Qualität und Qualitätsmängel in der Arzneimittelversorgung
Eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung hat vielfältige strukturelle und subjektive Voraussetzungen:
Der Arzt muss in der Lage sein, die richtige Indikation zu stellen.
Es muss ein übersichtliches Angebot an wirksamen, sicheren und möglichst auch preisgünstigen Arzneimitteln geben, deren therapeutischer Nutzen nachgewiesen ist.
Die ärztlichen Verordnungsentscheidungen müssen der Krankheit und der Person des Kranken angemessen sein.
Der Zugang zur Arzneimittelversorgung darf sozial nicht diskriminiert werden.
Qualitätsmängel in der Arzneimittelversorgung
Das Wissen über die Qualität der Arzneimittelversorgung ist insgesamt sehr lückenhaft. Die kontinuierliche, systematische, patienten- und arztbezogene Beobachtung und Bewertung von erwünschten und unerwünschten Wirkungen in der Arzneimitteltherapie ist verbesserungsbedürftig . Sofern Daten vorliegen, geben sie deutliche Hinweise darauf, dass die Qualität des Arzneimittelangebots und der Arzneimittelversorgung in Deutschland durch gravierende Mängel gekennzeichnet ist, wobei sich in einigen Bereichen allerdings auch deutliche Verbesserungen der Versorgungssituation abzeichnen . Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Mängel bei der Nachmarktkontrolle („Pharmakovigilanz“) vermutlich eine Vielzahl unerwünschter Wirkungen einstweilen im Dunkeln lassen.
Ärztliche Qualifikation
In Deutschland lassen in Bezug auf alle der oben genannten Aspekte erhebliche Unzulänglichkeiten ausmachen . Bereits bei der Indikationsstellung identifizierte der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen bei Ärzten Mängel, Erkrankungen oder Risikofaktoren zu erkennen bzw. angemessen zu deuten, z.B. bei Bluthochdruck, Diabetes sowie psychischen und psychosomatischen Erkrankungen.
Intransparenz des Arzneimittelmarktes
Das Arzneimittelangebot ist angesichts der hohen Zahl von therapeutisch umstrittenen Arzneimitteln sehr intransparent. Im Jahr 2014 gab es zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) immerhin noch 28,4 Millionen Verordnungen umstrittener Arzneimittel mit einem Umsatzvolumen von 625 Millionen Euro ; dies entsprach einem Anteil von 4,3 Prozent an allen GKV-Arzneimittelverordnungen und von 1,9 Prozent am gesamten GKV-Arzneimittelumsatz. Mängel in der Nachmarktkontrolle erschweren es dem Arzt, sich einen Überblick über das medizinisch jeweils indizierte Medikament zu verschaffen. Es gibt weder für Ärzte und Apotheker noch für Verbraucher eine unabhängige Arzneimittelbewertung.
Ärztliche Qualifikationsmängel und die Intransparenz des Arzneimittelmarktes tragen dazu bei, dass ärztliche Verordnungsentscheidungen des Öfteren nicht angemessen sind. Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat bereits 2002 Merkmale von Überversorgung als auch von Unter- und Fehlversorgung in der Arzneimitteltherapie ausgemacht:
Qualitätsmängel bei der medikamentösen Behandlung einiger besonders weit verbreiteter Erkrankungen (zum Beispiel Herz-Kreislauf-Krankheiten, chronischen, obstruktiven Lungenerkrankungen, zerebrovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus, Demenz, Hypertonie, Migräne),
nicht indizierte Leistungen und Qualitätsprobleme bei der Dauermedikation mit Tranquilizern und bei der Verordnung von nicht sinnvoll zusammengesetzten Kombinationspräparaten,
Unterversorgung mit Opioiden bei malignombedingten Schmerzen,
Unterversorgung mit Medikamenten bei Depression,
Qualitätsdefizite in der Palliativversorgung, u.a. in der Versorgung mit Schmerz- und anderen Arzneimitteln.
Besondere Problemgruppen
Zu den besonderen Problemgruppen der Arzneimittelversorgung zählen ältere, multimorbide Patienten, die mit einer Vielzahl von Präparaten dauerhaft therapiert werden. Wechselwirkungen sind häufig nicht erforscht oder Ärzten angesichts unzureichender Kenntnisse nicht bekannt. Eine weitere Problemgruppe sind Kinder und Jugendliche. Experten kritisieren, dass sie häufig Arzneimittel erhalten, die nur für Erwachsene geprüft und für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen nicht ausdrücklich zugelassen sind .
Darüber hinaus erzeugt die Abschottung von ambulanter und stationärer Versorgung manches Problem in der Arzneimittelversorgung. In der stationären Versorgung werden zuvor verordnete Medikamente wieder abgesetzt und nach der stationären Entlassung erneut geändert. Dieses Wechselspiel dürfte unter gesundheitlichen Aspekten kaum positiv sein.
Das Zusammenwirken der genannten Faktoren führt zu gravierenden Gesundheitsgefährdungen. So wird geschätzt, dass 3,25 Prozent aller Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen sind . Ein unerwünschtes Arzneimittelereignis bringt geschätzte Kosten von 2.250 Euro mit sich, die Gesamtkosten der Behandlung unerwünschter Arzneimittelereignisse belaufen sich damit auf rund 434 Millionen Euro pro Jahr. Bei der Annahme, dass jeder fünfte dieser Fälle vermeidbar ist, verbleibt ein Einsparpotential von 87 Millionen Euro pro Jahr . Im Jahr 2015 registrierte das BfArM 2.241 Todesfälle aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen sowie weitere 25.160 Berichte über unerwünschte Arzneimittelwirkungen . Die Zahl der tatsächlichen Todesfälle dürfte noch weit höher liegen: Fröhlich (2001) geht von 16.000 bis 25.000 Arzneimitteltoten pro Jahr aus.
Unzureichende Befolgung von Arzneimitteltherapien durch Patientinnen und Patienten
Qualitätsmängel in der Arzneimittelversorgung entstehen auch durch eine oft unzureichende Compliance der Patienten . Allerdings verweist auch eine unzureichende Compliance häufig auf Versorgungsmängel, weil Ärzte in solchen Fällen die Ängste, Bedürfnisse und Handlungsressourcen der Patienten bei der Verordnungsentscheidung offenkundig nicht angemessen berücksichtigen . Eine solche Non-Compliance mag unter medizinischen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll sein. Aber sie dürfte in vielen Fällen auch gesundheitlich unerwünschte Wirkungen nach sich ziehen. Zudem verursacht sie außerdem vermeidbare Kosten für die GKV, und dies in nicht unerheblichem Umfang .
Schließlich müssen auch die bei manchen Arzneimitteln ausgeprägten regionalen Unterschiede in der Arzneimittelverordnung als Hinweise auf Qualitätsmängel gewertet werden . So erhielt im Jahr 2011 in der KV-Region Bayern jeder Versicherte im Durchschnitt Analgetika (Schmerzmittel) im Umfang von 7,24 DDD, in Mecklenburg-Vorpommern aber 11,68 DDD (+ 61,3 %). In Brandenburg wurde jedem Versichertem in Brandenburg 3,5 DDD Antibiotika zur systemischen Anwendung verordnet, in Nordrhein-Westfalen hingegen 6,1 DDD (+ 74,3 %) . Diese und andere Unterschiede in der Arzneimitteltherapie lassen sich nur teilweise auf regionale Unterschiede in der Alterszusammensetzung und Morbidität zurückführen. Vermutlich sind hier auch Unterschiede in den Therapiegewohnheiten von erheblicher Bedeutung.
Rationalisierungspotenziale
Die erwähnten Qualitätsmängel – gleich, ob es sich um eine Über-, Unter- oder Fehlversorgung handelt – kennzeichnen auch Wirtschaftlichkeitsreserven in der Arzneimittelversorgung, denn nur Therapien, die wirksam, ausreichend und zweckmäßig sind und die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, können auch wirtschaftlich sein. Einsparpotenziale existieren zum einen, wenn verordnete Arzneimittel
Der Arzneiverordnungs-Report errechnet für den GKV-Arzneimittelmarkt ein erhebliches Einsparpotenzial. Auf der Grundlage nationaler Preisvergleiche beläuft es sich auf 4,7 Milliarden Euro, bezogen auf die Gesamt-Nettokosten im GKV-Fertigarzneimittelmarkt von 26,3 Milliarden Euro . Im Einzelnen handelt es sich um Einsparungen bei Analogpräparaten von 2,8 Milliarden Euro, Generika von 1,4 Milliarden Euro und umstrittenen Arzneimitteln von 0,5 Milliarden Euro. Hiervon sind die durch Rabattverträge erzielten Einsparungen (1,6 Milliarden Euro) zu subtrahieren, so dass sich ein reales Einsparpotential in Höhe von 3,1 Milliarden Euro ergibt.
Auf der Grundlage internationaler Preisvergleiche ergibt sich ein Einsparpotenzial in Höhe von 9,5 Milliarden Euro. Hierzu tragen bei Generika von 4,2 Milliarden Euro, patentgeschützte Arzneimittel von 1,6 Milliarden Euro und Analogpräparate von 3,7 Milliarden Euro. Zieht man von dieser Summe erneut die Einsparungen durch Rabattverträge ab, so verbleibt ein Einsparpotenzial von 7,8 Milliarden Euro (Tab. 7-7).
Zugang zu Arzneimitteln
Im Hinblick auf den sozial und finanziell undiskriminierten Zugang zu Arzneimitteln stellt sich die GKV insofern positiv dar, als sich der umfassende Leistungsanspruch von GKV-Versicherten auch auf die Versorgung mit Arzneimitteln erstreckt. Allerdings ist das Bild auch nicht frei von Widersprüchen: Die deutliche Anhebung der Zuzahlungen kann in nicht wenigen Fällen eine erhebliche Belastung für die Patienten darstellen. Auch die erwähnten Regelungen zur Zuzahlungsbefreiung ändern daran wenig. Zudem sind diese in der Vergangenheit zulasten der Versicherten verändert worden. Ob und in welcher Zahl Patientinnen und Patienten aus finanziellen Gründen auf die Einnahme notwendiger Medikamente verzichten, lässt sich aber nicht verlässlich sagen.
Hinzu kommt, dass Budget- und Richtgrößenregelungen Ärzte verstärkt dazu veranlassen können, ihren GKV-Patienten Medikamente vorzuenthalten beziehungsweise privat zu verordnen. Sie schaffen auch einen Anreiz zur Unterversorgung beziehungsweise zur zeitlichen oder institutionellen Verlagerung von Kosten. Verlässliche Aussagen über die Verbreitung derartiger Verhaltensweisen lassen sich nicht treffen, aber es liegen ernst zu nehmende Hinweise darauf vor, dass sie vorkommen – und zwar in einer nicht zu vernachlässigenden Größenordnung . Dabei fällt es Ärztinnen und Ärzten vergleichsweise leicht, die Vorenthaltung von Leistungen zu begründen, weil sie letztlich den medizinisch notwendigen Behandlungsbedarf definieren. Allerdings ist die häufig verwendete Begründung, eine Überschreitung des Budgets verbiete es der Ärztin oder dem Arzt, weitere Medikamente zu verordnen, durch die Rechtslage nicht gedeckt, denn das Sozialgesetzbuch verpflichtet sie, alle medizinisch notwendigen Leistungen zu erbringen beziehungsweise zu veranlassen, auch wenn Budgets überschritten werden müssen.
Fortschritte in der Arzneimittelversorgung
Ungeachtet anhaltender Mängel sind auch Tendenzen in Richtung auf eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung sichtbar. Dies betrifft zunächst das Arzneimittelangebot. Zwar ist das Gewicht umstrittener Arzneimittel weiterhin zu hoch, jedoch sind die Verordnungs- und Umsatzzahlen in diesem Segment seit Jahren rückläufig. So sank zwischen 1992 und 2014 die Zahl der Verordnungen von rund 399 auf rund 28 Millionen und das Umsatzvolumen von 5,1 Milliarden auf 625 Millionen Euro . Schließlich haben pharmazeutische Unternehmen in den zurückliegenden Jahren eine Reihe innovativer Medikamente auf den Markt gebracht, mit denen für einige chronische Erkrankungen eine Verbesserung von Behandlungsergebnissen erzielt werden kann, etwa für die koronare Herzkrankheit, für Diabetes, chronische Schmerzen und Depressionen.
Darüber hinaus sind auch verstärkte Anstrengungen von Krankenkassen, KVen und Vertragsärztinnen und -ärzten zu beobachten, zu mehr Rationalität in der Arzneimittelverordnung zu gelangen. In diesem Zusammenhang haben sich in vielen Fällen ärztliche Qualitätszirkel als geeignete Instrumente erwiesen . Derartige Qualitätszirkel beziehen sich entweder direkt auf die Pharmakotherapie oder besprechen Fragen der Arzneimitteltherapie im Rahmen allgemeiner Bemühungen zur Qualitätssicherung. Seit Mitte der 1990er-Jahre haben sie auch im Zusammenhang mit den Bemühungen zur Modernisierung der Versorgungsstrukturen durch Modellvorhaben und Strukturverträge sowie in der hausarztzentrierten Versorgung Verbreitung gefunden. Zudem wurde mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2004 auch eine Pflicht zu einer auch von der Pharmaindustrie unabhängigen Weiterbildung in das SGB V aufgenommen.
Auch die explizite Formulierung von Fortbildungspflichten im SGB V durch das GMG (§ 95d SGB V) bietet Möglichkeiten zu einer Verbesserung der Arzneimitteltherapie. Demzufolge ist der Vertragsarzt „verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist“ (§ 95d Abs. 1 SGB V). Seitdem müssen die Vertragsärzte alle fünf Jahre nachweisen, dass sie ihren Fortbildungspflichten nachgekommen sind (§ 95d Abs. 3 SGB V). Die Fortbildungsinhalte selbst müssen auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand und unabhängig von wirtschaftlichen Interessen sein (§ 95d Abs. 1 SGB V), also auch von denen der Pharma-Industrie. Allerdings dürften Ärzte ungeachtet dessen starken Beeinflussungsversuchen durch die Arzneimittelhersteller unterliegen .
Qualitätssicherung in der Arzneimittelversorgung
Neben der Kostendämpfung ist die Qualitätssicherung ein wichtiges Ziel der Arzneimittelpolitik. Manche der gesetzlichen Bestimmungen zielen gleichzeitig auf eine Kostendämpfung und auf eine Qualitätssicherung. Dies gilt auch für eine Reihe der oben erwähnten Kostendämpfungsmaßnahmen.
Kompetenzen und Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses
Art und Umfang des Arzneimittelverbrauchs werden in erster Linie durch das ärztliche Verordnungsverhalten bestimmt. Dabei unterliegt die Arzneimitteltherapie wie alle anderen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung auch den Rahmenbedingungen des Sozialgesetzbuches: Sie muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V). Diese Generalnormen werden durch die rechtsverbindlichen Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in der Zusammensetzung für die vertragsärztliche Versorgung, also die ambulante Versorgung von GKV-Versicherten, konkretisiert. Die Arzneimittelrichtlinien beinhalten:
So sehen die Arzneimittelrichtlinien zum Beispiel vor, dass der Vertragsarzt
neben oder anstelle der Arzneimitteltherapie auch andere therapeutische Maßnahmen in Erwägung zu ziehen,
bei der Verordnungsmenge Wirtschaftlichkeitsgrundsätze zu beachten und
bei seiner Verordnungsentscheidung auch den Preis des Arzneimittels zu berücksichtigen hat.
Daneben nimmt der G-BA durch sein Recht, über die Aufnahme neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in den GKV-Leistungskatalog zu entscheiden, Einfluss auf die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten.
Zitat§ 91 Abs. 1 S. 1 SGB V Gemeinsamer Bundesausschuss
"(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss."
Externer Link: https://www.gesetze-im-internet.de/
Darüber hinaus erhielt der Gemeinsame Bundesausschuss mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) 2006 die Möglichkeit, die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen,
wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind und
wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Abs. 1 SGB V).
Bei den Arzneimittelrichtlinien sind insbesondere die Verordnungsausschlüsse und -einschränkungen immer wieder Gegenstand rechtlicher Beanstandungen. Wiederholt haben die Gerichte einschlägigen Klagen von Pharmaunternehmen stattgegeben und damit Richtlinien des G-BA außer Kraft gesetzt.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz, das am 1. Janaur 2004 in Kraft trat, wurde eine neue Einrichtung der Qualitätssicherung ins Leben gerufen, der auch Aufgaben auf dem Gebiet der Arzneimittelversorgung zugewiesen wurden: das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Zitat§ 139a Abs. 1 S. 1 SGB V Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
"(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 gründet ein fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und ist dessen Träger."
Externer Link: https://dejure.org/gesetze/SGB_V/139a.html
Zu seinen Aufgaben zählen (§ 139a Abs. 3 SGB V) neben der Ermittlung, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten. Weiterhin erarbeitet es evidenzbasierte Leitlinien für die Behandlung epidemiologisch bedeutsamer Krankheiten und bewertet es den therapeutischen Nutzen von Arzneimitteln. Darüber hinaus soll das Institut einheitliche Kriterien für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln bestimmen.
Das IQWiG wird tätig, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss ihm einen entsprechenden Arbeitsauftrag erteilt. Diese Aufträge können sich auf patentgeschützte Arzneimittel, über deren Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV entschieden werden soll, ebenso erstrecken wie auf alle anderen Arzneimittel. Das IQWiG gibt auf der Grundlage seiner Bewertung Empfehlungen ab (§ 35b Abs. 2 SGB V), die der G-BA bei seiner Beschlussfassung über die Arzneimittelrichtlinien zu berücksichtigen hat.
Beobachtung von Arzneimittelrisiken (Nachmarktkontrolle, Pharmakovigilanz)
Der therapeutische Wert – also Nutzen und Risiken – eines Medikaments kann zumeist erst nach langjährigen Erfahrungen mit der erforderlichen Zuverlässigkeit bestimmt werden. Daher ist die kontinuierliche, systematische Beobachtung der erwünschten und unerwünschten Wirkungen eines Medikaments nach der Markteinführung ein unverzichtbares Instrument der Qualitätssicherung in der Arzneimittelversorgung. In Deutschland existiert ein solches Instrument jedoch nicht. Vielmehr findet sich hier ein System der Spontanerfassung von einzelnen Verdachtsfällen, die dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von Ärztinnen und Ärzten oder Arzneimittelherstellern angezeigt werden. Zwar gehen dort jährlich mehr als 20.000 Verdachtsmeldungen ein , vermutlich wird damit aber nur ein kleiner Teil der unerwünschten Arzneimittelwirkungen bekannt.
Für die Erfassung von Arzneimittelrisiken ist des Weiteren die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft von Bedeutung. Sie erfasst, dokumentiert und bewertet unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die ihr die Ärzte mitzuteilen haben. Außerdem nimmt sie im Auftrag der Bundesärztekammer unter anderem Stellung zur Herstellung und Verwendung von Arzneimitteln.
Insgesamt betrachtet, ist das deutsche Spontanerfassungssystem nicht sonderlich gut geeignet für die Ermittlung unerwünschter Arzneimittelwirkungen geeignet. Das Eintreten, die Häufigkeitsrate und die Schwere unerwünschter Arzneimittelwirkungen sowie Kausalzusammenhänge zwischen Arzneimittelkonsum und unerwünschten Nebenwirkungen können so kaum mit der wünschenswerten Genauigkeit erfasst werden. Dies zu ermöglichen, würde den Aufbau umfassender Datenbanken erfordern, die in anderen Ländern zum Teil existieren.