Arzneimittel und ihre Bedeutung
Dem Arzneimittelgesetz (AMG) zufolge sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen von Stoffen, die
als Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten,
für ärztliche Diagnosen sowie
zur Erkennung, Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung von Körperfunktionen
eingesetzt werden (§ 2 Abs. 1 AMG). Arzneimittel sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. In Deutschland wird im Durchschnitt bei jedem Arztbesuch ein Medikament verordnet.
Die Verfügbarkeit von Arzneimitteln hat einen erheblichen Einfluss auf den Umgang mit Krankheit. Aus der Sicht des Arztes ist die Verordnung eines Medikaments eine schnelle und wenig aufwendige Therapieform. Sie signalisiert dem Patienten, dass der Arzt aufgrund des eigenen Expertenwissens tätig wird, um die Krankheit zu heilen oder die Beschwerden zu lindern. Beim Patienten begründet die Einnahme eines Medikaments die Hoffnung auf eine baldige Besserung des Gesundheitszustands. Zumeist beeinträchtigt sie den Lebensalltag nicht oder nur geringfügig. Insbesondere dort, wo die Arzneimitteltherapie andere Therapieformen (zum Beispiel chirurgische Eingriffe) ersetzen kann, wird sie von den Patienten oftmals als vergleichsweise wenig belastend empfunden. Außerdem erlaubt ihnen die Einnahme eines Medikaments in vielen Fällen, ihre bisherigen Lebensgewohnheiten beizubehalten. Auf der anderen Seite erleichtert die Möglichkeit einer Arzneimitteltherapie es dem Arzt, dem Patienten einen solchen Wandel nicht nahezulegen beziehungsweise nicht zuzumuten. Zugleich trägt die Ärztin oder der Arzt aber auch dem Umstand Rechnung, dass er auf die Krankheitsursachen, die in den Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen wurzeln, kaum Einfluss nehmen kann.
Umfang und Art von Arzneimittelverordnungen
Besonders gut erfasst sind die Arzneimittelverordnungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Da dort fast 90 Prozent der Bevölkerung versichert sind, geben diese Daten einen guten Einblick in das gesamte Verordnungsgeschehen. Im Jahr 2014 erfolgten im Rahmen der GKV rund 651 Millionen Arzneimittelverordnungen, also durchschnittlich 9,3 Verordnungen je Versicherte/Versicherten und Jahr. Dies entsprach einem Verordnungsvolumen von 39,6 Milliarden definierten Tagesdosen (Defined Daily Doses – DDD). Eine definierte Tagesdosis ist diejenige Dosis eines Medikaments, die für die Behandlung während eines Tages im Durchschnitt ausreicht. Je Versicherte/Versicherten in Deutschland wurden durchschnittlich 563 definierte Tagesdosen verordnet. Während des gesamten Jahres 2014 erhielt also jede Versicherte und jeder Versicherte im Durchschnitt an jedem Tag mehr als die für die Behandlung einer Krankheit erforderliche Dosis
Die verordnungsstärksten Arzneimittelgruppen 2014 (PDF) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Die Arzneimittelverordnungen konzentrieren sich auf eine vergleichsweise geringe Zahl von Arzneimittelgruppen. Auf die 40 am häufigsten verordneten Arzneimittelgruppen entfielen im Rahmen der GKV 2014 95,0 Prozent aller Verordnungen und 76,0 Prozent des Umsatzes und 96,7 Prozent des DDD-Volumens
Arzneimittelverordnung und Arzneimittelverbrauch sind vor allem abhängig vom Alter und vom Geschlecht der Versicherten. Erwartungsgemäß nehmen sie mit dem Alter deutlich zu: Wurden im Jahr 2014 den 20- bis unter 25-Jährigen 79 DDD (0,2 Tagesdosen pro Tag) verordnet, so waren es bei den 80- bis unter 85-Jährigen 1.642 DDD, das sind 4,5 Tagesdosen pro Tag. In der Gruppe der Versicherten im Alter von 85 und mehr gingen die Arzneimittelverordnungen aber wieder leicht zurück. Auf die GKV-Versicherten mit einem Lebensalter ab 65 Jahre entfielen im Jahr 2014 54 Prozent des gesamten GKV-Umsatzes an Arzneimitteln und 55 Prozent des DDD-Volumens, sie machten aber lediglich 22 Prozent der GKV-Versicherten aus
Altersspezifische Unterschiede lassen sich nicht nur bei der Menge der Arzneimittelverordnungen feststellen, sondern auch bei den verschiedenen Krankheitsarten, für die Arzneimittel verschrieben werden (Indikationsgruppen):
Bei den unter 45-Jährigen dominieren Medikamente gegen Erkältungskrankheiten sowie Schmerz-, Kreislauf- und Magen-Darm-Mittel.
Bei den über 45-Jährigen dominieren Arzneimittel für kardiovaskuläre Erkrankungen, Krankheiten des rheumatischen Formenkreises und Stoffwechselstörungen.
In der Regel steigt bei den einzelnen Indikationsgruppen der Arzneimittelverbrauch im Alter stark an. Dabei konzentriert sich der Großteil der Arzneimittelverordnungen auf eine relativ kleine Gruppe von Versicherten: Im Allgemeinen lässt sich feststellen, dass auf rund 20 Prozent der Versicherten rund 80 Prozent der Arzneimittelausgaben entfallen
Prozentuale Verteilung der Kosten für Versicherte der BARMER GEK mit Arzneimitteltherapie im Jahr 2015 (Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Prozentuale Verteilung der Kosten für Versicherte der BARMER GEK mit Arzneimitteltherapie im Jahr 2015 (Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Der durchschnittliche Arzneimittelverbrauch ist bei Frauen höher als bei Männern. Im Jahr 2014 wurden jeder Frau durchschnittlich 608 DDD verordnet. Dies waren 19 Prozent mehr als bei Männern mit 512 DDD
Selbstmedikation
Eine beachtliche Zahl von Arzneimitteln ist nicht verschreibungspflichtig, sondern frei erhältlich. Wenn Patienten solche Medikamente ohne ärztliche Verordnung erwerben, spricht man von Selbstmedikation. Seit den 1980er-Jahren hat die Selbstmedikation stark an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2015 erreichte sie einen Umsatz von 6,61 Milliarden Euro, das waren 13,2 Prozent des gesamten Arzneimittelmarktes in Deutschland, der sich auf 50,22 Milliarden belief
Die erhöhten Zuzahlungen für Arzneimittel veranlassen manche Patientinnen und Patienten, preiswertere rezeptfreie Medikamente ohne vorherige Konsultation ihrer Ärztin oder ihres Arztes und ohne die damit verbundenen Wartezeiten direkt in der Apotheke zu erwerben.
Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein führt dazu, dass die Nachfrage nach solchen Präparaten steigt, die nicht rezeptpflichtig beziehungsweise nicht verordnungsfähig sind. Dies gilt insbesondere für viele alternative Heilmethoden.
Der (weitgehende) Ausschluss von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2004 führte dazu, dass derartige Präparate nun von den Patientinnen und Patienten privat gekauft werden.
Im Jahr 2015 entfielen mehr als 86,9 Prozent des Arzneimittelumsatzes (zu Endverbraucherpreisen) auf rezeptpflichtige Arzneimittel. Weitere fünf Prozent machten verordnete rezeptfreie Arzneimittel und weitere 13 Prozent frei verkäufliche rezeptfreie Arzneimittel in Apotheken aus, die auf dem Wege der Selbstmedikation erworben wurden (siehe Tabelle).
Der Arzneimittelmarkt in Deutschland 2015
Umsatz in Milliarden Euro zu Endverbraucherpreisen
Mrd. Euro | % | |
---|---|---|
Rezeptpflichtige Arzneimittel | 43,81 | 86,9 |
Rezeptfreie Arzneimittel in der Apotheke | 6,41 | 12,7 |
Davon verordnete rezeptfreie Arzneimittel Selbstmedikation | 1,25 5,16 | 2,5 10,2 |
Apothekenmarkt gesamt | 50,22 | 99,6 |
außerhalb der Apotheke mit Discounter | 0,20 | 0,4 |
Gesamt | 50,42 | 100 |
Quelle: BAH 2015: 6, 18; eigene Berechnungen.