Ausreichende Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln ist notwendige Voraussetzung für
Ausgangspunkt für jede Abschätzung der Nahrungsverfügbarkeit ist die pflanzliche Primärproduktion, d.h. die Menge an nutzbarer Biomasse, die von Pflanzen über Photosynthese und unter Nutzung von Pflanzennährstoffen erzeugt wird. In der Kette zwischen dieser pflanzlichen Primärproduktion und dem menschlichen Verzehr können erhebliche Verluste auftreten. Man spricht von Veredelungsverlusten, wenn pflanzliche Erzeugnisse an Tiere verfüttert werden, um Fleisch, Milch oder Eier zu produzieren. Beispielsweise benötigt man für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch rund zehn Kilogramm Getreide. Aber auch andere Verluste sind bedeutsam. Vor allem in den Entwicklungsländern vergammeln viele Nahrungsmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Markt durch schlechte Lager- und Transportbedingungen. In den Industrieländern werden Nahrungsmittel vor allem durch das Wegwerfen im Einzelhandel und in den Privathaushalten verschwendet.
Verfügbarkeit lokal und global
Je nach Blickwinkel kann Verfügbarkeit von Nahrung global oder lokal definiert werden. Bei lokaler Betrachtung wird zunächst nur die lokale Produktion berücksichtigt und zum lokalen Bedarf in Beziehung gesetzt. Diese Betrachtung machte vor allem
Gegenwärtig ist Nahrung für den menschlichen Konsum global ausreichend verfügbar. Rein rechnerisch stehen weltweit etwa 2.800 Kilokalorien pro Person täglich zur Verfügung, und auch die Gesamtverfügbarkeit von Eiweiß und anderen Nährstoffen ist ausreichend. Bei gleichmäßiger Verteilung müsste niemand Hunger leiden. Hunger ist derzeit also vor allem ein Verteilungsproblem, was sich auch am Nebeneinander von
Aber die Weltbevölkerung wächst und verändert ihre Ernährungsgewohnheiten. Darüber hinaus werden Getreide und andere Agrarprodukte zunehmend für Nichtnahrungszwecke wie z.B. zur Energieerzeugung verwendet. Es ist eine entscheidende Zukunftsfrage der Welternährung, inwieweit die Produktion und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln der steigenden Nachfrage gerecht werden können. Im Folgenden werden die langfristigen Trends von Nachfrage und Angebot aufgezeigt, sowie die wichtigsten zugrunde liegenden Faktoren diskutiert. Die Diskussion legt nahe, dass die zukünftige Sicherstellung einer ausreichenden Verfügbarkeit eine schwierige Aufgabe darstellt, die aber dann lösbar ist, wenn die Weichen richtig gestellt werden.
Langfristige Nachfragetrends
Die wesentlichen Faktoren der Nachfrage nach Agrarprodukten sind das Bevölkerungswachstum, sich verändernde Ernährungs- und Konsumgewohnheiten sowie die Nutzung von Bioenergie und Biomasse für industrielle Zwecke. Die Vereinten Nationen schätzen, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,6 Milliarden Menschen anwachsen wird. Das sind im Vergleich zu heute rund 2,5 Milliarden zusätzliche Menschen, die ernährt werden müssen. Allerdings ist dies nur ein gemittelter Wert, es gibt auch höhere und niedrigere Szenarien, je nach Ausgangshypothese der Fruchtbarkeits- und Sterberaten in einzelnen Ländern.
Zudem verändern sich die Nahrungspräferenzen und das Konsumverhalten der Menschen mit steigendem Wohlstand. In fast allen Entwicklungs- und Schwellenländern steigt durch höhere Einkommen vor allem die Nachfrage nach Fleisch und anderen tierischen Produkten. Darüber hinaus wird die Nachfrage nach Agrarprodukten durch die steigende Nutzung von Bioenergie getrieben. Vor allem in der EU und den USA ist die Nutzung von Bioenergie durch politische Förderung in den letzten zehn Jahren stark angestiegen.
Zusammengerechnet könnten die Entwicklungen im Nahrungsmittel-, Futtermittel- und Bioenergiesektor ohne weiteres bis 2050 zu einer Verdopplung der Nachfrage nach Agrarprodukten führen. Dies würde einen Nachfrageanstieg von jährlich 1,8 Prozent bedeuten.
Langfristige Angebotstrends
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die globale Nahrungsproduktion etwa verdreifacht. Dieser Anstieg ist vor allem auf neu gezüchtete Getreidesorten mit höherem Ertragspotenzial und einen Mehreinsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Bewässerung zurückzuführen. Getreide hat mit knapp 50 Prozent den größten Anteil an der menschlichen Kalorienversorgung. Eine zeitliche Aufteilung zeigt jedoch, dass die Wachstumsraten der Erträge zurückgegangen sind und hinter dem raschen Wachstum der Nachfrage zurückzubleiben drohen (Abb. 1). Im weltweiten Durchschnitt wachsen die Getreideerträge derzeit mit nur noch 1,3 Prozent pro Jahr und damit geringer als der vorhergesagte jährliche Anstieg der Nachfrage nach Agrarprodukten.
Eine zusätzliche Herausforderung für die Agrarproduktion ist der Klimawandel. Während sich steigende Temperaturen in einigen Teilen der Nordhalbkugel positiv auf die Landwirtschaft auswirken könnten, dürften vor allem die Entwicklungsländer durch Hitze, in vielen Regionen verminderte Niederschläge und häufiger auftretende Wetterextreme stark negativ betroffen sein. Die meisten Simulationsmodelle prognostizieren, dass der Klimawandel die globale Produktivitätsentwicklung in der Landwirtschaft weiter bremsen wird.
Abb. 2: Weltweite Durchschnittserträge für Getreide Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abb. 2: Weltweite Durchschnittserträge für Getreide Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abbildung 2 zeigt den derzeitigen Trend der weltweiten Getreideerträge im Vergleich zur möglichen Verdopplung der Nachfrage bis 2050. Bei Fortschreibung des Trends würde eine Verfügbarkeitslücke von Nahrungsmitteln entstehen, die bei pessimistischen Annahmen hinsichtlich des Klimawandels und der zunehmenden Ressourcenknappheit sogar noch größer werden würde.
Verfügbarkeit im Jahr 2050
Wie genau sich die Nahrungsverfügbarkeit langfristig darstellen wird, ist schwer vorherzusagen, weil sehr viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Wenn man die derzeitigen Entwicklungen über die kommenden Jahrzehnte fortschreibt, würde sich die Nahrungsverfügbarkeit pro Person deutlich verschlechtern. Im Jahr 2050 würden dann pro Person und Tag nur noch durchschnittlich 2.000 Kilokalorien zur Verfügung stehen, was unterhalb des Bedarfs für erwachsene Menschen liegt.
Entwickelt sich die Nachfrage nicht wie vorhergesagt, würden die Berechnungen anders aussehen. Wenn man z.B. auf Bioenergie komplett verzichten und die dafür verwendeten Land- und Wasserressourcen zur Nahrungsproduktion verwenden würde, könnten bei sonst gleichen Annahmen 2050 immerhin über 2.500 Kilokalorien pro Person zur Verfügung stehen. Wenn zusätzlich der Fleischkonsum reduziert würde, könnte die Kalorienverfügbarkeit im Vergleich zur heutigen Situation sogar steigen. Theoretische Berechnungen zeigen, dass bei weltweit rein vegetarischer Ernährung über zwölf Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Auch deutliche Trendveränderungen beim Nahrungsangebot würden die Kalorienverfügbarkeit beeinflussen. Wenn sich der Klimawandel verstärkt oder sich stärker negativ auf die Produktion auswirkt als angenommen, würde sich die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln verschlechtern. Umgekehrt könnten neue Agrartechnologien durch stärkeres Ertragswachstum zu einer Verbesserung beitragen.
Für das Ziel der Ernährungssicherung müssen die Nachfrage- und Angebotstrends gezielt verändert werden. Im Folgenden werden einige mögliche Ansatzpunkte kurz angesprochen. Eine detailliertere Diskussion und Bewertung erfolgt in späteren Teilen dieses Dossiers, wobei Kapitel 3 Faktoren der Nachfrage, Kapitel 4 Faktoren des Angebots, Kapitel 5 mehrdimensionale Ansätze und Kapitel 6 besonders kontroverse Einzelthemen abdeckt.
Mögliche Beeinflussung des Nachfragetrends
Eine Beeinflussung des Bevölkerungswachstums, das vornehmlich in Entwicklungs- und Schwellenländern stattfindet und sich bis 2050 vor allem in Afrika fortsetzen wird, ist in gewissem Maße möglich durch Maßnahmen zur Senkung der Kinder- und Säuglingssterblichkeit einerseits und bessere Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere für Frauen sowie die Verbesserung des Zugangs zur Empfängnisverhütung andererseits. Allerdings ist eine Abschwächung der Wachstumsraten in den oben beschriebenen Schätzungen zur Bevölkerungsentwicklung bereits enthalten.
Ob die Nachfragestruktur nach tierischen Produkten geändert werden soll und kann, muss differenziert betrachtet werden. In den Industrieländern ist der Fleischkonsum derzeit eher zu hoch und gesundheitsgefährdend, eine Reduktion wäre also sinnvoll. In vielen armen Entwicklungsländern ist der Konsum tierischer Produkte aber noch relativ gering, eine Steigerung des Verbrauchs könnte dort die Qualität der Ernährung verbessern. Ob eine Begrenzung des Konsumzuwachses dort sinnvoll ist, ist daher fraglich.
Die Entwicklungen im Bereich Bioenergienutzung sollten dagegen überdacht werden. Bei den heutigen Nutzungsformen gibt es eine unmittelbare Konkurrenz mit der Verfügbarkeit von Nahrung, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Die politische Förderung von Bioenergie, die diese Konkurrenz weiter schürt, sollte mit Blick auf die Welternährung neu bewertet werden.
Zusätzlich könnte die Nachfragesituation verändert werden, indem das Ausmaß des vor allem in den reichen Ländern grassierenden Wegwerfens von Lebensmitteln verringert wird. Solche Veränderungen erfordern ein bewussteres Konsumverhalten seitens der Verbraucher, was durch Aufklärung und politische Lenkungsmaßnahmen wie Lebensmittelvorschriften beeinflusst werden kann.
Mögliche Beeinflussung des Angebotstrends
Unabhängig von der Produktion lässt sich das Angebot durch die Verminderung der Verluste bei Transport und Lagerung erhöhen. Insbesondere in den Entwicklungsländern können verbesserte Infrastruktur und Logistik hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Aber auch eine stärkere Produktionssteigerung in der Landwirtschaft selbst ist notwendig. Ein theoretischer Ansatzpunkt wäre es, mehr Land zu bewirtschaften, aber diese Strategie stößt schnell an ökologische Grenzen. In manchen Regionen könnte die landwirtschaftliche Fläche zwar noch weiter ausgedehnt werden, aber die Umweltkosten der Umwandlung von Natur- in Ackerland steigen (Treibhausgasemissionen, Verlust an Biodiversität). Mit Blick auf Nachhaltigkeit sollte daher ein Produktionszuwachs durch höhere Erträge das primäre Ziel sein. Allerdings können die Erträge nicht einfach durch mehr Bewässerung und mehr Chemikalieneinsatz gesteigert werden, weil hierbei ebenfalls die Umweltkosten anwachsen und die Ressourcen schwinden. Wasser ist in vielen Teilen der Welt heute schon stark übernutzt.
Höhere Ertragssteigerungen ohne Übernutzung der Umwelt sind prinzipiell möglich, erfordern aber mehr technologischen Fortschritt, der nur durch gezielte Forschung zu erreichen ist. In den vergangenen 20 Jahren wurde der Agrarforschung national wie international keine ausreichend hohe Priorität eingeräumt, wodurch sich auch die rückläufigen Wachstumsraten der Getreideerträge erklären lassen. Inzwischen wurde die Bedeutung von Agrarforschung für die Welternährung wiederentdeckt. Aber die heutigen Investitionen in die Forschung werden aufgrund der Entwicklungszeiten erst in 10 bis 20 Jahren für die landwirtschaftliche Praxis relevant werden.
Über die Höhe der Forschungsinvestitionen hinaus sollte über die richtigen Technologieansätze nachgedacht werden. Hierbei geht es auch um die Förderung und Nutzung neuer Technologien, inklusive der Gentechnik. Außerdem müssen verbesserte Bedingungen geschaffen werden, damit gerade Kleinbauern in Entwicklungsländern vorhandene und neue Technologien auch anwenden können. Das Ziel einer nachhaltigen Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft muss weltweit verfolgt werden. Vor allem die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern sollte gefördert werden, weil sowohl der Nachfrageanstieg als auch die Potenziale zur Steigerung der Produktivität dort am größten sind. Außerdem sind viele arme und hungernde Menschen in den Entwicklungsländern direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig, so dass deren Einkommen und damit der ökonomische Zugang zu Nahrung durch Agrarförderung gesteigert werden kann.