem Vereinigungsdelikt nach §§129a, 129b StGB (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) begangen wurde, führt der GBA die Ermittlungen.
Der GBA kann nach §89a StGB – sowie bei gewissen Fällen der Schwerkriminalität mit Staatschutzbezug – das Verfahren nur ausnahmsweise an sich ziehen und die Normen zu »gekorenen« Staatsschutzdelikten machen, wenn die Tat etwa nach §120 Abs. 1 Nr. 1 a) oder §142 Abs. 1 Satz 1 GVG den Umständen nach geeignet ist, Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. Man spricht in diesen Fällen von einer Evokation des GBA wegen der »besonderen Bedeutung«. Ganz unterschiedliche, medienbekannte plakative Beispielsfälle für eine Evokation des GBA wegen »besonderer Bedeutung« aus der Vergangenheit sind der rechtsextremistische Mordanschlag von Eggesin von 1999
Bezogen auf die Rückkehrerthematik kann festgehalten werden, dass in den Fällen einer Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach §129b StGB oder bei Verstößen gegen das VStGB der GBA die Ermittlungen führt, sofern es sich nicht um untergeordnete Tatbeiträge handelt und die Verfahren an die jeweiligen Generalstaatsanwaltschaften abgegeben werden. Im Bereich des §89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat) werden die Verfahren hingegen von den Landesstaatsanwaltschaften oder von der in einigen Bundesländern bei einer Generalstaatsanwaltschaft
Zu erwartende Sanktionen
Welche strafrechtliche Sanktion die Rückkehrerin oder der Rückkehrer zu erwarten hat und wie diese zu bemessen ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Eine wesentliche Weichenstellung ist die Frage, ob es sich um Erwachsene handelt und damit das allgemeine Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt oder um Jugendliche oder Heranwachsende, bei denen das Jugendstrafrecht Anwendung findet.
Erwachsenenstrafrecht
Als erwachsen im Sinne des Strafrechtes gelten Rückkehrer, die das 20. Lebensjahr vollendet haben. Ab dem 21. Lebensjahr ist zwingend Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Maßgeblicher Zeitpunkt ist »die Begehung der Tat«, im Falle der §§129a, 129b StGB also der Anschluss an die ausländische terroristische Vereinigung, im Falle des §89a StGB kann es – je nach Nachweisbarkeit – auch schon auf den Zeitpunkt der Ausreise oder deren Planung ankommen. Die forensisch-gerichtliche Praxis zeigt, dass die zu erwartende Sanktion grundsätzlich eine mehrjährige Freiheitsstrafe ist, sofern es zu einer Verurteilung gegen erwachsene Rückkehrerinnen oder Rückkehrer kommt.
Die Bemessung der Strafe ist immer ein höchst individueller Vorgang. Das deutsche Strafrecht ist Schuldstrafrecht und von dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz nulla poena sine culpa (keine Strafe ohne Schuld) geprägt. Der Schuldgrundsatz hat seine Wurzel in der vom Grundgesetz vorausgesetzten und in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Würde und der Eigenverantwortlichkeit des Menschen. Die Schuld des Täters ist auch gemäß §46 Abs. 1 Satz 1 StGB die Grundlage für die Bemessung der Strafe.
Das Erwachsenenstrafrecht kennt eine Reihe von strafzumessungsrelevanten Normen, die hier nicht umfassend dargestellt werden können. Ausgangspunkt ist die Frage, welcher Strafrahmen Anwendung findet. Das StGB nennt im Besonderen Teil zunächst die Regelstrafrahmen. Die Strafrahmen der typischerweise im Zusammenhang mit Rückkehrerinnen und Rückkehrern relevanten §§129a, 129b, 89a StGB liegen im oberen Bereich der im StGB benannten Strafrahmen. Die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist ein Verbrechen und hat gemäß §§129a Abs. 1, 129b StGB einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (Regelstrafrahmen), die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat hat gemäß §89a Abs. 1 Satz 1 einen von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (ebenfalls Regelstrafrahmen). Sofern eine Beteiligung an Tötungshandlungen oder Kriegsverbrechen vorliegt, liegen die Regelstrafrahmen noch höher. Bei der Strafzumessung ist in einem ersten Schritt zu klären, ob es bei diesem Regelstrafrahmen bleibt oder ob der Strafrahmen nach den Regeln des §49 Abs. 1 StGB zu mildern ist. Folgende Möglichkeiten kommen hier in Betracht:
Aufklärungshilfe
Eine Möglichkeit der Milderung ist die 2009 in das StGB eingeführtesogenannte Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten gemäß §46b StGB (»Aufklärungshilfe« oder auch »Kronzeugenregelung«). Danach kann das Gericht bei Straftaten mit einer erhöhten Mindeststrafe (»Anlasstat«) vom Regelstrafrahmen absehen und einen milderen Strafrahmen (§49 Abs. 1 StGB) zugrunde legen, wenn der Angeklagte durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine im Zusammenhang mit seiner Tat stehende bestimmte schwere Tat aufgedeckt werden konnte (Nr. 1) oder – sofern er von der Planung weiß – noch verhindert werden kann (Nr. 2). Die §§129a, 129b StGB und §89a StGB sind taugliche Anlasstaten im Sinne des §46b StGB, sodass die Rückkehrerinnen oder Rückkehrer bei entsprechender Kooperation grundsätzlich in den Genuss der Strafmilderung kommen können. Das erst später eingeführte Konnexitätserfordernis schließt eine bloße Denunziation eines anderen aus und setzt letztlich faktisch eine Einlassung des Angeklagten zur Sache voraus. Die Angaben im Rahmen der Kooperation müssen darüber hinaus rechtzeitig und werthaltig sein. Rechtzeitig heißt, dass die Angaben spätestens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgen müssen (§46b Abs. 3 StGB), zugleich aber so früh, dass sie für die Strafverfolgungsbehörden noch "neu" sind. Denn werthaltig bedeutet im Sinne von §46b StGB, dass ein bloßes Bemühen, eine schwere Straftat aufzuklären oder zu verhindern, nicht ausreicht. Es muss zu einem Ermittlungserfolg kommen und dieser muss auf die Angaben des Rückkehrers bzw. der Rückkehrerin zurückführbar sein. Wenn im Rahmen der Kooperation Umstände mitgeteilt wurden, die den Ermittlungsbehörden bereits durch andere Angeklagte oder Zeugen bekannt waren, kommt eine Strafmilderung über §46b StGB nicht in Betracht; dem Bemühen um Aufklärungshilfe ist aber in der Strafzumessung im Rahmen des Geständnisses und des Nachtatverhaltens (§46 Abs. 2 StGB) Rechnung zu tragen. Letztlich muss der Rückkehrer bzw. die Rückkehrerin sich – anwaltlich beraten – frühzeitig entscheiden, ob er bzw. sie den Weg der Kooperation geht. Die Milderung erfolgt durch das Gericht, sodass Staatsanwaltschaft oder Polizei zum Zeitpunkt, an dem die Entscheidung über die Kooperation zu treffen sein wird, keine entsprechenden Zusagen machen können. Losgelöst davon wäre eine Zusage auch deswegen nicht möglich, da ohne Kenntnis der späteren Angaben deren Werthaltigkeit nicht beurteilt werden kann. Minder schwere Fälle
Nach §§129a Abs. 6, 129b StGB kann das Gericht die Strafe für die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach §49 Abs. 2 StGB mildern, wenn die Schuld als gering anzusehen ist und die Mitwirkung der Rückkehrerin oder des Rückkehrers in der ausländischen terroristischen Vereinigung von untergeordneter Bedeutung war. Nach dieser sogenannten Mitläuferklausel liegt der Mindeststrafrahmen des §129b StGB in Verbindung mit §129a Abs. 1, Abs. 6 StGB beim gesetzlichen Mindeststrafrahmen, nämlich Geldstrafe von fünf Tagessätzen (§40 Abs. 1 Satz 1 StGB) oder Freiheitsstrafe ab einem Monat (§38 Abs. 2 StGB). Eine vergleichbare Möglichkeit räumen §89a Abs. 5, Abs. 6 StGB ein. Bei einem minder schweren Fall nach §89a Abs. 5 StGB, also wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des normalen Strafrahmens nicht geboten ist, kann das Gericht den Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zugrunde legen. Schließlich kann das Gericht nach §89 Abs. 6 StGB den Strafrahmen nach 49 Abs. 2 StGB mildern oder in Ausnahmefällen von der Bestrafung nach §89a StGB absehen, wenn der Rückkehrer oder die Rückkehrerin freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm bzw. ihr verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er oder sie freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert.Geständnis
Entscheidet sich der Rückkehrer oder die Rückkehrerin für ein Geständnis, so kann er oder sie die Strafzumessung zu seinen bzw. ihren Gunsten wesentlich beeinflussen, und zwar auch zusätzlich zu einer Aufklärungshilfe, sodass die Milderungsgründe additiv zum Tragen kommen. Eine pauschale mathematische Lösung für eine Strafmilderung bei Abgabe eines Geständnisses, etwa nach dem Grundsatz, dass die Strafe sich bei Geständnis um ein Drittel reduziert, ist dem deutschen Strafrecht wesensfremd. Das zur Entscheidung berufene Gericht steht vielmehr vor der schwierigen Aufgabe, festzustellen, welche Rückschlüsse das Geständnis im Einzelfall auf die individuelle Schuld des Rückkehrers oder der Rückkehrerin zulässt. Das Strafrecht kennt keine Legaldefinition eines Geständnisses. Der Begriff ist durch die gerichtliche Praxis geprägt. Eine offensichtlich taktisch motivierte, durch den Verteidiger erklärte "Anerkenntnis der Anklagevorwürfe" bei klarer Beweislage bietet keine Einblicke in die Motive des Rückkehrers bzw. der Rückkehrerin. Es hat daher nur marginalen Einfluss auf die Strafzumessung. Anders ist es, wenn er oder sie die Taten umfassend selbst schildert, seine bzw. ihre Motive erläutert und glaubhaft darlegt, warum er oder sie sich nunmehr ideologisch von seinen bzw. ihren Taten distanziert. Solche Faktoren können die Schuld und damit die Strafe erheblich reduzieren.Bewährung
Da sich bereits die Fragen der Strafzumessung nicht pauschal beantworten lassen, kann erst recht die Frage, ob der Rückkehrer bzw. die Rückkehrerin eine bedingte oder unbedingte Freiheitsstrafe erwartet, nicht generell beantwortet werden. Aus der Regelung des §56 StGB ergibt sich, dass Freiheitsstrafen von über zwei Jahren nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können. Empirische Erkenntnisse zu den Strafhöhen liegen – soweit bekannt – nicht vor. Sofern eine Strafe von zwei Jahren oder darunter überhaupt ausgeurteilt wird, wird eine für die Aussetzung zur Bewährung erforderliche positive Sozialprognose nur in Betracht zu ziehen sein, wenn der Rückkehrer oder die Rückkehrerin sich glaubhaft deradikalisiert hat.
Jugendstrafrecht
Im vom Erziehungsgedanken geprägten Jugendstrafrecht gelten wesentliche Besonderheiten. Es ist zwischen der Gruppe der Jugendlichen und der Heranwachsenden zu unterscheiden. Bei Jugendlichen, also – der aus Perspektive der Gerichte betrachteten sicherlich kleinen Gruppe – der Rückkehrer oder Rückkehrerinnen im Alter von 14 bis 16 Jahren, ist zwingend Jugendstrafrecht anzuwenden.
Das Jugendstrafrecht stellt eine Reihe von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln zur Verfügung;
Im Jugendstrafrecht gelten die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechtes nicht. Die Jugendstrafe bemisst sich nach §18 JGG, sodass das Mindestmaß der Jugendstrafe für Jugendliche stets sechs Monate und das Höchstmaß für den Fall der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§129b StGB) oder der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat (§89a StGB) fünf Jahre beträgt; bei Heranwachsenden geht der Strafrahmen nach §105 Abs. 3 JGG – wie im Erwachsenenstrafrecht – bis zu zehn Jahre.
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Resümee
Die Darstellung der Problematik der Rückkehrer und Rückkehrerinnen aus der Perspektive der Strafjustiz zeigt die Mannigfaltigkeit der Thematik auf. Es verbietet sich, auf die zentrale Frage einer Strafbarkeit der Rückkehrer und Rückkehrerinnen aus dem Gebiet des Bürgerkrieges in und um Syrien eine pauschale Antwort zu geben. Es gibt weder den Rückkehrer noch die Rückkehrerin. In jedem Einzelfall muss der strafrechtlich relevante Sachverhalt mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten aufgeklärt und in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren das Maß der persönlichen Schuld geklärt werden. Eine solche Aufklärung stellt die gesamte Strafjustiz, zuvorderst die Staatsanwaltschaften und den GBA, sodann aber auch die Gerichte vor eine immense Herausforderung. Diese Herausforderung ist Teil einer derzeit zu bewältigenden gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.
Die Strafjustiz leistet in diesem Rahmen ihren Beitrag, der selbstredend die gesamtgesellschaftliche Problematik nicht lösen kann. Spätestens seit dem Marburger Programm des Juraprofessors Franz von Liszt von 1882 wissen wir aber um die Bedeutung der Prävention und der gesellschaftlichen Einflüsse für das Strafrecht.
Der Verfasser ist Staatsanwalt in der Abteilung Terrorismus des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.