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Verordnung und Verbrauch von Arzneimitteln | bpb.de

Verordnung und Verbrauch von Arzneimitteln

Thomas Gerlinger

/ 5 Minuten zu lesen

Arzneimittel spielen in der modernen Medizin eine bedeutende Rolle. Dabei ist eine beachtliche Zahl von Arzneimitteln nicht verschreibungspflichtig, sondern frei erhältlich. Die Selbstmedikation hat an Bedeutung gewonnen.

Die Hand eines Senioren drückt ein Dragee aus einer Medikamenten-Verpackung. (© picture-alliance, ZB)

Arzneimittel und ihre Bedeutung

Dem Arzneimittelgesetz (AMG) zufolge sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen von Stoffen, die

  • als Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten,

  • für ärztliche Diagnosen sowie

  • zur Erkennung, Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung von Körperfunktionen

eingesetzt werden (§ 2 Abs. 1 AMG). Arzneimittel sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. In Deutschland wird im Durchschnitt bei jedem Arztbesuch ein Medikament verordnet.

Die Verfügbarkeit von Arzneimitteln hat einen erheblichen Einfluss auf den Umgang mit Krankheit. Aus der Sicht des Arztes ist die Verordnung eines Medikaments eine schnelle und wenig aufwendige Therapieform. Sie signalisiert dem Patienten, dass der Arzt aufgrund des eigenen Expertenwissens tätig wird, um die Krankheit zu heilen oder die Beschwerden zu lindern. Beim Patienten begründet die Einnahme eines Medikaments die Hoffnung auf eine baldige Besserung des Gesundheitszustands. Zumeist beeinträchtigt sie den Lebensalltag nicht oder nur geringfügig. Insbesondere dort, wo die Arzneimitteltherapie andere Therapieformen (zum Beispiel chirurgische Eingriffe) ersetzen kann, wird sie von den Patienten oftmals als vergleichsweise wenig belastend empfunden. Außerdem erlaubt ihnen die Einnahme eines Medikaments in vielen Fällen, ihre bisherigen Lebensgewohnheiten beizubehalten. Auf der anderen Seite erleichtert die Möglichkeit einer Arzneimitteltherapie es dem Arzt, dem Patienten einen solchen Wandel nicht nahezulegen beziehungsweise nicht zuzumuten. Zugleich trägt die Ärztin oder der Arzt aber auch dem Umstand Rechnung, dass er auf die Krankheitsursachen, die in den Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen wurzeln, kaum Einfluss nehmen kann.

Umfang und Art von Arzneimittelverordnungen

Verordnungen und Umsatz von Arzneimitteln in der GKV 1995-2014 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Besonders gut erfasst sind die Arzneimittelverordnungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Da dort fast 90 Prozent der Bevölkerung versichert sind, geben diese Daten einen guten Einblick in das gesamte Verordnungsgeschehen. Im Jahr 2014 erfolgten im Rahmen der GKV rund 651 Millionen Arzneimittelverordnungen, also durchschnittlich 9,3 Verordnungen je Versicherte/Versicherten und Jahr. Dies entsprach einem Verordnungsvolumen von 39,6 Milliarden definierten Tagesdosen (Defined Daily Doses – DDD). Eine definierte Tagesdosis ist diejenige Dosis eines Medikaments, die für die Behandlung während eines Tages im Durchschnitt ausreicht. Je Versicherte/Versicherten in Deutschland wurden durchschnittlich 563 definierte Tagesdosen verordnet. Während des gesamten Jahres 2014 erhielt also jede Versicherte und jeder Versicherte im Durchschnitt an jedem Tag mehr als die für die Behandlung einer Krankheit erforderliche Dosis . Damit liegt die Bundesrepublik Deutschland beim Arzneimittelverbrauch im Vergleich der OECD-Länder im Mittelfeld .

Die verordnungsstärksten Arzneimittelgruppen 2014 (PDF) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die Arzneimittelverordnungen konzentrieren sich auf eine vergleichsweise geringe Zahl von Arzneimittelgruppen. Auf die 40 am häufigsten verordneten Arzneimittelgruppen entfielen im Rahmen der GKV 2014 95,0 Prozent aller Verordnungen und 76,0 Prozent des Umsatzes und 96,7 Prozent des DDD-Volumens .

Arzneimittelverordnung und Arzneimittelverbrauch sind vor allem abhängig vom Alter und vom Geschlecht der Versicherten. Erwartungsgemäß nehmen sie mit dem Alter deutlich zu: Wurden im Jahr 2014 den 20- bis unter 25-Jährigen 79 DDD (0,2 Tagesdosen pro Tag) verordnet, so waren es bei den 80- bis unter 85-Jährigen 1.642 DDD, das sind 4,5 Tagesdosen pro Tag. In der Gruppe der Versicherten im Alter von 85 und mehr gingen die Arzneimittelverordnungen aber wieder leicht zurück. Auf die GKV-Versicherten mit einem Lebensalter ab 65 Jahre entfielen im Jahr 2014 54 Prozent des gesamten GKV-Umsatzes an Arzneimitteln und 55 Prozent des DDD-Volumens, sie machten aber lediglich 22 Prozent der GKV-Versicherten aus .

Altersspezifische Unterschiede lassen sich nicht nur bei der Menge der Arzneimittelverordnungen feststellen, sondern auch bei den verschiedenen Krankheitsarten, für die Arzneimittel verschrieben werden (Indikationsgruppen):

  • Bei den unter 45-Jährigen dominieren Medikamente gegen Erkältungskrankheiten sowie Schmerz-, Kreislauf- und Magen-Darm-Mittel.

  • Bei den über 45-Jährigen dominieren Arzneimittel für kardiovaskuläre Erkrankungen, Krankheiten des rheumatischen Formenkreises und Stoffwechselstörungen.

In der Regel steigt bei den einzelnen Indikationsgruppen der Arzneimittelverbrauch im Alter stark an. Dabei konzentriert sich der Großteil der Arzneimittelverordnungen auf eine relativ kleine Gruppe von Versicherten: Im Allgemeinen lässt sich feststellen, dass auf rund 20 Prozent der Versicherten rund 80 Prozent der Arzneimittelausgaben entfallen .

Prozentuale Verteilung der Kosten für Versicherte der BARMER GEK mit Arzneimitteltherapie im Jahr 2015 (Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Der durchschnittliche Arzneimittelverbrauch ist bei Frauen höher als bei Männern. Im Jahr 2014 wurden jeder Frau durchschnittlich 608 DDD verordnet. Dies waren 19 Prozent mehr als bei Männern mit 512 DDD . Allerdings sind die pro Kopf verordneten Tagesdosen bei Frauen nicht in allen Altersgruppen höher als bei Männern: Frauen liegen bei den 10- bis 59-Jährigen und bei den 75-Jährigen und Älteren vorne. Die verbleibende Differenz bei den durchschnittlich verordneten Tagesdosen ist in geringerem Maße auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verordnungsmenge pro Kopf und Arztbesuch zurückzuführen. Von größerer Bedeutung ist der Umstand, dass Frauen deutlich häufiger einen Arzt aufsuchen und Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsangebote stärker in Anspruch nehmen als Männer (zum Beispiel Früherkennungsuntersuchungen). Betrachtet man die verordneten Arzneimittel nach ihren Kosten, stellt man allerdings fest, dass die Tagesdosis bei Männern im Durchschnitt etwas teurer war als die Tagesdosis für eine Frau .

Selbstmedikation

Eine beachtliche Zahl von Arzneimitteln ist nicht verschreibungspflichtig, sondern frei erhältlich. Wenn Patienten solche Medikamente ohne ärztliche Verordnung erwerben, spricht man von Selbstmedikation. Seit den 1980er-Jahren hat die Selbstmedikation stark an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2015 erreichte sie einen Umsatz von 6,61 Milliarden Euro, das waren 13,2 Prozent des gesamten Arzneimittelmarktes in Deutschland, der sich auf 50,22 Milliarden belief . Von den insgesamt 1.469 Millionen Arzneimittelpackungen, die 2015 in deutschen Apotheken abgegeben wurden, ging gut die Hälfte, nämlich 735 Millionen, auf Selbstmedikation zurück . Der Bedeutungszuwachs der Selbstmedikation ist auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen:

  • Die erhöhten Zuzahlungen für Arzneimittel veranlassen manche Patientinnen und Patienten, preiswertere rezeptfreie Medikamente ohne vorherige Konsultation ihrer Ärztin oder ihres Arztes und ohne die damit verbundenen Wartezeiten direkt in der Apotheke zu erwerben.

  • Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein führt dazu, dass die Nachfrage nach solchen Präparaten steigt, die nicht rezeptpflichtig beziehungsweise nicht verordnungsfähig sind. Dies gilt insbesondere für viele alternative Heilmethoden.

  • Der (weitgehende) Ausschluss von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2004 führte dazu, dass derartige Präparate nun von den Patientinnen und Patienten privat gekauft werden.

Im Jahr 2015 entfielen mehr als 86,9 Prozent des Arzneimittelumsatzes (zu Endverbraucherpreisen) auf rezeptpflichtige Arzneimittel. Weitere fünf Prozent machten verordnete rezeptfreie Arzneimittel und weitere 13 Prozent frei verkäufliche rezeptfreie Arzneimittel in Apotheken aus, die auf dem Wege der Selbstmedikation erworben wurden (siehe Tabelle).

Der Arzneimittelmarkt in Deutschland 2015

Umsatz in Milliarden Euro zu Endverbraucherpreisen

Mrd. Euro %
Rezeptpflichtige Arzneimittel 43,8186,9
Rezeptfreie Arzneimittel in der Apotheke 6,4112,7
Davon
verordnete rezeptfreie Arzneimittel
Selbstmedikation
1,25
5,16
2,5
10,2
Apothekenmarkt gesamt 50,2299,6
außerhalb der Apotheke mit Discounter 0,200,4
Gesamt 50,42100

Quelle: BAH 2015: 6, 18; eigene Berechnungen.

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Erläuterung

Richtige Antwort: a) Die Definition von Arzneimitteln ist gesetzlich geregelt im Arzneimittelgesetz (AMG).
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Erläuterung

Richtige Antwort: a) Eine definierte Tagesdosis ist diejenige Dosis eines Medikaments, die für die Behandlung während eines Tages im Durchschnitt ausreicht.
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Richtige Antwort: c) Auf GKV-Versicherte im Alter von 65 Jahren und mehr entfiel etwas mehr als die Hälfte des GKV-Arzneimittelumsatzes, sie machten aber nur rund 22 Prozent der Bevölkerung aus.
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Erläuterung

Richtige Antwort: b) Frauen werden im Durchschnitt mehr Arzneimittel verordnet als Männern.
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Richtige Antwort: b) Der Anteil der Selbstmedikation am gesamten Arzneimittelumsatz in Deutschland beträgt rund 13 Prozent.
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Ihre Auswertung

Die Definition von Arzneimitteln ist gesetzlich geregelt im:

Erläuterung
Richtige Antwort: a) Die Definition von Arzneimitteln ist gesetzlich geregelt im Arzneimittelgesetz (AMG).

Was ist eine definierte Tagesdosis (Daily Defined Dosis – DDD)?

Erläuterung
Richtige Antwort: a) Eine definierte Tagesdosis ist diejenige Dosis eines Medikaments, die für die Behandlung während eines Tages im Durchschnitt ausreicht.

Welche Aussage zur Arzneimittelverordnung nach dem Alter trifft zu?

Erläuterung
Richtige Antwort: c) Auf GKV-Versicherte im Alter von 65 Jahren und mehr entfiel etwas mehr als die Hälfte des GKV-Arzneimittelumsatzes, sie machten aber nur rund 22 Prozent der Bevölkerung aus.

Welche Aussage zur Arzneimittelverordnung trifft zu?

Erläuterung
Richtige Antwort: b) Frauen werden im Durchschnitt mehr Arzneimittel verordnet als Männern.

Wie hoch ist der Anteil der Selbstmedikation am gesamten Arzneimittelumsatz in Deutschland?

Erläuterung
Richtige Antwort: b) Der Anteil der Selbstmedikation am gesamten Arzneimittelumsatz in Deutschland beträgt rund 13 Prozent.

Quellen / Literatur

Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (2016): Der Arzneimittelmarkt in Deutschland 2015. Zahlen und Fakten, Bonn: BAH.

Grandt, Daniel/Schubert, Ingrid (2016): Barmer GEK Arzneimittelreport 2016. Analysen zur Arzneimitteltherapie und Arzneimittelsicherheit, Bd. 39, Siegburg: Asgard. Externer Link: https://www.barmer.de/blob/36730/5d1b2964c4fe2dc9de815c357fda7dc8/data/pdf-arzneimittelreport-2016.pdf

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (2016): Pharma-Daten 2016, Berlin: BPI.

Schaufler, Julia/Telschow, Carsten (2015): Arzneimittelverordnungen nach Alter und Geschlecht. In: Schwabe, Ulrich/Paffrath, Dieter (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2015, Heidelberg: Springer, S. 1091-1106.

Schwabe, Ulrich (2015): Arzneiverordnungen 2014 im Überblick. In: Schwabe, Ulrich/Paffrath, Dieter (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2015, S. 3-35.

Schwabe, Ulrich/Paffrath, Dieter (Hrsg.) (2015): Arzneiverordnungs-Report 2015. Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare, Berlin/Heidelberg: Springer.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Schwabe 2015; Schaufler/Telschow 2015: 1091ff.

  2. OECD 2016.

  3. Schwabe 2015: 6f.

  4. Schaufler/Telschow 2015: 1091ff.

  5. Z.B. Grandt/Schubert 2016: 33.

  6. Schaufler/Telschow 2015: 1091ff.

  7. Schaufler/Telschow 2015, S.: 1101ff.

  8. Bundesverband der Arzneimittelhersteller 2015: 6.

  9. Bundesverband der Arzneimittelhersteller 2015.

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Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.