Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG)
Das 2006 in Kraft getretene Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) sollte weitere Anreize für mehr Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung von Arzneimitteln schaffen. Mit dem AVWG
können die Krankenkassen Arzneimittel von der Zuzahlung befreien, wenn der Preis des Medikaments mindestens 30 Prozent unterhalb des Festbetrags liegt. Patientinnen und Patienten sollen so einen Anreiz erhalten, bei ihrem Arzt auf die Verordnung eines solchen preisgünstigen Medikaments zu bestehen. Der Marktanteil der von Zuzahlungen befreiten Arzneimittel aus dem unteren Marktdrittel soll so erhöht werden.
werden die Festbeträge für Arzneimittel abgesenkt. Krankenkassen können zudem mit den Pharmaherstellern Rabattverträge abschließen, um dadurch Mehrkosten der Versicherten für Medikamente zu verhindern, deren Preis über dem Festbetrag liegt.
bleiben diejenigen Arzneimittel, die eine therapeutische Verbesserung darstellen, von Festbeträgen freigestellt.
soll die Verantwortung der Ärzte für die Wirtschaftlichkeit ihrer Arzneimittelverordnungen durch eine Bonus-Malus-Regelung gestärkt werden. Dazu vereinbaren Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) jährlich für bestimmte Arzneimittelgruppen sogenannte Durchschnittskosten pro definierter Dosiereinheit, die sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergeben. Ärzte, die diese Werte überschreiten, müssen einen Teil der Mehrkosten selbst tragen. Unterschreiten die Medikamentenausgaben einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) den festgelegten Betrag, zahlen die Krankenkassen einen Bonus an diese KV. Diese verteilt den Bonus an die wirtschaftlich verordnenden Ärzte. Allerdings gilt diese Regelung nur, wenn Kassen und KVs auf der Landesebene keine andere Vereinbarung erzielen, mit der die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung verbessert wird.
sollen Krankenhäuser dazu angehalten werden, bei der Entlassung der Patientinnen und Patienten nur jene Arzneimittel anzuwenden, die auch bei einer weiteren Medikamententherapie im Anschluss an die Klinik wirtschaftlich und zweckmäßig sind.
gilt für Arzneimittel, die zulasten der Krankenkassen verordnet werden können, ein zweijähriger Preistopp.
sollen die Hersteller von Generika den Kassen einen Abschlag von zehn Prozent des Herstellerabgabepreises ohne Mehrwertsteuer gewähren.
werden Naturalrabatte der Pharmahersteller an die Apotheken verboten, während Barrabatte außerhalb der Arzneimittelpreisverordnung auch weiterhin möglich sind .
Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
Der Entwurf für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) enthält wiederum eine Reihe neuer Regelungen für die Arzneimittelversorgung, insbesondere für die Preisgestaltung von Arzneimitteln:
Erstmals wird in Deutschland eine Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln eingeführt. Diese Kosten-Nutzen-Bewertung wird vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen durchgeführt. Der GKV-Spitzenverband kann auf dieser Grundlage erstmals für innovative patentgeschützte Arzneimittel Höchstbeträge festsetzen.
Die einzelnen Krankenkassen erhalten das Recht, mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge abschließen. Gleichzeitig sind die Apotheken grundsätzlich dazu verpflichtet, Rabattarzneimittel abzugeben. Bei den Arzneimittelherstellern wiederum wird damit das Interesse geweckt, Preisnachlässe in der Erwartung zu gewähren, dass die Preisabschläge nach Vertragsabschluss durch die Erhöhung des Absatzes überkompensiert werden und sich somit die Gewinne erhöhen. Diese Rabattverträge haben seitdem eine beachtliche Wirkung entfaltet. Im jahr 2015 vereinbarten die Krankenkassen mit den Generikaherstellern Rabatte im Umfang von 3,61 Milliarden Euro . Die Einsparpotenziale bei Generika wurden vollständig durch die Rabattverträge erschlossen .
Bei der Verordnung von kostenintensiven Leistungen (Arzneimittel, Hilfsmittel, Diagnostika) ist eine Zweitmeinung von fachlich besonders qualifizierten Ärztinnen und Ärzten einzuholen.
Der Apothekenrabatt für die Krankenkassen wird von 2,00 Euro auf 2,30 Euro je verschreibungspflichtiges Arzneimittel erhöht. Dies entspricht einem Einsparvolumen von rund 180 Millionen Euro.
Reform der Arzneimittelpreisbildung
Anfang 2010 musste eine Reihe von Krankenkassen die Einführung eines Zusatzbeitrags bekannt geben. Dieses Ereignis lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die konservativ-liberale Bundesregierung sah sich nun mit der Frage konfrontiert, was sie gegen den Ausgabenanstieg unternimmt. Sie geriet nun unter Druck, auf diesem Feld tätig zu werden und sich nicht auf eine Reform der Einnahmeseite zu beschränken.
Dabei rückten schnell die Arzneimittelausgaben in den Mittelpunkt, denn sie waren in den vorangegangenen Jahren besonders stark gestiegen. Insbesondere die zum Teil extrem teuren, neuen, patentgeschützten Arzneimittel (Originalpräparate) sind dafür verantwortlich, wobei nicht wenige unter ihnen von zweifelhaftem Nutzen sind. Vor diesem Hintergrund nahm die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Reihe von Veränderungen an bestehenden Regelungen vor. Sie bestanden einerseits aus kurzfristig wirksamen und andererseits aus strukturellen, eher mittel- und langfristig wirkenden Komponenten.
Bei den kurzfristig wirksamen Maßnahmen handelte es sich um folgende Bestimmungen:
Der Zwangsrabatt, den Arzneimittelhersteller den Krankenkassen als Großabnehmern gewähren müssen, wurde von sechs auf 16 Prozent erhöht.
Die Anhebung des Zwangsrabatts wurde mit einem dreijährigen Preismoratorium (bis 2013) auf der Basis der am 1. August 2009 geltenden Preise verknüpft. Dies sollte verhindern, dass die Arzneimittelhersteller mit einer Anhebung der Preise die Wirkung des erhöhten Zwangsrabatts kompensieren. Das Preismoratorium galt zunächst bis zum 31. Dezember 2013 und wurde vom Gesetzgeber mittlerweile bis Ende 2017 verlängert.
Diese Maßnahmen sollten zu einer Sofortbremsung der Arzneimittelausgaben führen. Die betreffenden Bestimmungen wurden Mitte 2010 durch das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Bestimmungen eingeführt und traten überwiegend am 30. Juli 2010 in Kraft. Erstmals kam auch die private Krankenversicherung in den Genuss dieser Regelungen. Der Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV-Verband) hatte darauf gedrungen, um seine auch in diesem Leistungssegment stark steigenden Ausgaben begrenzen zu können.
Darüber hinaus verabschiedete die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit einige grundlegende Bestimmungen zur Reform der Preisbildung bei patentgeschützten Medikamenten, die zu besonders starken Preistreibern im Arzneimittelmarkt gehören. Diese Maßnahmen wurden mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) zum 1. Januar 2011 in Kraft gesetzt. Hierbei handelte es sich um folgende Bestimmungen:
Die Arzneimittelhersteller müssen für die Bewertung eines neuen Medikaments durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) künftig Nachweise über deren Zusatznutzen vorlegen. Diese Informationen sind zusätzlich zu den bisher üblichen Zulassungsunterlagen einzureichen. Der G-BA nimmt daraufhin innerhalb von drei Monaten eine eigene Beurteilung ("Frühbewertung") vor. Der Hersteller hat weitere drei Monate Zeit, darauf zu reagieren.
Danach entscheidet der G-BA, wie mit dem Arzneimittel weiter zu verfahren ist. Wenn kein Zusatznutzen vorliegt, wird der Preis für das Medikament nach dem Festbetragsverfahren durch die Krankenkassen festgelegt und orientiert sich damit an den Preisen für vergleichbare Medikamente. Wenn ein Zusatznutzen festgestellt wird, treten Arzneimittelhersteller und Krankenkassen in Preisverhandlungen (Rabattverhandlungen) ein, die ein Jahr nach der Markteinführung des Medikaments abgeschlossen sein müssen. Ist dies nicht geschehen, setzt eine unabhängige Schiedsstelle den Preis für dieses Medikament fest.
Ausgenommen von diesem Verfahren sind die sogenannten "Orphan-Drugs". Dies sind Medikamente zur Behandlung seltener und lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen. Wenn bei diesen Arzneimitteln im Zulassungsverfahren der bloße Wirksamkeitsnachweis erbracht wird, gilt hier auch automatisch ein Zusatznutzen als gegeben. Allerdings erhielt der G-BA das Recht, von den Arzneimittelherstellern Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit des Medikaments einzufordern. Werden solche Studien nicht erbracht, so sind auch diese Orphan-Drugs automatisch von der Erstattung zulasten der GKV ausgeschlossen. Mit dieser Regelung wollte man dem Anreiz für Arzneimittelhersteller begegnen, möglichst viele Medikamente als "Orphan-Drugs" zu definieren, um auf diese Weise eine langwierige Nutzenbewertung zu umgehen und die Preise für diese Medikamente frei festsetzen zu können.
Die Reform der Arzneimittelpreisbildung wurde höchst kontrovers beurteilt. Die Regierungsparteien hielten sich zugute, erstmals einen Eingriff in die freie Preisbildung bei patentgeschützten Arzneimitteln durchgesetzt zu haben. Allerdings wiesen Kritikerinnen und Kritiker darauf hin, dass die Reform nicht weit genug ginge, denn sie gestatte den Arzneimittelherstellern, den Preis für ein neues Medikament im ersten Jahr nach wie vor selbst festzulegen. Angesichts der bevorstehenden Preisverhandlungen würden sie diesen Preis besonders hoch ansetzen. Dieser überhöhte Preis würde dann zum Bezugspunkt der Rabattverhandlungen werden. Auf diese Weise würden die Pharmaunternehmen in die Lage versetzt, eine Reduzierung des zuvor kalkulierten Gewinns zu vermeiden. Somit würden die Preisverhandlungen die vorausgegangenen Preisanhebungen lediglich kompensieren und damit nicht zu Einspareffekten führen.