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Der Risikostrukturausgleich (RSA) – Einführung | bpb.de

Der Risikostrukturausgleich (RSA) – Einführung

Thomas Gerlinger

/ 3 Minuten zu lesen

Der Risikostrukturausgleich ist von großer Bedeutung für das heutige System der gesetzlichen Krankenversicherung. Ohne einen Risikostrukturausgleich würde die freie Kassenwahl zu erheblichen Verwerfungen unter den Krankenkassen führen.

Passanten (© picture-alliance/dpa)

Was ist der Risikostrukturausgleich?

Der Risikostrukturausgleich (RSA) in der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein finanzielles Umverteilungsverfahren zwischen den Krankenkassen. Es wurde im Jahr 1994 eingeführt. Der RSA soll solche Finanzierungsrisiken ausgleichen, die sich aus dem unterschiedlichen Behandlungsbedarf der jeweiligen Versichertengemeinschaft der Kassen ergeben und die die Krankenkassen nicht zu verantworten haben. Es war vorhersehbar, dass die neuen Wahlmöglichkeiten bei den Kassen das Interesse an gesunden Versicherten ("gute Risiken") wecken würde.

Ziel: Eindämmung von "Rosinenpickerei"

Ziel war es, das Interesse der Krankenkassen an einer Roseinenpickerei einzudämmen, also Versuche, "gute Risiken" anzulocken und "schlechte Risiken" fernzuhalten. Ein "gutes Risiko" ist für eine Krankenkasse ein Versicherter, der hohe Beiträge zahlt und dessen Behandungsbedarf möglichst gering ist. Eine Kasse, die überdurchschnittlich viele dieser "guten Risiken" unter ihren Mitgliedern hat, kann einen niedrigeren Beitragssatz erheben:

  • Da die Beiträge einkommensbezogen erhoben werden, erhält die Krankenkasse von einem Geringverdiener geringere Beitragssummen als von einem Besserverdiener. Die Geringverdiener wären somit im Durchschnitt immer ein schlechteres Risiko als die Besserverdienenden.

  • Kinder und nicht erwerbstätige Ehepartnerinnen oder Ehepartner zahlen in der GKV keine Beiträge, sondern sind beitragsfrei mitversichert. Aus Sicht einer Krankenkasse bedeutet dies: Ein Mitglied, das noch mehrere beitragsfrei versicherte Familienangehörige mitbringt, ist ein schlechteres Risiko als ein Single mit gleichem Einkommen.

  • Frauen verursachen höhere Ausgaben als Männer.

  • Ältere Menschen verursachen höhere Ausgaben als jüngere.

Das Geschlecht und vor allem das Alter geben somit indirekt Informationen über den durchschnittlich zu erwartenden Behandlungsbedarf und damit über die Ausgaben, die auf eine Krankenkasse zukommen.

Eine Ausrichtung des Kassenwettbewerbs auf die Selektion von "guten" und die Abschreckung von "schlechten" Risiken stünde in krassem Widerspruch zu wichtigen Grundprinzipien der deutschen GKV.

Der Risikostrukturausgleich in seinen Anfängen

Der RSA führt somit dazu, dass Krankenkassen, deren Versicherte im Durchschnitt mehr Leistungen benötigen (z.B. weil sie im Durchschnitt älter sind), auch mehr Finanzmittel erhalten als Krankenkassen mit geringeren Versorgungsrisiken. Auf diese Weise sollte er finanziellen Verwerfungen zwischen den Krankenkassen nach der Einführung der freien Kassenwahl im Jahr 1996 entgegenwirken. Dazu zählten die Indikatoren Alter, Einkommen, Geschlecht, Anzahl der beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen und Bezug einer Erwerbsminderungsrente. Später wurde der RSA um andere Kriterien erweitert (vgl. Verwandte Lerntour: Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich).

Verwandte LerntourMorbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich

Ein Familienvater mit seinen Kindern, undatiertes Bild vom September 2008. (© picture alliance/dpa-Zentralbild)

Für jede Krankenkasse wurde in Abhängigkeit von der Zusammensetzung ihres Versichertenkreises ein bestimmter Beitragsbedarf ermittelt. Davon wurden die Beitragseinnahmen abgezogen. Wenn der Beitragsbedarf über den Einnahmen lag, erhielt die betreffende Krankenkasse Finanzmittel aus dem RSA, lag er unter den Einnahmen, zahlte sie in den RSA ein. Kassen mit günstigerer Risikozusammensetzung mussten also an Kassen mit ungünstigerer Risikozusammensetzung einen Teil ihrer Einnahmen abführen. Bezugspunkt waren dabei nicht Ausgaben, die einer Kasse real entstanden waren, sondern nur diejenigen Ausgaben, die dem Durchschnitt der GKV-Ausgaben für die Versicherten entsprachen. Der RSA garantierte den Krankenkassen entsprechend ihrer Versichertenstruktur nur eine bestimmte Einnahmenhöhe. Sollten die Ausgaben einer Kasse ihre Einnahmen überschreiten, musste die Solidargemeinschaft der jeweiligen Krankenkasse diese Differenz tragen, also einen Beitragssatz zahlen. Einsparungen konnte die Kasse in Form von Beitragssatzsenkungen an ihre Mitglieder weitergeben. Die Kassen hatten und haben also trotz des Ausgleichsverfahrens einen starken finanziellen Anreiz, ihre Ausgaben zu senken.

Verwandte LerntourPerspektiven des Risikostrukturausgleichs

Das Lernobjekt "Perspektiven des Risikostrukturausgleichs" befasst sich mit der weiteren Entwicklung des RSA in nächster Zukunft. Interner Link: Zur Lerntour

Ausgangspunkt sind die zwischenzeitlich offenbar gewordenen Mängel des ursprünglichen RSA-Verfahrens. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und bereits 2002 eine Änderung eingeführt. Ab 2009 wurde der Risikostrukturausgleich auf eine ganz neue konzeptionelle Basis gestellt.

TippInformationen zum RSA

Informationen zum 2009 eingeführten morbiditätsorientierten RSA finden Sie einerseits in einer Externer Link: Erläuterung des Bundesversicherungsamts (BVA) oder ausführlich in der Lerntour "Der Gesundheitsfonds". Interner Link: Zur Lerntour

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.