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Medizinische Rehabilitation

Thomas Gerlinger

/ 13 Minuten zu lesen

Gegenstand, Ziele und Bedeutung der Rehabilitation

Das Wort „Rehabilitation“ geht auf das lateinische Wort „rehabilitare“ („wiederherstellen“, „wieder tauglich machen“, „in einen Zustand zurückversetzen“) zurück. Es bezeichnet die Leistungen zur Wiedereingliederung von Kranken oder Behinderten in das gesellschaftliche und berufliche Leben. Im deutschen Sozialrecht werden unter „Rehabilitation“ alle Maßnahmen für körperlich, geistig oder seelisch behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen verstanden, die das Ziel verfolgen, deren „Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken“ (§ 1 Abs. 1 SGB IX). Soweit die (drohende) Behinderung Folge einer Erkrankung ist, zielt Rehabilitation darauf, die als Folge einer Erkrankung (möglicherweise) auftretenden Einschränkungen zu vermeiden, zu beseitigen, zu verringern oder eine Verschlimmerung zu verhüten oder zu verzögern. Selbstbestimmung und Teilhabe sind Schlüsselbegriffe und Kernziele der Rehabilitation. Häufig wird Rehabilitation auch mit Tertiärprävention gleichgesetzt.

Die gesundheitliche und ökonomische Relevanz der Rehabilitation ergibt sich aus dem Umstand, dass immerhin mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland an einer chronischen Erkrankung leidet (Heidemann et al, 2021), beinahe zehn Prozent der Bevölkerung mit einer anerkannten Schwerbehinderung leben (Statistisches Bundesamt, 2023a) und noch weit mehr Menschen behindert sind. Auch bei chronischen Erkrankungen und schweren Behinderungen verbleiben den Patientinnen und Patienten in aller Regel Potenziale, die stabilisiert und erweitert werden können. Diese Potenziale zu entwickeln ist ein wesentliches Ziel der Rehabilitation.

Hinter dem Begriff „Rehabilitation“ verbergen sich ganz unterschiedliche Leistungen. Das für die Rehabilitation maßgebliche Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) unterscheidet folgende Leistungsgruppen (§ 5 SGB IX):

  • Leistungen der medizinischen Rehabilitation,

  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation),

  • unterhaltssichernde und ergänzende Leistungen,

  • Leistungen zur Teilhabe an Bildung,

  • Leistungen zur sozialen Teilhabe.

Im Folgenden steht die medizinische Rehabilitation im Mittelpunkt.

Für die Konzipierung und Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen gelten eine Reihe von Grundsätzen (Gerlinger & Rosenbrock, 2024), an denen sich die Rehabilitationspraxis orientieren soll:

  • Der Rehabilitationsbedarf sollte frühzeitig erkannt werden.

  • Die Rehabilitation sollte rechtzeitig beginnen und zügig durchgeführt werden.

  • Die Maßnahmen sollten sich auf die somatischen, psychischen und sozialen Dimensionen der Behinderung beziehen („umfassende Rehabilitation“). Dabei sollte Rehabilitation den Einzelfall in den Blick nehmen („Individualisierungsprinzip“) und möglichst nahtlos ineinandergreifen (Kontinuität und Integration der Rehabilitation).

  • Rehabilitation sollte darauf zielen, die Selbständigkeit der Betroffenen so weit wie möglich zu erhalten und ihre Chancen zur Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben zu verbessern.

  • Die Rehabilitation hat Vorrang vor anderen Formen der Hilfeleistung („Rehabilitation vor Rente“, „Rehabilitation vor Pflege“).

Für die Rehabilitation ist nicht ein einzelner Sozialleistungsträger verantwortlich. Vielmehr finanzieren die verschiedenen Träger Rehabilitationsleistungen im Rahmen ihrer spezifischen sozialpolitischen Aufgabenbestimmungen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Kreise von Anspruchsberechtigten und unterschiedliche Leistungsansprüche. Sowohl Finanzierung als auch Leistungserbringung sind also stark fragmentiert. Die wichtigsten Kostenträger in der Rehabilitation sind die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung und die Bundesagentur für Arbeit.

Der Gesetzgeber weist den Rehabilitationsträgern eine Vielzahl von Aufgaben zu. So haben sie unter anderem

  • Art und Umfang des individuellen Rehabilitationsbedarfs festzustellen und das individuelle Rehabilitationspotential zu bewerten;

  • die Rehabilitationsmaßnahme einzuleiten und zu finanzieren;

  • sicherzustellen, dass die notwendigen Rehabilitationsangebote und -konzepte vorhanden sind und an den sich verändernden Bedarf angepasst werden;

  • die Betroffenen bei der Lösung von Orientierungsproblemen, die bei der Suche nach und der Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen auftreten können, zu unterstützen.

Medizinische Rehabilitation

Krankengymnastik als Teil einer Physiotherapie (© picture-alliance/dpa)

Mit dem Abschluss einer akuten Krankenversorgung ist die Gesundheit in vielen Fällen noch nicht vollständig wiederhergestellt. Gerade chronische Krankheiten haben oft langwierige gesundheitliche Folgen, aus denen vielfältige Beeinträchtigungen und dauerhafte Behinderungen erwachsen können. Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen sollen die Leistungsfähigkeit der betroffenen Personen so weit wie möglich wiederherstellen. Damit sollen sie die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben schaffen, das insbesondere eine umfassende Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben einschließt. Adressaten der medizinischen Rehabilitation sind grundsätzlich alle Personen, die behindert oder von Behinderung bedroht sind.

Der Begriff der medizinischen Rehabilitation umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die über unmittelbar ärztliche bzw. medizinische Interventionen weit hinausgehen. Dem SGB IX zufolge umfassen „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation […] insbesondere

1. Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln,

2. Früherkennung und Frühförderung für Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder,

3. Arznei- und Verbandmittel,

4. Heilmittel einschließlich physikalischer, Sprach- und Beschäftigungstherapie,

5. Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,

6. Hilfsmittel,

6a. digitale Gesundheitsanwendungen sowie

7. Belastungserprobung und Arbeitstherapie“ (§ 42 Abs. 2 SGB IX).

Behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen haben gemäß SGB IX einen Anspruch auf derartige Leistungen, wenn sie notwendig sind, um

„1. Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder

2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhindern sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu verhüten oder laufende Sozialleistungen zu mindern“ (§ 42 Abs. 1 SGB IX).

In ähnlicher Weise formuliert es auch das SGB V für den in die Zuständigkeit der Krankenkassen fallenden Personenkreis. Wenn sich diese Ziele mit ambulanter Krankenbehandlung allein nicht erreichen lassen, haben die Krankenkassen ambulante medizinische Rehabilitation oder – wenn auch diese nicht ausreicht – stationäre medizinische Rehabilitation zu gewähren (§ 40 Abs. 1 und 2 SGB V). Wenn es sich bei den Anspruchsberechtigten um Erwerbstätige handelt, finanziert die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen der medizinischen Rehabilitation nur, wenn andere Sozialversicherungsträger aufgrund der für sie geltenden Rechtsvorschriften dafür nicht verantwortlich sind.

Die medizinische Rehabilitation ist Teil der Versorgungskette, die von der Gesundheitsförderung und Prävention bis hin zur Pflege und zur Palliativversorgung reicht. Sie ist in vielen Fällen Grundlage für die berufliche, schulische oder soziale Rehabilitation. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden von allen Rehabilitationsträgern mit Ausnahme der Bundesagentur für Arbeit finanziert (§ 6 Abs. 1 SGB IX).

Rehabilitationsmaßnahmen können nur bewilligt werden, wenn eine Rehabilitationsbedürftigkeit vorliegt und ein Rehabilitationserfolg mit den in Rede stehenden Maßnahmen möglich ist. Dies setzt voraus, dass die Betroffenen rehabilitationsfähig, also so belastbar sind, dass sie aktiv an den Maßnahmen teilnehmen können. Nur dann kann auch die erforderliche positive Rehabilitationsprognose gestellt werden. Die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sind zur Mitwirkung an den betreffenden Maßnahmen verpflichtet.

Die wichtigsten Bereiche der medizinischen Rehabilitation sind die Anschlussrehabilitation (AR) und die Heilverfahren. Der Begriff Anschlussrehabilitation bezeichnet ein Verfahren der Renten- und der Krankversicherungsträger, nach dem unmittelbar im Anschluss an eine stationäre Krankenhausbehandlung Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet und durchgeführt werden. Er bezieht sich auf solche Indikationen, bei denen aus medizinischer Sicht eine zügige und möglichst nahtlose Rehabilitation nach der stationären Akutversorgung besonders dringlich ist. Die Heilverfahren dienen der Behandlung von Erkrankungen und deren Folgen, die ohne eine Behandlung zu einer weiteren Verschlechterung, zur Chronifizierung oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit führen können. Details über die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zu den Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs in der GKV regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (s. Modul Interner Link: Regulierung) in einer Richtlinie.

Wichtige Handlungsfelder der medizinischen Rehabilitation sind Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In den letzten Jahren haben auch psychische und Verhaltensstörungen sowie neurologische, onkologische und psychosomatische Erkrankungen an Bedeutung gewonnen (Sachverständigenrat, 2014, S. 262 ff.).

Versorgung

Ambulante und stationäre medizinische Rehabilitation

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden überwiegend stationär erbracht. Jedoch haben ambulante Leistungen in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Dies äußert sich in einer wachsenden Zahl von Leistungsanbietern und in einer steigenden Nachfrage durch Leistungsberechtigte. Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen werden in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, Schwerpunktkliniken oder Sanatorien durchgeführt, ambulante Maßnahmen in Arztpraxen, von Zusammenschlüssen ärztlicher oder nicht-ärztlicher Therapeuten in Praxen und durch mobile Rehabilitationsteams.

Ob sich eine ambulante oder stationäre Rehabilitation anbietet, hängt von den Besonderheiten des Einzelfalls ab. Im Allgemeinen werden diesen beiden Formen der Leistungserbringung je eigene Vorteile zugeschrieben (Bundearbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 2021). Demnach bestehen Vorteile der ambulanten Rehabilitation darin, dass

  • die Rehabilitanden im gewohnten sozialen, beruflichen, häuslichen Umfeld verbleiben können;

  • die Leistungserbringung bzw. -inanspruchnahme zeitlich flexibler gestaltet werden kann;

  • die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden neuen Anforderungen unter Alltagsbedingungen und unter Einbeziehung von Kollegen oder Angehörigen begegnen und neue Verhaltensweisen einüben können;

  • bessere Möglichkeiten zur Vernetzung der Rehabilitationsleistungen mit anderen Angeboten des Gesundheits- und Sozialsystems (z. B. hausärztlichen Leistungen) bestehen.

Demgegenüber wird die stationäre Rehabilitation mit folgenden Vorteilen in Verbindung gebracht:

  • Der Therapieverlauf kann durch die Therapeuten kontinuierlich beobachtet werden.

  • Sie ermöglicht eine personelle und institutionelle Kontinuität der Betreuung.

  • Die Rehabilitanden werden – auf Zeit – von möglicherweise negativen Einflüssen ihres sozialen, beruflichen, häuslichen Umfelds abgeschirmt.

Die Leistungsberechtigten müssen die Leistungen nicht in Form von Sachleistungen beziehen (s. Modul Interner Link: Versorgung), sondern können sich auch für ein Persönliches Budget entscheiden (§ 29 SGB IX). Das Persönliche Budget soll die Selbstbestimmung der Leistungsberechtigten erhöhen. Es wird in der Regel als Geldleistung gewährt, in bestimmten Fällen auch in Form von Gutscheinen (§ 29 Abs. 2 SGB IX). Bei der Entscheidung für ein Persönliches Budget müssen die Leistungsberechtigten entscheiden, ob sie die Leistungen einkaufen oder die Leistungserbringer selbst als Arbeitgeber beauftragen wollen („Arbeitgebermodell “).

Persönliche Budgets sind so zu „bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind“ (§ 29 Abs. 2 SGB IX).

Einrichtungen und Einrichtungsträger

Medizinische Rehabilitationsleistungen werden ambulant und stationär erbracht. Bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen handelt es sich um solche Einrichtungen, die darauf zielen,

  • „eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken (Vorsorge)“ oder

  • „den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie [...] zu verbessern“ (§ 107 Abs. 2 SGB V).

2022 gab es 1.089 (teil-)stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit insgesamt 161.725 aufgestellten Betten (Statistisches Bundesamt, 2023d). Die Rentenversicherungsträger unterhalten in der medizinischen Rehabilitation rund 100 Reha-Kliniken (Deutsche Rentenversicherung, 2023a). 2020 standen immerhin rund 16 Prozent der von den Rentenversicherungsträgern belegten Betten in Eigeneinrichtungen (Deutsche Rentenversicherung, 2021, S. 53). Eigeneinrichtungen werden auch von den Unfallversicherungsträgern und von Krankenversicherungsträgern betrieben, von letzteren aber nur in sehr kleiner Zahl.

Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen befinden sich traditionell überwiegend in privater Trägerschaft. Im Jahr 2022 traf dies auf mehr als die Hälfte aller Einrichtungen und auf knapp zwei Drittel aller aufgestellten Betten zu (Statistisches Bundesamt, 2023c). Die Zahl und der Anteil der privaten Betten sind seit Beginn der 1990er-Jahre weiter gestiegen. Zugleich hat sich auch das Gewicht der freigemeinnützigen Träger erhöht, während die Zahl öffentlicher Einrichtungen und Betten leicht zurückging. Nicht nur bei den Krankenhäusern (s. Modul Interner Link: Versorgung), sondern auch bei den Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ist also ein Privatisierungstrend zu erkennen.

Mit der wachsenden Inanspruchnahme ambulanter Angebote haben auch ambulante Rehabilitationsdienste an Bedeutung gewonnen. Allerdings werden ambulante Maßnahmen auch von Krankenhäusern oder stationären Reha-Zentren erbracht.

Beschäftigung und Berufsgruppen


In den Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen waren Ende 2022 gut 118.000 Personen auf (im Jahresdurchschnitt) knapp 87.000 Vollzeitstellen direkt beschäftigt, darunter knapp 8.600 Ärztinnen und Ärzte sowie gut 78.000 nichtärztliche Personen (jeweils Vollzeitstellen) (Statistisches Bundesamt, 2023b). In diesen Zahlen sind die in den ambulanten Reha-Diensten beschäftigten Personen nicht enthalten. Neben Ärztinnen und Ärzten sind in der medizinischen Rehabilitation zahlreiche andere Gesundheitsberufe tätig, insbesondere Kranken- und Gesundheitspfleger, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Ernährungsberater. In manchen Kommunen oder Regionen sind Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und können einen Beschäftigungsanteil von bis zu sieben Prozent erreichen (Augurzky et al., 2011, S. 45 ff.).

Leistungserbringung und Leistungsinanspruchnahme

In den stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen stiegen die Behandlungsfallzahlen zwischen 1991 und 2022 beträchtlich an, nämlich von rund 1,47 auf rund 1,74 Millionen. Auch hier verzeichneten die Einrichtungen in der Corona-Krise einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen. Die durchschnittliche Verweildauer in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen hat sich zwischen 1991 und 2022 – wie auch bei den Krankenhausbehandlungen –von 31,0 auf 25,4 Tage verkürzt.

In der gesetzlichen Krankenversicherung gab es im Jahr 2022 insgesamt gut 656.000 Reha-Fälle (Tabelle „Rehabilitationsmaßnahmen in der GKV 2000 bis 2022“ ). Dies war im Vergleich zum Jahr 2000 ein Rückgang um fast 150.000 Fälle. Dabei kam es zu erheblichen Verschiebungen bei den Maßnahmenarten. Zum einen gewann die ambulante Rehabilitation erheblich an Bedeutung, zum anderen stieg das Gewicht der Anschlussrehabilitation (AR) deutlich an. Machten derartige Maßnahmen im Jahr 2000 noch 53 Prozent aller Rehabilitationsfälle aus, so erhöhte sich ihr Anteil im Jahr 2022 auf beinahe 80 Prozent (Tabelle „Rehabilitationsmaßnahmen in der GKV 2000 bis 2022“). Während der Corona-Pandemie gingen die Reha-Fallzahlen stark zurück.

In der gesetzlichen Rentenversicherung wurden im Jahr 2022 insgesamt knapp 923.000 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abgeschlossen. Dies waren rund 87.000 Leistungen mehr als im Jahr 2000, allerdings auch gut 70.000 Leistungen weniger als 2010. Die vergleichsweise niedrigen Zahlen in den Jahren 2020 und 2022 dürften auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen sein. Im gesamten Betrachtungszeitraum sank der Anteil der Bewilligungen an allen Anträgen (Deutsche Rentenversicherung, 2023b, S. 210, 214). Ein wichtiger Grund für diesen Rückgang dürfte in den seit 1997 wirksamen restriktiven Ausgabenbegrenzungen für Rehabilitationsleistungen („Reha-Budget“) liegen.

Wie in der GKV verschoben sich auch in der GRV die Gewichte zugunsten der Anschlussrehabilitation und der ambulanten Leistungen. In diesem Zeitraum hat sich die Zahl ambulanter Leistungen fast versechsfacht (Deutsche Rentenversicherung, 2023b, S. 218).

Unter den Diagnosehauptgruppen in der medizinischen Rehabilitation haben Skelett-, Muskel- und Bindegewebserkrankungen das bei weitem größte Gewicht. In den zurückliegenden Jahren gewannen psychische Erkrankungen und Neubildungen (Krebserkrankungen) erheblich an Bedeutung. Zugleich verschoben sich die Gewichte zwischen den Leistungsträgern: Mittlerweile finanziert die GRV eine deutlich größere Zahl von Leistungen als die GKV.

Die gesetzliche Unfallversicherung finanziert einen im Vergleich zur GKV und zur GRV nur kleinen Teil der medizinischen Rehabilitationsleistungen, denn ihre Zuständigkeit ist auf die vergleichsweise geringe Zahl von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beschränkt. Im Jahr 2021 wurden für etwas mehr als 194.000 Fälle gut 328.000 Reha-Maßnahmen abgeschlossen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2022, S. 166).

Ausgaben und Finanzierung

Die Ausgaben für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen beliefen sich im Jahr 2022 auf gut 11,3 Milliarden Euro (Tabelle „Ausgaben für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nach Ausgabenträgern im Jahr 2022“). Dies entsprach knapp 2,3 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben (GBE, 2024). Dabei handelt es sich nur um stationäre oder teilstationäre Einrichtungen. Zudem ist eine Trennung der Ausgaben für Vorsorge und für Rehabilitationseinrichtungen nicht möglich. Die mit Abstand wichtigsten Ausgabenträger in der medizinischen Rehabilitation sind die GRV und die GKV, auf die zusammen beinahe 70 Prozent aller Ausgaben entfielen. Daneben sind vor allem noch die Arbeitgeber und die öffentlichen Haushalte als Finanzierungsträger von Reha-Maßnahmen von Bedeutung.

Die gesetzliche Rentenversicherung gab im Jahr 2022 für Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation gut 4,3 Milliarden Euro aus und übertraf damit die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (ohne Vorsorgeleistungen) mit rund 3,3 Milliarden Euro deutlich. Bei beiden Trägern sank der Anteil der Ausgaben für medizinische Rehabilitation an den jeweiligen Gesamtausgaben. Beide Sozialversicherungsträger verzeichneten während der Corona-Pandemie einen deutlichen Rückgang der Reha-Ausgaben.

Die Ausgaben für Leistungen der medizinischen Rehabilitation werden von den betreffenden Sozialversicherungsträgern aus ihren laufenden Einnahmen getragen. Dabei werden die Mittel der gesetzlichen Unfallversicherung allein aus den Beiträgen der Arbeitgeber aufgebracht, während die gesetzliche Krankenversicherung sich aus paritätisch finanzierten Beiträgen von Versicherten und Arbeitgebern sowie aus einem Bundeszuschuss finanziert.

Die starken Einschränkungen, denen die medizinische Rehabilitation bis heute unterliegt, haben in der gesetzlichen Rentenversicherung ihre Ursache vor allem in dem seit 1997 wirksamen Reha-Budget. In der gesetzlichen Krankenversicherung liegt ein wichtiger Grund in den Fehlanreizen, die mit dem Kassenwettbewerb einhergehen. Die Krankenkassen wollen ihre Ausgaben begrenzen, um die Anhebung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags zu vermeiden. Rehabilitationsmaßnahmen bieten sich dafür in besonderer Weise an, weil sie von den Krankenkassen selbst bewilligt werden. Die Folgekosten einer restriktiven Bewilligungspraxis entstehen bei anderen Trägern, ebenso wie Nachteile für die betroffenen Versicherten. Diese Interessenkonstellation führt dazu, dass die Grundsätze „Rehabilitation vor Rente“ und „Rehabilitation vor Pflege“ nur unzureichend umgesetzt werden.

Auf die gesetzliche Unfallversicherung entfielen im Jahr 2022 0,16 Milliarden Euro, dies entsprach einem Anteil von nur rund 1,4 Prozent der Ausgaben für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (GBE, 2024). 1992 waren es noch 3,5 Prozent gewesen (Statistisches Bundesamt, 2017). Dass der Anteil der GUV an den Gesamtausgaben für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sinkt, ist vor allem auf den langfristigen Rückgang der Arbeitsunfallzahlen zurückzuführen, auf die der Großteil der Reha-Maßnahmen in der GUV entfällt (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2022, S. 166).

Regulierung

Die medizinische Rehabilitation ist ein hochgradig fragmentierter Sektor. Auf diesem Handlungsfeld agieren zahlreiche, ihrem gesetzlichen Auftrag nach sehr unterschiedliche Kostenträger. So wundert es nicht, dass das Regulierungssystem in diesem Versorgungsbereich eine Reihe von Besonderheiten aufweist. Dies fängt bereits bei der ministeriellen Zuständigkeit an: Für das SGB IX als zentralem Regelwerk der Rehabilitation ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMA) und nicht das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zuständig. Allerdings ist für die Regulierung der medizinischen Rehabilitation auch eine Reihe solcher Merkmale wesentlich, die die gesetzliche Krankenversicherung charakterisieren:

  • Die Regulierung erfolgt durch eine Kombination aus staatlichen Rahmenvorgaben und deren Konkretisierung durch die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger und durch die Einrichtungsträger.

  • Der Gesetzgeber orientiert sich auch bei der Regulierung der medizinischen Rehabilitation in wichtigen Punkten an den Grundsätzen kollektivvertraglicher Steuerung.

Die herausgehobene Rolle kollektivvertraglicher Steuerungsinstrumente kommt vor allem in zahlreichen Bestimmungen des SGB IX zum Ausdruck, die die Rehabilitationsträger – ähnlich wie für die Krankenkassen im SGB V – dazu verpflichten, ihre Aufgaben einheitlich und gemeinsam wahrzunehmen und zu diesem Zweck eng zusammenzuarbeiten. Im Hinblick auf das Leistungsrecht – wie für andere GKV-Leistungen auch – konkretisiert der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die gesetzlichen Rahmenvorgaben.

Allerdings ist das kollektivvertragliche Handeln weitgehend auf die Seite der Kostenträger beschränkt. Zwar sind gesetzliche Vorgaben und die konkretisierenden Beschlüsse der Rehabilitationsträger auch für alle Leistungserbringer verbindlich. Auch sind Verbände der Leistungserbringer auf unterschiedliche Weise in solche Beschlussfassungen einbezogen. Allerdings verfügen die Leistungserbringer nicht über eine gesetzliche Kollektivvertretung, die als obligatorischer Vertragspartner der Rehabilitationsträger auftreten würde. Die Versorgungsverträge werden zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den einzelnen Leistungserbringern und nicht mit einer etwaigen Kollektivvertretung geschlossen. Insofern haben wir es in der medizinischen Rehabilitation mit einer Konstellation zu tun, die Gerhard Lehmbruch (1988) mit Blick auf den Krankenhaussektor als „halbierten Korporatismus“ bezeichnet hat. Zudem existiert – anders als in der akutmedizinischen Versorgung – für Rehabilitationsdienste und -einrichtungen keine Bedarfsplanung.

Im Bereich der GKV schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam einen Versorgungsvertrag mit den Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (§§ 111 Abs. 2; 111c Abs. 1 SGB V). Über den Abschluss wie über die Kündigung von Versorgungsverträgen ist mit der für die Landeskrankenhausplanung zuständigen Behörde ein Einvernehmen anzustreben (§ 111 Abs. 4 SGB V). Die Rehabilitationsdienste und -einrichtungen sind – anders als Akutkrankenhäuser – nicht durch einen Kontrahierungszwang der Rehabilitationsträger geschützt. Umgekehrt sind die Rehabilitationsträger allerdings auf die Dienste und Einrichtungen angewiesen. Auch wenn das SGB IX den Begriff „Sicherstellungsauftrag“ nicht verwendet, liegt er de facto bei den Krankenkassen und den Rentenversicherungsträgern sowie den Regierungen von Bund und Ländern, denn sie haben zu gewährleisten, dass der Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation umgesetzt wird.

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Richtige Antwort: Medizinische Rehabilitation umfasst Maßnahmen zur Begrenzung oder Vermeidung von Folgeschäden einer akuten Erkrankung.
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Richtige Antwort: Bei der stationären Rehabilitation können die Rehabilitanden im gewohnten sozialen, beruflichen, häuslichen Umfeld verbleiben.

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ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und leitet dort die Arbeitsgruppe "Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie". E-Mail Link: thomas.gerlinger@uni-bielefeld.de