Am 1. September 1849 wurde im säkularisierten Kloster Irsee in Bayerisch-Schwaben eine "Kreis-Irren-Anstalt " eröffnet, die 1876 der neu gebauten "Bayerischen Heilanstalt für Geisteskranke in Kaufbeuren" als Zweigstelle für chronisch Kranke angegliedert wurde und bis 1972 Bestand hatte.
Die Klassifizierung von gesellschaftlich angeblich „nutzlosen“ Menschen und „unheilbaren“ Patienten als „lebensunwertes Leben“ führte in der Zeit des Nationalsozialismus zu den verharmlosend „Euthanasie“ genannten Patientenmorden. Dabei wurden zunächst in den Jahren 1940 und 1941 von der Anstalt Irsee aus Patienten in die Tötungsanstalten Grafeneck (in Württemberg) und Hartheim (bei Linz) deportiert. Nach Einstellung dieser „Aktion T-4“ im August 1941 wurden Patienten nach dem „Hunger-Erlass“ des Bayerischen Innenministeriums vom 30.11.1942 in den Heil- und Pflegeanstalten selbst durch sog. Schmal- oder Entzugskost („E-Kost“), aber auch mit Tabletten und Injektionen ermordet. Ihre Leichen wurden auf anstaltseigenen Friedhöfen bestattet oder in einem eigens errichteten Krematorium verbrannt. Diesen Tötungsaktionen fielen in der Anstalt Irsee bis Kriegsende nicht nur Erwachsene zum Opfer, sondern auch Kinder und Jugendliche, von denen das Schicksal von Ernst Lossa (1929–1944) durch die Roman-Biografie, den Kinofilm und das Theaterstück „Nebel im August“ besondere Aufmerksamkeit erfuhr. Die Täter – Verwaltungsangestellte, Ärzte und Pflegepersonal – kamen nach dem Krieg mit nur geringen Haftstrafen davon. 1972 wurde die Pflegeanstalt Irsee aufgrund gravierender baulicher Mängel geschlossen. Nach umfangreichen Sanierungen steht Kloster Irsee seit Sommer 1981 als Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung.
In Erinnerung an die Patiententötungen und „Euthanasie“-Verbrechen der Anstaltszeit befinden sich auf dem Gelände von Kloster Irsee heute drei Gedenkorte: Bereits im November 1981 wurde auf dem zwischen 1944 und 1972 als Patienten-Friedhof genutzten Areal hinter der Klosterkirche das Monument „Lass mich Deine Leiden singen“ des Allgäuer Künstlers Martin Wank eingeweiht. Über ein Jahrzehnt später wurde die ehemalige „Prosektur“ der Anstalt als authentischer Ort des Verbrechens entdeckt und zur Gedenkstätte gewidmet. 2009 und 2015 setzte der in Köln lebende Künstler Gunter Demnig STOLPERSTEINE, um der Irseer Opfer der NS-„Euthanasie“ auch namentlich zu gedenken. Darüber hinaus findet seit 2010 jährlich am Allerheiligentag die Gedenkveranstaltung „Lichter gegen das Vergessen“ statt.
In der Marktgemeinde Irsee finden sich weitere Gedenktafeln für die „Euthanasie“-Opfer am früheren „Seuchenfriedhof“ und auf dem Gemeindefriedhof an der St.-Stephans-Kirche. Das in Kloster Irsee beheimatete Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags hat in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen zur NS-„Euthanasie“ in Kloster Irsee herausgegeben.
Foto: Achim Bunz, © Schwäbisches Bildungszentrum Irsee
Pädagogisches Angebot- Gedenkveranstaltung „Lichter gegen das Vergessen“ (jährlich am Allerheiligentag, 1. November, jeweils um 16.30 Uhr) auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof;
- Themenspezifische Führungen und Veranstaltungen;
- Herausgabe von Forschungsliteratur und Quelleneditionen.
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