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Ausgaben und Finanzierung des Gesundheitssystems

Thomas Gerlinger

/ 11 Minuten zu lesen

Gesundheitsausgaben

In Deutschland wurden im Jahr 2022 insgesamt 498 Milliarden Euro oder 5.939 Euro je Einwohner/-in für Gesundheit ausgegeben (Statistisches Bundesamt, 2024a). Damit beliefen sich die Gesundheitsausgaben auf 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) (Statistisches Bundesamt, 2024a). Mit diesem Wert stand Deutschland gemäß den Berechnungen der OECD weltweit hinter den USA und Kanada an dritter Stelle (siehe Tabelle „Länder mit dem höchsten Gesundheitsausgabenanteil am BIP“).

Ein Patient wird zur Narkosevorbereitung geschoben. Gesundheitsleistungen sind oft persönliche Dienstleistungen und sind daher weniger als andere berufliche Tätigkeiten rationalisierbar. (© picture-alliance/dpa)

In allen reichen Ländern steigt der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP mehr oder weniger kontinuierlich an (OECD, 2023). Dies liegt vor allem daran, dass Gesundheitsleistungen zumeist persönliche Dienstleistungen sind. Diese wiederum sind in geringerem Maße als andere berufliche Tätigkeiten rationalisierbar. Daher muss ein wachsender Teil der gesellschaftlichen Arbeitszeit für derartige Tätigkeiten aufgewendet werden. Unter sonst gleichen Umständen (z. B. bei synchroner Einkommensentwicklung in den unterschiedlichen Wirtschaftszweigen) führt dies notwendig zu einem Anstieg des Anteils der Gesundheitsausgaben am BIP. Weitere Faktoren wie der medizinische Fortschritt oder der demographische Wandel verstärken diesen Trend.

In der Corona-Krise ist in allen reichen Ländern der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP besonders deutlich gestiegen (OECD, 2023). Gründe sind die Corona-bedingten Mehrausgaben sowie die gleichzeitige Abschwächung der Wirtschaftsleistung.

Der bei weitem größte Anteil entfiel 2022 mit gut 53 Prozent auf die gesetzliche Krankenversicherung (Tabelle „Gesundheitsausgaben in Deutschland“). Die Sozialversicherungsträger insgesamt trugen gut zwei Drittel aller Ausgaben, auf die private Krankenversicherung einschließlich der Pflege-Pflichtversicherung entfielen 7,7 Prozent. Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte sind im Zuge der Corona-Krise stark gestiegen (s. Modul Interner Link: Ein Rückblick auf das deutsche Gesundheitswesen in der Corona-Pandemie). Im Jahr 2022 beliefen sie sich auf 9,7 Prozent der Gesundheitsausgaben, während es im Jahr vor dem Ausbruch der Pandemie, 2019, noch 4,4 Prozent gewesen waren. Ein erheblicher Teil dieses Anstiegs geht auf die Ausgaben für Tests und Impfungen zurück.

Gesetzliche Krankenversicherung

Ausgaben

Die Gesamtausgaben der GKV beliefen sich im Jahr 2022 auf knapp 289 Milliarden Euro (Bundesministerium für Gesundheit, 2023a), darunter gut 274 Milliarden Euro für Leistungsausgaben (siehe Tabelle „Gesamtaufwendungen und Leistungsausgaben der GKV nach Leistungsarten“). Auf jeden Versicherten entfielen damit durchschnittliche Leistungsausgaben in Höhe von rund 3.922 Euro (Bundesministerium für Gesundheit, 2023a). Die Verwaltungskosten und sonstige Aufwendungen machten rund 14,5 Milliarden Euro aus (5,3 % der Gesamtausgaben). Der bei weitem größte Teil der Leistungsausgaben (32,1 %) entfiel auf die Ausgaben für Krankenhausbehandlung. Die Arzneimittelversorgung (17,8 %) und die ambulante ärztliche Behandlung (16,8%) machten jeweils gut ein Sechstel der Leistungsausgaben aus. Demgegenüber waren die Bereiche „Prävention“ und „Selbsthilfe“ mit zusammen 0,63 Milliarden Euro (0,2 %) fast bedeutungslos (Bundesministerium für Gesundheit, 2023a).

Beitragsfinanzierung und Bundeszuschuss

Die gesetzliche Krankenversicherung wird ganz überwiegend durch Versicherungsbeiträge gedeckt, die zu gleichen Teilen von Versicherten und Arbeitgebern aufgebracht werden („paritätische Finanzierung“). Die Höhe der GKV-Beiträge richtet sich bei den Pflichtmitgliedern der GKV ausschließlich nach dem Bruttoarbeitseinkommen der Versicherten. Andere Einkunftsarten neben dem Arbeitseinkommen (z. B. Mieteinnahmen, Kapitalerträge) werden nur bei den freiwillig in der GKV versicherten Personen berücksichtigt (s. Modul Interner Link: Merkmale des Gesundheitssystems). Anders als in der privaten Krankenversicherung spielen in der GKV Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen oder persönliches Krankheitsrisiko der Versicherten für die Beitragsbemessung keine Rolle.

Der gesamte Beitragssatz errechnet sich aus einem allgemeinen, bundeseinheitlichen Beitragssatz und einem kassenspezifischen Zusatzbeitragssatz. Der allgemeine Beitragssatz wird gesetzlich festgeschrieben und beträgt seit 2015 14,6 Prozent des Bruttoarbeitseinkommens, also jeweils 7,3 Prozent für Versicherte und Arbeitgeber. Wenn eine Krankenkasse mit den ihr zugewiesenen Mitteln nicht auskommt, muss sie einen Zusatzbeitragssatz erheben. 2024 lag der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz bei 1,7 Prozent, bei erheblichen Schwankungen zwischen den einzelnen Krankenkassen. Auch dieser Zusatzbeitragssatz wird paritätisch finanziert.

Versicherte und Arbeitgeber zahlen je zur Hälfte den Gesamtbeitragssatz der Krankenkasse des Versicherten. Somit verändert sich die absolute Höhe des individuellen Beitrags mit der jeweiligen Einkommenshöhe. Nicht erwerbstätige Ehegatten und Kinder sind beitragsfrei mitversichert. Auch Personen mit einem monatlichen Einkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze (2024: 538 Euro) zahlen keine Beiträge zur GKV.

Die Beitragsfinanzierung wird seit 2004 durch einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss aufgestockt. Seit 2017 ist dieser auf 14,5 Milliarden Euro pro Jahr festgeschrieben. Während der Corona-Krise wurde er zwischenzeitig deutlich erhöht, um die pandemiebedingten Mehrkosten aufzufangen.

Umlageverfahren

Die GKV-Ausgaben werden nach dem Umlageverfahren finanziert: Die Ausgaben eines laufenden Jahres werden durch die in diesem Jahr erzielten Einnahmen gedeckt. Wenn ein Defizit entsteht, müssen die Beitragssätze oder der Bundeszuschuss angehoben werden

Beitragsbemessungsgrenze

Die erwähnte einkommensproportionale Beitragsaufbringung gilt nur bis zur so genannten Beitragsbemessungsgrenze. Nur Einkommen bis zu diesem Betrag werden bei der Beitragsberechnung berücksichtigt. Bei ihr handelt es sich um eine dynamisierte Grenze: Sie wird jährlich durch eine Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales verändert, wobei sich die Anpassung an der durchschnittlichen Veränderung der Bruttogehälter orientiert (§ 159 SGB VI). 2024 liegt diese Grenze bei einem Bruttoarbeitseinkommen von 62.100 Euro jährlich (5.175 Euro pro Monat).

Die Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze stellt eine Verletzung des Solidarprinzips dar, denn Einkommen oberhalb dieser Grenze werden nicht mehr zur Beitragsberechnung herangezogen. Versicherte mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze entrichten also einen geringeren Teil ihres Einkommens an die Krankenversicherung (Tabelle „Beitragsbelastung für Versicherte in der GKV ohne Zusatzbeitrag“). So reduziert sich der Arbeitnehmeranteil am allgemeinen Beitragssatz von 7,3 Prozent (2024) bei Personen mit einem Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 5.175 Euro (2024) für einen Versicherten mit einem Bruttomonatseinkommen von 6000 Euro auf einen Beitragssatz von knapp 6,3 Prozent und für Versicherte mit Bruttomonatseinkommen von 10.000 Euro auf einen Beitragssatz von lediglich 3,8 Prozent.

Mit der Beitragsbemessungsgrenze versucht der Gesetzgeber, die Anziehungskraft der gesetzlichen Krankenversicherung für besserverdienende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ja zwischen einer Versicherung in GKV oder PKV wählen können, zu erhöhen. Allerdings geschieht dies um den Preis, dass Pflichtversicherte bei der Beitragsbemessung gegenüber freiwillig Versicherten benachteiligt werden.

Gesundheitsfonds und Risikostrukturausgleich

Seit 2009 fließen die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in den Gesundheitsfonds und werden von dort an die Krankenkassen verteilt. Dies betrifft allerdings nicht die Einnahmen aus dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag. Diese Einnahmen fließen direkt an die einzelnen Krankenkassen. Der Gesundheitsfonds ist ein Sondervermögen, das vom Bundesamt für Soziale Sicherung verwaltet wird.

Bei der Verteilung der Mittel findet ein Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den Krankenkassen statt, für den der Gesetzgeber detaillierte Bestimmungen vorsieht. Beim RSA handelt es sich um ein finanzielles Umverteilungsverfahren zwischen den Krankenkassen. Die Ausgaben der einzelnen Krankenkassen hängen stark ab von der Zusammensetzung ihrer jeweiligen Versichertengemeinschaft. Mehrkosten, die z. B. dadurch entstehen, dass eine Krankenkasse besonders viele Alte oder chronisch Kranke unter ihren Versicherten hat, sind von ihr nicht zu verantworten. Daher sollen die sich daraus ergebenden Finanzierungsrisiken so gut wie möglich ausgeglichen werden. Dies geschieht, indem die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds einen festen Betrag je versicherter Person sowie einen Risikozuschlag erhalten, dessen Höhe sich nach dem Alter, dem Geschlecht und nach den diagnostizierten Krankheiten der Versicherten richtet. Daneben erhalten Krankenkassen eine Vorsorgepauschale, wenn Versicherte eine Mutterschaftsvorsorgeuntersuchung, eine Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchung oder eine Schutzimpfung in Anspruch genommen haben. Der RSA wurde 1994 eingeführt und ist seither mehrmals mit dem Ziel reformiert worden, den Ausgleich zielgenauer zu gestalten.

Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung

Für zahlreiche Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen Patientinnen und Patienten Zuzahlungen entrichten. Sie orientieren sich an dem Richtwert von zehn Prozent der Kosten, wobei für jede einzelne Leistung eine Zuzahlung von mindestens fünf Euro (aber maximal der jeweilige Preis) und höchstens zehn Euro anfällt. Die im Jahr 2024 geltenden Zuzahlungsregelungen gehen aus der nachfolgenden Tabelle hervor.

Gesetzliche Sozial- und Überforderungsklauseln begrenzen allerdings die Höhe der Zuzahlungen:

  • Sie sind für alle Versicherten auf maximal 2 Prozent der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt begrenzt (§ 62 SGB V). Die Zugrundelegung der „Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt“ bedeutet, dass bei der Berechnung der Belastungsgrenze nicht nur das individuelle Bruttoeinkommen des betreffenden Patienten aus abhängiger Arbeit, sondern auch andere Einkunftsarten (z. B. Mieteinnahmen) sowie die Einkünfte anderer Haushaltsmitglieder herangezogen werden. Die Zuzahlungsbefreiung erfolgt aber nur, wenn die Versicherten das Erreichen der Belastungsgrenze gegenüber ihrer Krankenkasse nachweisen und die Zuzahlungsbefreiung beantragen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so hat die Krankenkasse dem Versicherten eine entsprechende Bescheinigung auszustellen. Im Jahr 2022 waren aufgrund dieser Regelung rund 276.000 Versicherte von Zuzahlungen befreit (Bundesministerium für Gesundheit, 2023b, S. 10).

  • Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, sind Zuzahlungen auf maximal ein Prozent der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt begrenzt (§ 62 SGB V). Auch chronisch Kranke müssen entsprechende Nachweise führen und die Befreiung beantragen. Zudem müssen sie die Dauerbehandlung gegenüber ihrer Krankenkasse jeweils spätestens nach dem Ablauf eines Kalenderjahres nachweisen. Im Jahr 2022 waren aufgrund dieser Regelung rund 4,38 Millionen Versicherte von Zuzahlungen befreit (Bundesministerium für Gesundheit, 2023b, S. 10). Eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, des wichtigsten Gremiums der gemeinsamen Selbstverwaltung in der GKV (s. Modul Interner Link: Regulierung), bestimmt, welche Personen unter die Chroniker-Regelung fallen. Dies sind Patientinnen und Patienten, die regelmäßig wegen ein- und derselben schwerwiegenden chronischen Erkrankung in ärztlicher Behandlung sind und gleichzeitig mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen: a) es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 vor, b) es liegt ein Behinderungsgrad oder eine Erwerbsfähigkeitsminderung von mindestens 60 Prozent vor, c) es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung notwendig, ohne die „eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität“ (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2017) durch die betreffende Erkrankung droht.

  • Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind von Zuzahlungen vollständig befreit (Ausnahmen: Zahnersatz und Fahrtkosten).

In den zurückliegenden Jahren hat der Gesetzgeber verstärkt versucht, das Instrument der Zuzahlungen zu flexibilisieren, um die Versicherten zu veranlassen, gesundheitspolitisch erwünschte Leistungen in Anspruch zu nehmen. So sind Untersuchungen zur Krankheitsvorsorge- und -früherkennung, die von den Krankenkassen getragen werden, von Zuzahlungen ebenso befreit wie empfohlene Schutzimpfungen. Zuzahlungsnachlässe sind u. a. möglich, wenn die Versicherten

  • regelmäßig an qualitätsgesicherten Maßnahmen der Primärprävention oder der betrieblichen Gesundheitsförderung teilnehmen,

  • sich an der hausarztzentrierten Versorgung, an integrierten Versorgungsformen oder an strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke (Disease Management Programme) beteiligen oder

  • rabattierte Arzneimittel beziehen.

Zuzahlungen sind gesundheitspolitisch umstritten. Befürworter von Zuzahlungen argumentieren, dass sie ein gesundheitsbewusstes Verhalten und eine verantwortungsvolle Inanspruchnahme von Leistungen fördern (z. B. Breyer et al., 2013). Allerdings fehlt es dazu bisher an empirischen Nachweisen. Gesundheitsschädliche Lebensgewohnheiten werden wohl kaum aus finanziellen Motiven aufgegeben, zumal das Eintreten einer Erkrankung als Folge dieses Verhaltens ein lediglich mögliches Ereignis in einer zumeist fernen Zukunft ist. Überdies unterliegt der vermutlich größte Teil der Einflussfaktoren auf die Gesundheit (Arbeits-, Umwelt- und soziale Lebensbedingungen) nicht oder kaum dem Einfluss der betroffenen Personen. Die Gefahr, dass Versicherte, die individuell nicht an ihren Behandlungskosten beteiligt werden, zu einer übermäßigen Inanspruchnahme von Leistungen neigen („moral hazard“), ist bei chronischen bzw. schweren Erkrankungen oder risikoreichen Operationen ohnehin nicht gegeben (Reiners, 2011). Zwar könnte man sie bei Bagatellerkrankungen vermuten, aber auch hier ist die Inanspruchnahme von Leistungen in aller Regel mit Eingriffen in den Tagesablauf und anderen Unannehmlichkeiten verbunden (Hajen et al., 2011).

Empirische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Zuzahlungen vor allem dann Steuerungseffekte haben, wenn sie für die Patienten finanziell deutlich spürbar sind (von der Schulenburg & Greiner, 2013). In diesem Fall treffen sie aber insbesondere sozial Benachteiligte und können dazu führen, dass medizinisch notwendige Behandlungen unterbleiben oder verzögert werden. Ungeachtet dessen stellen Zuzahlungen eine Verletzung des Solidarprinzips dar, weil sie Kranke und vor allem chronisch Kranke finanziell überproportional belasten und die paritätische Finanzierung der Krankenbehandlung aushöhlen (Holst, 2008).

Private Krankenversicherung

Die Finanzierung der privaten Krankenversicherung unterscheidet sich grundlegend von der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge richtet sich in der PKV nach den individuellen Vorerkrankungen, nach dem Alter und nach weiteren Risikofaktoren für Erkrankungen zum Zeitpunkt des Versicherungseintritts. Nach Abschluss des Versicherungsvertrages erhöht sich die Versicherungsprämie weiter mit dem Alter der Versicherten. Die Höhe des Einkommens ist für die Bemessung der Prämie hingegen irrelevant. In der PKV gilt das Kostenerstattungsprinzip: Die Patientinnen und Patienten erhalten nach der Behandlung eine Rechnung und reichen diese bei ihrem Krankenversicherer ein. Das Krankenversicherungsunternehmen erstattet dann den vertraglich vereinbarten Anteil an den Behandlungskosten. Die Finanzierung erfolgt nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Die risikoäquivalente Prämienkalkulation wird durch Altersrückstellungen ergänzt. Dabei handelt es sich um einen Aufschlag auf die versicherungsmathematisch berechneten Kosten, der auf dem Kapitalmarkt angelegt wird. Die Erträge sollen im Alter den Anstieg der Versicherungsprämien dämpfen.

Auch die private Krankenversicherung ist von einem erheblichen Ausgabenanstieg betroffen. Da die Beiträge mit dem Alter steigen und zugleich die Einkommen in diesem Lebensabschnitt zumeist deutlich hinter denen der aktiven Erwerbszeit zurückbleiben, steigen für privat Versicherte die Belastungen erheblich und sind bisweilen auch nicht mehr zu bewältigen.

Neben der Krankheitsvollversicherung ist noch die private Zusatzversicherung von Bedeutung. Sie steht sowohl GKV- als auch PKV-Patientinnen und -Patienten offen und folgt ebenfalls den Regeln des privaten Versicherungsmarktes. In Deutschland ist die Zahl der Krankenzusatzversicherungen in den letzten Jahren stark gestiegen und beläuft sich mittlerweile auf knapp 30 Millionen Verträge. Die bedeutendsten Tarifarten in der Zusatzversicherung sind Zahntarife. Ferner spielen diverse ambulante Tarife (z. B. Zuschüsse zu Medikamenten, Brillen oder Hörgeräten) und Wahlleistungen im Krankenhaus (z. B. 1-Bett-Zimmer, Chefarztbehandlung) eine große Rolle.

Bürgerversicherung als Alternative?

Das Krankenversicherungssystem und dessen Finanzierung sind Gegenstand politischer Kontroversen. Sie betreffen zum einen das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, zum anderen die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung selbst. Die historisch gewachsenen Merkmale dieses Systems werden von den einen heftig kritisiert und von den anderen energisch verteidigt.

Die Kritik entzündet sich an den Gerechtigkeitsdefiziten des Finanzierungssystems. Gegen die Koexistenz von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird häufig eingewandt, dass privat Krankenversicherte sich nicht am Solidarausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligen, obwohl ihr Durchschnittseinkommen deutlich höher ist als das von gesetzlich Versicherten (Rothgang & Domhoff, 2017). Ferner findet zwischen beiden Systemen auch eine Risikoselektion zu Lasten der GKV statt: Unter denjenigen, die frei zwischen einer Krankenversicherung in GKV oder PKV wählen können, entscheiden sich in aller Regel die „schlechten“ Risiken für die GKV, also Personen mit Vorerkrankungen oder Risikofaktoren für chronische Erkrankungen, Personen mit nicht erwerbstätigen Ehegatten oder (mehreren) Kindern. Sie müssten in der PKV – im Unterschied zur GKV – einen Risikoaufschlag auf ihre Versicherungsprämie zahlen (Vorerkrankungen, Risikofaktoren) bzw. jedes Familienmitglied individuell versichern. Zugleich beinhaltet die Existenz einer Beitragsbemessungsgrenze in der GKV eine Benachteiligung der Pflichtversicherten gegenüber den Besserverdienenden.

Ferner erwachsen Gerechtigkeitsdefizite aus den Regeln der Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Da die Beitragsbemessung ausschließlich die Bruttoeinkommen aus abhängiger Arbeit berücksichtigt, alle anderen Einkunftsarten, also z. B. Einkünfte aus Vermietung oder Kapitalgeschäften, jedoch unberücksichtigt bleiben, wird bei diesen Versicherten nur ein Teil der Einkünfte zur Beitragsberechnung herangezogen (Gerlinger & Rosenbrock, 2024).

Diese Gerechtigkeitsdefizite könnten mit der Einführung einer Bürgerversicherung behoben oder zumindest gelindert werden. Konzepte für eine Bürgerversicherung sehen zwei Kernelemente vor (Gerlinger & Rosenbrock, 2024):

  • Die gesamte Wohnbevölkerung wird zu denselben Bedingungen in einer gemeinsamen Krankenversicherung zusammengefasst. Damit entfallen die Versicherungspflichtgrenze für besserverdienende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Sonderzugangsrechte für Beamte und Selbstständige zur PKV.

  • Neben den Einkünften aus abhängiger Arbeit sollen auch andere Einkunftsarten zur Finanzierung der Krankenversicherung herangezogen werden.

Die Einführung einer Bürgerversicherung könnte existierende Ungerechtigkeiten bei der Finanzierung und beim Leistungszugang verringern oder vielleicht sogar aufheben. Insbesondere in Verbindung mit einer Anhebung oder gar Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze würde sie auch zu einer erheblichen Senkung der Beiträge in der Krankenversicherung führen. Allerdings hängen die finanziellen Wirkungen von der genauen Ausgestaltung einer Bürgerversicherung ab.

Freilich bleiben diese Vorschläge nicht unwidersprochen. So argumentieren Vertreter des Status quo damit, dass die PKV zur finanziellen Entlastung der GKV beitrage. Ferner wird die PKV vielfach auch sehr grundsätzlich als Ausdruck einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung verteidigt (Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, 2018).

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Richtige Antwort: Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern
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Wie hoch ist ungefähr der Anteil der gesetzlichen Krankenversicherung an allen Gesundheitsausgaben in Deutschland?

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Was ist die wichtigste Einnahmenquelle der gesetzlichen Krankenversicherung?

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Richtige Antwort: Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern

Was beschreibt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung?

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Richtige Antwort: die Höhe des Arbeitseinkommens, von dem höchstens der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung berechnet wird.

Die Krankenhausversorgung ist in der gesetzlichen Krankenversicherung die Leistungsart mit dem höchsten Anteil an den Leistungsausgaben. Wie hoch ist dieser Anteil ungefähr?

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Richtige Antwort: gut 30 Prozent

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ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und leitet dort die Arbeitsgruppe "Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie". E-Mail Link: thomas.gerlinger@uni-bielefeld.de